Entscheidungsstichwort (Thema)

Revision. grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache. sachverständiger Zeuge. Verfahrensfehler. Ermittlungspflicht. Beweiswürdigung

 

Leitsatz (redaktionell)

Es reicht für die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache nicht aus, einzelne Artikel der EMRK anzuführen und zu behaupten, diese seien verletzt.

 

Normenkette

EMRK Art. 4 Abs. 2, Art. 14; SGG §§ 103, 128 Abs. 1 S. 1, § 160 Abs. 2 Nrn. 1, 3, § 160a Abs. 2 S. 3

 

Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 26.10.2001)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 26. Oktober 2001 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die Beschwerde entspricht nicht der in § 160a Abs 2 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) geforderten gesetzlichen Form. So weit der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) geltend macht, unterlässt er es, diesen Zulassungsgrund iS der erstgenannten Bestimmung formgerecht “darzulegen”. Dazu wäre es erforderlich gewesen, eine Rechtsfrage klar zu bezeichnen, die eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat und klärungsbedürftig, dh zweifelhaft, und klärungsfähig, dh für das anhängige Verfahren rechtserheblich ist, sodass zu ihr eine Entscheidung des Revisionsgerichts erwartet werden kann (BSG SozR 1500 § 160 Nr 39 und 53).

Der Kläger unterlässt es bereits, eine klärungsbedürftige Rechtsfrage zu formulieren. Selbst wenn man aber seinem Vorbringen die Rechtsfrage entnehmen wollte, ob die wiederholte Heranziehung eines Arztes zu schriftlichen Aussagen als sachverständiger Zeuge gegen eine nicht kostendeckende Entschädigung als Zwangs- oder Pflichtarbeit iS des Art 4 Abs 2 oder als Diskriminierung iS des Art 14 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) vom 4. November 1950 (BGBl 1952, 685, 953) anzusehen ist, wäre die grundsätzliche Bedeutung dieser Rechtsfrage nicht ausreichend dargelegt. Einerseits beantwortet sich die Frage – und zwar im verneinenden Sinn – von selbst (vgl Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, RdNr 116). Andererseits reicht es für die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung wegen eines angeblichen Verstoßes von Rechtsnormen (hier der einschlägigen Bestimmungen des ZuSEG) gegen Menschenrechte nicht aus, einzelne Artikel der EMRK anzuführen und zu behaupten, diese seien verletzt. Insofern gilt dasselbe wie bei der Rüge der Verfassungswidrigkeit einer Gesetzesnorm. Auch dort genügt der Hinweis auf den angeblich verletzten Artikel des Grundgesetzes nicht, um die Klärungsbedürftigkeit der Rechtssache darzutun (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 23; auch den unveröffentlichten Beschluss des Senats vom 3. Januar 2002 – B 10 LW 14/01 B – ). Ausführungen, die den behaupteten Menschenrechtsverstoß näher darlegen oder sich auch nur mit den von der Vorinstanz zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ≪BVerfG≫ (BVerfGE 29, 280 und BVerfGE 47, 285) befassen, macht der Kläger nicht. Zudem fehlen Ausführungen, inwiefern seinem Fall, für den er sinngemäß Überlastung geltend macht, allgemeine Bedeutung zukommt. So weit der Kläger den Gesichtspunkt der relativen Gesamtbelastung eines Arztes durch seine Heranziehung als sachverständiger Zeuge andeutet, fehlt im Hinblick auf die vorzitierten Entscheidungen des BVerfG die Darlegung der Klärungsbedürftigkeit (denn das BVerfG hat geklärt, dass diesem Umstand Bedeutung zukommen kann). Außerdem fehlt dieser Frage angesichts des Umstandes, dass das Landessozialgericht (LSG) die relative Belastung des Klägers geprüft (und nur angeblich unzutreffend beurteilt) hat, die Klärungsfähigkeit. Schließlich hat sich der Kläger nicht, wie erforderlich, mit den die Höhe der Entschädigung für einen Befundbericht betreffenden Entscheidungen des Senats vom 9. Februar 2000 (SozR 3-1925 § 5 Nr 1 und § 11 Nr 1) auseinander gesetzt.

So weit der Kläger einen Verfahrensfehler (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) geltend macht, “bezeichnet” er diesen nicht formgerecht. Die “Bezeichnung” eines Verfahrensfehlers iS des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG setzt voraus, dass der Beschwerdeführer die die Verfahrensrüge begründenden Tatsachen im Einzelnen genau angibt und diese in sich verständlich den behaupteten Verfahrensfehler ergeben (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14). Diesen Anforderungen wird das allgemein gehaltene Vorbringen des Klägers nicht gerecht. Mit der Rüge, das LSG habe sich “mit den Folgeschäden” nicht befasst und die “Gesamtbelastung” nicht berücksichtigt, bemängelt er nur eine angeblich fehlerhafte Anwendung des materiellen Rechts. Sollte er einen Verstoß des LSG gegen die gerichtliche Ermittlungspflicht (§ 103 SGG) rügen wollen, fehlt es an der Bezugnahme auf einen Beweisantrag, dem das LSG ohne hinreichenden Grund nicht gefolgt ist (§ 160 Abs 2 Nr 3 zweiter Halb satz). Eine etwa beabsichtigte Rüge der fehlerhaften Beweiswürdigung durch das LSG (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG) wäre ebenfalls durch § 160 Abs 2 Nr 3 zweiter Halbsatz SGG ausgeschlossen.

Die sonach unzulässige Beschwerde ist entsprechend § 169 SGG zu verwerfen, ohne dass es der Mitwirkung von ehrenamtlichen Richtem bedarf (BSG SozR 1500 § 160a Nr 1 und 5; BVerfGE 48, 246 = SozR 1500 § 160a Nr 30).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI793365

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