Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Einwendungen gegen die Kostenerhebung trotz Verbindlichkeit der Kostengrundentscheidung. Gebühren für eine Entscheidung über die Bestellung eines besonderen Vertreters
Orientierungssatz
1. Zur Zulässigkeit von Einwendungen gegen die Kostenerhebung trotz Verbindlichkeit der Kostengrundentscheidung.
2. Auch in Verfahren, für die gemäß §§ 183, 184 SGG von nicht kostenprivilegierten Beteiligten Pauschgebühren zu erheben sind, entstehen solche Gebühren für eine Entscheidung über die Bestellung eines besonderen Vertreters noch vor Einleitung der Instanz nicht.
Tenor
Auf die Erinnerung wird die Schlusskostenrechnung der Geschäftsstelle des Bundessozialgerichts vom 18. Mai 2020 - B 6 KA 5/20 B - aufgehoben.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Das Thüringer LSG hat mit Beschluss vom 28.11.2019 (L 11 KA 1355/17) einen Anspruch des Klägers und hiesigen Erinnerungsführers auf Auszahlung weiteren vertragszahnärztlichen Honorars verneint und deshalb seine Berufung gegen das klageabweisende Urteil des SG Gotha vom 21.6.2017 zurückgewiesen. Der Kläger erstrebte, dass auch gegen diese Entscheidung Nichtzulassungsbeschwerde zum BSG erhoben werde. In einem von ihm unterzeichneten Schreiben vom 22.2.2020 an das BSG, das neben dem genannten noch weitere elf Aktenzeichen unterschiedlicher Senate des LSG (Sachgebiete KR, P, KA, SF und SO) aufführte, betonte er, dass er prozessunfähig sei und deshalb weder selbst einen Anwalt beauftragen noch wirksam einen Antrag auf Prozesskostenhilfe stellen könne. Rechtsverbindliche Schreiben müsse die von ihm benannte Rechtsanwältin P. verfassen, die das BSG als besondere Vertreterin für die entsprechenden Verfahren zu bestellen habe, damit er als behinderter Mensch nicht entrechtet werde.
Der 6. Senat des BSG hat dieses Schreiben als Nichtzulassungsbeschwerde behandelt. Er hat den Kläger weiterhin - jedenfalls in vertragszahnärztlichen Angelegenheiten - für prozessfähig erachtet und deshalb keinen besonderen Vertreter bestellt, sondern die Beschwerde als unzulässig verworfen, weil sie nicht von einem zugelassenen Prozessbevollmächtigten eingelegt worden war (Beschluss vom 21.4.2020 - B 6 KA 5/20 B). Zugleich sind in diesem Beschluss die Kosten des Beschwerdeverfahrens dem Kläger auferlegt und der Streitwert für dieses Verfahren auf 252 823,72 Euro festgesetzt worden.
Die Geschäftsstelle des BSG hat mit Schlusskostenrechnung vom 18.5.2020 die vom Kläger für das Beschwerdeverfahren zu tragenden Gerichtskosten nach Nr 7502 des Kostenverzeichnisses (KV - Anlage 1 zu § 3 Abs 2 GKG) auf 4208 Euro festgesetzt. Der Kläger macht mit seiner hiergegen gerichteten Erinnerung (Schreiben vom 30.5.2020) geltend, dass er als Behinderter und Prozessunfähiger geklagt habe und deshalb Gerichtskosten entfielen. Zudem gehöre er wegen der Corona-Pandemie einer Risikogruppe an, die nicht mit Forderungen belastet werden dürfe, welche den Entzug der Lebensgrundlage bedeute.
Die Kostenbeamtin hat der Erinnerung nicht abgeholfen. Die Kostenprüfungsbeamtin ist dieser Entscheidung am 23.6.2020 beigetreten.
II. 1. Zur Entscheidung über die Erinnerung ist der 5. Senat des BSG als Kostensenat gemäß § 66 Abs 1 Satz 1 GKG iVm RdNr 5 Ziffer 13 des Geschäftsverteilungsplans des BSG für das Jahr 2020 berufen. Er entscheidet durch den zuständigen Berichterstatter als Einzelrichter (§ 66 Abs 6 Satz 1 iVm § 1 Abs 5 GKG).
2. Die Erinnerung ist formgerecht erhoben.
a) Durchgreifende Anhaltspunkte dafür, dass die Erinnerung nicht der Schriftform genügt (vgl § 66 Abs 5 Satz 1 GKG), sondern von einem unbeteiligten und vollmachtlosen Dritten stammt und damit ohne rechtliche Wirkung ist, bestehen nicht. Zwar ist in dem Schreiben vom 30.5.2020 ausgeführt, dass die Erinnerung "von den Helfern des Dr. S. aus dem Bereich der Mediziner, Statistiker, Historiker und Pädagogen" verfasst wurde und von ihm selbst erst zu einem späteren Zeitpunkt als dem angegebenen Datum unterzeichnet worden sei, wobei dieser "weder das gesprochene Wort hören noch Schreiben lesen und nicht deren Inhalt erfassen" konnte. Wenn dem so wäre, wäre die Veranlassung des Dr. S. zur "Unterschrift" unter ein solches, inhaltlich von ihm überhaupt nicht verstandenes Schriftstück eine "Farce" und würde nicht dazu führen, dass die Schriftform gewahrt ist (vgl BGH Urteil vom 12.3.1981 - IVa ZR 111/80 - juris RdNr 15 f). Das müsste sich auch einem Mediziner, Statistiker, Historiker oder Pädagogen mit durchschnittlicher Bildung ohne Weiteres aufdrängen. Da der Erinnerungsführer seine angeblichen "Helfer" aber niemals namentlich, sondern lediglich mit bedeutungsvoll klingenden Berufsbezeichnungen benennt, dabei aber zugleich seit Jahren in den zahlreichen beim BSG anhängig gemachten Verfahren in stets gleichbleibender und konsistenter Weise vorträgt, geht der Senat - zugunsten des Erinnerungsführers - davon aus, dass das Erinnerungsschreiben in Wirklichkeit von ihm selbst stammt (zur Prozessfähigkeit des Erinnerungsführers s auch BSG Beschluss vom 27.2.2020 - B 5 R 32/20 B - RdNr 3 mwN).
b) Abweichend von dem für Verfahren vor dem BSG ansonsten geltenden Vertretungszwang (§ 73 Abs 4 SGG) bedarf es für eine Kostenerinnerung nach der Sondervorschrift in § 66 Abs 5 Satz 1 GKG keiner Vertretung durch einen vor dem BSG zugelassenen Prozessbevollmächtigten (s auch § 1 Abs 5 GKG).
3. Die Erinnerung gegen den Kostenansatz in der Schlusskostenrechnung vom 18.5.2020 hat Erfolg.
Zwar hat der Beschluss des 6. Senats vom 21.4.2020 (B 6 KA 5/20 B) den Kläger (hiesigen Erinnerungsführer) zur Tragung der Kosten des Beschwerdeverfahrens vor dem BSG verpflichtet (vgl § 29 Nr 1 GKG). Diese Kostengrundentscheidung ist grundsätzlich verbindlich und im Rahmen einer Erinnerung gegen den Kostenansatz nicht nachzuprüfen (vgl BGH Beschluss vom 4.9.2017 - II ZR 59/16 - juris RdNr 5 mwN; BSG Beschluss vom 18.6.2019 - B 6 SF 9/19 S - juris RdNr 10). Hier wendet sich der Erinnerungsführer aber nicht gegen die Art und Weise der Kostenzuordnung in der Kostengrundentscheidung, sondern dagegen, dass Gerichtskosten für das von ihm eingeleitete Verfahren überhaupt erhoben werden. Er macht geltend, dass Gerichtskosten nach den gesetzlichen Vorschriften nicht angefallen sind und deshalb die Kostengrundentscheidung ("Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens") ins Leere geht, auch wenn sie verbindlich ist. Dieser Einwand wird dem Erinnerungsführer durch den Grundsatz der Verbindlichkeit der Kostengrundentscheidung nicht abgeschnitten (zur Anwendbarkeit des § 21 Abs 1 GKG vgl Toussaint in Hartmann/Toussaint, Kostenrecht, 50. Aufl 2020, § 21 GKG RdNr 21 "Kostenentscheidung"; zum Wesen dieser Vorschrift als "Gegennorm zum Kostenanspruch" s Zimmermann in Binz/Dörndorfer/Zimmermann, GKG, 4. Aufl 2019, § 21 RdNr 1).
Hier folgt aus § 21 Abs 1 Satz 1 GKG, dass vom Erinnerungsführer für das zugrunde liegende Verfahren keine Kosten zu erheben sind. Sein Schreiben vom 22.2.2020 hätte nicht bereits als Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde, sondern lediglich als Antrag auf Bestellung eines besonderen Vertreters iS des § 72 Abs 1 SGG zur Durchführung des beabsichtigten Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde durch die benannte Rechtsanwältin behandelt werden müssen (zu vergleichbaren Formulierungen des Erinnerungsführers zutreffend bereits BSG Beschluss vom 21.8.2019 - B 6 KA 3/19 S - RdNr 2; BSG Beschluss vom 27.2.2020 - B 5 R 32/20 B - RdNr 2; BSG Beschluss vom 3.3.2020 - B 10 SF 4/19 B; zu einem weiteren Verfahren, das ebenfalls aus dem Schreiben vom 22.2.2020 hervorgegangen ist, s auch BSG Beschluss vom 15.5.2020 - B 10 SF 6/20 S). Für ein solches Verfahren vor Einleitung des eigentlichen Rechtsmittelverfahrens fallen Gerichtskosten nach § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 1 Abs 2 Nr 3 GKG nicht an, da das Kostenverzeichnis zum GKG hierfür keinen Gebührentatbestand enthält (vgl Nr 7130 ff, 7500 ff KV). Insoweit gilt dasselbe wie für isolierte Verfahren über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe oder für Verfahren auf Beiordnung eines Notanwalts (BSG Beschluss vom 21.8.2019 - B 6 KA 3/19 S - RdNr 5). Dementsprechend entstehen auch in Verfahren, für die gemäß §§ 183, 184 SGG von nicht kostenprivilegierten Beteiligten - insbesondere von den beklagten Versicherungsträgern - Pauschgebühren zu erheben sind, solche Gebühren für eine Entscheidung über die Bestellung eines besonderen Vertreters noch vor Einleitung der Instanz nicht (BSG Beschluss vom 27.2.2020 - B 5 R 32/20 B - RdNr 4).
Nach alledem kommt es auf die in dem Erinnerungsschreiben erneut wiederholte, rechtlich jedoch unzutreffende Ansicht, dass behinderte Menschen generell von Gerichtskosten befreit seien, hier nicht an (s dazu BSG Beschluss vom 24.4.2020 - B 5 SF 6/20 S - juris RdNr 9 mwN).
4. Die Kostenentscheidung für das Verfahren der Erinnerung beruht auf § 66 Abs 8 GKG.
5. Gegen diese Entscheidung ist kein weiteres Rechtsmittel statthaft (§ 66 Abs 3 Satz 2 und 3 GKG).
Fundstellen
Dokument-Index HI13945115 |