Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtzulassungsbeschwerde. grundsätzliche Bedeutung. technische Intelligenz. Streit um die Feststellung von Entgeltdaten iS von § 6 Abs 1 S 1 AAÜG. vermögensrechtliche Streitigkeit iS von § 287 Abs 2 ZPO. Klärungsbedürftigkeit. Offenkundigkeit
Orientierungssatz
Die Rechtsfrage, ob es sich bei einem Streit um die Feststellung von Entgeltdaten iS von § 6 Abs 1 S 1 AAÜG in einem der späteren Rentenfeststellung vorgelagerten Vormerkungsverfahren um eine vermögensrechtliche Streitigkeit iS von § 287 Abs 2 ZPO handelt, beantworten Versorgungsträger und Instanzgerichte offenkundig (§ 202 S 1 SGG iVm § 291 ZPO) uneinheitlich, sodass Darlegungen zur Klärungsbedürftigkeit ausnahmsweise entbehrlich sind.
Normenkette
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1, § 160a Abs. 2 S. 3, § 202 S. 1; ZPO § 287 Abs. 2, § 291; AAÜG § 6 Abs. 1 S. 1, § 8; SGB 4 § 28d; SGB 4 § 28f Abs. 2 S. 3
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 8. Dezember 2015 - L 5 RS 152/15 - wird zugelassen.
Gründe
Mit Urteil vom 8.12.2015 hat das Sächsische LSG dem Kläger weitere Arbeitsentgelte aus geschätzten Jahresendprämienzahlungen zugesprochen.
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten ist die Revision gegen diese Entscheidung zuzulassen, weil die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG - soweit erforderlich - ordnungsgemäß dargelegt worden ist (§ 160a Abs 2 S 3 SGG) und der geltend gemachte Zulassungsgrund auch vorliegt.
Die Beklagte wirft ua die Frage auf, ob es sich "bei einem Streit um die - der Beklagten nach § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG obliegende - Feststellung von Entgeltdaten in einem Vormerkungsverfahren, welches der späteren Rentenfeststellung vorgelagert ist, um eine vermögensrechtliche Streitigkeit im Sinne von § 287 Abs. 2 ZPO handelt".
Hierbei handelt es sich entgegen den Zweifeln des Klägers um eine abstrakt-generelle Rechtsfrage zur Auslegung eines Tatbestandsmerkmals "vermögensrechtliche Streitigkeit" einer Norm des Bundesrechts (§ 287 Abs 2 ZPO) in Bezug auf das Verfahren zur Feststellung von Entgeltdaten iS des AAÜG, die mit Mitteln der juristischen Methodik beantwortet werden kann.
Die Sache ist auch klärungsbedürftig.
Die Rechtsfrage beantworten die Versorgungsträger und Instanzgerichte offenkundig (§ 202 S 1 SGG iVm § 291 ZPO) uneinheitlich, so dass Darlegungen zur Klärungsbedürftigkeit ausnahmsweise entbehrlich sind (BFH Beschluss vom 9.5.1988 - IV B 35/87 - BFHE 153, 378 = Juris RdNr 11, seither in stRspr; Behn in Peters/Sautter/Wolff, SGG, Stand: Juni 2015, § 160a RdNr 33; Czybulka in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl 2014, § 133 RdNr 57 mwN; Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl 2015, § 133 RdNr 15; Pietzner/Bier in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand: Oktober 2015, § 133 RdNr 32; Ratschow in Gräber, FGO, 8. Aufl 2015, § 116 RdNr 32; Werth in Beermann/Gosch, AO/FGO, Stand: Juli 2015, § 116 FGO RdNr 77; Krüger in MüKo ZPO, 4. Aufl 2013, § 544 ZPO RdNr 14; Eggert, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2002, S 188 mwN; Thebrath, Revisionszulassungsgründe, 2015, S 200 ff mwN). Dem Senat ist nach dem Beschluss vom 11.12.2014 (B 5 RS 11/14 B - BeckRS 2015, 65084) von Amts wegen bekannt geworden, dass sich eine obergerichtliche Rechtsprechung herausgebildet hat, die dem Urteil des 4. Senats vom 4.5.1999 (BSG SozR 3-8570 § 8 Nr 3) widerspricht (vgl nur LSG Mecklenburg-Vorpommern Urteil vom 18.2.2015 - L 7 R 147/11 - Juris; Thüringer LSG Urteil vom 20.5.2015 - L 12 R 1684/12; LSG Sachsen-Anhalt Urteil vom 21.1.2016 - L 1 RS 34/14; LSG Berlin-Brandenburg Urteil vom 29.1.2016 - L 4 R 880/14). Zudem verfahren die zuständigen Versorgungsträger im Rahmen von Feststellungsverfahren nach § 8 AAÜG in ständiger Praxis nicht nach den Grundsätzen des Urteils des 4. Senats des BSG (aaO), wie eine Vielzahl anhängiger Nichtzulassungsbeschwerden belegt (zur grundsätzlichen Berücksichtigungsfähigkeit gerichtskundiger Tatsachen im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde vgl BVerfG Kammerbeschluss vom 6.2.2007 - 1 BvR 191/06 - NJW-RR 2007, 862 = Juris RdNr 15). Ausweislich dieser Rechtspraxis ist nicht nur die Frage, ob hilfsweise eine Schätzung des tatsächlich erzielten Arbeitsentgelts nach § 287 ZPO zulässig ist, sondern auch die Frage, ob es sich bei der Feststellung von Entgeltdaten um eine vermögensrechtliche Streitigkeit iS des § 287 Abs 2 ZPO handelt, erneut klärungsbedürftig geworden.
Die Klärungsfähigkeit, dh Entscheidungserheblichkeit der aufgeworfenen Frage ist dargelegt und gegeben. Hieran ändert der Hinweis des Klägers auf die in § 28f Abs 2 S 3 SGB IV normierte Schätzungsbefugnis der Rentenversicherungsträger nichts. Die Vorschrift bezieht sich nicht auf das Leistungs-, sondern allein auf das Deckungsverhältnis der Sozialversicherung und ermächtigt die Rentenversicherungsträger nur im Betriebsprüfungsverfahren nach § 28p SGB IV, den Gesamtsozialversicherungsbeitrag (§ 28d SGB IV) ausnahmsweise nicht personenbezogen, sondern pauschal aus der Summe geschätzter Arbeitsentgelte zu erheben.
Ob die Beschwerdebegründung schlüssige Angaben zur Breitenwirkung enthält, kann dahinstehen. Eine etwaige Mangelhaftigkeit des Vortrags wäre ausnahmsweise unschädlich, weil die fallübergreifende Bedeutung der angestrebten Entscheidung aufgrund der Vielzahl anhängiger Parallelverfahren offenkundig ist (§ 202 S 1 SGG iVm § 291 ZPO) und daher konkrete Darlegungen zu diesem Punkt entbehrlich sind (vgl dazu BVerfG Kammerbeschluss vom 6.2.2007 - 1 BvR 191/06 - NJW-RR 2007, 862 = Juris RdNr 15; BGH Beschluss vom 18.3.2004 - V ZR 222/03 - NJW 2004, 1960 = Juris RdNr 10; BFH Beschluss vom 9.5.1988 - IV B 35/87 - BFHE 153, 378 = Juris RdNr 11 seither in stRspr; Behn, aaO, § 160a RdNr 33; Czybulka, aaO, § 133 RdNr 57 mwN; Kopp/Schenke, aaO, § 133 RdNr 15; Pietzner/Bier, aaO, § 133 RdNr 32; Ratschow, aaO, § 116 RdNr 32; Werth, aaO, § 116 FGO RdNr 77; Krüger, aaO, § 544 RdNr 14; Eggert, aaO, S 188 mwN; Thebrath, aaO, S 200 ff mwN).
Fundstellen