Entscheidungsstichwort (Thema)
Recht auf Rechtswahrnehmungsgleichheit. Recht auf ein faires Verfahren. Rüge einer rechtswidrigen Ablehnung von PKH. Verfahrensmangel. Willkür. Gleichheitsgebot. Gebot der Rechtsschutzgleichheit von Bemittelten und Unbemittelten
Leitsatz (redaktionell)
1. Soweit die klagende Person in ihrem PKH-Antrag vorträgt, das LSG habe ihren Anspruch auf Rechtswahrnehmungsgleichheit und das Recht auf ein faires Verfahren verletzt, weil PKH abgelehnt worden sei, ist die Rüge einer rechtswidrigen Ablehnung von PKH durch das LSG ebenso wie andere Rügen, die sich gegen eine unanfechtbare Vorentscheidung richten, grundsätzlich ausgeschlossen.
2. Etwas anderes gilt, wenn der gerügte Verfahrensmangel zu einem Mangel der angefochtenen Entscheidung selbst führt. Dementsprechend kann als Verfahrensmangel nicht eine rechtswidrige Ablehnung von PKH als solche geltend gemacht werden, sondern nur eine Ablehnung, die eine Verletzung von verfassungsrechtlich fundierten prozessualen Gewährleistungen beinhaltet, weil sie auf Willkür beruht und damit gegen das Gleichheitsgebot und das Gebot der Rechtsschutzgleichheit von Bemittelten und Unbemittelten verstößt.
Normenkette
SGG § 73 Abs. 4, § 73a Abs. 1 S. 1, §§ 103, 109, 128 Abs. 1 S. 1, § 160 Abs. 2, § 202; ZPO §§ 114, 121, 557 Abs. 2; GG Art. 3 Abs. 1
Verfahrensgang
SG Hamburg (Entscheidung vom 24.06.2020; Aktenzeichen S 32 AS 441/17) |
LSG Hamburg (Urteil vom 23.11.2020; Aktenzeichen L 4 AS 255/20) |
Tenor
Der Antrag der klagenden Person, ihr zur Durchführung des Verfahrens der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 23. November 2020 - L 4 AS 255/20 - Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.
Gründe
Die klagende Person hat mit am 10.1.2021 beim BSG eingegangenen Schreiben die Bewilligung von PKH wegen einer beabsichtigten Einlegung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der bezeichneten Entscheidung des LSG beantragt.
Dem PKH-Antrag ist nicht stattzugeben. Nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 ZPO kann einem Beteiligten für das Verfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet; das ist hier nicht der Fall. Es ist nicht zu erkennen, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter (§ 73 Abs 4 SGG) in der Lage wäre, die Beschwerde der klagenden Person gegen die Nichtzulassung der Revision in der Entscheidung des LSG erfolgreich zu begründen.
Nach § 160 Abs 2 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), die Entscheidung des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (Nr 3). Ein solcher Zulassungsgrund ist weder nach dem Vorbringen der klagenden Person noch nach summarischer Prüfung des Streitstoffs aufgrund des Inhalts der beigezogenen Verfahrensakten ersichtlich.
Es ist nicht erkennbar, dass sich im vorliegenden Verfahren Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung stellen könnten. Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) ist nur dann anzunehmen, wenn eine Rechtsfrage aufgeworfen wird, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Es ist nicht ersichtlich, dass sich wegen der Entscheidung der Vorinstanz, das SG habe die Klage zu Recht wegen doppelter Rechtshängigkeit als unzulässig abgewiesen, Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung stellen.
Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Entscheidung des LSG von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht, weshalb eine in der Nichtzulassungsbeschwerde erhobene Divergenzrüge keine Aussicht auf Erfolg versprechen kann (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG).
Schließlich ist nicht erkennbar, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter für die klagende Person einen Verfahrensmangel geltend machen könnte, auf dem die angefochtene Entscheidung des LSG beruhen kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG). Soweit die klagende Person in ihrem PKH-Antrag vorträgt, das LSG habe ihren Anspruch auf Rechtswahrnehmungsgleichheit und das Recht auf ein faires Verfahren verletzt, weil PKH abgelehnt worden sei, ist die Rüge einer rechtswidrigen Ablehnung von PKH durch das LSG ebenso wie andere Rügen, die sich gegen eine unanfechtbare Vorentscheidung richten, grundsätzlich ausgeschlossen (§ 202 SGG iVm § 557 Abs 2 ZPO). Etwas anderes gilt, wenn der gerügte Verfahrensmangel zu einem Mangel der angefochtenen Entscheidung selbst führt. Dementsprechend kann als Verfahrensmangel iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG nicht eine rechtswidrige Ablehnung von PKH als solche geltend gemacht werden, sondern nur eine Ablehnung, die eine Verletzung von verfassungsrechtlich fundierten prozessualen Gewährleistungen beinhaltet, weil sie auf Willkür beruht und damit gegen Art 3 Abs 1 GG und das Gebot der Rechtsschutzgleichheit von Bemittelten und Unbemittelten verstößt (BSG vom 23.8.2011 - B 14 AS 47/11 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 21 RdNr 9). Dafür gibt es angesichts der Beurteilung der Klage als unzulässig und - darauf beruhend - der Berufung als unbegründet keine Anhaltspunkte.
Auch in Anbetracht von Ansprüchen auf rechtliches Gehör und ein öffentliches Verfahren, die die klagende Person verletzt sieht, ergibt sich nach dem Akteninhalt nichts für einen möglichen Erfolg einer Nichtzulassungsbeschwerde wegen der Verletzung von Verfahrensrechten. Das persönliche Erscheinen der klagenden Person ist in einer ihr zugestellten Ladung für den Terminstag 10 Uhr unter Hinweis darauf angeordnet worden, dass auch ohne sie verhandelt und entschieden werden könne. Eine Verlegung des Termins hat die klagende Person nicht beantragt (vgl BSG vom 1.8.1978 - 7 RAr 42/77 - BSGE 47, 35, 37 = SozR 1500 § 62 Nr 8 S 8; BSG vom 31.1.2008 - B 2 U 311/07 B - RdNr 4 f). Das LSG hat nach einer angemessenen Wartezeit die mündliche Verhandlung eröffnet und sodann durch Urteil entschieden. Im Übrigen steht die Entscheidung des LSG durch Urteil im sog kleinen Senat im Einklang mit den Vorgaben des § 153 Abs 5 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI14492575 |