Verfahrensgang
SG Mainz (Entscheidung vom 16.01.2020; Aktenzeichen S 15 AS 833/16) |
LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 16.03.2021; Aktenzeichen L 3 AS 30/20) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 16. März 2021 wird als unzulässig verworfen.
Der Antrag des Klägers, ihm für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwalt K beizuordnen, wird abgelehnt.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der bezeichneten Entscheidung des LSG ist unzulässig (§ 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 Satz 2 SGG).
Nach § 160 Abs 2 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), die Entscheidung des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3). Eine allgemeine Überprüfung des Rechtsstreits in dem Sinne, ob das LSG in der Sache richtig entschieden hat, ist nicht zulässig. Keinen der in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe hat der Kläger in der Begründung der Beschwerde schlüssig dargelegt oder bezeichnet (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).
Die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) erfordert die Formulierung einer bestimmten abstrakten Rechtsfrage, der in dem Rechtsstreit eine grundsätzliche, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung beigemessen wird (vgl BSG vom 22.8.1975 - 11 BA 8/75 - BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11). Die abstrakte Rechtsfrage ist klar zu formulieren, um an ihr die weiteren Voraussetzungen für die Revisionszulassung prüfen zu können (Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, IX. Kap, RdNr 181). Es ist aufzuzeigen, dass die Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und die Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (vgl BSG vom 16.12.1993 - 7 BAr 126/93 - SozR 3-1500 § 160a Nr 16 S 27).
Diesen Darlegungsanforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Soweit sie die Frage aufwirft, "ob und auf welcher (Rechts-)Grundlage Rückforderungen angeblich zu Unrecht erhaltener Leistungen möglich sind und nach welchen Kausalitätsvoraussetzungen", fehlt es bereits an der Formulierung einer abstrakt-generellen Rechtsfrage zur Auslegung einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts. Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Hinweis des Klägers auf das Revisionsverfahren B 4 AS 66/20 R, über das der 4. Senat des BSG am Tag nach dem Eingang der Beschwerdebegründung mit Urteil vom 12.5.2021 entschieden hat. Warum sich die dort entschiedenen Rechtsfragen zu einem Ersatzanspruch des Jobcenters nach § 34a SGB II im vorliegenden Verfahren ebenfalls stellen, legt der Kläger nicht dar.
Auch ein Verfahrensmangel ist der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen, auf dem iS des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG die angefochtene Entscheidung des LSG beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung des § 109 SGG (Anhörung eines bestimmten Arztes) und des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (freie richterliche Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG).
Soweit der Kläger insbesondere rügt, es liege eine Verletzung seines Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 62 SGG; Art 103 GG) und ein Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens (Art 2 Abs 1 iVm Art 20 Abs 3 GG) vor, indem das LSG den von ihm gestellten Terminverlegungsantrag abgelehnt und sodann die mündliche Verhandlung durchgeführt habe, ohne dass er oder sein Prozessbevollmächtigter anwesend gewesen seien, ist ein Verfahrensfehler nicht hinreichend bezeichnet. Auf der Grundlage der Beschwerdebegründung fehlt es bereits an einem iS des § 227 Abs 1 Satz 1 ZPO ordnungsgemäß gestellten Verlegungsantrag mit einem hinreichend substantiiert geltend und ggf glaubhaft gemachten Terminverlegungsgrund (vgl hierzu nur BSG vom 19.5.2021 - B 14 AS 270/20 B - RdNr 5 mwN). Allein mit dem Hinweis darauf, er und sein Prozessbevollmächtigter zählten "wegen Vorerkrankungen (Krebs, Diabetes)" zu den Risikopersonen, weshalb ihnen ein Erscheinen im Termin pandemiebedingt weder möglich noch zumutbar gewesen sei, hat er einen Terminverlegungsgrund nicht hinreichend dargelegt. Vor diesem Hintergrund ist entgegen der Ansicht des Klägers nichts dafür ersichtlich, das in der Sitzung ergangene Urteil des LSG stelle eine verbotene Überraschungsentscheidung dar oder verletze "die Chancen- und Waffengleichheit".
Soweit der Kläger darüber hinaus rügt, das LSG habe seine Verpflichtung zur Erforschung des Sachverhalts von Amts wegen (§ 103 Satz 1 SGG) verletzt, indem es eine namentlich benannte Mitarbeiterin der Gerichtshilfe nicht als Zeugin vernommen habe, hat der Kläger nicht dargelegt, einen Beweisantrag gestellt (und aufrechterhalten) zu haben (vgl hierzu nur Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 160 RdNr 18 ff).
Zuletzt hat der Kläger eine Verletzung seines Anspruchs auf den gesetzlichen Richter (Art 101 Abs 1 Satz 2 GG) nicht hinreichend dargelegt. Im Hinblick auf die Ausführungen zur - behaupteten - Befangenheit beruft sich der Kläger auf die "wiederholten stereotypen Ablehnungen", ohne Tatsachen zu bezeichnen, die eine Prüfung der Besetzungsrüge durch das Revisionsgericht ermöglichen. Dies gilt auch für die nicht substantiierte Rüge, es liege eine Verletzung des gerichtlichen Geschäftsverteilungsplans vor. Allein aus dem Umstand, dass der Senat des LSG "zunächst" anders besetzt war als bei Erlass der angegriffenen Entscheidung, folgt eine solche nicht. Soweit der Kläger abschließend die Tätigkeit einer abgeordneten Richterin am SG beim LSG gerügt hat, hat er schon nicht dargelegt, dass diese Richterin an der angegriffenen Entscheidung mitgewirkt hat, weshalb sich die Frage einer ggf unzulässigen "Ketten-Abordnung" (vgl hierzu zuletzt BSG vom 11.10.2021 - B 14 AS 53/21 B - RdNr 4 ff mwN) nicht stellt.
PKH ist dem Kläger nicht zu bewilligen, da seine Rechtsverfolgung aus den vorstehend genannten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 ZPO). Da der Kläger keinen Anspruch auf Bewilligung von PKH hat, ist auch sein Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts abzulehnen (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 ZPO).
Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt in entsprechender Anwendung des § 169 Satz 3 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG.
S. Knickrehm Neumann Harich
Fundstellen
Dokument-Index HI15274542 |