Verfahrensgang
SG Koblenz (Entscheidung vom 26.07.2018; Aktenzeichen S 5 KR 382/17) |
LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 15.05.2019; Aktenzeichen L 5 KR 234/18) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 15. Mai 2019 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Das LSG hat mit Urteil vom 15.5.2019 die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG vom 26.7.2018 zurückgewiesen, weil die Klägerin keinen Anspruch auf die begehrte Zahlung von Krankengeld (Krg) für die Zeit vom 12.12.2016 bis zum 20.3.2017 gegen die beklagte Krankenkasse (KK) nach Maßgabe von § 44 Abs 1 und § 46 Satz 1 Nr 2, Satz 2 SGB V in der ab 23.7.2015 geltenden Fassung iVm § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V habe. Zwar habe das Pflichtversicherungsverhältnis der Klägerin aufgrund des Arbeitsverhältnisses während ihres Anspruchs auf Krg ab 7.12.2016 fortbestanden. Für den Erhalt des Krg-Anspruchs über den 11.12.2016 hinaus, habe aber die weitere Feststellung von Arbeitsunfähigkeit (AU) spätestens am 12.12.2016 erfolgen müssen. Eine solche ärztliche AU-Feststellung noch am 12.12.2016 sei nicht erfolgt. Zum Zeitpunkt der erneuten ärztlichen Feststellung der AU am 13.12.2016 sei die Klägerin nicht mehr mit Anspruch auf Krg versichert gewesen. Diese Regelung des § 46 Satz 1 Nr 2 SGB V sei strikt zu handhaben. Eine ausnahmsweise Unbeachtlichkeit der nicht rechtzeitig erfolgten AU-Feststellung iS der vom BSG anerkannten Ausnahmefälle (Hinweis auf Urteil des Senats vom 11.5.2017 - B 3 KR 22/15 R - BSGE 123, 134 = SozR 4-2500 § 46 Nr 8) liege nicht vor. Hierfür wäre ein Arzt-Patienten-Kontakt am 12.12.2016 erforderlich gewesen, der allerdings nicht stattgefunden habe. Maßgebend könne diesbezüglich nicht der Akupunkturtermin am 8.12.2016 sein.
Gegen die Nichtzulassung der Revision durch das LSG im vorgenannten Urteil hat die Klägerin Beschwerde eingelegt und beruft sich auf das Vorliegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) und einer Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG).
II
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG vom 15.5.2019 ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 SGG). Die Verwerfung erfolgt in entsprechender Anwendung des § 169 Satz 3 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
Nach § 160 Abs 2 SGG ist die Revision ua zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder wenn die Entscheidung des LSG von einer Entscheidung des BSG, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2). Eine allgemeine Überprüfung der Richtigkeit der Entscheidung des LSG erfolgt im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nicht. Beide hier geltend gemachten Zulassungsgründe (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG) hat die Klägerin in der Begründung der Beschwerde nicht schlüssig dargelegt oder bezeichnet (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).
1. Eine Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) liegt vor, wenn die tragenden abstrakten Rechtssätze, die zwei Entscheidungen zugrunde gelegt worden sind, nicht übereinstimmen. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG aufgestellt hat. Eine Abweichung liegt folglich nicht schon dann vor, wenn das Urteil des LSG nicht den Kriterien entspricht, die das BSG aufgestellt hat, sondern erst, wenn das LSG diesen Kriterien widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Abweichung. Darüber hinaus verlangt der Zulassungsgrund der Divergenz, dass das angefochtene Urteil auf der Abweichung beruht (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG). Bezogen auf die Darlegungspflicht bedeutet dies: Die Beschwerdebegründung muss erkennen lassen, welcher abstrakte Rechtssatz in der in Bezug genommenen Entscheidung enthalten ist und welcher im Urteil des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht. Ferner muss aufgezeigt werden, dass auch das BSG die oberstgerichtliche Rechtsprechung im Revisionsverfahren seiner Entscheidung zugrunde zu legen haben wird (stRspr, vgl zum Ganzen: BSG Beschluss vom 29.3.2007 - B 9a VJ 5/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 17; BSG Beschluss vom 26.6.2006 - B 1 KR 19/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 10 RdNr 4).
Diese Darlegungspflicht erfüllt die Beschwerdebegründung nicht, weil Rechtssätze des LSG, mit denen es "eigene" rechtliche Maßstäbe entwickelt hat, nicht bezeichnet werden. Das LSG hat gerade unter Bezugnahme auf das Urteil des BSG vom 11.5.2017 (B 3 KR 22/15 R, aaO) den Fall der Klägerin subsumiert, ohne dabei einen eigenständigen abstrakten Rechtssatz zu bilden, mit dem es der Rechtsprechung des BSG widersprochen hätte. Soweit die Klägerin eine Abweichung der Rechtsprechung zu erkennen vermag, hat sie mit ihrer Beschwerdebegründung nicht dargelegt, dass eine solche Divergenz vorliegt und das Urteil des LSG auf dieser beruhen könnte. Dass das LSG im Fall der Klägerin keinen Ausnahmefall angenommen hat, der letztlich zu einer Krg-Zahlung führen könnte, stellt keine Divergenz dar, vielmehr lehnt das LSG unter Berücksichtigung der BSG-Rechtsprechung eine darüber hinausgehende Ausdehnung des zielgerichteten Arzt-Patienten-Kontakts für die notwendige AU-Feststellung ab. Darin liegt gerade keine Abweichung.
2. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufzeigen, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine solche Klärung erwarten lässt (vgl BVerfG Beschluss vom 18.12.1991 - 1 BvR 1411/91 - SozR 3-1500 § 160a Nr 7, BSG Beschluss vom 13.12.2005 - B 4 RA 220/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 11 und BSG Beschluss vom 5.11.2008 - B 6 KA 24/07 B - juris).
Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss ein Beschwerdeführer mithin eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (vgl BSG Beschluss vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht. Es werden sowohl bei der für grundsätzlich klärungsbedürftig erachteten Frage 1.,
"ob ein Versicherter Anspruch auf Krankengeld hat, wenn die weitere Feststellung der Arbeitsunfähigkeit aus Anlass eines Arzt-Patientenkontakts unmittelbar vor Ende des laufenden Arbeitsunfähigkeitszeitraums unterbleibt wegen der nicht medizinisch begründeten Fehlvorstellung des Vertragsarztes, die Arbeitsunfähigkeit könne krankengeldunschädlich auch noch rückwirkend im Nachhinein attestiert werden",
als auch bei der aufgeworfenen Frage 2.,
"ob ein Versicherter Anspruch auf Krankengeld hat, wenn die Verspätung des zur Feststellung weiterer Arbeitsunfähigkeit erforderlichen Arzt-Patientenkontakts um einen Tag auf einer nicht medizinisch begründeten, den Versicherten unmittelbar vor Ende des laufenden Arbeitsunfähigkeitszeitraums mitgeteilten Fehlvorstellung des Vertragsarztes zurückzuführen ist,"
keine entscheidungserheblichen hinreichend abstrakt-generellen Rechtsfragen zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkret revisiblen Norm des Bundesrechts (vgl § 162 SGG) mit höherrangigem Recht, die durch die Feststellungen des LSG getragen werden, formuliert. Den Zulassungsgrund eines Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) bezogen auf die Feststellungen des LSG hat die Klägerin nicht geltend gemacht.
Die zu 1. aufgeworfene Rechtsfrage unterstellt in tatsächlicher Hinsicht, dass die Klägerin bereits am 8.12.2016 und damit anlässlich des Akupunkturtermins um eine Bescheinigung der AU nachgesucht hat. Genau diese Tatsache hat das LSG gerade nicht festgestellt, sondern ausgeführt, dass sich die Klägerin zum Zwecke der Durchführung einer Akupunkturbehandlung beim Arzt befunden habe. Mangels Feststellung der für die vermeintliche Grundsatzfrage erforderlichen Prämisse des "Arztbesuchs zum Zwecke der Feststellung der AU" fehlt es an der Darlegung der Entscheidungserheblichkeit. Das BSG könnte in einem Revisionsverfahren mangels erhobener Verfahrensrügen (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) als bindende Tatsachenfeststellung (§ 163 SGG) nämlich nur einen Akupunkturtermin vier Tage vor Ablauf des AU-Zeitraums zugrunde legen und damit keinen Termin zur Feststellung einer AU.
Für die weitere als grundsätzlich bedeutsam erachtete Frage der durch ärztliche Äußerungen motivierten Fehlvorstellungen bei einem Versicherten im Hinblick auf rückwirkende AU-Bescheinigungen hätte es zudem Darlegungen dazu bedurft, was bereits für die Beantwortung von derartigen Rechtsfragen aus der vorliegenden Rechtsprechung des BSG abzuleiten ist und wozu noch Klärungsbedarf besteht. Denn dass aus Gründen der Verhältnismäßigkeit bei nicht zeitgerechter AU-Feststellung aufgrund von Fehlvorstellungen eines Vertragsarztes oder von ihm beim Versicherten ausgelösten Fehlvorstellungen Ausnahmen zu Gunsten der Versicherten zuzulassen sind, hat das BSG bereits entschieden (vgl Urteil des Senats vom 11.5.2017, aaO). Auch insoweit ist die Entscheidungserheblichkeit im Übrigen nicht erkennbar.
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI13926770 |