Verfahrensgang
SG Hildesheim (Entscheidung vom 04.09.2017; Aktenzeichen S 7 VE 19/16) |
LSG Niedersachsen-Bremen (Urteil vom 28.11.2019; Aktenzeichen L 10 VE 67/17) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 28. November 2019 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
I
Die Klägerin begehrt in der Hauptsache die Gewährung von Beschädigtenversorgung nach einem Grad der Schädigungsfolgen (GdS) von 30 anstatt von 20 nach dem Opferentschädigungsgesetz iVm mit den Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes über den anerkannten Zeitraum von Februar bis August 2015 hinaus. Diesen Anspruch hat das LSG im Gegensatz zum SG verneint, weil die bei der Klägerin bestehenden Gesundheitsstörungen ab September 2015 nur noch einen GdS von 20 bedingten. Unabhängig vom schädigenden Ereignis bestünden nach den Feststellungen des Sachverständigen Dr. B lebensgeschichtliche Belastungen, die geeignet seien, das aktuelle Störungsbild der Klägerin zu begründen. Spätestens seit der Entlassung aus der B ab 12.10.2016 könne schädigungsbedingt kein messbarer GdS mehr angenommen werden (Urteil vom 28.11.2019).
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Klägerin Beschwerde beim BSG eingelegt. Sie macht als Zulassungsgrund die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und eine Divergenz geltend.
II
Die Beschwerde der Klägerin ist unzulässig. Ihre Begründung genügt nicht der gesetzlich vorgeschriebenen Form, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) und der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) nicht in der hierfür erforderlichen Weise dargetan worden sind (vgl § 160a Abs 2 Satz 3 SGG).
1. Die Klägerin misst den Fragen grundsätzliche Bedeutung bei, ob das LSG Niedersachsen-Bremen ohne Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens davon ausgehen durfte, dass keine wesentliche Änderung der Schädigungsfolgen bei der Klägerin eingetreten seien, die einen höheren Anspruch auf Beschädigtenversorgung rechtfertigten. Es gehe um die abgrenzende Rechtsfrage, wann Gerichte in Bezug auf medizinische Sachverhalte im sozialen Entschädigungsrecht auf Grundlage eigener Sachkenntnis einen Sachverhalt bewerten dürften und wann die Einholung eines Sachverständigenrats erforderlich sei. Des Weiteren gehe es um die Rechtsfrage, ob und inwiefern sich Gerichte hinsichtlich ihrer Entscheidung an dem Einzelfall orientieren und jedes Verfahren für sich bewerten müssten.
Mit dem ersten Teil der Frage hat die Klägerin - anders als notwendig - bereits keine abstrakt-generelle Rechtsfrage iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG bezeichnet, weil sich die Fragestellung ersichtlich auf ihren Einzelfall bezieht, weshalb ihr von vornherein keine Breitenwirkung zukommen kann (vgl hierzu und zu den weiteren Darlegungsanforderungen an eine Grundsatzrüge Senatsbeschluss vom 31.1.2018 - B 9 V 63/17 B - juris RdNr 6; Senatsbeschluss vom 30.11.2017 - B 9 V 35/17 B - juris RdNr 4).
Auch hinsichtlich der weiteren zwei Fragen hat die Klägerin keine Rechtsfrage iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG bezeichnet. Vielmehr zielt die Fragestellung auf die Klärung und Bewertung von Tatsachen ab und beinhaltet im Kern letztlich Fragen der Beweiswürdigung und der Sachaufklärung. Die Zulassung der Revision kann gem § 160 Abs 2 Nr 3 Teilsatz 2 SGG aber nicht mit der Behauptung verlangt werden, das LSG habe gegen den Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung verstoßen. Dies gilt nicht nur für den Fall, dass die Beschwerde ausdrücklich eine Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG geltend macht, sondern auch dann, wenn sie ihre Angriffe gegen die Beweiswürdigung des LSG in das Gewand einer Grundsatzrüge zu kleiden versucht. Ein Beschwerdeführer kann die gesetzlichen Beschränkungen der Verfahrensrüge in § 160 Abs 2 Nr 3 SGG - soweit sie reichen - nicht dadurch erfolgreich umgehen, dass er die Rügen in Frage von grundsätzlicher Bedeutung kleidet (vgl BSG Beschluss vom 28.2.2018 - B 1 KR 65/17 B - juris RdNr 5). Die Klägerin zeigt nicht auf, dass es hier um eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung geht, bei der die gesetzlichen Beschränkungen der Verfahrensrügen nicht greifen.
2. Soweit die Klägerin eine Divergenz iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG rügen will, erfüllt ihr Vorbringen nicht die Darlegungsvoraussetzungen für eine Divergenzrüge (s hierzu allgemein Senatsbeschluss vom 25.10.2018 - B 9 V 27/18 B - juris RdNr 8 mwN). Sie benennt weder einen abstrakten Rechtssatz aus einer Entscheidung des BSG, noch stellt sie einem solchen höchstrichterlichen Rechtssatz einen divergierenden abstrakten Rechtssatz des LSG aus dem angefochtenen Urteil gegenüber.
3. Schließlich hat die Klägerin auch mit ihrer Rüge, dass nicht nachvollzogen werden könne, weshalb das LSG keine weiteren Ermittlungen von Amts wegen durchgeführt habe, keinen Zulassungsgrund dargelegt. Soweit sie mit ihrem diesbezüglichen Vortrag sinngemäß eine mangelhafte Sachaufklärung (§ 103 SGG) des LSG geltend machen will, erfüllt ihr Vorbringen nicht die notwendigen Darlegungsanforderungen einer Sachaufklärungsrüge (s hierzu allgemein Senatsbeschluss vom 21.12.2017 - B 9 SB 70/17 B - juris RdNr 3). Auf den Verfahrensmangel einer unterlassenen Sachaufklärung (§ 103 SGG) kann sich die Klägerin schon deshalb nicht mit Erfolg berufen, weil sie keinen vor dem LSG bis zuletzt in der mündlichen Verhandlung aufrecht erhaltenen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag benannt hat, den das Berufungsgericht übergangen haben könnte (vgl § 160 Abs 2 Nr 3 Teilsatz 3 SGG).
4. Schließlich war der Senat nicht verpflichtet, den Prozessbevollmächtigten der Klägerin entsprechend seiner Bitte in der Beschwerdebegründung um einen rechtlichen Hinweis, "soweit weitere Ausführungen als nötig erachtet werden", vorab auf die Unzulänglichkeit des Beschwerdevortrags aufmerksam zu machen (stRspr, zB BSG Beschluss vom 21.7.2010 - B 7 AL 60/10 B - juris RdNr 7). Dies ist dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin auch anhand von mehreren durchgeführten Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren bekannt.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
5. Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gem § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI13880505 |