Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerden der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Bayerischen Landessozialgerichts vom 23. Dezember 2022 werden als unzulässig verworfen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Nichtzulassungsbeschwerden sind unzulässig, weil weder der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) noch der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) in der gebotenen Weise dargelegt bzw bezeichnet worden ist. Der Senat konnte deshalb über die Beschwerde ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter nach § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 SGG entscheiden.
Für die Bezeichnung einer Divergenz in der einer Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Entscheidung eines LSG gegenüber einer Entscheidung des BSG ist das Nicht-Übereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die beiden Entscheidungen zugrunde liegen, aufzuzeigen. Die Beschwerdebegründung muss beide Rechtssätze einander gegenüberstellen und erkennen lassen, dass das LSG dem BSG widersprochen und von den bezeichneten rechtlichen Aussagen des BSG abweichende, dh mit diesen unvereinbare eigene rechtliche Maßstäbe entwickelt hat (vgl BSG vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34; Meßling in Krasney/Udsching/Groth/Meßling, Hdb SGG, 8. Aufl 2022, IX. Kap RdNr 300 ff mwN). Zudem ist näher zu begründen, inwiefern die Entscheidung des LSG auf der Abweichung beruht (BSG vom 29.3.2007 - B 9a VJ 5/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 17; BSG vom 25.6.2021 - B 13 R 93/20 B). Dazu muss dargetan werden, dass das LSG anders hätte entscheiden müssen, wenn es den Rechtssatz des BSG zugrunde gelegt hätte (BSG vom 29.4.2003 - B 4 RA 182/02 B; vgl auch BSG vom 9.6.2021 - B 14 AS 301/20 B).
Die Kläger tragen insoweit zwar vor, das BSG habe im Urteil vom 19.10.2016 (B 14 AS 50/15 R) als tragende abstrakt-generelle Rechtssätze formuliert, dass § 63 Abs 1 Satz 1 SGB X nur für das isolierte Vorverfahren gelte, also für ein solches, an das sich in der Hauptsache kein gerichtliches Verfahren anschließe. Für Kostengrundentscheidungen in Widerspruchsbescheiden, gegen die - und sei es auch nur wegen eines Teils ihres Verfahrensgegenstandes - Klage erhoben wird, gelte § 63 SGB X nicht. Demzufolge stehe eine solche Kostengrundentscheidung in einem Widerspruchsbescheid wie bei einer Bedingung (vgl § 32 Abs 2 Nr 2 SGB X) unter dem Vorbehalt, dass gegen den Widerspruchsbescheid keine Klage in der Hauptsache erhoben werde. Werde eine solche Klage erhoben, trete die Bedingung ein und die Kostengrundentscheidung erledige sich auf sonstige Weise nach § 39 Abs 2 SGB X.
Dagegen habe das LSG in seinem Beschluss folgende tragende abstrakt-generellen Rechtssätze aufgestellt: "Wird gegen einen Widerspruchsbescheid Klage erhoben, erledigt sich die Kostengrundentscheidung des Widerspruchsbescheids nur dann, wenn der Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens und des Vorverfahrens identisch sind. Wenn gegen einen Widerspruchsbescheid Klage erhoben wird, jedoch der Gegenstand, auf welchen sich die obsiegende Kostenlastentscheidung des Widerspruchsbescheids bezieht, nicht Gegenstand der Klage geworden ist, bleibt die Kostenlastentscheidung des Widerspruchsbescheids insoweit unberührt."
Gleichgültig, ob es sich bei den von den Klägern gegenübergestellten Textpassagen überhaupt um Rechtssätze iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG handelt, haben die Kläger nicht dargetan, dass das LSG dem BSG widersprochen und von den bezeichneten rechtlichen Aussagen des BSG abweichende, dh mit diesen unvereinbare eigene rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Vielmehr tragen die Kläger nur vor, die Rechtssätze wichen voneinander ab und die Kostenentscheidung im angefochtenen Beschluss des LSG sei jedenfalls rechtswidrig. Damit rügen sie letztlich nur die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung des LSG. Darauf kann die Zulassung der Revision aber nicht gestützt werden. Denn Gegenstand des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens ist nicht, ob das Berufungsgericht in der Sache richtig entschieden hat (stRspr; vgl nur BSG vom 26.6.1975 - 12 BJ 12/75 - SozR 1500 § 160a Nr 7).
Aber auch die grundsätzliche Bedeutung der Sache haben die Kläger nicht formgerecht gerügt. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Um der Darlegungspflicht zu genügen, muss eine konkrete Rechtsfrage formuliert, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihr angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) dargelegt werden (vgl nur BSG vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN).
Als grundsätzlich bedeutsam erachten die Kläger die Frage: "Sind Nachzahlungen von Leistungen nach WoGG (entsprechend dem Urteil des BSG vom 25. Juni 2015, Az. B 14 AS 17/14 R als ebenso existenzsichernde Leistungen) gem. § 11a SGB II von der Einkommensanrechnung ausgeschlossen?"
Doch fehlt es an der hinreichenden Darlegung der Klärungsfähigkeit und -bedürftigkeit der Frage im zu entscheidenden Fall. Klärungsfähig ist eine Rechtsfrage nur dann, wenn sie für den zu entscheidenden Fall rechtserheblich ist (BSG vom 25.10.1978 - 8/3 BK 28/77 - SozR 1500 § 160a Nr 31). Über die aufgeworfene Rechtsfrage müsste das Revisionsgericht also - in Ergänzung zur abstrakten Klärungsfähigkeit - konkret-individuell sachlich entscheiden müssen (BSG vom 25.6.1980 - 1 BA 23/80 - SozR 1500 § 160 Nr 39 und BSG vom 25.10.1978 - 8/3 BK 28/77 - SozR 1500 § 160a Nr 31). Dies erfordert es, dass der Beschwerdeführer den nach seiner Auffassung vom Revisionsgericht einzuschlagenden Weg der Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung und damit insbesondere den Schritt darlegt, der die Entscheidung der als grundsätzlich bezeichneten Rechtsfrage notwendig macht (BSG vom 25.10.1978 - 8/3 BK 28/77 - SozR 1500 § 160a Nr 31). Diesen Voraussetzungen genügt die Beschwerdebegründung schon deshalb nicht, weil es an der hinreichenden Darlegung des entscheidungserheblichen Sachverhalts fehlt. Die Kläger hätten zur Darlegung der Klärungsfähigkeit den Sachverhalt so schildern müssen, dass der Senat in die Lage versetzt wird zu prüfen, ob der geltend gemachte Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II ohne Berücksichtigung einer Wohngeldnachzahlung besteht. Doch haben die Kläger weder mitgeteilt, wann Wohngeld für welche Personen nachgezahlt worden ist, noch, in welcher Höhe.
Auch fehlt es an einer ausreichenden Darlegung der Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage. Eine Rechtsfrage ist dann nicht klärungsbedürftig, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, sich zB unmittelbar aus dem Gesetz ergibt oder bereits höchstrichterlich geklärt ist. Als bereits höchstrichterlich geklärt ist eine Rechtsfrage auch dann anzusehen, wenn das Revisionsgericht bzw das BVerfG diese zwar noch nicht ausdrücklich entschieden hat, jedoch schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (vgl BSG vom 21.1.1993 - 13 BJ 207/92 - SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17). Im Hinblick hierauf muss in der Beschwerdebegründung unter Auswertung der Rechtsprechung des BSG zu dem Problemkreis substantiiert vorgetragen werden, dass zu dem angesprochenen Fragenbereich noch keine Entscheidung vorliege oder durch die schon vorliegenden Urteile die hier maßgebende Frage von grundsätzlicher Bedeutung noch nicht beantwortet sei.
Die Kläger führen insoweit zwar aus, dass diese Fragen nicht in den Urteilen des BSG vom 21.12.2009 (B 14 AS 66/08 R) und vom 25.6.2015 (B 14 AS 17/14 R) beantwortet, die Rechtssätze des Urteils vom 25.6.2015, die sich nur auf Leistungen nach dem AsylbLG bezögen, jedoch analog heranzuziehen seien. Sie setzen sich aber nicht mit der Rechtsprechung des BSG auseinander (BSG vom 14.6.2018 - B 14 AS 37/17 R - BSGE 126, 70 = SozR 4-4200 § 11 Nr 84; BSG vom 30.10.2019 - B 4 KG 1/19 R - SozR 4-5870 § 6a Nr 8), wonach (Kinder-)Wohngeld nach Maßgabe des § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II grundsicherungsrechtlich als Einkommen zu berücksichtigen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG.
S. Knickrehm |
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Neumann |
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Siefert |
Fundstellen
Dokument-Index HI15745010 |