Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Beiordnung eines Notanwalts. Anforderungen an den Antrag. Nichtzulassungsbeschwerde beim BSG
Orientierungssatz
1. Ein Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts (hier zur Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde nach Mandatsniederlegung des Prozessbevollmächtigten) kann nicht per einfacher E-Mail gestellt werden (vgl zum Formerfordernis eines Antrags auf Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts: BSG vom 30.1.2017 - B 1 KR 14/16 S = NZS 2017, 265).
2. Nach der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes muss ein Beteiligter, der die Beiordnung eines Notanwalts begehrt, die von ihm zu seiner Vertretung ersuchten Rechtsanwälte namentlich bezeichnen (vgl BVerwG vom 18.4.1991 - 5 ER 611/91) und deren Ablehnungsschreiben vorlegen oder sonst glaubhaft machen, in welcher Weise er Kontakt mit ihnen aufgenommen hat (vgl BSG vom 3.1.2005 - B 9a/9 SB 39/04 B und vom 3.3.1997 - 4 BA 155/96).
3. Entsprechende Bemühungen müssen für ein Verfahren vor einem obersten Gerichtshof des Bundes jedenfalls für mindestens fünf Rechtsanwälte dargelegt werden (stRspr, zB BSG vom 27.11.2015 - B 9 V 51/15 B).
Normenkette
ZPO § 78b Abs. 1; SGG §§ 65a, 73 Abs. 4, § 160a Abs. 2 S. 1, § 202 S. 1
Verfahrensgang
SG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 08.01.2018; Aktenzeichen S 12 VE 5/16) |
Hessisches LSG (Urteil vom 25.06.2020; Aktenzeichen L 1 VE 21/19) |
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Beiordnung eines Notanwaltes für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundessozialgericht wird abgelehnt.
Der Antrag des Klägers auf Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist wird abgelehnt.
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 25. Juni 2020 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
I. Der Kläger hat gegen die Nichtzulassung der Revision in dem am 6.7.2020 zugestellten Urteil des LSG mit einem am 3.8.2020 beim BSG eingegangenen Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten Beschwerde eingelegt. Auf deren Antrag ist die Frist zur Begründung der Beschwerde um einen Monat bis zum 7.10.2020 verlängert worden (§ 160a Abs 2 Satz 2 SGG).
Mit am 21.9.2020 eingegangenem Schriftsatz vom 16.9.2020 haben die Prozessbevollmächtigten die Vertretung des Klägers niedergelegt, ohne zuvor die Beschwerde zu begründen. Der Kläger hat sich in seiner Email vom 20.9.2020 über die Mandatsniederlegung beschwert und "beantragt, dem Beschwerdeführer einen Notanwalt wegen sehr kurzem Fristablauf … bereit zu stellen". Mit Schreiben des Berichterstatters vom 21.9.2020 ist der Kläger auf die Voraussetzungen und Darlegungsanforderungen für die Beiordnung eines Notanwaltes hingewiesen worden. Mit am 7.10.2020 eingegangenen Schreiben hat der Kläger moniert, dass die Rechtsmittelbelehrung des LSG unvollständig und falsch sei, da versäumt worden sei, "der unterlegenen Partei die sog. Folgen einer Fristversäumnis ausdrücklich … mitzuteilen und plausibel darzustellen" und beantragt, die Frist für die Begründung der Beschwerde "auf 1 Jahr … zu erweitern".
II. 1. Der Antrag des Klägers auf Beiordnung eines Notanwaltes ist abzulehnen. Ungeachtet dessen, dass der Kläger bereits mit oben genanntem Schreiben darauf hingewiesen worden ist, dass ein Antrag nicht per einfacher E-Mail gestellt werden kann (vgl zum Formerfordernis eines Antrages auf Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwaltes: BSG Beschluss vom 30.1.2017 - B 1 KR 14/16 S - juris RdNr 3 ff mwN), hat er bereits die Voraussetzungen für die Beiordnung eines Notanwaltes nicht in der erforderlichen Weise dargelegt.
Nach § 202 Satz 1 SGG iVm § 78b Abs 1 ZPO hat das Prozessgericht einer Partei auf ihren Antrag durch Beschluss für den Rechtszug einen Rechtsanwalt zur Wahrnehmung ihrer Rechte beizuordnen, wenn sie einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht findet und die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint, soweit eine Vertretung durch Anwälte geboten ist.
Der Kläger hat schon nicht dargetan, dass er einen zur Vertretung vor dem BSG bereiten Rechtsanwalt nicht gefunden hat. Nach der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes muss ein Beteiligter, der die Beiordnung eines Notanwaltes begehrt, die von ihm zu seiner Vertretung ersuchten Rechtsanwälte namentlich bezeichnen (vgl BVerwG Beschluss vom 18.4.1991 - 5 ER 611/91) und deren Ablehnungsschreiben vorlegen oder sonst glaubhaft machen, in welcher Weise er Kontakt mit ihnen aufgenommen hat (vgl BSG Beschlüsse vom 3.1.2005 - B 9a/9 SB 39/04 B - und vom 3.3.1997 - 4 BA 155/96 -). Entsprechende Bemühungen müssen für ein Verfahren vor einem obersten Gerichtshof des Bundes jedenfalls für mindestens fünf Rechtsanwälte dargelegt werden (stRspr, zB Senatsbeschluss vom 14.11.2018 - B 9 SB 54/18 B - juris RdNr 6; Senatsbeschluss vom 27.11.2015 - B 9 V 51/15 B - juris RdNr 8; BSG Beschluss vom 4.8.2016 - B 13 R 213/16 B - juris RdNr 5; BSG Beschluss vom 16.10.2007 - B 6 KA 3/07 S - juris RdNr 2). Das Vorbringen des Klägers genügt diesen Anforderungen nicht.
2. Der Antrag des Klägers auf Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist auf 1 Jahr ist abzulehnen. Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Rechtmittelbelehrung hinsichtlich Form und Frist sind nicht ersichtlich (vgl allgemein zum Inhalt einer Rechtsmittelbelehrung Jung in Roos/Wahrendorf, BeckOGK, SGG, § 66 RdNr 9 ff, Stand September 2019).
3. Die Beschwerde ist unzulässig. Sie ist durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht innerhalb der verlängerten Frist durch einen vor dem BSG zugelassenen Bevollmächtigten begründet worden ist (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2, § 73 Abs 4, § 169 Satz 2 und 3 SGG).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI14226163 |