Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22. Februar 2018 wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Der Kläger begehrt in der Sache höhere Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG), verfahrensrechtlich ist die Zulässigkeit der Berufung im Streit.
Der Kläger pakistanischer Staatsangehörigkeit, dessen Asylverfahren in der Bundesrepublik ohne Erfolg geblieben ist, erhielt ab September 2016 bis 28.2.2017 wegen fehlender Mitwirkung bei der Passersatzbeschaffung abgesenkte Leistungen nach § 1a AsylbLG. Er begehrt ungekürzte Leistungen und die Übernahme von Kosten für eine antivirale Therapie wegen einer bei ihm vorliegenden Hepatitis-C-Erkrankung. In dem gegen die ablehnenden Entscheidungen geführten Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Stuttgart legte der Kläger in englischer Sprache verfasste Schreiben vor, die das SG übersetzen ließ. Gegen die die Klage abweisende Entscheidung des SG (Gerichtsbescheid vom 30.8.2017) hat sich der Kläger an das SG mit einem ausschließlich in englischer Sprache verfassten Schreiben gewandt, das dieses als Berufung bewertet und an das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg weitergeleitet hat. Mit mehreren Verfügungen des zuständigen Berichterstatters am LSG ist der Kläger sodann darauf hingewiesen worden, dass die Gerichtssprache deutsch und ein in fremder Sprache abgefasstes Schreiben nicht geeignet sei, Rechtswirkungen zu entfalten. Antwortschreiben gingen beim LSG jeweils in Englisch ein. Zum Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem LSG ist der Kläger erschienen und hat mit Unterstützung des vom LSG geladenen Dolmetschers (nochmals) Berufung zur Niederschrift des Gerichts eingelegt. Das LSG hat die Berufung als unzulässig verworfen (Urteil vom 22.2.2018), weil die in englischer Sprache verfasste Berufung die Rechtsmittelfrist nicht gewahrt habe. Aber auch die vom Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung mit Hilfe des Dolmetschers eingelegte Berufung sei unzulässig; ihm sei keine Wiedereinsetzung wegen des Versäumens der Frist zur Einlegung der Berufung zu gewähren. Zwar sei fehlenden Sprachkenntnissen bei der Frage der Wiedereinsetzung Rechnung zu tragen; die Frist zur Einlegung des Rechtsmittels sei jedoch verschuldet versäumt worden. Denn der Kläger habe mehrere Verfügungen des Berichterstatters mit entsprechenden rechtlichen Hinweisen ignoriert, obwohl er ausweislich der Akten durchaus in der Lage sei, in deutscher Sprache verfasste Schreiben vorzulegen.
Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG macht der Kläger das Vorliegen eines Verfahrensmangels geltend. Das Urteil des LSG beruhe auf einer Verletzung des § 61 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) iVm § 184 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG); es liege zudem ein Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens und der Gewährung effektiven Rechtsschutzes vor. Das LSG hätte nicht durch Prozessurteil entscheiden dürfen. Er, der Kläger, habe darauf vertrauen dürfen, in englischer Sprache mit dem Gericht kommunizieren zu können, nachdem dies vom SG so akzeptiert worden sei. Ihm sei es nicht möglich gewesen, die Berufung in deutscher Sprache abzufassen, weil er hierfür kein Geld gehabt habe. Dies sei auch dem LSG bekannt gewesen. Hätte dieses die Übersetzung seiner Schreiben in die deutsche Sprache veranlasst, hätte die Berufung nicht als unzulässig verworfen werden dürfen.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil der einzig geltend gemachte Zulassungsgrund des Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) nicht in der gebotenen Weise bezeichnet worden ist. Der Senat konnte deshalb über die Beschwerde ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter nach § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 SGG entscheiden.
Wird das Vorliegen eines Verfahrensmangels geltend gemacht, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann, so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels wie bei einer Verfahrensrüge innerhalb einer zugelassenen Revision zunächst die diesen Verfahrensmangel des LSG (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargelegt werden (BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 24, 34 und 36; vgl auch Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 160a RdNr 16 mwN). Darüber hinaus ist die Darlegung zu verlangen, dass und warum die Entscheidung - ausgehend von der Rechtsansicht des LSG - auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit der Beeinflussung des Urteils besteht (BSG SozR 1500 § 160a Nr 14 und 36), es sei denn, es werden - was hier allerdings nicht der Fall ist - absolute Revisionsgründe gerügt, bei denen gemäß § 202 SGG iVm § 547 Zivilprozessordnung (ZPO) der Einfluss auf die Entscheidung unwiderlegbar vermutet wird (BSGE 4, 281, 288; BSG SozR 1500 § 136 Nr 8).
Diesen Anforderungen genügt die Begründung der Beschwerde nicht. Zur Begründung bringt der Kläger nur vor, das LSG hätte die von ihm in englischer Sprache abgefassten Schreiben übersetzen lassen müssen. Angesichts höchstrichterlicher Rechtsprechung, wonach der in fremder Sprache abgefasste Schriftsatz schon keine Wirkung entfaltet (BSG SozR 1500 § 61 Nr 1 S 3) und es Sache des der deutschen Sprache nicht mächtigen Ausländers ist, sich zur Kenntnisnahme vor Gericht um die erforderliche Übersetzung zu bemühen (Bundesverwaltungsgericht ≪BVerwG≫ Beschluss vom 14.4.1972 - I B 27.71 -, juris), hätte der Kläger aufzeigen müssen, woraus sich hier eine solche Pflicht des Gerichts ergeben sollte. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang behauptet, die Anwendung des § 61 SGG iVm § 184 GVG sei fehlerhaft erfolgt, ist sein Vortrag nicht nachvollziehbar, weil § 184 GVG, auf den § 61 SGG ua verweist, gerade bestimmt, dass die Gerichtssprache deutsch ist. Deshalb verfängt an dieser Stelle auch die Behauptung nicht, mit dem Unterlassen der Übersetzung habe das LSG gegen das Gebot fairen Verfahrens bzw effektiven Rechtsschutzes verstoßen, zumal es zudem an Vortrag dazu fehlt, wie sich die vom Kläger behauptete Pflicht auf die Wahrung der Berufungsfrist ausgewirkt hätte.
Schließlich fehlt es - bei angenommener Unzulässigkeit der Berufung - an Vortrag dazu, warum ihm Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Einlegung der Berufung hätte gewährt werden müssen. Hierfür genügt es nicht zu behaupten, das SG habe in englischer Sprache mit ihm korrespondiert und er deshalb darauf vertrauen dürfen, so - rechtswirksam - auch vor dem LSG verfahren zu dürfen. Entscheidend ist vielmehr, weshalb dieses Vertrauen etwa angesichts der Hinweise des LSG, dass die Gerichtssprache deutsch und ein in fremder Sprache abgefasstes Schreiben nicht geeignet sei, Rechtswirkungen zu entfalten, normativ geschützt sein soll und er deshalb unverschuldet die Frist zur Einlegung der Berufung nicht gewahrt hat. An Vortrag dazu fehlt es aber. Deshalb kann offen bleiben, ob die bestehenden Sprach- und Verständigungsschwierigkeiten vor dem LSG angemessene Berücksichtigung gefunden haben (vgl BVerfGE 42, 120, 126 f; BVerfGE 86, 280, 285; BSG SozR 1500 § 61 Nr 1), woran in der Tat Zweifel bestehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI12335629 |