Verfahrensgang

LSG Niedersachsen-Bremen (Urteil vom 20.02.2023; Aktenzeichen L 2 R 37/22)

SG Hildesheim (Entscheidung vom 24.11.2021; Aktenzeichen S 45 R 494/17)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 20. Februar 2023 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.

 

Gründe

I

Der Kläger begehrt im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form eines Gründungszuschusses.

Der im Jahr 1987 geborene Kläger stand bis April 2014 in seinem erlernten Beruf als Maurer in einem Beschäftigungsverhältnis. Im September 2013 erlitt er eine Klavikulafraktur (Schlüsselbeinbruch). In der Zeit vom 19.6.2014 bis zum 16.7.2014 erfolgte eine ganztägige ambulante Rehabilitationsmaßnahme. Im Entlassungsbericht vom 6.8.2014 wurde der Kläger als noch in der Lage erachtet, mindestens sechs Stunden täglich leichte bis mittelschwere Tätigkeiten unter Leistungseinschränkungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten. Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Maurer könne jedoch nur noch drei bis sechs Stunden täglich ausgeübt werden. Mit Bescheid vom 22.1.2015 bewilligte die Beklagte Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben dem Grunde nach. Den weiteren Antrag auf Leistung eines Gründungszuschusses für einen Hausmeisterservice lehnte die Beklagte ab. Die angestrebte Tätigkeit sei mit dem verbliebenen Leistungsvermögen nicht zu vereinbaren (Bescheid vom 27.1.2016; Widerspruchsbescheid vom 17.3.2016). Einen Überprüfungsantrag unter Vorlage eines ärztlichen Attestes vom 11.4.2016, wonach die Schlüsselbeinfraktur komplikationslos abgeheilt sei und wieder eine schmerzfreie Funktionsfähigkeit der rechten Schulter ohne größere Bewegungseinschränkungen bestehe, lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 24.5.2016). Auch hob die Beklagte den Bescheid vom 22.1.2015 über die Bewilligung von Teilhabeleistungen dem Grunde nach mit der Begründung auf, der Kläger könne wieder in seinem früheren Beruf als Maurer uneingeschränkt tätig sein (Bescheid vom 24.8.2016; Widerspruchsbescheid vom 22.2.2017). Die dagegen erhobene Klage nahm der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 15.11.2017 zurück, nachdem ein vom SG eingeholtes orthopädisches Gutachten das wiederhergestellte Leistungsvermögen bestätigte. In der Folge wies die Beklagte den gegen den Bescheid vom 24.5.2016 erhobenen Widerspruch mit der Begründung zurück, ohne einen Anspruch auf Teilhabeleistungen sei die Grundlage für die Gewährung eines Gründungszuschusses entfallen (Widerspruchsbescheid vom 22.11.2017).

Mit Urteil vom 24.11.2021 hat das SG den Bescheid vom 24.5.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.11.2017 unter Abänderung des Bescheides vom 27.1.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.3.2016 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, dem Kläger für die Zeit vom 27.10.2015 bis zum 24.8.2016 Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form eines Gründungszuschusses in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Existenzgründung sei schon nicht geeignet gewesen, eine eingeschränkte berufliche Leistungsfähigkeit auszugleichen, weil der Kläger neben Hausmeistertätigkeiten auch Bauleistungen habe erbringen wollen. Spätestens im April 2016 sei zudem die körperliche Belastbarkeit als Maurer nicht mehr eingeschränkt gewesen. Schließlich seien auch nicht die gesetzlich geforderten Nachweise für die Tragfähigkeit der Existenzgründung erbracht worden (Urteil vom 20.2.2023).

Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt und als Zulassungsgrund iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG Verfahrensmängel geltend gemacht.

II

Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig, weil sie nicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Form begründet ist. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.

Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde damit begründet, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG), so müssen zur Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) zunächst die Umstände, aus denen sich der Verfahrensfehler ergeben soll, substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist es erforderlich darzulegen, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung der Entscheidung besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Einen solchen Verfahrensfehler hat der Kläger in seiner Beschwerdebegründung nicht ausreichend bezeichnet.

Der Kläger rügt einen Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) und trägt dazu vor, das Berufungsgericht habe sich nicht hinreichend mit den tatsächlichen Gegebenheiten seines Falles auseinandergesetzt. Seine Existenzgründung sei erfolgreich gewesen. Vom LSG angenommene "innere Ungereimtheiten" im klägerischen Vortrag zu Ausmaß und Dauer seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen hätten aufgeklärt werden müssen. Auch habe das LSG zu Unrecht aus den gesundheitlichen Einschränkungen für eine Tätigkeit als Maurer Schlussfolgerungen für das Existenzgründungsvorhaben gezogen. Zu keinem dieser Gesichtspunkte hat der bereits vor dem LSG durch seinen Prozessbevollmächtigten vertretene Kläger vorgetragen, dass er einen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag zu den nach seiner Auffassung noch weiter aufklärungsbedürftigen Punkten (vgl § 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 403 ZPO) gestellt und in der mündlichen Verhandlung am 20.2.2023 bis zum Schluss aufrechterhalten hat (vgl BSG Beschluss vom 8.11.2022 - B 5 R 155/22 B - juris RdNr 7 mwN). Die Bezeichnung eines solchen Beweisantrags gehört jedoch zu den grundlegenden Anforderungen an eine Rüge der Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes (stRspr; vgl ua BSG Beschluss vom 3.5.2023 - B 5 R 52/23 B - juris RdNr 7).

Soweit der Kläger zugleich eine Verletzung seines Rechts auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) rügt, weil er keine Möglichkeit gehabt habe, sich zu den vom LSG angenommenen "inneren Ungereimtheiten" konkret zu äußern, kommt dem keine eigenständige Bedeutung zu. Die Regelung in § 160 Abs 2 Nr 3 Teilsatz 2 SGG zur Beschränkung einer Rüge der Verletzung des § 103 SGG kann nicht dadurch umgangen werden, dass aufgrund desselben Sachverhalts auch eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird (stRspr; vgl BSG Beschluss vom 2.5.2023 - B 5 R 140/22 B - juris RdNr 15). Der Kläger stellt aber auch nicht dar, inwiefern die Entscheidung des LSG auf der von ihm gerügten Verletzung seines rechtlichen Gehörs beruhen kann. Sofern der Kläger im Kern die Bewertung der von ihm im Verfahren gemachten Angaben durch das LSG angreift, ist dies nicht tauglich, einen Verfahrensfehler iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG zu begründen.

Zu dem geltend gemachten Verfahrensmangel einer Verletzung der Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes nach Art 19 Abs 4 GG fehlt es an jeder substantiierten Darlegung.

Soweit der Kläger schließlich vorträgt, es verstoße gegen Treu und Glauben, dass die begehrten Teilhabeleistungen zunächst wegen zu starker, später wegen zu geringer gesundheitlicher Beeinträchtigungen abgelehnt worden seien, zudem habe eine Ermessensreduktion auf Null bestanden, rügt er eine vermeintlich fehlerhafte Entscheidung in der Sache. Darauf kann eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht gestützt werden (vgl BSG Beschluss vom 20.10.2021 - B 5 R 230/21 B - juris RdNr 6 mwN).

Die abschließende Bezugnahme "auf das gesamte Vorbringen des Klägers in den Vorinstanzen" ist schon im Ansatz nicht geeignet, einen Revisionszulassungsgrund ordnungsgemäß zu bezeichnen (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 160a RdNr 13a).

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 183 Satz 1 iVm § 193 Abs 1 und 4 SGG.

Düring

Gasser

Körner

 

Fundstellen

Dokument-Index HI15858403

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