Verfahrensgang

LSG Niedersachsen (Urteil vom 25.07.1991)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 25. Juli 1991 wird zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Die Beteiligten streiten um Arbeitslosengeld (Alg) für den Zeitraum vom 20. November 1989 bis zum 8. Januar 1990.

Der 1953 geborene Kläger reiste am 17. November 1989 als Aussiedler aus Polen in die Bundesrepublik Deutschland ein und meldete sich am 20. November 1989 im Grenzdurchgangslager Friedland. Wegen Überfüllung des Lagers wurde er nach einem etwa 20-minütigen Aufenthalt zu einer Ausweichunterkunft in Brilon-Bontkirchen weitergeleitet und dort untergebracht. Hier blieb er bis zum 3. Januar 1990. Anschließend hielt er sich bis zum 16. Januar 1990 im Aufnahmelager Osnabrück auf.

Am 9. Januar 1990 meldete sich der Kläger beim Arbeitsamt (ArbA) Osnabrück arbeitslos und beantragte Eingliederungsleistungen für Aus- und Übersiedler. Die beklagte Bundesanstalt für Arbeit (BA) gewährte ihm durch das ArbA Braunschweig ab 9. Januar 1990 Alg (Bescheid vom 21. März 1990). Sein Widerspruch, mit dem er Alg ab 20. November 1989 geltend machte, hatte keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 19. Juni 1990).

Mit der Klage trug der Kläger vor, er habe nicht gewußt, daß er sich persönlich hätte arbeitslos melden müssen, um Alg zu erhalten, vielmehr geglaubt, dieses geschehe automatisch. Hinweise, zB in Form von Merkblättern über die Notwendigkeit der Registrierung beim ArbA, habe er weder in Friedland noch in Brilon erhalten. Die Unterbringungsstätte in Brilon habe er außerdem nicht verlassen dürfen, so daß er sich auch deshalb nicht im etwa 20 km entfernten ArbA habe arbeitslos melden können. Vom ArbA Osnabrück habe er – wie andere Lagerinsassen auch -die Information erhalten, daß er Alg rückwirkend zum Zeitpunkt der Ankunft in Friedland bekommen werde.

Das Sozialgericht (SG) verpflichtete die Beklagte, dem Kläger Alg auch für die Zeit vom 20. November 1989 bis 8. Januar 1990 zu gewähren; es ließ die Berufung zu (Urteil vom 14. November 1990). Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufung der BA das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 25. Juli 1991), weil die Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung von Alg erst am 9. Januar 1990 vorgelegen hätten. Zwar könne unterstellt werden, daß der Kläger keine aufklärenden Hinweise über die Notwendigkeit der sofortigen persönlichen Arbeitslosmeldung erhalten habe, auf die persönliche Arbeitslosmeldung könne aber nicht verzichtet werden. Sie könne auch nicht im Wege der Auslegung des § 105 Satz 2 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) wegen fehlender Dienstbereitschaft des ArbA ersetzt, noch mit Hilfe des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs nachgeholt werden.

Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung der §§ 105 Satz 2, 100 Abs 1 AFG und des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs und trägt dazu vor: In Fällen, wie dem seinen, in denen arbeitslose Aussiedler es wegen mangelhafter Aufklärung bzw Beratung unterlassen hätten, sich unverzüglich nach Ankunft in den Lägern arbeitslos zu melden und Alg zu beantragen, sei § 105 Satz 2 AFG anzuwenden. Jedenfalls sei aber der sozialrechtliche Herstellungsanspruch einschlägig, so daß ihm mit dem Tage des Eintreffens im Lager Friedland Alg zu gewähren sei.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Landessozialgerichts aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des LSG in vollem Umfang für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫).

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision ist unbegründet. Das LSG hat zu Recht entschieden, daß dem Kläger für die streitige Zeit kein Alg zusteht.

Anspruch auf Alg hat nach § 100 Abs 1 AFG, wer arbeitslos ist, der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht, die Anwartschaftszeit erfüllt, sich beim ArbA arbeitslos gemeldet und Alg beantragt hat. Bei diesen Merkmalen handelt es sich um materiell-rechtliche Anspruchsvoraussetzungen; der Anspruch auf Alg entsteht nur und erst dann, wenn die genannten Voraussetzungen insgesamt vorliegen, soweit nicht gesetzlich eine Ausnahme zugelassen ist (BSGE 60, 43, 44 f = SozR 4100 § 105 Nr 2 mwN). Materiell-rechtliche Bedeutung hat nicht nur der Antrag, sondern auch die Arbeitslosmeldung. Dieser hat die Erklärung einer Tatsache zum Inhalt, nämlich der Arbeitslosigkeit. Sie soll dem ArbA die Kenntnis vermitteln, daß ein Leistungsfall eingetreten ist, damit das ArbA Vermittlungsbemühungen einleiten kann, um die Arbeitslosigkeit und damit auch die Leistungspflicht möglichst rasch zu beenden. Aus dem Umstand, daß das ArbA vor Kenntnis der Arbeitslosigkeit seiner Pflicht zur Arbeitsvermittlung tatsächlich nicht nachkommen kann, folgt zugleich die Bedeutung der Arbeitslosmeldung für den Leistungsanspruch. Er kann wegen dieses inneren Zusammenhangs erst mit ihrem Vorliegen zur Entstehung gelangen (vgl BSG aaO und SozR 1300 § 28 Nr 1). Gleichzeitig ergibt sich aus diesem Zusammenhang, daß auf das Erfordernis der persönlichen Meldung beim ArbA als Voraussetzung für die Gewährung von Alg nicht verzichtet werden kann (BSG aaO).

Alg ab 20. November 1989 (oder ab einem späteren Zeitpunkt vor dem 9. Januar 1990) steht dem Kläger somit nur zu, wenn er die Anspruchsvoraussetzungen insgesamt vor dem 9. Januar 1990 erfüllt hätte. Das ist jedoch nicht der Fall. Zwar mag der Kläger aufgrund von Beschäftigungszeiten in Gleiwitz, die nach dem durch das Eingliederungsanpassungsgesetz vom 22. Dezember 1989 (BGBl I 2398) zum 1. Januar 1990 gestrichenen, nach dem gleichzeitig eingeführten § 242j Abs 2 AFG aber für Personen, die vor dem 1. Januar 1990 ihren ständigen Aufenthalt im (damaligen) Geltungsbereich des AFG genommen haben, weiterhin anwendbaren § 107 Nr 3 AFG den Zeiten einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gleichstehen, die Anwartschaftszeit erfüllt haben. Ungeachtet der Frage, ob ein Arbeitsloser vor der Arbeitslosmeldung der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stehen kann und ein arbeitsloser Aussiedler, solange er sich noch für das Aufnahmeverfahren bereit halten muß, fehlen jedenfalls die Anspruchsvoraussetzungen des Antrags und der Arbeitslosmeldung; denn nach den nicht angegriffenen, den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) hat der Kläger vor dem 9. Januar 1990 weder Alg beantragt noch, wie das nach § 105 Satz 1 AFG erforderlich ist, sich persönlich beim zuständigen ArbA arbeitslos gemeldet.

Die am 9. Januar 1990 erfolgte Arbeitslosmeldung und der Antrag lassen sich nicht auf den 20. November 1989 oder einen anderen vor dem 9. Januar 1990 liegenden Tag zurückdatieren. Allerdings gelten nach § 105 Satz 2 AFG Arbeitslosmeldung und Antragstellung als am ersten Tage der Arbeitslosigkeit erfüllt, wenn der Arbeitslose sich nicht am ersten Tage der Arbeitslosigkeit melden und Alg beantragen konnte, weil das zuständige ArbA an diesem Tage nicht dienstbereit war, beides aber an dem nächsten Tage, an dem das ArbA dienstbereit ist, nachholt. Daß der Kläger sich nach seinem Eintreffen in der Bundesrepublik Deutschland am 17. November 1989 erst am 9. Januar 1990, einem Dienstag, hat arbeitslos melden und Alg beantragen können, weil die im streitigen Zeitraum für ihn in Betracht kommenden Dienststellen der für Friedland, Brilon und Osnabrück zuständigen Arbeitsämter nicht dienstbereit gewesen sind, hat das LSG nicht festgestellt. Das LSG hat die Öffnungszeiten der Beratungsstelle des ArbA Göttingen im Lager Friedland erwähnt, ferner ausgeführt, von Brilon-Bontkirchen aus sei die Dienststelle des ArbA im 20 km entfernt liegenden Brilon leicht zu erreichen gewesen und eine Anwendung des § 105 Satz 2 AFG abgelehnt. Da der Kläger mangelnde Dienstbereitschaft eines der Ämter niemals behauptet, die späte Meldung vielmehr allein auf seine Unkenntnis zurückgeführt hat, sich frühzeitig melden zu müssen, sind die Feststellungen des LSG aufgrund der Gesamtumstände des Falles sinngemäß dahin zu verstehen, daß die drei in Betracht kommenden Dienststellen jeweils zu den üblichen Zeiten für den Publikumsverkehr geöffnet waren, eine dem Wortsinn unmittelbar entsprechende Anwendung des § 105 Satz 2 AFG somit nicht möglich ist.

Eine erweiternde Anwendung des § 105 Satz 2 AFG, wie sie für den Fall erwogen wird, daß sonstige, in den Verantwortungsbereich der Arbeitsämter fallende Umstände für eine verspätete Arbeitslosmeldung ursächlich geworden sind (vgl BSGE 60, 43, 46 = SozR 4100 § 105 Nr 2), kommt im vorliegenden Fall nicht in Betracht. Maßgeblich für das Verständnis einer Rechtsvorschrift ist regelmäßig der in ihrem Wortlaut zum Ausdruck gekommene objektivierte gesetzgeberische Wille, dh der Sinn und Zweck der Vorschrift (BVerfGE 19, 354, 362; BGHZ 46, 74, 76; Urteil des Senats vom 30. September 1992 – 11 RAr 73/91 – demnächst SozR 3-4100 § 134), die sich regelmäßig bereits aus der Gesetzesbegründung auf der Grundlage der Gesetzesmaterialien sowie ggf dem Bedeutungszusammenhang der Norm im Gesetzesgefüge erschließen (Senat aaO). § 105 Satz 2 AFG ist danach eng auszulegen. Eine entsprechende Vorschrift kannte das Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) nicht. 1963 entschied das BSG, daß die Rahmenfrist des § 85 Abs 2 AVAVG von einem Sonntag aus zu berechnen sei, wenn die Arbeitslosmeldung wegen des Sonntags nicht hatte erfolgen können, sofern die Meldung am nächsten Wochentag bewirkt werde (BSGE 20, 46). Diese Entscheidung wurde bei der Schaffung des AFG berücksichtigt. Im Entwurf eines AFG wurde der spätere § 105 Satz 2 damit begründet, daß diese Vorschrift vermeiden solle, daß sich Nachteile für den Arbeitslosen ergeben, der sich wegen fehlender Dienstbereitschaft des ArbA nicht am ersten Tage der Arbeitslosigkeit arbeitslos melden und Alg beantragen könne; damit werde eine Lücke des geltenden Rechts geschlossen (vgl Begründung zu § 90 Abs 2 AFG-Entwurf, BT-Drucks V/2291 S 79). Der Regelungsumfang der Vorschrift, dh ihr Schutzbereich, erfaßt nach dem in ihrem Wortlaut und den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck gekommenen Zweck somit nicht alle denkbaren Fälle, in denen sich ein Arbeitsloser aus von der BA zu vertretenden Umständen nicht zum frühestmöglichen Zeitpunkt arbeitslos melden kann sondern nur solche Fälle, in denen der Grund dafür die fehlende Dienstbereitschaft des zuständigen ArbA ist (ebenso Gagel/Steinmeyer, AFG, Stand August 1992, § 105 RdNr 14; Hennig/Kühl/ Heuer/Henke, AFG, Stand Januar 1993, § 105 RdNr 3). Durch Auslegung des Begriffes der „fehlenden Dienstbereitschaft” kann daher nicht jede Ursache für eine verspätete Arbeitslosmeldung, die in den Verantwortungsbereich der BA fällt, Relevanz erlangen. Bezugspunkt einer unterlassenen Meldung des Arbeitslosen muß vielmehr stets die tatsächlich fehlende Dienstbereitschaft des betreffenden ArbA sein, es also jedenfalls insoweit für den Publikumsverkehr nicht zugänglich sein, daß persönliche Arbeitslosmeldungen iS des § 105 Satz 1 AFG nicht erfolgen können. Genügen könnte allenfalls, wenn die fehlende Dienstbereitschaft zwar nicht objektiv, wohl aber in der Vorstellung des Arbeitslosen besteht, und die BA diese falsche Vorstellung zu verantworten hat (zB dann, wenn der Arbeitslose von der BA eine falsche Auskunft über die Dienstbereitschaft des ArbA erhalten hat oder er wegen von der BA zu vertretende Organisationsmängel über das Vorhandensein der Dienstbereitschaft irrt und sich deshalb nicht arbeitslos meldete). Diese Frage kann hier jedoch offen bleiben, denn für eine solche Fallgestaltung gibt es keinen Anhaltspunkt. Unterbleibt die Arbeitslosmeldung hingegen deshalb, weil ein Arbeitsloser nicht weiß, daß er sich persönlich beim ArbA arbeitslos melden muß, um Alg zu erhalten, liegt kein vom Wortlaut und Zweck der Vorschrift gedeckter Fall des § 105 Satz 2 AFG vor. So liegt aber der Fall hier; denn ein wesentlicher Grund für die Arbeitslosmeldung des Klägers war offenbar, daß er nicht wußte, daß er sich persönlich hätte arbeitslos melden müssen, um Alg zu erhalten, er vielmehr angenommen hatte, diese Leistung würde ihm automatisch gewährt werden. Dieses ist indes kein Umstand, der geeignet wäre, eine fehlende Dienstbereitschaft des zuständigen ArbA, sei es auch nur in der Vorstellung des Arbeitslosen, zu begründen. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang die Behauptung des Klägers, er habe das Lager in Brilon-Bontkirchen nicht verlassen dürfen; denn damit geht nicht einmal, wie wenigstens erforderlich wäre, ein Irrtum des Klägers über die Dienstbereitschaft des zuständigen ArbA einher; außerdem fiele ein solcher Umstand auf keinen Fall in den Verantwortungsbereich der BA.

Auch im Wege einer analogen Anwendung der Vorschrift läßt sich dieses Ergebnis nicht erzielen, denn für eine über die Grenzen der hier vertretenen Auslegung hinausgehenden entsprechenden Anwendung der Vorschrift fehlt es angesichts des im Gesetzgebungsverfahren eindeutig zum Ausdruck gekommenen gesetzgeberischen Regelungsplanes an der dafür erforderlichen planwidrigen Regelungslücke im Gesetz. Die Gesetzesmaterialien enthalten nämlich den klaren Hinweis, daß die erkannte, im AVAVG enthaltene, bisher von der Rechtsprechung des BSG ausgefüllte Gesetzeslücke in dem eben geschilderten Umfang geschlossen werden sollte und dies auch geschehen ist.

Schließlich kann der Kläger nicht aufgrund des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so gestellt werden, als ob er sich am 20. November 1989 oder einem anderen vor dem 9. Januar 1990 liegenden Tag bei einem zuständigen ArbA gemeldet und Alg beantragt hätte. Es fehlt schon an den Voraussetzungen des Herstellungsanspruchs auf der Tatbestandsseite. Der Anspruch setzt dort nämlich ua voraus, daß der Sozialleistungsträger eine ihm aufgrund Gesetzes oder aufgrund eines bestehenden Sozialrechtsverhältnisses dem Sozialleistungsberechtigten gegenüber obliegende Pflicht, insbesondere zur Auskunft und Beratung (§§ 14, 15 Erstes Buch Sozialgesetzbuch ≪SGB I≫) verletzt hat. Davon kann hier schon deshalb keine Rede sein, weil der Kläger sich nach dem Sachverhalt weder an eine Dienststelle der BA oder eine (von dieser eingeschaltete) andere Stelle um Auskunft oder individuelle Beratung wegen Alg gewandt hat und dabei falsch oder unzureichend belehrt worden ist; die Auskunfts- und Beratungspflicht tritt grundsätzlich nicht von Amts wegen ein, sondern wird erst durch ein entsprechendes Begehren ausgelöst (BSG SozR 1200 § 14 Nr 9; BSGE 52, 145, 148 = SozR 1200 § 14 Nr 12). Zwar muß ein Leistungsträger einen Berechtigten auch ohne dessen Wunsch von sich aus „spontan”) belehren, wenn ein konkreter Anlaß dies verlangt (BSG aaO; BSGE 66, 258, 266 = SozR 3-4100 § 125 Nr 1). Das setzt indes zumindest eine tatsächliche Kontaktaufnahme voraus. Auch ein Aussiedler kann frühestens nach erfolgter Kontaktaufnahme mit dem Leistungsträger individuell beraten werden, denn erst dann kann dieser die dafür erforderlichen individuellen Angaben erfahren. Eine Beratung des Klägers durch die BA wäre deshalb erst in Betracht gekommen, wenn er bei einer entsprechenden Dienststelle vorgesprochen hätte.

Auf eine eventuelle Verletzung der Aufklärungspflicht nach § 13 SGB I kann der geltend gemachte sozialrechtliche Herstellungsanspruch ebenfalls nicht gestützt werden. Aufklärung meint die allgemeine und abstrakte Unterrichtung der Bevölkerung, insbesondere aller von den sozialrechtlichen Rechten und Pflichten möglicherweise betroffenen, im einzelnen in der Regel nicht bekannten Personen, die ua durch Merkblätter erfolgen kann. Der Verpflichtung zur Aufklärung ist die BA in den hier in Betracht kommenden Auffanglagern für Aussiedler aufgrund von Vereinbarungen mit dem Bundesverwaltungsamt, wie das LSG festgestellt hat, nachgekommen. Daß der Kläger, wie er geltend macht, keine solche Merkblätter oder entsprechende Hinweise erhalten hat, ist aus Rechtsgründen unerheblich. Denn selbst wenn bei der Durchführung der von der BA eingeleiteten und vom Bundesverwaltungsamt durch Verteilung von entsprechenden Merkblättern durchgeführten Aufklärungsmaßnahmen Fehler aufgetreten sein sollten, könnte dies nicht dazu führen, daß der Kläger mittels des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs Alg für den streitigen Zeitraum erhalten könnte, weil die Aufklärung ihn nicht erreicht hat. Aus einer Verletzung der Aufklärungspflicht nach § 13 SGB I erwächst den Betroffenen nämlich grundsätzlich kein Herstellungsanspruch, denn die Aufklärungspflicht begründet regelmäßig kein subjektives Recht gegenüber dem Versicherungsträger (so bereits BSGE 42, 224, 225 = SozR 2200 § 1324 Nr 3 zur Aufklärungspflicht des Rentenversicherungsträgers nach § 103 Satz 1 AVG aF sowie BSGE 67, 90, 94 = SozR 3-1200 § 13 Nr 1). Wie das BSG in den genannten Entscheidungen herausgearbeitet hat, folgt dies daraus, daß der Gesetzgeber mit § 14 SGB I den Anspruch eines jeden einzelnen auf Beratung über seine Rechte und Pflichten nach dem Sozialgesetzbuch normiert und ihm damit ein einklagbares Individualrecht gewährt hat, in § 13 SGB I jedoch nur eine Verpflichtung des Leistungsträgers verankert ist, die Bevölkerung, dh eine unbestimmte Vielzahl von Personen, die als solche nicht Träger von Rechten und Pflichten sein kann, über die Rechte und Pflichten nach diesem Gesetzbuch aufzuklären. Dem schließt sich der erkennende Senat an.

Fehlt es hiernach schon an den Voraussetzungen des Herstellungsanspruchs auf der Tatbestandsseite, können die weiteren Voraussetzungen des Herstellungsanspruchs im Rahmen der Arbeitslosmeldung hier auf sich beruhen (vgl dazu BSGE 60, 43, 49 = SozR 4100 § 105 Nr 2; BSG SozR 1300 § 28 Nr 1; kritisch Heuer SGb 1987, 36, 37).

Mit Recht hat das LSG schließlich ausgeführt, daß der Kläger den geltend gemachten Anspruch nicht auf eine Zusage von Bediensteten des ArbA Osnabrück stützen kann, da es bereits an der nach § 34 Abs 1 SGB X für eine Zusage unabdingbar vorgesehenen Schriftform fehlt.

Die Revision war demnach als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1172775

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