Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 23.02.1989)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 23. Februar 1989 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Der Kläger, ausgebildeter Großhandelskaufmann, begehrt Unterhaltsgeld (Uhg) als Zuschuß statt als Darlehen für die Teilnahme an einer Fortbildung zum staatlich geprüften Betriebswirt. An dieser viersemestrigen Maßnahme nahm er ab 1. Februar 1982 teil, nachdem er sein letztes Arbeitsverhältnis am 13. November 1981 zum 31. Januar 1982 gekündigt hatte. Auf seinen Förderungsantrag vom 12. Oktober 1981 schrieb der Sachbearbeiter des Arbeitsamtes in einem Aktenvermerk am 3. Dezember 1981, daß die Förderungsvoraussetzungen erfüllt seien und dem Kläger Uhg nach § 44 Abs 2a Arbeitsförderungsgesetz (AFG) zu gewähren sei. Mit Bescheid vom 9. Februar 1982 bewilligte die Beklagte Uhg als Darlehen nach dem am 1. Januar 1982 in Kraft getretenen Arbeitsförderungskonsolidierungsgesetz (AFKG). Der Widerspruch vom 29. November 1983, mit dem der Kläger Uhg als Zuschuß, das ihm ursprünglich zugesichert worden sei, begehrte, wurde als verspätet zurückgewiesen (Widerspruchsbescheid vom 6. Februar 1984). Einen Antrag vom 28. Mai 1984 auf Rücknahme des Bescheides und auf Bewilligung eines Zuschusses lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 26. Juni 1985, Widerspruchsbescheid vom 21. August 1985). Klage und Berufung sind erfolglos geblieben (Urteil des Sozialgerichts vom 22. Oktober 1986, Urteil des Landessozialgerichts -LSG- vom 23. Februar 1989). Das LSG hält die Versagung eines Zugunstenbescheides nach § 44 Sozialgesetzbuch Verwaltungsverfahren (SGB X) für berechtigt. Die Beklagte habe zutreffend nach Beginn der Maßnahme im Februar 1982 das Uhg nach dem inzwischen geänderten Recht als Darlehen bewilligt, da die Fortbildung nicht notwendig, sondern nur zweckmäßig gewesen sei (§ 44 Abs 2a AFG idF des AFKG). Die Übergangsvorschrift komme dem Kläger nicht zugute. Sie sei nicht gleichheitswidrig, wenn sie das frühere Recht nur bei Beginn der Maßnahme oder bei Bewilligung von Leistungen im Jahr 1981 anwende.

Der Kläger könne auch nicht aufgrund eines Herstellungsanspruches einen Zuschuß verlangen. Ein solcher dürfe nicht einen gesetzeswidrigen Zustand herbeiführen.

Der Kläger rügt mit der – vom Bundessozialgericht (BSG) zugelassenen – Revision eine Verletzung des § 44 SGB X, des § 44 AFG, des Art 1 § 2 AFKG sowie der Art 2 und 14 Grundgesetz (GG). Die Übergangsregelung, so meint er, die seinen Fall nicht erfasse, verletze sein Eigentumsrecht und den Gleichheitssatz. Sie habe der Behörde ein beliebiges Verschieben der Bewilligung bis nach dem Stichtag ermöglicht, nachdem der Kläger die Leistung schon im Oktober 1981 beantragt habe. Nach § 17 Abs 1 Nr 1 SGB Allgemeiner Teil (SGB I) hätte die Verwaltung zeitgerecht über seinen Antrag entscheiden müssen. Dies wäre auch möglich gewesen. Die verwaltungsinterne Entscheidung sei rechtzeitig getroffen worden und hätte noch bis Jahresende ausgeführt werden können. Der Zuschuß müsse aufgrund eines Herstellungsanspruches deshalb gewährt werden, weil die Beklagte zu spät entschieden und 1981 beim Kläger das Vertrauen erweckt habe, daß er mit einem Zuschuß rechnen könne, und darauf habe er sich beim Aufgeben seiner Beschäftigung, beim Umzug an den Ausbildungsort und beim Eintritt in die Maßnahme verlassen. Die Entscheidung der Beklagten sei auch deshalb gleichheitswidrig, weil sie von verschiedenen Lehrgangskollegen das Uhg gar nicht oder nicht vollständig zurückgefordert habe.

Der Kläger beantragt,

die Urteile der Vorinstanzen und die Entscheidungen der Beklagten aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Bewilligungsbescheid vom 9. Februar 1982 zu ändern und dem Kläger Uhg als Zuschuß statt als Darlehen zu gewähren,

hilfsweise,

den Kläger darüber unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält trotz der vom Kläger vorgetragenen Bedenken weiterhin die Versagung von Uhg als Zuschuß nach dem ab 1. Januar 1982 geltenden Recht für rechtmäßig.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision des Klägers ist nicht begründet.

Die Weigerung der Beklagten, die Versagung von Uhg als Zuschuß, die in der Gewährung eines Darlehens enthalten war, nachträglich zurückzunehmen und durch Zubilligung eines Zuschusses zu ersetzen (zur Veröffentlichung bestimmtes Urteil des Senats vom 6. März 1991 – 9b RAr 7/90 –), ist rechtlich nicht zu beanstanden; denn sie war nicht rechtswidrig (§ 44 Abs 1 Satz 1 SGB X vom 18. August 1980 – BGBl I 1469 – iVm § 152 AFG idF des Art II § 2 Nr 18 Buchstabe a SGB X).

Allerdings hätte dem Kläger ein Uhg zum Verbleib nach dem am 31. Dezember 1981 außer Kraft getretenen Recht zugestanden (§ 44 AFG vom 25. Juni 1969 – BGBl I 582 – / 18. Dezember 1975 – BGBl I 3113 – / 23. Juli 1979 – BGBl I 1189 –). Jedoch war ihm nach dem Recht, das zum Beginn der Maßnahme am 1. Februar 1982 galt, für die bloß zweckmäßige und nicht notwendige Teilnahme an der Fortbildung Uhg nur noch als Darlehen, nicht mehr als Zuschuß zu gewähren (§ 44 Abs 2a AFG idF des AFKG vom 22. Dezember 1981 – BGBl I 1497 –). Ob das Recht, das zu Beginn der Fortbildungsmaßnahme galt, ausnahmslos nach einem allgemeinen sozialrechtlichen Grundsatz maßgebend für die Ansprüche des Versicherten ist (vgl BSG SozR 4150 Art 4 § 2 Nr 1 S 2; 4150 Art 4 § 2 Nr 2), braucht der Senat in dieser Sache nicht zu entscheiden; denn das Gesetz hat unmißverständlich selbst geregelt, daß die neue Fassung des § 44 AFG grundsätzlich auf alle Fälle anzuwenden ist, in denen die Maßnahme nach dem 31. Dezember 1981 begonnen hat. Die Übergangsvorschrift des Art 1 § 2 Nr 3 AFKG ordnet sogar an, daß unter bestimmten Voraussetzungen das neue Recht auch auf Fälle anzuwenden ist, in denen der Antragsteller in die Maßnahme noch unter Geltung des alten Rechts eingetreten ist. Da der Kläger mit der Maßnahme erst unter Geltung des neuen Rechts begonnen hat, könnte das alte Recht nur dann anwendbar sein, wenn dies durch eine besondere Übergangsvorschrift ermöglicht würde. Das ist nicht der Fall.

Keiner der Tatbestände der Übergangsvorschriften des Art 1 § 2 AFKG verschaffte dem Kläger die Rechtsstellung, daß das vorausgegangene Recht auf seinen Fall weiterhin anzuwenden gewesen wäre. Näher zu prüfen ist allein Art 1 § 2 Nr 3 Satz 2 Buchstabe c AFKG; danach war nach der früheren Vorschrift Uhg als Zuschuß, wenn auch mit einer Kürzung der Höhe gemäß dem ab 1. Januar 1982 geltenden Recht, dann zu zahlen, wenn dem Antragsteller vor dem 1. Januar 1982 die Leistung bereits ohne Änderungsvorbehalt „bewilligt” worden war, er aber – wie der Kläger – erst nach dem 31. Dezember 1981 in eine Maßnahme eintrat. Diese Regelung kommt dem Kläger nicht zugute; denn die Beklagte hatte ihm vor dem 1. Januar 1982 noch kein Uhg „bewilligt”. Dazu hätte sie ihm diese Leistung durch einen Verwaltungsakt zusprechen müssen, evtl mittelbar durch einen Grundlagenbescheid. Daran fehlt es.

Eine Bewilligung durch eine hoheitliche Entscheidung des Leistungsträgers als Verwaltungsakt, der auf Außenwirkung gerichtet ist (§ 31 Satz 1 SGB X), wird gegenüber dem Betroffenen erst in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekanntgegeben wird (§ 39 Abs 1 Satz 1 SGB X), und zwar im Regelfall als schriftliche Mitteilung durch die Post (§ 37 Abs 1 Satz 1 und Abs 2 SGB X; dazu BSGE 15, 177, 180 = SozR Nr 23 zu § 368a RVO; Erichsen/ Martens/ Badura, Allgemeines Verwaltungsrecht, 8. Aufl 1988, S 189 ff, 218 ff, 423 f; Kopp, Verwaltungsverfahrensgesetz, 4. Aufl 1986, § 41 Rz 1 und 6; Obermayer, Verwaltungsverfahrensgesetz, 1983, § 41 Rz 3 und 21; § 43 Rz 13; Wallerath, Allgemeines Verwaltungsrecht, 2. Aufl 1983, S 150 ff, 180 f; Wolff/ Bachof, Verwaltungsrecht I, 9. Aufl 1974, S 413). Die Bewilligung im bezeichneten Sinn lag nicht schon in der in der Akte vermerkten „Entscheidung” der Arbeitsamts-Abteilung AV und AB (Arbeitsvermittlung und Arbeitsberatung) vom 3. Dezember 1981. Selbst wenn schon darin eine solche dem Grunde nach, die die Leistungsabteilung bindet (Dienstanweisung 21.11 Abs 6 iVm 20.12 Abs 2) und nicht erst in der „Uhg-Bewilligungs-Verfügung” vom 5. Februar 1982, also nach dem 31. Dezember 1981 die maßgebende, dem Verwaltungsakt gegenüber dem Kläger zugrundeliegende Entscheidung iS der Bewilligung enthalten gewesen wäre, hätte es sich – vor der notwendigen Bekanntgabe nach außen – bloß um einen „Entwurf” gehandelt (Obermayer aaO § 41 Rz 1).

Daß derartige Niederschriften nicht als „Bewilligung” iS der genannten Übergangsvorschrift zu verstehen sind, folgt auch aus dem Zweck der Übergangsregelung. In „laufenden Fällen” soll die Geltung des neuen, ungünstigeren Rechts ab 1. Januar 1982 eingeschränkt werden nach dem rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes (Art 20 GG; dazu BSGE 34, 124, 128 = SozR Nr 25 zu § 29 RVO; BSGE 59, 227, 233 f = SozR 4100 § 134 Nr 29; BSGE 62, 191, 198 = SozR 3100 § 1 Nr 39); deshalb werden in gewissem Umfange auch für die Zeit nach dem 31. Dezember 1981 vorher erworbene Rechtsstellungen weiterhin aufrechterhalten (Bericht und Beschlußempfehlung des 11. Ausschusses des Bundestages vom 2. November 1981 – BT-Drucks 9/966, S 81 –). Im Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom 4. September 1981 (BR-Drucks 369/81, S 48 = BT-Drucks 9/846 vom 28. September 1981) ebenso wie im Initiativentwurf der Bundestags-Fraktionen der SPD und der FDP (vom 9. September 1981 – BT-Drucks 9/799 –) waren die etwas anders formulierten Übergangsvorschriften mit einem „Bestandsschutz” begründet. Die Rechtsordnung schützt aber das Vertrauen auf den Fortbestand einer einmal erworbenen Rechtsstellung eines Versicherten bezüglich einer bestimmten Sozialleistung idR erst mit dem Erlaß eines ihm bekanntgegebenen Verwaltungsaktes, der die Leistung regelt.

Wenn dem Kläger vorher auf seinen Antrag vom 12. Oktober 1981 durch Arbeitsamts-Bedienstete mündlich ein Uhg als Zuschuß – nach altem Recht – in Aussicht gestellt oder gar zugesichert worden sein soll, so kann dies nicht als „Bewilligung” gewertet werden; denn die erforderliche Schriftform für eine rechtswirksame Zusage, einen bestimmten Verwaltungsakt später zu erlassen (§ 34 Abs 1 Satz 1 SGB X), war damit nicht gewahrt. Das bezeichnete Verwaltungshandeln führte entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht wenigstens zu einem vorläufigen Verwaltungsakt. Ebensowenig kam es zu vorläufigen Leistungen nach § 43 SGB I (vom 11. Dezember 1975 – BGBl I 3015 –), die für andere Fälle vorgesehen sind, oder zu Vorschußzahlungen nach § 42 SGB I.

Ungeachtet dessen wird der Kläger als Grundlage für sein Handeln eine Förderung durch Uhg nach dem Recht vor dem 1. Januar 1982 erwartet haben. Dies war wohl mit entscheidend dafür, daß er sein Arbeitsverhältnis am 13. November 1981 kündigte und von P. … zum Schulort K. … umzog. Die Kündigung als eine derartige wichtige private Disposition, die früher nach nicht mehr geltendem Verfahrensrecht in der Arbeitsförderung als bedeutsam angesehen wurde (BSGE 41, 263, 265 f = SozR 4460 § 24 Nr 2; dazu BSG SozR 4150 Art 1 § 2 Nr 2 S 8), hatte der Kläger deshalb schon vor der verwaltungsinternen Entscheidung des Arbeitsamtes vorgenommen. Das Vertrauen auf das zur Zeit des Förderungsantrages und vor einer Verwaltungsentscheidung geltende Recht ist aber nach der klaren und begrenzten Übergangsregelung nicht rechtserheblich; es bewirkt nicht, daß weiterhin das frühere Recht für die Zeit nach dem 1. Januar 1982 anzuwenden ist. Im Sozialrecht, besonders in dem häufig geänderten Arbeitsförderungsrecht wird nicht allgemein das Vertrauen auf das Fortgelten des Rechts, das in einem bestimmten Zeitpunkt, insbesondere bei einem Antrag auf Leistungen, gilt, uneingeschränkt geschützt. Vielmehr sind bei Gesetzesänderungen Bewilligungsbescheide für die Zukunft aufzuheben, wenn sich das maßgebende Recht ändert (§ 48 Abs 1 Satz 1 SGB X; dazu BSGE 59, 227, 235). Das gilt kraft zwingenden Rechts, falls es an einer entgegenstehenden Übergangsvorschrift fehlt (BSGE 65, 185, 186 f, SozR 1300 § 48 Nr 57). Eine solche Wirkung der Rechtsänderung hat der Gesetzgeber beim Inkraftsetzen des AFKG durch die zitierten Übergangsvorschriften in laufenden Fällen abgeschwächt, was allerdings dem Kläger nicht zugute kommt.

Diese Regelung ist entgegen der Rechtsansicht des Klägers nicht verfassungswidrig (allgemein zu den Übergangsvorschriften des AFKG: BSG SozR 4100 § 242b Nrn 1 und 2; 4150 Art 1 § 2 Nr 2; 4150 Art 4 § 2 Nr 1; USK 85167; Arbeit und Beruf 1984, 157). Zwar wäre auch eine Übergangsregelung in Betracht gekommen, nach der das frühere, im Zeitpunkt einer Kündigung geltende Recht weiterhin gelten solle, falls der Antragsteller durch eine Kündigung vor dem 1. Januar 1982 seine Teilnahme an einer Bildungsmaßnahme vorbereitet hätte. Aber eine solche Regelung war nicht zwingend verfassungsrechtlich geboten.

Entgegen der Auffassung des Klägers genügte die vom Gesetzgeber geschaffene Regelung dem Rechtsstaatsgebot, daß Gesetze klar und bestimmt sein müssen.

Der Gesetzgeber hat auch nicht unter Verletzung des Art 14 Abs 1 GG in ein eigentumsähnliches Recht des Klägers eingegriffen. 1981 hatte der Kläger lediglich die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für Uhg als Zuschuß erfüllt. Ein Anspruch auf die Leistung stand ihm aber nach damaligem Recht nicht zu, weil die Maßnahme noch nicht begonnen hatte. Die Beklagte sprach ihm auch kein Uhg nach dem bis zum 31. Dezember 1981 geltenden Recht für die Zeit danach zu. Hätte sie damals schon entschieden, wäre in Kenntnis der bevorstehenden Gesetzesänderung mit Rücksicht auf § 48 SGB X nur ein Bescheid mit Änderungsvorbehalt in Betracht gekommen. In diesem Fall war die Rechtsänderung zum 1. Januar 1982 seit den öffentlichen Bundestags-Verhandlungen über die Entwürfe am 16. bis 18. September 1981 sowie am 12. November 1981 für jedermann zu erwarten. Jene versicherungsrechtliche „Anwartschaft” ohne eine vom Gesetzgeber erst herzustellende Beziehung zwischen ihr und bestimmten Leistungsansprüchen stellt noch kein vermögenswertes Recht dar, das am grundrechtlichen Schutz des Eigentums nach Art 14 Abs 1 Satz 1 GG teil hat. Selbst wenn dieser Schutz einer durch Leistungsbescheid zuerkannten Rechtsstellung, die beim Kläger 1981 jedoch noch fehlte, zukommt (BVerfGE 76, 220, 235 f = NZA 1988, 373), durfte im Rahmen der nach Art 14 Abs 1 Satz 2 GG zulässigen Einschränkung des eigentumsähnlichen Rechtes der Gesetzgeber in der geschehenen Weise wegen übergeordneter Gemeinwohlinteressen das Uhg neu regeln (vgl zum ähnlichen Fall aus dem AFG-Recht: BVerfGE 76, 220, 238 ff). Dies war zum Abbau eines für 1982 auf 7,9 Milliarden DM zu erwartenden Defizits der Bundesanstalt für Arbeit (BR-Drucks 369/81 S 30 f) nach haushaltsrechtlichen Grundsätzen geboten und auch vertretbar. Bei dieser Abwägung nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist entgegen der Rechtsansicht des Klägers nicht die Einsparmöglichkeit in jedem einzelnen Fall isoliert dem Gesamthaushalt der Beklagten gegenüberzustellen, sondern die Gesamtheit der Fälle, die neu geregelt wurden.

Der Eigentumsschutz hätte auch nicht eine Erweiterung der Übergangsregelungen auf Fälle wie den des Klägers geboten. Insbesondere verletzt der Ausschluß der Fälle, in denen die Maßnahme erst nach dem 1. Januar 1982 begann und vorher noch keine Leistung bewilligt wurde, nicht den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG. Diese Regelung war nach dem dargelegten allgemeinen Grundsatz über das maßgebende Leistungsrecht und wegen des Zweckes der Sparmaßnahmen im Vergleich mit den gesetzlich geregelten Ausnahmefällen sachgerecht.

Schließlich verletzt die hier maßgebende Übergangsvorschrift nicht den rechtsstaatlichen Vertrauensgrundsatz, wenn nämlich vor der Rechtsänderung weder die Maßnahme begonnen noch ein Uhg durch Bescheid bewilligt worden war. Der Antrag auf eine Sozialleistung begründet nicht ein Vertrauen auf unveränderte Fortgeltung des gerade herrschenden Rechts, wie dies durch einen Bewilligungsbescheid geschehen kann.

Der Gesetzgeber hat um des Gleichheitssatzes willen vermeiden wollen, daß die Gewährung oder Ablehnung einer Sozialleistung von der Zufälligkeit des Entscheidungszeitpunktes abhängt (vgl zB BSGE 60, 7, 8 = SozR 4100 § 141d Nr 2), und deshalb Art 1 § 2 Nr 3 Buchstabe c AFKG geschaffen. Aus dieser Norm im Zusammenhang mit dem vorhergehenden Tatbestand des Buchstaben b, geht klar hervor, daß nur bei einem Maßnahmebeginn während der Geltung alten Rechts die Versicherten mit und ohne Verwaltungsakt gleich behandelt werden müssen. Nur dann, wenn der Antragsteller schon vor dem 1. Januar 1982 in eine Maßnahme eingetreten war, sollte das vom Antragsteller nicht zu vertretende Fehlen einer Bewilligung ausgeglichen werden, um Zufallsergebnissen vorzubeugen (vgl dazu BSG SozR 4150 Art 1 § 2 Nr 2). Nach der hier anwendbaren Vorschrift (Buchstabe c) ist nicht maßgebend, aus welchen Gründen die Verwaltung – vielleicht zufällig oder wegen unvermeidbarer Überlastung – nicht schon vor dem 1. Januar 1982 die Leistung durch Verwaltungsakt bewilligt hat. Das ist nach dem Gleichheitssatz vertretbar.

Nach alledem ist es nicht rechtserheblich, daß das Arbeitsamt des Wohnortes den Antrag des Klägers vom 12. Oktober 1981 erst am 1. Dezember 1981 dem Arbeitsamt des Schulortes zuleitete und daß dieses nach der maßgebenden Entscheidung vom 3. Dezember 1981 erst am 9. Februar 1982 den Bewilligungsbescheid erließ.

Der Kläger kann auch nicht aufgrund des von der Rechtsprechung entwickelten Herstellungsanspruches verlangen, so gestellt zu werden, als wenn die Verwaltung das Uhg noch 1981 bewilligt hätte. Als Voraussetzung für einen solchen Anspruch müßte das Verzögern der Entscheidung bis nach dem 31. Dezember 1981 als Verletzung einer Nebenpflicht aus dem Sozialrechtsverhältnis zu werten sein (st Rspr des BSG, zB BSGE 41, 126 = SozR 7610 § 242 Nr 5; BSGE 60, 79, 85 f = SozR 4100 § 100 Nr 11; BSGE 61, 175, 176 ff = SozR 1200 § 14 Nr 24; BSGE 65, 293, 299 f = SozR 4100 § 112 Nr 51; BSGE 66, 258, 265 ff = SozR 3-4100 § 125 Nr 1; SozR 1200 § 14 Nr 25; ergänzend Ladage, Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch, 1990, besonders S 107 f und 53). Nach dem schon erörterten Wertungssystem der Übergangsvorschriften des Art 1 § 2 Nr 3 AFKG ist eine von der Verwaltung zu vertretende Verzögerung beim Bewilligen des Uhg nur rechtserheblich, wenn die Maßnahme schon vor der Gesetzesänderung begonnen hat. Diese Gesetzeslage ist nicht für Fälle wie den des Klägers wegen der allgemeinen Pflicht des Sozialleistungsträgers, dafür zu sorgen, daß „jeder Berechtigte die ihm zustehenden Sozialleistungen in zeitgemäßer Weise, umfassend und schnell erhält” (§ 17 Abs 1 Nr 1 SGB I), dahin abzuwandeln, daß der Kläger so gestellt werden müßte, als ob auf seinen Antrag ein Bewilligungsakt bis zum Jahresende ergangen wäre. Eine Vornahmeklage ist erst sechs Monate nach einem Antrag auf Erlaß eines Verwaltungsaktes zulässig (§ 88 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz -SGG-). Die Frist von einem Monat gilt nur für einen Widerspruchsbescheid (§ 88 Abs 2 SGG). Außerdem hätte ein Bescheid vor dem 31. Dezember 1989 die zukünftige Rechtslage berücksichtigen müssen.

Auf ein pflichtwidriges Unterlassen der rechtzeitigen Belehrung über das neue Recht kann der Kläger einen Herstellungsanspruch mit dem Ziel, Uhg als Zuschuß zu erhalten, nicht stützen (vgl dazu BSGE 61, 175, 176). Ob die Beklagte wegen einer Betreuungs- und Beratungspflicht (§ 14 SGB I) von sich aus den Kläger während des Gesetzgebungsverfahrens auf die geplante Gesetzesänderung und speziell die Übergangsvorschrift hätte hinweisen müssen, kann dahingestellt bleiben. Pflichtwidriges Unterlassen einer Belehrung vor der Kündigung vom 13. November 1981, die den Kläger von der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und von einem Wohnungswechsel hätte abhalten können, wäre allenfalls für einen Schadensersatzanspruch wegen Amtspflichtverletzung von Bedeutung. Darüber haben aber nach Art 34 Satz 3 GG die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit nicht zu entscheiden. Das gilt auch nach Inkrafttreten des § 17 Abs 2 GVG (idF des Gesetzes zur Neuregelung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens vom 17. Dezember 1990 – BGBl I 2809 –). Im übrigen wäre der erforderliche Ursachenzusammenhang nicht gegeben; denn der Kläger hat sogar ohne Bewilligung von Uhg die Maßnahme begonnen und nach der Versagung eines Zuschusses fortgesetzt.

Der Hinweis auf Lehrgangskollegen, von denen die Beklagte nicht die volle Rückzahlung des Darlehens verlangt, ist für die umstrittene Leistungsgewährung unerheblich. Insoweit könnte der Kläger allenfalls im Abwicklungsverfahren eine gleichheitswidrige Behandlung geltend machen mit dem Ziel, kraft einer möglichen Außenwirkung des § 59 Bundeshaushaltsordnung iVm § 219 Abs 1 AFG (vgl zur Veröffentlichung bestimmtes Urteil des Senats vom 30. Januar 1991 – 9a RV 3/90 –) eine für ihn günstigere Ermessensentscheidung über einen Verzicht auf die Rückforderung zu erreichen. Dabei könnte auch zu berücksichtigen sein, daß die Beklagte nicht alle Antragsteller in den letzten Monaten des Jahres 1981 über die bevorstehende Rechtsänderung belehrt und ihnen damit nicht die Gelegenheit gegeben hat, rechtzeitig zu entscheiden, ob sie an einer Maßnahme mit Uhg als Darlehen teilnehmen wollen. Eine Rücknahme nach § 44 Abs 1 SGB X setzt dagegen, wie eingangs dargelegt, voraus, daß der Verwaltungsakt über die Ablehnung einer Leistung rechtswidrig war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1175164

NZA 1992, 48

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