Beteiligte
Niedersächsische Landesamt für Zentrale Soziale Aufgaben - Landesversorgungsamt - |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 25. Oktober 1996 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Gründe
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob das beklagte Land (Beklagter) der Klägerin Hinterbliebenenrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) zu gewähren hat.
Die Klägerin ist die Witwe des 1921 geborenen und zwischen dem 14. und 17. Dezember 1945 verstorbenen H D (D.). Dieser wurde 1945 aus der deutschen Wehrmacht entlassen und wohnte zuletzt mit der Klägerin in W. Am 14. Dezember 1945 fuhr D. mit seinem eigenen Pkw den Regierungsrat U. aus W, einen russischen Offizier und einen Beschäftigten der sowjetischen Militäradministration nach E, um dort Betriebe zu besichtigen. Als D. und U. am Abend des 14. Dezember 1945 im Hotel „National” in E Quartier bezogen hatten, verhandelte D. auf dem Hof des Hotels in der Nähe seines Pkw mit zwei russischen Soldaten, die von ihm verlangten, sie in ein nahegelegenes Krankenhaus zu fahren. Er verließ darauf mit ihnen das Hotel. Am 17. Dezember 1945 wurde er in einem Waldstück bei E tot aufgefunden. Sein Pkw blieb unauffindbar. Nach den Erhebungen der Kriminalpolizeistelle E war der Tod des D. durch einen Schlag auf den Hinterkopf eingetreten. Einen Antrag der Klägerin auf Entschädigung nach dem Besatzungspersonenschädengesetz vom 12. April 1927 lehnte das Landesamt für Arbeit und Sozialfürsorge – Außenstelle G – (am 17. Juli 1946) ab. Im September 1946 wurde die Klägerin darüber informiert, daß die Ermittlungen von der damaligen russischen Geheimpolizei NKWD weitergeführt würden, da es sich bei den Tätern um Personen in russischen Uniformen gehandelt habe.
Im Dezember 1989 siedelte die Klägerin nach Niedersachsen über und stellte beim Versorgungsamt Oldenburg ohne Erfolg einen Antrag auf Hinterbliebenenversorgung nach § 38 BVG (Bescheid vom 7. September 1990).
Das gegen diesen Bescheid von der Klägerin angerufene Sozialgericht Aurich (SG) verurteilte den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides, der Klägerin ab 1. Dezember 1989 (Antragsmonat) Hinterbliebenenversorgung zu gewähren. Es hielt es für erwiesen, daß D. von Angehörigen der sowjetischen Besatzungsmacht ermordet worden und sein Tod infolge einer mit der militärischen Besetzung deutschen Gebietes zusammenhängenden besonderen Gefahr eingetreten sei.
In dem sich anschließenden Berufungsverfahren hat das Landessozialgericht (LSG) hinsichtlich des Todes von D. weiteren Beweis erhoben. Eine Anfrage über die Deutsche Botschaft in Moskau zu den Ermittlungsergebnissen des NKWD bzw dessen Nachfolgeorganisationen blieb jedoch erfolglos. Mit Urteil vom 25. Oktober 1996 hob das LSG auf die Berufung des Beklagten das Urteil des SG auf und wies die Klage ab. In den Entscheidungsgründen heißt es dazu: Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung. Trotz Ausschöpfens aller Ermittlungsmöglichkeiten habe sich nicht feststellen lassen, daß der Tod des D. Folge der militärischen Besetzung oder kriegseigentümlicher Nachwirkungen sei, so daß die Klägerin die objektive Beweis- und Feststellungslast zu tragen habe. Die Beweislosigkeit beruhe auch nicht auf Verhältnissen, die für die militärische Besetzung und spätere politische Entwicklung der ehemaligen DDR kennzeichnend gewesen seien.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung der §§ 1 Abs 2 Buchst a, 5 Abs 1 Buchst e und Abs 2 Buchst a BVG und macht geltend: Das LSG habe an die Darlegungs- und Beweislast überspannte Anforderungen gestellt, weil es die Voraussetzungen eines Beweisnotstandes zu Unrecht verneint habe.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 25. Oktober 1996 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Aurich vom 27. Oktober 1993 zurückzuweisen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
II
Die Revision der Klägerin ist in dem Sinne begründet, daß der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen ist. Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung nach ihrem im Dezember 1945 ums Leben gekommenen Ehemann D. hängt nach § 38 Abs 1 iVm § 1 Abs 5 sowie Abs 1 und 2 Buchst a, § 5 Abs 1 Buchst d und e sowie Abs 2 Buchst a BVG in erster Linie davon ab, ob sich – nach dem maßgeblichen Beweisgrad – die tatsächliche Feststellung treffen läßt, daß D. an dem Abend des 14. Dezember 1945 bei E einem Tötungsdelikt sowjetischer Besatzungssoldaten zum Opfer gefallen ist. In diesem Fall läge sowohl ein Besatzungspersonenschaden iS des § 1 Abs 2 Buchst a iVm § 5 Abs 1 Buchst e und Abs 2 Buchst a BVG vor als auch eine Schädigung infolge einer mit der militärischen Besetzung deutschen Gebiets zusammenhängenden besonderen Gefahr (§ 1 Abs 2 Buchstabe a iVm § 5 Abs 1 Buchstabe d BVG).
Zutreffend ist das LSG davon ausgegangen, daß die Klägerin für das Vorliegen des vom LSG nur für möglich gehaltenen, aber für nicht feststellbar erachteten entsprechenden Sachverhalts die sog „objektive Beweislast” oder „Feststellungslast” trifft. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) (vgl BSGE 63, 270, 271 = SozR 1500 § 128 Nr 34 mwN; SozR 1500 § 128 Nr 35; BSGE 65, 123 f = SozR 1500 § 128 Nr 39; BSGE 41, 297, 299 mwN = SozR 2200 § 1399 Nr 4). Hiernach sind die Folgen der Beweislosigkeit einer Tatsache von demjenigen Beteiligten zu tragen, der hieraus ein Recht herleiten will. Es liegt auch kein Fall vor, in welchem eine Umkehr der Beweislast stattfindet. Das BSG und auch das Bundesverwaltungsgericht haben eine Umkehr der Beweislast mehrfach erwogen (BSG SozR 3-1750 § 444 Nr 1, BVerwGE 78, 367, 370). Der 2. Senat des BSG hat sie in mehreren Entscheidungen ausdrücklich abgelehnt (BSGE 24, 25, 28; ebenso SozR 3-1500 § 128 Nr 11). Dagegen nimmt der 12. Senat des BSG sie für den Fall an, daß der Arbeitgeber die ihm obliegende Aufzeichnungspflicht verletzt und die Einzugsstelle dadurch nicht in der Lage ist, die für die Beitragspflicht und die Beitragshöhe maßgeblichen Tatsachen zu ermitteln (vgl BSGE 59, 235, 241 = SozR 2200 § 1399 Nr 16; zuletzt Urteil vom 6. März 1986 - 12 RK 26/85 - USK 8616). An diese Rechtsprechung kann der erkennende Senat hier nicht anknüpfen. Der beteiligte Versorgungsträger hat keine vergleichbaren Pflichten verletzt. Selbst wenn man annehmen wollte, daß Versäumnisse der Besatzungsbehörden bei der Aufklärung von Straftaten dem beklagten Versorgungsträger zuzurechnen sind, reicht dies im vorliegenden Falle nicht für eine Beweislastumkehr aus. Denn es gibt weder Anhaltspunkte dafür, daß die sowjetischen Besatzungsbehörden hinsichtlich der von ihnen übernommenen Ermittlungen zur Anlegung und Verwahrung von Unterlagen verpflichtet waren, noch ist aus dem heutigen Fehlen bzw der Unauffindbarkeit entsprechender Unterlagen ohne weiteres zu schließen, daß diese vorhanden waren, aber unterdrückt oder vernichtet wurden. Immerhin liegen die Vorgänge inzwischen über 50 Jahre zurück, so daß etwa vorhandene Unterlagen verlorengegangen oder ordnungsgemäß vernichtet sein können.
Gleichwohl kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben. Im Fall der Klägerin war nicht der Beweismaßstab des Vollbeweises, sondern derjenige der Glaubhaftmachung anzuwenden. Dies ergibt sich aus folgenden Überlegungen:
Der in Betracht kommende Schädigungstatbestand besteht in einer unmittelbaren Kriegseinwirkung iS des § 1 Abs 2 Buchst a BVG, und zwar entweder in der Form eines schädigenden Vorgangs, der infolge einer mit der militärischen Besetzung deutschen Gebiets zusammenhängenden besonderen Gefahr eingetreten ist (§ 5 Abs 1 Buchst d BVG), oder aber in Form eines Schadens, der in Verbindung mit dem zweiten Weltkrieg durch Angehörige der Besatzungsmächte verursacht worden war (§ 5 Abs 2 Buchst a BVG). Beide Tatbestände sind verwirklicht, wenn, wie die Klägerin geltend macht, ihr Ehemann am Abend des 14. Dezember 1945 durch die beiden russischen Soldaten, mit denen er zuletzt gesehen wurde, getötet worden sein sollte. Die Behauptungen der Klägerin könnten nach den Feststellungen des LSG zutreffen; für sie spricht sogar eine „gewisse Wahrscheinlichkeit”.
So hatte das russische NKWD die von den damaligen deutschen Behörden (Thüringer Landeskriminalpolizei; Kriminalpolizeistelle E) eingeleiteten Ermittlungen „wegen des Verdachts einer Tatbeteiligung sowjetischer Besatzungsangehöriger” an sich gezogen und weder eine Abschlußmitteilung an die deutsche Kriminalpolizei noch an die Klägerin übersandt. Auch Auskunftsersuchen in den neunziger Jahren über die Ermittlungen blieben ohne Erfolg. Wie allgemein bekannt, handelte es sich beim NKWD und seinen Nachfolgeorganisationen um Einrichtungen, die dem stalinistischen Terrorsystem zur Aufrechterhaltung seiner Macht dienten. So war das NKWD (ab 1. März 1946 umbenannt in MWD) vor allem zuständig für die politische Überwachung, nachrichtendienstliche Tätigkeit, politische Strafjustiz, Verwaltung der Straf- und Verbannungslager und bildete ein Hauptinstrument der unter Stalin durchgeführten Säuberungen, die für Millionen von Russen mit dem Tod oder in Verbannungslagern endeten. Auch die im sowjetisch besetzten Teil Deutschlands eingerichteten Spezial- und Internierungslager sowie Militärtribunale unterstanden der Aufsicht des NKWD/MWD bzw seinen Nachfolgeorganisationen, dem NKGD/MGB. Ziel dieser Einrichtungen waren die frühzeitige Niederhaltung der Opposition gegen die Politik der KPD/SED, die Ausschaltung von „Klassenfeinden”, die Unterbindung aller Gegnerschaft und jedweden Widerstandes gegen die Sowjetisierung des von der Roten Armee besetzten Teiles Deutschlands (vgl K. W. Fricke in: Haase/Oleschinski, Das Torgau-Tabu, Wehrmachtsstrafsystem, NKWD-Speziallager, DDR-Strafvollzug, 2. Auflage 1998, Teil II S 165 f). Aufgrund dieser historischen Fakten kann der Senat davon ausgehen, daß es sich bei dem NKWD um keine nach rechtsstaatlichen Gesichtspunkten gewissenhaft ermittelnde Behörde oder Einrichtung gehandelt hat. Damit besteht aber auch die naheliegende Möglichkeit, daß Ermittlungen gegen die beiden russischen Soldaten, mit denen D. zuletzt gesehen worden war, aus politischen oder opportunistischen Gründen nicht weiter verfolgt oder eingestellt worden sind. Darin sieht der Senat eine besondere strukturelle Beweisnot, die bei den beweiserleichternden Vorschriften des Kriegsopferrechts bzw des Kriegsopferverfahrensrechts keine ausreichende Berücksichtigung gefunden hat.
Die wichtigsten Beweiserleichterungen im Kriegsopfer- bzw Kriegsopferverfahrensrecht beziehen sich auf den Nachweis der Kausalität (vgl zum Beweismaßstab für die Kausalität zwischen Schädigung und späterer Gesundheitsstörung § 1 Abs 3 Sätze 1 und 2 BVG). Hinsichtlich des Nachweises des Schädigungstatbestandes gilt dagegen ausschließlich § 15 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOVVfG) vom 2. Mai 1955 (BGBl I S 202). Nach dieser Bestimmung sind die Angaben des Antragstellers, die sich auf die mit der Schädigung im Zusammenhang stehenden Tatsachen beziehen, soweit sie nach den Umständen des Falles glaubhaft erscheinen, der Entscheidung zugrunde zu legen, wenn Unterlagen nicht vorhanden oder nicht zu beschaffen oder ohne Verschulden des Antragstellers oder seiner Hinterbliebenen verlorengegangen sind. Auch die Gerichte haben die genannte Regelung bei der Ermittlung des Sachverhalts und der Beweiswürdigung heranzuziehen (vgl BSGE 65, 123, 125 = SozR 1500 § 128 Nr 39). Die Voraussetzungen für die Anwendung der – vom LSG nicht weiter erwähnten – Bestimmung liegen hier an sich vor: Unterlagen über die mit der Klage vorgetragenen Umstände fehlen, so daß die Klägerin ihre Behauptungen nicht nachzuweisen vermag. Die Vorschrift des § 15 KOVVfG kommt ihr nur deswegen nicht zugute, weil sie über die mit dem behaupteten schädigenden Vorgang zusammenhängenden Tatsachen, insbesondere die Täter, keine Angaben aus eigenem Wissen machen kann (vgl das zuvor zitierte und die weiteren Urteile des Senats SozR 3100 § 89 Nr 11 S 51 und BSGE 77, 151, 153 = SozR 3-3100 § 1 Nr 18 S 54).
Wegen der Besonderheiten des hier fraglichen Schädigungstatbestandes (Besatzungspersonenschaden iS des § 5 Abs 1 Buchstabe e iVm Abs 2 Buchstabe a BVG) ist jedoch, obwohl die Voraussetzungen des § 15 KOVVfG nicht gegeben sind, eine Beweiserleichterung einzuräumen. Denn die Klägerin ist Hinterbliebene einer Person, die in der ersten Nachkriegszeit in der sowjetisch besetzten Zone unter Umständen ums Leben gekommen ist, nach welchen die Möglichkeit nahe liegt, daß sie einem Tötungsdelikt sowjetischer Besatzungsangehöriger zum Opfer gefallen ist. Zudem lag die Aufklärung des entsprechenden Verdachts in den Händen eines Organs eben der Besatzungsmacht, auf deren Angehörige der Verdacht fiel. Schließlich ist allgemein bekannt, daß das tätiggewordene Ermittlungsorgan (NKWD) nicht rechtsstaatsgemäß vorzugehen pflegte, und es existieren keine Unterlagen über den Abschluß der Ermittlungen, so daß der weitere Verdacht besteht, daß die Ermittlungen willkürlich nicht aufgenommen, nicht nachhaltig betrieben oder vorzeitig abgebrochen wurden. Es besteht somit die Möglichkeit, daß die Klägerin durch die Besatzungsmacht doppelt geschädigt wurde, nämlich sowohl durch die Tötung ihres Ehemannes als auch (in verfahrensmäßiger Hinsicht) durch die nicht ordnungsgemäße Führung bzw Beendigung der entsprechenden Ermittlungsmaßnahmen.
In einem derartigen Fall reicht die Regelung des § 15 KOVVfG nicht aus, dem hinterbliebenen mutmaßlichen Kriegsopfer eine angemessene Beweiserleichterung zu verschaffen, zumal diese Vorschrift die Hinterbliebenen von Personen, die durch einen Schädigungstatbestand der §§ 1 f BVG getötet worden sind, ohnehin strukturell belastet. Denn überlebende Beschädigte werden regelmäßig in der Lage sein, zu dem schädigenden Vorgang Angaben aus eigener Wahrnehmung zu machen, während das bei Hinterbliebenen – wie auch der vorliegende Fall zeigt – häufig nicht der Fall ist. Die Möglichkeit, daß die Beweisnot des Hinterbliebenen eines möglicherweise durch einen Besatzungsangehörigen Getöteten gerade durch die (möglicherweise) schädigende Besatzungsmacht selbst verursacht worden ist, rechtfertigt es, in diesen Fällen statt des sonst erforderlichen Vollbeweises den Beweismaßstab der „Glaubhaftmachung”, dh der überwiegenden Wahrscheinlichkeit, genügen zu lassen.
Dieser Beweismaßstab ist ohnehin in § 15 KOVVfG angelegt. Denn sieht man von dem Erfordernis der Angabe von Tatsachen aus eigenem Wissen ab, so kommt es (auch) nach dieser Bestimmung darauf an, daß der geltend gemachte schädigende Vorgang „nach den Umständen des Falles glaubhaft” erscheint. Dieser Beweismaßstab entspricht dem bei sonstigen – später eingeführten – Tatbeständen der Beweiserleichterung im Sozialrecht üblichen (vgl dazu § 4 des Fremdrentengesetzes ≪FRG≫, § 3 Gesetz zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung ≪WGSVG≫ sowie §§ 203, 286 Abs 5 und 6, 286a, 286b Sozialgesetzbuch Sechstes Buch – Rentenversicherung – ≪SGB VI≫ iVm § 23 Abs 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Verwaltungsverfahren – ≪SGB X≫ idF des Art 22 des Gesetzes vom 25. Juli 1991 - BGBl I, S 1606). Nach den entsprechenden Vorschriften ist eine Tatsache dann glaubhaft gemacht, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich (und zwar auch dann, wenn der Leistungsbewerber aus eigenem Wissen keine Angaben machen, sondern nur eine Behauptung aufstellen kann) auf „sämtliche Beweismittel” erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist. Diese Bedeutung hat die Glaubhaftmachung auch in § 15 KOVVfG (vgl Schönleiter/Hennig, Gesetz über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung, Kommentar, 2. Auflage 1969, Anm 3 zu § 15), nur daß diese Bestimmung grundsätzlich Angaben des Betroffenen voraussetzt. Überwiegende Wahrscheinlichkeit liegt nach gefestigter Rechtsprechung des BSG dann vor, wenn „die gute Möglichkeit besteht, daß der behauptete Vorgang sich so zugetragen hat, wie der Antragsteller geltend macht” (vgl BSGE 45, 1, 10 und BSG SozR 5070 § 3 Nr 1; ferner dem unveröffentlichten Beschluß des 4. Senats des BSG vom 10. August 1989 - 4 BA 94/89 - jeweils mwN).
Da der Senat gemäß § 163 Sozialgerichtsgesetz (SGG) an die Tatsachenfeststellungen des LSG gebunden ist und eigene Tatsachenfeststellungen – nach welchem Beweismaßstab auch immer – nicht treffen darf, ist der Rechtsstreit an das LSG zu erneuter Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Es wird Sache des LSG sein, nunmehr nach dem zutreffenden Beweismaßstab zu beurteilen, ob es überwiegend wahrscheinlich ist, daß D. einem Tötungsdelikt sowjetischer Besatzungsangehöriger zum Opfer gefallen ist.
Nur für den Fall, daß das LSG auch nach diesem Beweismaßstab nicht zu einer entsprechenden Feststellung gelangen sollte, wird es außerdem zu prüfen haben, ob nicht auch die von ihm sonst in Betracht gezogenen Fallgestaltungen einen Schädigungstatbestand nach § 1 Abs 2 Buchst a iVm § 5 Abs 1 Buchst d BVG erfüllen. Denn auch in dem Fall, daß D. in der Sowjetzone einem in der ersten Nachkriegszeit verübten Tötungsdelikt von Straßenräubern – gleich welcher Nationalität – zum Opfer gefallen sein sollte, käme ein „schädigender Vorgang, der infolge einer mit der militärischen Besetzung deutschen Gebiets zusammenhängenden besonderen Gefahr eingetreten ist” in Betracht. Ein solcher ist nämlich auch dann anzunehmen, wenn eine Person einer Gewalttat zum Opfer gefallen ist, die durch das besetzungsbedingte Fehlen eines geordneten Polizeischutzes der Bevölkerung bedingt war (vgl Wilke, Entschädigungsrecht, RdNr 4 zu § 5 am Ende). Solche Verhältnisse wurden von der Rechtsprechung immerhin noch im August 1945 (BSGE 5, 116 f) bzw Oktober 1945 (vgl BSGE 8, 203 und die unveröffentlichte Entscheidung vom 20. August 1963 - 8 RV 813/61) angenommen.
Über die Kosten wird in der das Verfahren abschließenden Entscheidung zu befinden sein.
Fundstellen
BSGE, 279 |
SGb 1999, 356 |
SozSi 2000, 35 |
SozSi 2000, 72 |