Verfahrensgang
LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 12.12.1996) |
Tenor
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 12. Dezember 1996 wird zurückgewiesen.
Die Kläger haben die außergerichtlichen Kosten der Beklagten und des Beigeladenen zu 1. auch im Beschwerdeverfahren zu erstatten.
Gründe
Die Beteiligten streiten darüber, ob die beklagte Krankenkasse (KK) berechtigt ist, vertragsärztlich tätige Augenärzte im Einzugsgebiet der Kläger zur Abgabe von Kontaktlinsen zuzulassen. Die Vorinstanzen haben jeweils die Klagebefugnis verneint und die Klage als unzulässig angesehen. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Revision nicht zugelassen.
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, soweit die Kläger geltend machen, die Entscheidung des LSG beruhe auf einem Verfahrensfehler und sie weiche vom Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 9. Februar 1989 – BSGE 64, 260 – ab, weil die Beschwerde insoweit nicht in der durch §§ 160 Abs 2 und 160 a Abs 2 S 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) festgelegten Form begründet worden ist. Soweit die Beschwerde damit begründet wird, daß über Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden sei, ist sie unbegründet.
Eine Verfahrensrüge erfüllt nur dann die gesetzliche Form, wenn die sie begründenden Tatsachen im einzelnen angegeben sind und in sich verständlich den behaupteten Verfahrensfehler ergeben (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14). Die Kläger machen geltend, die Klage sei auf mehrere selbständige Rechtsgrundlagen gestützt worden, das LSG habe eine hiervon gänzlich unberücksichtigt gelassen und dadurch den Anspruch der Kläger auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt. Zwar gehört zum Anspruch auf rechtliches Gehör auch die Verpflichtung des Gerichts, Ausführungen der Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (vgl hierzu BVerfGE 65, 293, 295; BSGE 75, 92, 94 mwN), eine Verletzung ist jedoch nur anzunehmen, wenn sich aus den Ausführungen des Gerichts im Urteil klar erkennen läßt, daß das Gericht Tatsachenvortrag der Beteiligten nicht berücksichtigt hat (vgl BVerfGE 47, 182, 189). Dies haben die Kläger jedoch nicht behauptet. Ob eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör auch dann anzunehmen ist, wenn es – wie hier – allein um die unterbliebene Berücksichtigung rechtlicher Ausführungen geht und nicht um die Beachtung und Würdigung von Tatsachen, oder ob dies, soweit die jeweiligen Voraussetzungen erfüllt sind, verfahrensrechtlich allein unter dem Gesichtspunkt fehlender Entscheidungsgründe bzw als Verstoß gegen § 128 SGG geltend gemacht werden kann, kann dahinstehen. Die Kläger hätten jedenfalls angesichts der Tatsache, daß die Geltendmachung von Wettbewerbsverstößen im Tatbestand des angefochtenen Urteils erwähnt wird, darlegen müssen, daß dem Gesamtzusammenhang der Entscheidungsgründe dennoch zu entnehmen ist, daß das LSG diese Ausführungen zur Klagebefugnis nicht zur Kenntnis genommen hat.
Die Kläger haben auch den Zulassungsgrund der Abweichung (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) in der Beschwerdebegründung nicht hinreichend dargelegt (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Es muß dargetan werden, daß das LSG einen tragenden Rechtssatz in Abweichung von einem Rechtssatz aufgestellt hat, den das BSG, das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) oder der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes entwickelt und angewendet hat. Dazu ist es notwendig, den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweichenden Rechtssatz des LSG herauszuarbeiten und die Unvereinbarkeit mit einem Rechtssatz des BSG aufzuzeigen. Eine Abweichung liegt nicht schon dann vor, wenn das Urteil des LSG einen Rechtssatz nicht beachtet hat, den das BSG aufgestellt hat, sondern erst dann, wenn das LSG diesem Rechtssatz widersprochen, also einen anderen Rechtssatz angewandt hat. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Abweichung (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 21, 29 und 67). Diesen Anforderungen haben die Kläger vorliegend nicht genügt. Die Beschwerdebegründung enthält keine derartige Gegenüberstellung von Rechtssätzen. Sie zeigt lediglich auf, daß das LSG womöglich einen vom BSG aufgestellten Rechtssatz nicht beachtet hat, nicht aber, daß es selbst einen hiervon abweichenden Rechtssatz aufgestellt hat. Dies wird schon aus der Formulierung deutlich, das Urteil des LSG basiere auf einer Argumentation (sc: die nicht mit dem vom BSG aufgestellten Rechtssatz übereinstimme) bzw dem angefochtenen Urteil liege eine Auffassung zugrunde (sc: die nicht mit dem vom BSG aufgestellten Rechtssatz zu vereinbaren sei).
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet, soweit die Kläger behaupten, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG.
Die Kläger zeigen als grundsätzlich bedeutsam nur Fragen auf, die deutlich machen, daß das LSG ihrer Auffassung nach zu Unrecht durch Prozeßurteil anstatt durch Sachurteil entschieden hat. Auch Verfahrensfragen können zwar von grundsätzlicher Bedeutung sein. Sie können aber nur dann zur Zulassung der Revision führen, wenn sie auch für den Ausgang des Prozesses von Bedeutung sein können. Für die Bejahung der Entscheidungserheblichkeit reicht es in diesem Zusammenhang nicht aus, wenn die Klage zwar nicht als unzulässig, aber als unbegründet hätte abgewiesen werden müssen. Nach den Ausführungen der Kläger ist es möglich, daß das LSG die Klagebefugnis zu Unrecht verneint hat; es ist aber nicht zu erkennen, wie die Kläger in der Sache Erfolg haben könnten.
Die Kläger stützen ihr Klagebegehren vor allem darauf, daß die Beklagte ein wettbewerbswidriges Verhalten der im beigeladenen Berufsverband organisierten Augenärzte unterstütze, indem sie diesen vertraglich das Recht zugestehe, an Versicherte Kontaktlinsen abzugeben. Dieser Vorwurf kann nur begründet sein, wenn das Verhalten der Augenärzte als wettbewerbswidrig einzustufen ist. Dies kann aufgrund der Rechtsprechung der Zivilgerichte aber verneint werden. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Beschluß vom 12. Juni 1997 die Revision gegen das Urteil des OLG Stuttgart vom 28. Juni 1996 in dem parallel geführten zivilrechtlichen Wettbewerbsprozeß gegen die Augenärzte nicht angenommen. Er hat ihr keine Aussicht auf Erfolg eingeräumt. Soweit es um die wettbewerbsrechtliche Qualifikation des Verhaltens der Augenärzte geht, stellen sich im vorliegenden Verfahren keine abweichenden Rechtsfragen. Damit kann aber auch im Verhältnis der Kläger zur Beklagten nicht anders zu entscheiden sein. Denn der Vorwurf der Kläger gegenüber der Beklagten geht allein dahin, daß sie sich an wettbewerbswidrigem Verhalten der Augenärzte beteilige, was nach dem Abschluß des Wettbewerbsprozesses auszuschließen ist. Weitergehende Rechtsfragen sind von den Klägern insoweit auch im Beschwerdeverfahren nicht aufgezeigt worden. Sie sind auf die entgegenstehende Rechtsprechung der Zivilgerichte überhaupt nicht eingegangen.
Auch soweit die Beschwerdeführer darin eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung sehen wollen, ob aus zwischen Leistungserbringern und Kasse bestehenden „besonderen vertragsähnlichen Beziehungen” bei Zulassung Dritter, insbesondere bei Zulassung „einer ganz anderen Berufsgruppe”, eine Klagebefugnis folgt, ist nicht vorgetragen, inwieweit dies auch zu einem Erfolg in der Sache führen soll. Dasselbe gilt für den Vortrag, eine Klagebefugnis folge aus der im vorliegenden Fall gebotenen eigenständigen Prüfung der Berufungszulassungsvoraussetzungen, und für den Vortrag, das BSG müsse überhaupt seine Rechtsprechung zur Zulassung der Konkurrentenklage überprüfen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 Abs 4 Satz 2 iVm Abs 4 Satz 1 SGG.
Fundstellen