Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 9. Juli 2021 wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil weder der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) noch ein Verfahrensmangel (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) in der erforderlichen Weise dargelegt bzw bezeichnet worden ist (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Die Beschwerde ist daher ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2, § 169 SGG).
1. Grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) hat eine Rechtssache nur, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung erfordert, dass eine konkrete Rechtsfrage klar formuliert wird. Weiter muss ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit im jeweiligen Rechtsstreit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) aufgezeigt werden (stRspr; vgl etwa BSG vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN).
Der Kläger, der sich in der Sache gegen die mit einer Erstattungsforderung verbundene endgültige Festsetzung der Höhe seines Anspruchs auf Arbeitslosengeld II (Alg II) für die Zeit vom 1.7.2016 bis 31.12.2016 wendet, misst folgender Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung bei:
"Ist ein von einem selbstständig erwerbstätigen Bezieher von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II aufgenommenes Darlehen, welches zur Finanzierung einer betrieblichen Anschaffung verwendet wird, nicht die Kehrseite der Darlehensgewährung mit der Folge, dass die Ausgabe für die Anschaffung zum Zeitpunkt der Zahlung als Betriebsausgabe gewinnmindernd absetzbar ist und nicht gemäß § 3 Abs. 3 S. 5 Alg II-VO als Ausgabe nicht von dem betrieblichen Gewinn abgesetzt werden kann?"
Selbst wenn man diese schwer verständliche Frage als grundsätzlich abstrakt beantwortbare Rechtsfrage ansieht, was insbesondere wegen der Anknüpfung an den unklaren und den gesetzlichen Regelungen fremden Begriff einer "Kehrseite der Darlehensgewährung" zweifelhaft erscheint, ist ihre Klärungsbedürftigkeit nicht in der erforderlichen Weise dargelegt. Denn die Beschwerdebegründung lässt nicht erkennen, warum die Rechtslage angesichts des eindeutigen Wortlauts der angesprochenen Regelung des § 3 Abs 3 Satz 5 Alg II-VO, ihres systematischen Zusammenhangs zu § 3 Abs 3 Satz 4 aE Alg II-VO und der Rechtsentwicklung unklar sein sollte (siehe zu den diesbezüglichen Anforderungen nur Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 160a RdNr 14c f mwN). Insofern genügt der Hinweis auf vermeintlich abweichende Rechtsprechung des LSG Niedersachsen-Bremen nicht, da sich das zitierte Urteil (vom 23.4.2012 - L 9 AS 757/11) - wie der Beklagte zutreffend ausführt - nicht auf die im vorliegenden Verfahren entscheidungserheblichen Rechtsgrundlagen bezieht.
Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 (Anhörung eines bestimmten Arztes) und 128 Abs 1 Satz 1 SGG (freie richterliche Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Wer eine Nichtzulassungsbeschwerde auf diesen Zulassungsgrund stützt, muss zu seiner Bezeichnung (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) die diesen Verfahrensmangel des LSG (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dartun, also die Umstände schlüssig darlegen, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (stRspr; BSG vom 29.9.1975 - 8 BU 64/75 - SozR 1500 § 160a Nr 14; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 160a RdNr 16 mwN).
Soweit sich der Kläger darauf stützt, das LSG hätte seinem im Termin zur mündlichen Verhandlung sinngemäß gestellten Antrag auf Schriftsatznachlass bzw Vertagung entsprechen müssen, vermag diese Rüge schon deshalb nicht die Zulassung der Revision zu rechtfertigen, weil ein schlüssiger Vortrag dazu fehlt, warum die Entscheidung des LSG auf diesem behaupteten Verfahrensfehler beruhen kann. Denn nach dem Vorbringen in der Beschwerde hätte der Kläger weiteren Sachvortrag zur privaten Natur der in Anspruch genommenen Darlehen halten und unter Beweis stellen wollen. Zugleich lässt die Beschwerdebegründung jedoch erkennen, dass das LSG seine Entscheidung tragend allein auf die Kreditfinanzierung der Betriebsausgaben gestützt und gerade nicht danach differenziert hat, ob es sich um betriebliche oder um andere Darlehen gehandelt hat.
Soweit der Kläger Letzteres als Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art 103 GG, § 62 SGG) in Form einer Überraschungsentscheidung ansieht, wird nicht dargelegt, warum er nicht mit einer solchen Auslegung des § 3 Abs 3 Alg II-VO durch das LSG rechnen musste. Wie die Beschwerde selbst konzediert, besteht keine allgemeine Pflicht des Gerichts zu einem Hinweis auf seine Rechtsauffassung. Eine den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzende Überraschungsentscheidung liegt vielmehr nur vor, wenn das Urteil auf Gesichtspunkte gestützt wird, die bisher nicht erörtert worden sind, und dadurch der Rechtsstreit eine unerwartete Wendung nimmt, mit der auch ein gewissenhafter Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Verfahrensverlauf selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen braucht (stRspr; vgl etwa BVerfG vom 1.8.2017 - 2 BvR 3068/14 - NJW 2017, 3218, 3219; BSG vom 22.4.2015 - B 3 P 8/13 R - BSGE 118, 239 = SozR 4-3300 § 23 Nr 7, RdNr 37; BSG vom 13.3.2018 - B 11 AL 19/17 B - juris RdNr 9; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 62 RdNr 8b). Der Verfahrensmangel einer Überraschungsentscheidung ist deshalb nur dann schlüssig bezeichnet, wenn im Einzelnen vorgetragen wird, aus welchen Gründen auch ein gewissenhafter Prozessbeteiligter aufgrund des bisherigen Prozessverlaufs nicht damit rechnen musste, dass das Gericht seine Entscheidung auf einen bestimmten Gesichtspunkt stützt (zu den Anforderungen vgl etwa BSG vom 7.6.2016 - B 13 R 40/16 B - juris RdNr 9). Dem wird das Vorbringen nicht gerecht. Danach hat schon der Beklagte seine angefochtene Verwaltungsentscheidung damit begründet, Betriebsausgaben seien nicht zu berücksichtigen, soweit sie kreditfinanziert seien.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 Satz 1, Abs 4 SGG.
Söhngen |
|
|
Burkiczak |
|
|
B. Schmidt |
Fundstellen
Dokument-Index HI15554501 |