Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragspsychotherapeutische Versorgung. Psychologischer Psychotherapeut. Fachkundenachweis. Aus- und Weiterbildung an nicht durch KÄBV anerkannter Institution. Anforderungen an Nachweis. Beweismittel
Orientierungssatz
1. Ein Psychologischer Psychotherapeut, der seine Aus- bzw Weiterbildung in einem Richtlinienverfahren absolviert hat, kann den Fachkundenachweis auch dann führen, wenn die Institution, an der er aus- bzw weitergebildet worden ist, nicht von der KÄBV auf der Grundlage des § 3 Abs 2 der Psychotherapie-Vereinbarungen anerkannt war.
2. Der Nachweis setzt voraus, dass die Weiterbildung der Form und dem Inhalt nach den Anforderungen genügt hat, die bis zum 31.12.1998 an eine den Kriterien der Psychotherapie-Vereinbarung entsprechende Ausbildung zu stellen waren. Dieser Nachweis kann mit allen zur Verfügung stehenden Beweismitteln, also sowohl mit Urkunden über die Struktur der damaligen Ausbildung sowie mit Aussagen von Zeugen über Ausbildungsgang und Ausbildungsinhalte, geführt werden. Lässt sich der Qualifikationsnachweis - insbesondere im Hinblick auf die inzwischen verstrichene Zeit - nicht mehr führen, geht das nach allgemeinen verfahrensrechtlichen Grundsätzen zu Lasten dessen, der aus dem erfolgreich geführten Fachkundenachweis eine positive Rechtsfolge für sich herleiten will.
Normenkette
SGB 5 § 82 Abs. 1, § 95c S. 2 Nr. 3; BMV-Ä Anl 1 § 3 Abs. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Die klagende Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) wendet sich gegen eine Entscheidung des beklagten Berufungsausschusses, den Beigeladenen zu 5. in Abänderung einer Entscheidung des Zulassungsausschusses als Psychologischen Psychotherapeuten bedarfsunabhängig in K. zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung zuzulassen. Umstritten ist zwischen den Beteiligten, ob der Beigeladene zu 5. die für die bedarfsunabhängige Zulassung gemäß § 95 Abs 10 Satz 1 Nr 1 iVm § 95c Satz 2 Nr 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) erforderliche Fachkunde nachgewiesen hat. Der Beklagte ist der Auffassung, die vom Beigeladenen zu 5. vorgelegten Unterlagen bestätigten formal und inhaltlich eine eigenständige Zusatzausbildung außerhalb des Studiums in tiefenpsychologisch fundierter Psychotherapie, mithin in einem Richtlinienverfahren. Die Klägerin ist demgegenüber der Ansicht, der Fachkundenachweis in einem Richtlinienverfahren sei nur geführt, wenn die Ausbildung an einem von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KÄBV) anerkannten Ausbildungsinstitut absolviert worden sei.
Im Klage- und Berufungsverfahren hat der Beklagte obsiegt (Urteil des Landessozialgerichts ≪LSG≫ vom 9. Juli 2003).
Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision macht die Klägerin geltend, im Rechtsstreit seien Fragen von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 1 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫).
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Sie ist - soweit sie zulässig ist - unbegründet.
Die Klägerin hält für grundsätzlich bedeutsam, "wie der nach § 95c Satz 2 Nr 3 SGB V geforderte Fachkundenachweis, die Qualifikation, Weiterbildung, Behandlungsstunden, Behandlungsfälle und die theoretische Ausbildung in einem nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB V anerkannten Behandlungsverfahren, einem sogenannten Richtlinienverfahren nachzuweisen ist". In dieser Formulierung genügt die Beschwerdebegründung nicht der aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Anforderung, zur Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung ua eine der Entscheidung des Revisionsgerichts zugängliche Rechtsfrage in eigener Formulierung zu bezeichnen. Eine über den Einzelfall hinausweisende Rechtsaussage des Bundessozialgerichts (BSG), wie allgemein der geforderte Fachkundenachweis zu führen ist, erscheint schwerlich möglich.
Der von der Klägerin aufgeworfenen Rechtsfrage kann jedoch die konkretere Frage entnommen werden, ob der Fachkundenachweis nur geführt ist, wenn die theoretische Ausbildung sowie die Behandlungsstunden, mit denen die Befähigung in einem Richtlinienverfahren nachgewiesen werden soll, an einem insbesondere von der KÄBV anerkannten Ausbildungsinstitut absolviert worden sind. In dieser engeren Formulierung ist die Rechtsfrage einer Entscheidung des Revisionsgerichts zugänglich. Sie ist im Rechtsstreit auch entscheidungserheblich. Der Beigeladene zu 5. hat seine Ausbildung in dem Richtlinienverfahren "tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie" bei der Wissenschaftlichen Gesellschaft für analytische Intensivbehandlung/Psychotherapie erbracht und diese Gesellschaft bzw ihr Institut waren nicht von der KÄBV als Ausbildungsinstitut anerkannt. Die Rechtsfrage ist jedoch nicht klärungsbedürftig, weil sie sich auf der Grundlage der maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften im Sinne der Rechtsauffassung der Vorinstanzen beantworten lässt, ohne dass es insoweit der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf (zur fehlenden Klärungsbedürftigkeit in einem solchen Fall siehe zB BSG SozR 3-1500 § 146 Nr 2 S 6; SozR 3-2500 § 75 Nr 8 S 34; SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38).
Die Voraussetzungen für den Nachweis der Fachkunde sind gemäß § 95c Satz 2 SGB V unterschiedlich, je nach dem, auf welcher Rechtsgrundlage die Approbation erteilt worden ist. Für Psychotherapeuten, deren Approbation - wie diejenige des Beigeladenen zu 5. - auf der übergangsrechtlichen Regelung des § 12 Psychotherapeutengesetz (PsychThG) beruht, verweisen die Bestimmungen über den Fachkundenachweis auf die Anforderungen an Qualifikation und durchgeführte Behandlungen bzw Falldokumentation, die für die Approbation nachgewiesen werden müssen (§ 95c Satz 2 Nr 3 SGB V). In allen drei Varianten des § 95c Satz 2 SGB V ist der Gegenstand der Prüfung seitens der KÄVen (im Arztregistereintragungsverfahren) bzw seitens der Zulassungsgremien bei bedarfsunabhängigen Zulassungen der Ermächtigungen kraft Übergangsrechts gemäß § 95 Abs 10 bzw Abs 11 SGB V identisch. Sie müssen ermitteln und entscheiden, ob die der Approbation zu Grunde liegende Ausbildung, Prüfung, Qualifikation bzw Weiterbildung sowie ggf die erforderlichen Behandlungsstunden, Behandlungsfälle und theoretische Ausbildung für ein Behandlungsverfahren nachgewiesen sind, das der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen in Richtlinien auf der Grundlage des § 92 SGB V anerkannt hat. Die Zulassung zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung setzt voraus, dass der Psychotherapeut in der Lage ist, die Versicherten in einem in der gesetzlichen Krankenversicherung anerkannten Behandlungsverfahren zu behandeln (Beschlussempfehlung und Bericht des Bundestagsausschusses für Gesundheit zum PsychThG, BT-Drucks 13/9212, S 41 zu Nr 11, zu § 95c SGB V). Die Fachkundeprüfung dient damit dem Zweck, anhand der im Approbationsverfahren nachgewiesenen Befähigung zu klären, ob Behandlungsverfahren erlernt oder in der Vergangenheit praktiziert worden sind, die zu den Leistungen in der gesetzlichen Krankenversicherung gehören. Bei dem in § 95c Satz 2 Nr 3 SGB V angesprochenen Personenkreis der nach § 12 PsychThG approbierten Psychotherapeuten kommt es darauf an, welche Verfahren in den Psychotherapie-Richtlinien des Bundesausschusses in der Fassung des Beschlusses vom 17. Dezember 1996 (BAnz Nr 49 vom 12. März 1997, 2946) als von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung umfasst anerkannt waren (vgl zu alldem BSG SozR 3-2500 § 95 c Nr 1 S 3f)u. Dazu gehört - was zwischen den Beteiligten nicht umstritten ist - die vom Beigeladenen zu 5. praktizierte tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie.
Der ua von der KÄBV geteilte Schluss der Klägerin von der Notwendigkeit des Nachweises der Befähigung für ein anerkanntes Behandlungsverfahren auf die Notwendigkeit, diese Befähigung in einem von der KÄBV oder einer Landesärztekammer anerkannten Ausbildungsinstitut erworben zu haben, ist indessen nicht gerechtfertigt. Dem Wortlaut des Gesetzes ist eine derartige Einschränkung nicht zu entnehmen. Dem Gesetzgeber des PsychThG waren nicht nur die Psychotherapie-Richtlinien bekannt, wie sich aus der Bezugnahme darauf in § 95c Satz 2 Nr 3 SGB V ergibt, sondern auch die auf der Grundlage des § 135 Abs 2 SGB V beruhenden Psychotherapie-Vereinbarungen. Auf diese nimmt die Gesetzesbegründung unter dem Gesichtspunkt der Supervisorenqualifikation nach § 95 Abs 11 SGB V ausdrücklich Bezug (BT-Drucks 13/9212 S 40 zu Nr 10 Buchst c). In § 3 Abs 2 der Psychotherapie-Vereinbarungen im Primär- wie im Ersatzkassenbereich in der bis Ende 1998 geltenden Fassung war bestimmt, dass die Zusatzausbildungen an einem von der KÄBV anerkannten Ausbildungsinstitut absolviert worden sein müssen. Regelungsgegenstand der Psychotherapie-Vereinbarungen war - soweit hier von Interesse - im Wesentlichen die Durchführung des sog Delegationsverfahrens. Nach § 4 Abs 1 der Psychotherapie-Vereinbarungen durfte ein Arzt zur Ausübung von Psychotherapie einen Psychologischen Psychotherapeuten oder analytischen Kindertherapeuten hinzuziehen, wenn bestimmte Voraussetzungen gewährleistet waren (näher dazu BSG SozR 3-5540 Anl 1 § 10 Nr 1).
Der Senat hat indessen in seinen Urteilen vom 8. November 2000 zur bedarfsunabhängigen Zulassung vom Psychologischen Psychotherapeuten aus Bestandsschutzgründen ausgeführt, dass § 95 Abs 10 Satz 1 Nr 3 SGB V nicht nur die sog Delegationspsychotherapeuten, sondern auch diejenigen Behandler erfasst, denen die Behandlungskosten auf der Grundlage des § 13 Abs 3 SGB V von den Krankenkassen direkt oder über den Versicherten erstattet worden sind (ua BSGE 87, 158, 169 = SozR 3-2500 § 95 Nr 25 S 116). Daraus ergibt sich zwingend, dass nach § 95 Abs 10 Satz 1 SGB V auch Psychologische Psychotherapeuten zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen werden können, die nicht bereits nach dem bis Ende 1998 geltenden Rechtszustand die Befähigung nachgewiesen hatten, in dem von den Psychotherapie-Vereinbarungen näher geregelten Delegationsverfahren tätig zu werden. Angesichts dessen hätte es einer ausdrücklichen gesetzlichen Klarstellung oder zumindest eines unmissverständlichen Hinweises in den Gesetzesmaterialien bedurft, dass für den Nachweis der Qualifikation auch der sog Erstattungspsychotherapeuten zwingend und ausnahmslos die Absolvierung der Zusatzausbildung in einem nach den Psychotherapie-Vereinbarungen von der KÄBV anerkannten Ausbildungsinstitut zu fordern ist. Daran fehlt es jedoch. Das hat zur Konsequenz, dass der Ausbildung bzw Weiterbildung an einem solchen Institut zwar erhebliches Gewicht hinsichtlich des Fachkundenachweises zukommt, eine Tatbestandswirkung in dem Sinne, dass jede an einem anderen Institut absolvierte Ausbildung für den Fachkundenachweis nicht ausreicht, jedoch nicht angenommen werden kann. Wenn der Gesetzgeber unter Bestandsschutzgesichtspunkten denjenigen Psychologischen Psychotherapeuten, die sich - aus welchen Gründen auch immer - nicht am Delegationsverfahren beteiligt hatten, eine gleichberechtigte Chance auf bedarfsunabhängige Zulassung zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung hat einräumen wollen, hat er damit einen Personenkreis begünstigt, der von sich aus keinen Anlass hatte, seine Ausbildung an einem von der KÄBV anerkannten Ausbildungsinstitut zu absolvieren; diese Anerkennung hatte nach dem bis Ende 1998 geltendem Rechtszustand unmittelbare Bedeutung lediglich für die Berechtigung, im Delegationsverfahren tätig zu werden.
Ein Psychologischer Psychotherapeut, der seine Aus- bzw Weiterbildung in einem Richtlinienverfahren absolviert hat, kann den Fachkundenachweis deshalb auch dann führen, wenn die Institution, an der er aus- bzw weitergebildet worden ist, nicht von der KÄBV auf der Grundlage des § 3 Abs 2 der Psychotherapie-Vereinbarungen anerkannt war.
Der Nachweis setzt jedoch - worauf die vorinstanzlichen Gerichte zutreffend hingewiesen haben - voraus, dass die Weiterbildung der Form und dem Inhalt nach den Anforderungen genügt hat, die bis zum 31. Dezember 1998 an eine den Kriterien der Psychotherapie-Vereinbarung entsprechende Ausbildung zu stellen waren. Bei von der KÄBV anerkannten Ausbildungsinstituten ist zu vermuten, dass diesen Anforderungen genügt worden ist. Bei allen anderen Ausbildungsinstituten ist dies ggf vom Zulassungsbewerber bzw vom Bewerber um die Eintragung ins Arztregister gemäß § 95c SGB V nachzuweisen. Der Nachweis kann - wie die vorinstanzlichen Gerichte ebenfalls zutreffend entschieden haben - mit allen zur Verfügung stehenden Beweismitteln, also sowohl mit Urkunden über die Struktur der damaligen Ausbildung sowie mit Aussagen von Zeugen über Ausbildungsgang und Ausbildungsinhalte, geführt werden. Lässt sich der Qualifikationsnachweis - insbesondere im Hinblick auf die inzwischen verstrichene Zeit - nicht mehr führen, geht das nach allgemeinen verfahrensrechtlichen Grundsätzen zu Lasten dessen, der aus dem erfolgreich geführten Fachkundenachweis eine positive Rechtsfolge für sich herleiten will, hier also des Zulassungs- bzw Eintragungsbewerbers.
Die Kostenentscheidung ergeht in entsprechender Anwendung des § 193 Absätze 1 und 4 SGG in der bis zum 1. Januar 2002 geltenden und hier noch anzuwendenden Fassung.
Fundstellen