Entscheidungsstichwort (Thema)

Bestellung eines besonderen Vertreters. Prozessunfähigkeit. Offensichtliche Haltlosigkeit. Fehlende Statthaftigkeit

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein Antrag auf Bestellung eines besonderen Vertreters kann keinen Erfolg haben, wenn der Kläger prozessfähig ist.

2. Unabhängig von der Frage der Prozessfähigkeit des Klägers dürfte ihm kein besonderer Vertreter bestellt werden, wenn auch bei Anlegung eines strengen Maßstabs das Verfahren „offensichtlich haltlos” ist und deshalb die Genehmigung durch einen besonderen Vertreter von vornherein ausgeschlossen erscheint.

3. Eine offensichtliche Haltlosigkeit liegt auch vor, wenn ein Rechtsmittel unter keinem denkbaren Gesichtspunkt Erfolg haben kann, weil es bereits an sich nicht statthaft ist.

 

Normenkette

SGG § 72 Abs. 1, § 160a Abs. 4 S. 1, § 169 Sätze 2-3; GVG § 17a Abs. 2, 4 Sätze 4-5

 

Verfahrensgang

Thüringer LSG (Beschluss vom 22.08.2022; Aktenzeichen L 11 KA 103/22 B)

SG Gotha (Entscheidung vom 04.01.2022; Aktenzeichen S 2 KA 2280/19)

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 05.06.2023; Aktenzeichen B 5 SF 6/23 S)

 

Tenor

Das Begehren des Klägers, ihm für ein beabsichtigtes Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde gegen den Beschluss des Thüringer Landessozialgerichts vom 22. August 2022 - L 11 KA 103/22 B - eine besondere Vertreterin zu bestellen, wird abgelehnt.

Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Thüringer Landessozialgerichts vom 22. August 2022 wird als unzulässig verworfen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

 

Gründe

I

Der Kläger begehrt Schadensersatz von der Beklagten. Das SG Gotha hat den Rechtsstreit unter Feststellung der Unzulässigkeit des Rechtsweges zu den Sozialgerichten an das Landgericht Erfurt verwiesen (Beschluss vom 4.1.2022). Das LSG hat die Beschwerde des Klägers mit Beschluss vom 22.8.2022 zurückgewiesen. Dagegen hat der Kläger mit einem am 14.9.2022 eingegangenen Schreiben vom 10.9.2022 "Nichtzulassungsbeschwerde" eingelegt und sinngemäß die Beiordnung einer besonderen Vertreterin beantragt. Er macht geltend, dass er prozessunfähig sei.

II

1. Das Begehren des Klägers ist zunächst als Antrag auf Bestellung einer besonderen Vertreterin (§ 72 Abs 1 SGG) für ein von ihm beabsichtigtes Verfahren vor dem BSG gegen die Entscheidung des LSG vom 22.8.2022 auszulegen.

Dieser Antrag kann keinen Erfolg haben. Der Senat geht davon aus, dass der Kläger prozessfähig ist und dass deshalb die Voraussetzungen für die Bestellung eines besonderen Vertreters nach § 72 Abs 1 SGG nicht vorliegen (vgl zuletzt BSG Beschluss vom 21.4.2020 - B 6 KA 5/20 B - juris RdNr 3 mwN; vgl auch den den Kläger des vorliegenden Verfahrens betreffenden, die Bestellung eines Prozesspflegers ablehnenden Beschluss des BVerfG vom 8.4.2016 - 1 BvR 661/16, 1 BvR 662/16 und 1 BvR 663/16). Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass sich daran etwas geändert haben könnte, liegen dem Senat nicht vor.

Unabhängig von der Frage der Prozessfähigkeit des Klägers dürfte ihm für das hier von ihm erstrebte Verfahren kein besonderer Vertreter bestellt werden, weil auch bei Anlegung eines strengen Maßstabs das Verfahren "offensichtlich haltlos" ist (vgl BSG Beschluss vom 3.7.2003 - B 7 AL 216/02 B - BSGE 91, 146 = SozR 4-1500 § 72 Nr 1 = juris RdNr 10 ff) und deshalb die Genehmigung durch einen besonderen Vertreter von vornherein ausgeschlossen erscheint. Eine offensichtliche Haltlosigkeit liegt auch vor, wenn ein Rechtsmittel unter keinem denkbaren Gesichtspunkt Erfolg haben kann, weil es bereits an sich nicht statthaft ist (BSG Beschluss vom 18.1.2017 - B 1 KR 1/17 S - juris RdNr 4).

So verhält es sich hier: Gemäß § 17a Abs 4 Satz 4 und 5 GVG steht einem Beteiligten die weitere Beschwerde gegen einen Beschluss des oberen Landesgerichts - hier des LSG - nach § 17a Abs 2 GVG an den obersten Gerichtshof des Bundes nur zu, wenn das Gericht sie wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache oder wegen Divergenz zugelassen hat. Das LSG hat in seinem Beschluss vom 22.8.2022 die Beschwerde nicht zum BSG zugelassen, sodass die Entscheidung des LSG unanfechtbar ist und auch nicht mit der Beschwerde zum BSG angefochten werden kann (vgl BSG Beschluss vom 16.8.2000 - B 6 SF 1/00 R - SozR 3-1500 § 51 Nr 26 S 67 mwN). Würde eine solche Beschwerde dennoch für den Kläger eingelegt, müsste sie vom BSG ohne inhaltliche Prüfung als unzulässig verworfen werden.

2. Soweit der Kläger Beschwerde gegen den Beschluss des LSG eingelegt hat, ist diese aus den zu 1. genannten Gründen als unzulässig zu verwerfen. Die Verwerfung des Rechtsmittels des Klägers erfolgt entsprechend § 169 Satz 2 und 3 SGG ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGG).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach trägt der Kläger die Kosten des von ihm erfolglos geführten Rechtsmittels (§ 154 Abs 2 VwGO).

4. Für die Festsetzung eines Streitwerts nach § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1 iVm Abs 1 Satz 1 GKG bestand keine Veranlassung, weil sich die Gerichtsgebühr nicht nach einem Streitwert richtet; für Beschwerden der vorliegenden Art (Verfahren über nicht besonders aufgeführte Beschwerden, die nicht nach anderen Vorschriften gebührenfrei sind) wird nach Nr 7504 der Anlage 1 zum GKG vielmehr eine Festgebühr von 66 Euro erhoben, wenn die Beschwerde verworfen oder zurückgewiesen wird.

Oppermann

Just

Rademacker

 

Fundstellen

Dokument-Index HI15403592

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