Verfahrensgang

SG München (Entscheidung vom 19.03.2019; Aktenzeichen S 47 R 1370/18)

Bayerisches LSG (Urteil vom 24.03.2021; Aktenzeichen L 6 R 205/19)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 24. März 2021 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.

 

Gründe

I

Der Kläger begehrt die Gewährung einer Hinterbliebenenrente, die die Beklagte wegen des Vorliegens einer Versorgungsehe ablehnte (Bescheid vom 5.10.2017 idF des Widerspruchsbescheides vom 13.9.2018). Die Klage ist ebenso erfolglos geblieben wie die Berufung gegen das klageabweisende Urteil. Nach den Umständen des Falles sei die Vermutung nicht widerlegt, dass die nur drei Tage vor dem Versterben der Versicherten geschlossene Ehe nicht überwiegend der Versorgung des Klägers gedient habe.

Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil vom 24.3.2021 hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt und als Zulassungsgrund eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG), eine Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) sowie Verfahrensfehler (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) geltend gemacht.

II

Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist. Die Beschwerdebegründung legt keinen Zulassungsgrund iS des § 160 Abs 2 SGG in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Weise hinreichend dar. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 SGG zu verwerfen.

1. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt (zum Ganzen vgl BSG Beschluss vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN; Fichte in Fichte/Jüttner, SGG, 3. Aufl 2020, § 160a RdNr 32 ff). Zur Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage muss unter Auswertung der Rechtsprechung des BSG substantiiert vorgetragen werden, dass das BSG zu diesem Fragenbereich noch keine Entscheidung gefällt oder durch die schon vorliegenden Urteile die Rechtsfrage noch nicht beantwortet hat (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, 13. Aufl 2020, § 160a RdNr 14d mwN).

Der Kläger formuliert als Rechtsfragen:

"ob Handlungsalternativen zur Eheschließung, mit denen die Eheleute ihre nachgewiesenen Beweggründe (hier: Organisation der jüdischen Beerdigung) auch erreichen können, im Rahmen der Bewertung der 'besonderen Umstände' von Bedeutung sind",

"ob ein vor Kenntnis der lebensbedrohlichen Erkrankung getroffener Heiratsentschluss einen besonderen Umstand i.S.d. § 46 Abs. 2a SGB VI darstellen kann" und

"ob § 46 Abs. 2a SGB VI im Lichte des Grundgesetzes dahingehend auszulegen ist, dass bei gemeinsamen minderjährigen Kindern zum Zeitpunkt des Versorgungsfalles ein besonderer Umstand i.S.d. Vorschrift anzunehmen ist".

Es kann offenbleiben, ob der Kläger damit hinreichend abstrakte Rechtsfragen gestellt hat, oder ob nicht die Fragestellung bereits von den Besonderheiten des Einzelfalles überlagert wird. Jedenfalls fehlt es an jeder substantiierten Auseinandersetzung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu § 46 Abs 2a SGB VI. Der Kläger bezieht sich zwar auf das Urteil des BSG vom 28.3.1973 (5 RKnU 11/71 - BSGE 35, 272 = SozR Nr 2 zu § 594 RVO) und zitiert aus einer Entscheidung des BVerwG vom 28.1.2016 (2 C 21.14 - BVerwGE 154, 137 = Buchholz 239.1 § 19 BeamtVG Nr 4). Die Beschwerdebegründung würdigt jedoch weder den Inhalt dieser Entscheidungen noch geht sie auf neuere Urteile ein, wie etwa das vom LSG herangezogene Urteil des BSG vom 6.5.2010 (B 13 R 134/08 R). Das BSG verwies dort auf ein weiteres Urteil des selben Senats vom 5.5.2009 (B 13 R 55/08 R - BSGE 103, 99 = SozR 4-2600 § 46 Nr 6 mwN) zur Auslegung und Anwendung des Ausnahmetatbestands des § 46 Abs 2a Halbsatz 2 SGB VI, mit dem bereits entschieden sei, dass eine abschließende Typisierung und Bewertung einzelner von den Tatsacheninstanzen festgestellter Ehemotive durch das Revisionsgericht nicht möglich sei. Nach Wortlaut und Entstehungsgeschichte des § 46 Abs 2a Halbsatz 2 SGB VI seien als "besondere Umstände des Falles" alle äußeren und inneren Umstände des Einzelfalles zu prüfen, die auf einen von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggrund für die Heirat schließen lassen. Die vom Gesetzgeber selbst intendierte Einzelfallprüfung lasse eine abschließende abstrakt-generelle (normgleiche) Einordnung einzelner denkbarer Ehemotive durch das Revisionsgericht nicht zu (BSG Urteil vom 6.5.2010 - B 13 R 134/08 R - juris RdNr 17; vgl auch BSG Beschluss vom 1.8.2019 - B 13 R 283/18 B - juris RdNr 10).

Der Vortrag des Klägers, die "Annahme von Handlungsalternativen" gehe nach seiner Auffassung über die Bewertung der äußeren und inneren Umstände hinaus, ersetzt eine eingehende Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung nicht. Ungeachtet dessen findet sich für die Auffassung des Klägers keinerlei Begründung in der Beschwerdeschrift. Soweit der Kläger die Frage stellt, ob ein vor Kenntnis der lebensbedrohlichen Erkrankung getroffener Heiratsentschluss einen besonderen Umstand darstellen könne, ist neben der Klärungsbedürftigkeit auch die Klärungsfähigkeit nicht dargelegt. Das LSG hat die Gesamtumstände dahin gewertet, dass die Eheschließung vor Kenntnis der Erkrankung der Versicherten nicht konkret geplant war. Hierauf geht die Beschwerdebegründung nicht ein. Soweit der Kläger eine inhaltliche Unrichtigkeit der Entscheidung des Berufungsgerichts geltend machen will, kann hierauf eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht gestützt werden. Zur Rüge eines Eingriffs in Art 6 Abs 1 und 2 GG hätte es dem Kläger oblegen, unter Berücksichtigung und Auswertung der Rechtsprechung des BVerfG und des BSG zu der als verletzt erachteten Verfassungsnorm in substanzieller Argumentation darzulegen, welche gesetzlichen Regelungen welche Auswirkungen hätten und woraus sich im konkreten Fall die behauptete Verfassungswidrigkeit ergebe (vgl zu diesen Darlegungsanforderungen aus jüngerer Zeit BSG Beschluss vom 11.6.2021 - B 13 R 7/21 B - juris RdNr 9 mwN). Auch insofern wird die Beschwerdebegründung den Anforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG nicht gerecht.

2. Soweit der Kläger eine Divergenz nach § 160 Abs 2 Nr 2 SGG rügt, fehlt es an einer Gegenüberstellung divergierender Rechtssätze. Eine Abweichung (Divergenz) iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht. Eine Abweichung liegt nicht schon vor, wenn die angefochtene Entscheidung nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG, der GmSOGB oder das BVerfG aufgestellt haben, weil die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall nicht die Zulassung einer Revision wegen Abweichung rechtfertigt. Erforderlich ist vielmehr, dass das LSG diesen Kriterien widersprochen und über den Einzelfall hinausgehende andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Nicht die - behauptete - Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die fehlende Übereinstimmung im Grundsätzlichen kann die Zulassung wegen Abweichung begründen (stRspr; vgl etwa BSG Beschluss vom 22.4.2021 - B 4 AS 16/21 B - juris RdNr 6 mwN). Indem der Kläger vorträgt, das LSG werde den vom BSG formulierten Anforderungen nicht gerecht, rügt er lediglich die Subsumtion im Einzelfall.

3. Soweit der Kläger schließlich einen Verstoß gegen § 117 SGG darin sieht, dass das LSG nur schriftliche Auskünfte eingeholt und diese nicht zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht habe, hat er bereits nicht dargetan, warum die Einholung und Verwertung von nach § 106 Abs 2 Nr 3 SGG eingeholten Auskünften nicht zulässig gewesen sein soll. Sofern es sich aus seiner Sicht um schriftliche Zeugenaussagen gehandelt hat, sind hierzu weder die Tatsachen noch die rechtlichen Voraussetzungen Gegenstand des Vorbringens. Auch zeigt der Kläger zu seinem Vorbringen, das LSG habe vom Inhalt der Auskünfte nicht abweichen dürfen, ohne sich über die Glaubwürdigkeit der Zeugen einen persönlichen Eindruck zu verschaffen, nicht auf, an welcher Stelle das LSG überhaupt auf die Glaubwürdigkeit der von ihm angeschriebenen Personen abgestellt habe. Er greift mit seiner Rüge vielmehr letztlich die Beweiswürdigung durch das LSG an. Hierauf kann nach der ausdrücklichen Regelung des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht gestützt werden.

Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI14892301

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