Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosenversicherung. Kündigung. Weiterbildungsvertrag. Maßnahmeträger. Formelle Rechtmäßigkeit. Sperrzeit. Voraussetzungen
Orientierungssatz
Gegen die Annahme, dass die formelle Rechtmäßigkeit einer Kündigung eines Weiterbildungsvertrages durch den Maßnahmeträger zu den Voraussetzungen des Sperrzeiteintritts nach § 144 Abs 1 Nr 4 SGB 3 gehört, spricht, dass das BSG zu der Parallelregelung in § 119 Abs 1 S 1 Nr 1 AFG bzw § 144 Abs 1 Nr 1 SGB 3 bereits ausdrücklich entschieden hat, dass für den Eintritt der Sperrzeit unerheblich ist, ob der Arbeitgeber die Kündigung formgerecht ausgesprochen hat (vgl BSG vom 25.3.1987 - 7 RAr 95/85).
Normenkette
SGB 3 § 144 Abs. 1 Nr. 4
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Rechtsstreit betrifft den Eintritt einer Sperrzeit.
Der Kläger besuchte im Anschluss an den Bezug von Arbeitslosenhilfe (Alhi) eine Weiterbildungsmaßnahme mit der Bezeichnung Applikationsentwickler für "SAP-R/3". Für die Teilnahme an der Maßnahme bewilligte die Beklagte Unterhaltsgeld und Maßnahmekosten. In dem zwischen dem Maßnahmeträger und dem Kläger geschlossenen Maßnahmevertrag heißt es ua, dass bei Verletzung wesentlicher Vertragsbestimmungen durch einen der beiden Vertragspartner der andere Vertragspartner mittels eingeschriebenen Brief den Vertrag fristlos kündigen könne. Am 1. Juli 1999 sprach ein Mitarbeiter des Weiterbildungsträgers gegenüber dem Kläger dessen Ausschluss aus der Maßnahme aus. Mit Schreiben des Maßnahmeträgers vom 26. Juli 1999 wurde die am 1. Juli 1999 ausgesprochene fristlose Kündigung bestätigt.
Der Kläger meldete sich am 1. Juli 1999 arbeitslos und beantragte Alhi. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit der Begründung ab, es sei eine Sperrzeit eingetreten, weil der Kläger durch maßnahmewidriges Verhalten Anlass für den Ausschluss aus der Maßnahme gegeben habe (Bescheid vom 27. August 1999; Widerspruchsbescheid vom 11. November 1999).
Das Sozialgericht (SG) hat nach Beweisaufnahme die Klage abgewiesen (Urteil vom 19. Oktober 2001). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 19. Oktober 2001). Das LSG hat zur Begründung ausgeführt, der Kläger habe den Maßnahmeablauf massiv gestört. Soweit in den Lehrberichten Fehltage vermerkt seien, hätten zwar überwiegend Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorgelegen. Insbesondere die zahlreichen, nicht unerheblichen Verspätungen des Klägers seien jedoch unentschuldigt gewesen. Der Senat habe keinen Anlass gesehen, den vom Kläger gestellten Beweisanträgen nachzugehen. Soweit es um die fehlerhafte Zuweisung auf den Namen Barbara Hansen gehe, gehe der Senat von der Richtigkeit dieser Behauptung aus. Was den Vorfall im Zusammenhang mit dem Abwischen der Tafel angehe, so sehe der Senat den Sachverhalt durch die Angaben des Klägers und des Zeugen Lindstädt als geklärt an. Das maßnahmewidrige Verhalten sei subjektiv vorwerfbar und der Ausschluss vorhersehbar gewesen. Die fristlose Kündigung vom 1. Juli 1999 sei rechtsfehlerfrei gewesen. Dabei könne es dahinstehen, ob es nur auf die materielle Rechtmäßigkeit der Kündigung ankomme. Denn auch für eine Formnichtigkeit gebe es keine Anhaltspunkte. Die in den Teilnahmebedingungen zum Vertrag festgeschriebene Versendungsart habe lediglich Beweiszwecken dienen sollen. Eine konstitutive Schriftform habe damit nicht vereinbart werden sollen.
Mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision macht der Kläger die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache, der Abweichung und des Verfahrensmangels geltend. Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ergebe sich aus der Anwendung des Begriffes "Einschreibebrief" im Rahmen der Abgabe einer Willenserklärung. Es sei über die Rechtsfrage zu entscheiden, ob die Formvorschrift "mittels eingeschriebenen Briefes" ein konstitutives Schriftformerfordernis enthalte und wie die Vorschrift möglicherweise anders auszulegen sei. Ferner weiche das LSG von den Urteilen des Bundessozialgerichts (BSG) vom 16. September 1999 - B 7 AL 32/98 R - und vom 21. Juli 1988 - 7 RAr 41/86 - ab. Es sei keine Prüfung der Zumutbarkeit, der materiellen Rechtmäßigkeit der Kündigung und der ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrung erfolgt. Als Verfahrensmangel werde ein Verstoß gegen das rechtliche Gehör, die Amtsermittlungspflicht, die Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme und das Fehlen von Urteilsgründen geltend gemacht.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist nicht zulässig, denn es ist keiner der in § 160 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) genannten Zulassungsgründe in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Weise dargelegt oder bezeichnet.
1. Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtsfrage lässt sich nur darlegen, indem die Beschwerdebegründung ausführt, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN - stRspr; BVerwG NJW 1999, 304; vgl auch: BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne weiteres zu beantworten ist und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtslage im Allgemeininteresse vornehmen soll (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
Es kann dahinstehen, ob die Beschwerdebegründung hinreichende Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit der Frage nach der "konstitutiven Bedeutung" der Vertragsklausel enthält, wonach bei Verletzung wesentlicher Vertragsbestimmungen durch einen der beiden Vertragspartner der andere Vertragspartner mittels eingeschriebenen Briefes den Vertrag fristlos kündigen könne. Denn es wird jedenfalls nicht hinreichend dargelegt, dass die in der Beschwerdebegründung problematisierte Frage im angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig ist. Auf die Frage nach der Reichweite des vertraglich fixierten Formzwanges kommt es nur an, wenn die formelle Rechtmäßigkeit der Kündigung des Weiterbildungsvertrages durch den Maßnahmeträger überhaupt zu den Voraussetzungen des Sperrzeiteintritts nach § 144 Abs 1 Nr 4 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) gehört. Gegen eine derartige Annahme spricht, dass das BSG zu der Parallelregelung in § 119 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Alternative 2 Arbeitsförderungsgesetz bzw § 144 Abs 1 Nr 1 Alternative 2 SGB III bereits ausdrücklich entschieden hat, dass für den Eintritt der Sperrzeit unerheblich ist, ob der Arbeitgeber die Kündigung formgerecht ausgesprochen hat (BSG vom 25. März 1987 - 7 RAr 95/85). In dieser Entscheidung hat das BSG darauf abgestellt, der Arbeitslose habe unabhängig von der Frage der formellen Rechtmäßigkeit der Kündigung jedenfalls durch sein vertragswidriges Verhalten Anlass zur Kündigung gegeben. Die Literatur ist der Auffassung des BSG, es sei unerheblich, ob die formellen Voraussetzungen für die Wirksamkeit der Kündigung eingehalten worden seien, gefolgt (Niesel, SGB III, 2. Auflage 2002, § 144 Randziffer 41; Valgolio in Hauck/Noftz, SGB III, § 144 Randziffer 43; Winkler in Gagel, SGB III, § 144 Randziffer 64).
Die Beschwerdebegründung enthält keine hinreichenden Ausführungen dazu, warum es bei der Prüfung der Voraussetzung des § 144 Abs 1 Nr 4 SGB III entgegen der vorgenannten Entscheidung des BSG auf die Einhaltung der formellen Voraussetzung des Kündigungsrechts ankommen sollte. Derartige Ausführungen hätten nahe gelegen, denn es hatte bereits das SG darauf hingewiesen, dass es auf die Einhaltung der Schriftform nicht ankomme, sondern allein die materielle Rechtmäßigkeit maßgebend sei. Nichts anderes ergibt sich im Übrigen aus der Entscheidung des BSG vom 16. September 1999 - B 7 AL 32/98 R (= BSGE 84, 270 = SozR 3-4100 § 119 Nr 19). Auch in dieser Entscheidung wird der Gesichtspunkt der Rechtmäßigkeit des Ausschlusses aus der Maßnahme allein unter dem Gesichtspunkt behandelt, dass zu prüfen ist, "ob die Rechtsbeziehung zwischen Kläger und BFZ eine sofortige außerordentliche Kündigung rechtfertigten" (BSGE 84, 270, 276).
2. Um eine Abweichung iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG zu bezeichnen, hat die Beschwerdebegründung einen Widerspruch im Grundsätzlichen oder ein Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze in der Entscheidung des LSG einerseits und in einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts andererseits aufzuzeigen (BSG SozR 1500 § 160a Nr 67) und die in Bezug genommene Entscheidung so zu kennzeichnen, dass sie ohne weiteres aufzufinden ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 14). Dabei muss die Beschwerdebegründung deutlich machen, dass in der angefochtenen Entscheidung eine sie tragende Rechtsansicht entwickelt und nicht etwa nur ungenaue oder unzutreffende Rechtsaufführungen oder Rechtsirrtum im Einzelfall für die Entscheidung bestimmen (BSG SozR 1500 § 160a Nr 67; BSG 27. Juni 2002 - B 11 AL 87/02 B -). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Mit dem Vorbringen, das LSG habe entgegen den Entscheidungen des BSG vom 16. September 1999 - B 7 AL 32/98 R - und vom 11. Juli 1988 - 7 RAr 41/86 - bestimmte Voraussetzungen des Sperrzeittatbestandes nicht geprüft, verkennt der Kläger den Zulassungsgrund der Divergenz. Denn dieser Zulassungsgrund setzt eine Abweichung im Grundsätzlichen voraus. Demgegenüber legt die Beschwerdebegründung nicht dar, dass das LSG einen Rechtssatz entwickelt hätte, der der Rechtsprechung des BSG widerspricht. Die Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung ist nicht Gegenstand des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens. Unabhängig von diesen Anforderungen ergeben sich aus dem Vorbringen in der Beschwerdebegründung keine Anhaltspunkte für eine Unrichtigkeit des Urteils.
3. Soweit in der Beschwerdebegründung zusätzlich das Vorliegen verschiedener Verfahrensmängel iS des § 160 Abs 2 Nr 3 geltend gemacht wird, entspricht die Beschwerde ebenfalls nicht den Begründungserfordernissen.
Hinsichtlich der als Verfahrensmangel geltend gemachten Verletzung des rechtlichen Gehörs, der Amtsermittlungspflicht und der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme wird jedenfalls nicht aufgezeigt, dass die angefochtene Entscheidung auf den behaupteten Verfahrensmängeln beruht. Ein Verfahrensmangel ist grundsätzlich nur erheblich, wenn die Möglichkeit besteht, dass die Entscheidung bei richtiger Anwendung der Verfahrensnorm anders ausgefallen wäre (Lüdtke in Handkommentar SGG, § 160 Randziffer 16 mwN). Auch die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs greift nur ein, wenn die Entscheidung auf der Verletzung beruhen kann. Hierfür genügt das Vorbringen, es sei nicht auszuschließen, dass das LSG zu einer anderen Tatsachenfeststellung und alsdann auch zu einer anderen Schlussfolgerung gekommen wäre, nicht.
Schließlich genügt auch das Vorbringen, es sei wesentlicher Vortrag nicht in den Entscheidungsgründen berücksichtigt worden, den Anforderungen nicht. Aus den Ausführungen ergibt sich nämlich nicht, dass das Urteil keine Entscheidungsgründe iS des § 136 Abs 1 Nr 6 SGG enthält. Dies ist nicht schon dann der Fall, wenn die Gründe sachlich unvollständig, unzureichend, unrichtig oder sonst rechtsfehlerhaft sind (BSG SozR Nr 79 zu § 128 SGG). Wenn der Kläger meint, das LSG habe weitere rechtliche Gesichtspunkte behandeln müssen, so rügt er in Wirklichkeit nicht das Fehlen von Entscheidungsgründen, sondern die Unrichtigkeit der Entscheidung.
Die unzulässige Beschwerde ist zu verwerfen (§§ 160a Abs 4 Satz 2, 169 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen