Verfahrensgang
SG Konstanz (Entscheidung vom 06.08.2019; Aktenzeichen S 10 R 1213/16) |
LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 13.04.2021; Aktenzeichen L 13 R 3293/19) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 13. April 2021 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.
Gründe
I
Der Kläger begehrt eine Rente wegen Erwerbsminderung. Das LSG hat mit Urteil vom 13.4.2021 seine Berufung gegen das klageabweisende Urteil des SG Konstanz vom 6.8.2019 unter ausführlicher Würdigung der insgesamt drei im Verlauf des Verfahrens eingeholten nervenärztlichen Sachverständigengutachten (von S1, S2 und - nach § 109 SGG - von L) zurückgewiesen. Der Kläger sei noch in der Lage, mindestens sechs Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erwerbstätig zu sein.
Gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er rügt Verfahrensmängel.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist. Der Kläger hat einen Verfahrensmangel iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG bezeichnet. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.
Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde damit begründet, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG), so müssen zur Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) zunächst die den Verfahrensfehler (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist es erforderlich darzulegen, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung des Klägers nicht gerecht.
a) Der Kläger rügt, das LSG habe eine Überraschungsentscheidung getroffen und damit seinen Anspruch auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG) verletzt. Es sei für ihn völlig überraschend gewesen, dass das LSG das auf seinen Antrag im Berufungsverfahren eingeholte und für ihn günstige Gutachten des L nicht anerkannt habe, obwohl dieses Gutachten schlüssig sei. Darauf hätte das LSG in der mündlichen Verhandlung hinweisen müssen, was aber unterblieben sei. Hierauf beruhe das Berufungsurteil, weil nach einem Hinweis darauf, dass das Gutachten nach § 109 SGG vom Gericht nicht anerkannt werde, ein weiterer Beweisantrag nach § 103 SGG hätte gestellt werden können. Mit Hilfe der weiteren Beweiserhebung hätte die schwerwiegende psychische Erkrankung des Klägers, die zu einem unter dreistündigen Leistungsvermögen führe, erkannt werden können.
Aus diesem Vortrag ergibt sich nicht, dass eine Gehörsverletzung vorliegt, sofern die Angaben des Klägers als zutreffend unterstellt werden. Art 103 Abs 1 GG gebietet den Gerichten grundsätzlich nicht, bereits vor der Entscheidung auf ihre Rechtsauffassung hinzuweisen (vgl BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 24.10.2007 - 1 BvR 1086/07 - juris RdNr 21; BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 20.2.2008 - 1 BvR 2722/06 - juris RdNr 26). Dementsprechend gibt es auch im einfachrechtlichen Prozessrecht keinen allgemeinen Verfahrensgrundsatz, der das Gericht verpflichten würde, die Beteiligten auf eine in Aussicht genommene Beweiswürdigung hinzuweisen oder die für die richterliche Überzeugungsbildung möglicherweise leitenden Gründe zuvor mit ihnen zu erörtern (stRspr; vgl BSG Beschluss vom 9.10.2014 - B 13 R 157/14 B - juris RdNr 7; BSG Beschluss vom 2.3.2021 - B 5 RE 18/20 B - juris RdNr 22 - jeweils mwN). Besondere Umstände, aus denen sich ergeben könnte, dass sich das LSG bei seiner Beweiswürdigung und Entscheidungsfindung auf einen Gesichtspunkt gestützt hat, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte (vgl dazu BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 3.5.2021 - 2 BvR 1176/20 - juris RdNr 21 mwN), sind in der Beschwerdebegründung nicht vorgetragen. Insbesondere konnte der Kläger allein aus dem Umstand, dass das auf seine Kosten eingeholte Gutachten nach § 109 SGG zu einer von den anderen Gutachten abweichenden und für sein Begehren günstigen Beurteilung gelangte, nicht den Schluss ziehen, das Gericht werde diesem Gutachten in jedem Falle folgen. Vielmehr war das LSG verpflichtet, sich im Rahmen der Beweiswürdigung mit den einander entgegenstehenden Ergebnissen auseinanderzusetzen und sich eine eigene Überzeugung zu bilden (vgl BSG Beschluss vom 8.12.2009 - B 5 R 148/09 B - juris RdNr 20; BSG Beschluss vom 27.4.2021 - B 13 R 125/20 B - juris RdNr 7).
b) Als weitere Verletzung des § 62 SGG rügt der Kläger, dass das LSG zu Unrecht auf seine persönliche Anhörung verzichtet habe. Bei einer persönlichen Anhörung hätte das Gericht erkennen müssen, dass er unter formalen und inhaltlichen Denkstörungen in mittelschwerer bis schwerer Ausprägung leide, die zu einem Leistungsvermögen von unter drei Stunden täglich führten. Auch dieser Vortrag legt einen Gehörsverstoß nicht in schlüssiger Weise dar. Der Kläger zeigt nicht auf, weshalb er seinen Anspruch auf rechtliches Gehör nicht durch seine Prozessbevollmächtigte hat wahrnehmen können (vgl BSG Beschluss vom 23.4.2009 - B 13 R 15/09 B - juris RdNr 11 mwN). Aus seinem Vorbringen ergibt sich auch nicht, warum er nicht selbst an der mündlichen Verhandlung vor dem LSG teilgenommen und von der Möglichkeit einer unmittelbaren Äußerung vor dem Senat Gebrauch gemacht hat (vgl § 112 Abs 2 Satz 1 SGG).
Letztendlich macht der Kläger mit dieser Rüge eine unzureichende Sachaufklärung durch das Berufungsgericht und damit einen Verstoß gegen § 103 SGG geltend. Die besonderen Anforderungen an eine solche Rüge beachtet er jedoch nicht (vgl § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG; s dazu auch BSG Beschluss vom 18.1.2018 - B 1 KR 30/17 B - juris RdNr 7). Zudem bleibt unklar, inwiefern die Einnahme eines Augenscheins von der Person des Klägers durch das Gericht (vgl § 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm §§ 371 ff ZPO) überhaupt geeignet sein könnte, mittelschwere bis schwerer Denkstörungen und deren Auswirkungen auf die berufliche Leistungsfähigkeit des Klägers nachzuweisen, obgleich hierfür in erster Linie eine besondere medizinische Sachkunde erforderlich sein dürfte.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI14800484 |