Verfahrensgang

LSG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 09.06.2016; Aktenzeichen L 13 VS 29/14)

SG Berlin (Aktenzeichen S 40 VS 122/12)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 9. Juni 2016 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

 

Gründe

I

Der Kläger begehrt die Anerkennung einer Fieberinfektion als Folge einer Wehrdienstbeschädigung nach dem Soldatenversorgungsgesetz (SVG).

Der Kläger nahm als Sanitätsstabsoffizier der Bundeswehr bis zum 4.10.2007 an einem Auslandseinsatz in A. teil.

Im November 2008 ergab eine serologische Untersuchung bei ihm einen Hinweis auf eine längere Zeit zurückliegende Infektion mit dem Erreger des Q-Fiebers, einer zwischen Tieren und Menschen übertragbaren Infektionskrankheit.

Der daraufhin gestellte Antrag des Klägers, eine abgelaufene Q-Fieber-Infektion als Folge einer Wehrdienstbeschädigung anzuerkennen, blieb bei der Beklagten und beim Sozialgericht ohne Erfolg (Bescheid vom 8.7.2011, Widerspruchsbescheid vom 8.8.2012, Urteil vom 24.4.2014).

Im Berufungsverfahren hat der Kläger zuletzt die Feststellung beantragt, dass die Gesundheitsstörung "abgelaufene Q-Fieber-Infektion" als Folge einer Wehrdienstbeschädigung anzuerkennen sei.

Das LSG hat die Feststellungsklage als unzulässig angesehen. Die Klärung einzelner Elemente als Vorfrage des Anspruchs nach § 80 SVG sei unzulässig. Im Übrigen weise das Gericht darauf hin, dass die Klage auch unbegründet sei. Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens, insbesondere nach den Ausführungen des in der Berufungsinstanz gehörten Sachverständigen, habe der Kläger schon nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit während seines Auslandseinsatzes eine Infektion mit Q-Fieber erlitten (Urteil vom 9.6.2016).

Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat der Kläger Beschwerde zum BSG eingelegt. Das LSG sei von der Rechtsprechung des BSG abgewichen und habe eine Überraschungsentscheidung getroffen, indem es die Feststellungsklage als unzulässig angesehen habe.

II

Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil weder die angebliche Divergenz (1.) noch die behauptete Gehörsverletzung (2.) ordnungsgemäß dargetan worden sind (vgl § 160a Abs 2 S 3 SGG).

1. Die behauptete Abweichung des LSG von der Rechtsprechung des Senats hat die Beschwerde nicht hinreichend substantiiert dargelegt. Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG liegt vor, wenn die tragenden abstrakten Rechtssätze, die zwei Entscheidungen zu Grunde gelegt worden sind, nicht übereinstimmen. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) aufgestellt hat. Erforderlich ist, dass das LSG bewusst einen abweichenden Rechtssatz aufgestellt und nicht etwa lediglich im Einzelfall das Recht fehlerhaft angewendet hat (vgl zB BSG Beschluss vom 15.1.2007 - B 1 KR 149/06 B - RdNr 4; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 26 S 44 f mwN). Wer eine Rechtsprechungsdivergenz entsprechend den gesetzlichen Anforderungen darlegen will, muss daher entscheidungstragende abstrakte Rechtssätze in der Entscheidung des Berufungsgerichts einerseits und in der herangezogenen höchstrichterlichen Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG andererseits gegenüberstellen und dazu ausführen, weshalb beide miteinander unvereinbar sein sollen (vgl zB BSG Beschluss vom 28.7.2009 - B 1 KR 31/09 B - RdNr 4; BSG Beschluss vom 28.6.2010 - B 1 KR 26/10 B - RdNr 4; BSG Beschluss vom 22.12.2010 - B 1 KR 100/10 B - Juris RdNr 4 mwN).

Diese Darlegungen enthält die Beschwerde nicht. Trotz ihres Hinweises auf die Rechtsprechung des Senats hat sie keinen tragenden Rechtssatz des LSG herausgearbeitet und dargelegt, inwieweit sich das LSG bewusst in Gegensatz zur Senatsrechtsprechung gesetzt hätte. Das LSG hat seine Rechtsansicht vielmehr auf von ihm ausdrücklich zitierte Urteile des Senats zur Feststellungsklage im Recht der Soldatenversorgung zu stützen versucht, der es damit offenbar gerade nicht bewusst widersprechen wollte. Soweit die Beschwerde kritisiert, das LSG habe gleichwohl die falschen Weichen gestellt und das Klageziel des Klägers aus dem Blick verloren, weshalb sein Urteil zwangsläufig von der Judikatur des Senats zur Zulässigkeit einer Feststellungsklage nach § 55 Abs 1 Nr 3 SGG abweiche, kritisiert sie lediglich die Rechtsanwendung des LSG und damit die inhaltliche Richtigkeit seines Urteils im Einzelfall. Diese ist aber nicht Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).

Unabhängig davon fehlt es auch an der Darlegung, warum es auf die vermeintliche Rechtsprechungsabweichung für die Klage des Klägers im Ergebnis überhaupt ankommen sollte und die behauptete Divergenz deshalb in einem Revisionsverfahren beseitigt werden könnte. Das LSG hat die Klage des Klägers nicht nur als unzulässig angesehen, sondern gleichzeitig darauf hingewiesen, diese sei nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens auch unbegründet. Das Gericht sei nicht davon überzeugt, dass der Kläger während seines Auslandseinsatzes in Afghanistan eine Infektion mit Q-Fieber erlitten habe. Die Beschwerde hat nicht dargelegt, in welcher Weise der Kläger mit seiner Klage gleichwohl obsiegen könnte, obwohl nach den für den Senat nach § 163 SGG bindenden tatsächlichen Feststellungen des LSG der von ihm geltend gemachte Feststellungsanspruch auch der Sache nach nicht besteht (vgl auch BSG, Urteil vom 11.12.1963 - 5 RKn 39/62 - SozR Nr 30 zu § 51 SGG und Urteil vom 26.5.1972 - 4 RJ 447/71 - SozR Nr 14 zu § 170 SGG).

2. Ebenso wenig hat der Kläger eine Verletzung seines Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs iS von § 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG dargelegt. Ein solcher Verstoß liegt ua vor, wenn das Gericht seiner Pflicht, das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in seine Erwägungen einzubeziehen, nicht nachgekommen ist (vgl BSG SozR 3-1500 § 62 Nr 19 S 33 mwN) oder sein Urteil auf Tatsachen und Beweisergebnisse stützt, zu denen sich die Beteiligten nicht haben äußern können (vgl BSG SozR 3-1500 § 62 Nr 12 S 19). Dementsprechend sind insbesondere Überraschungsentscheidungen verboten (vgl dazu Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 62 RdNr 8a, 8b mwN). Zur Begründung eines entsprechenden Revisionszulassungsgrundes ist nicht nur der Verstoß gegen diesen Grundsatz selbst zu bezeichnen, sondern auch darzutun, welches Vorbringen ggf dadurch verhindert worden ist und inwiefern die angefochtene Entscheidung darauf beruhen kann (BSG SozR 1500 § 160a Nr 36). Ferner ist Voraussetzung für den Erfolg einer Gehörsrüge, dass der Beschwerdeführer darlegt, seinerseits alles getan zu haben, um sich rechtliches Gehör zu verschaffen (BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 22 S 35; vgl auch BSGE 68, 205, 210 = SozR 3-2200 § 667 Nr 1 S 6). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Die Beschwerde behauptet lediglich, das LSG hätte dem Kläger, bevor es die Klage als unzulässig verworfen hat, rechtliches Gehör gewähren müssen. Indes fehlt es schon an der Darlegung, welcher Vortrag die angebliche Überraschungsentscheidung des Gerichts verhindert haben soll. Dies insbesondere deshalb, weil die Fieberinfektion des Klägers bei seinem Auslandseinsatz, um deren Feststellung es ihm ging, vom LSG in der Sache nicht festgestellt werden konnte.

Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2, § 169 SGG).

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI10448879

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