Entscheidungsstichwort (Thema)
Anerkennung einer Lehrzeit im väterlichen Betrieb als Ausfallzeit
Beteiligte
…, Kläger und Revisionskläger |
Landesversicherungsanstalt Hessen,Frankfurt 70, Städelstraße 28, Beklagte und Revisionsbeklagte |
Tatbestand
G r ü n d e :
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Lehrzeit des Klägers im väterlichen Betrieb als Ausfallzeit anzuerkennen und ihm mit Rücksicht darauf ein höheres Altersruhegeld zu gewähren ist.
Der 1924 geborene Kläger erlernte von Dezember 1950 bis Mai 1954 bei seinem Vater in A /Hessen das Kraftfahrzeughandwerk. Diese Ausbildung wurde der Kreishandwerkerschaft K angezeigt und in die dortige Lehrlingsrolle eingetragen. Beiträge zur Rentenversicherung wurden für diese Zeit nicht entrichtet. Im März 1955 legte der Kläger die Gesellenprüfung ab.
Durch Bescheid vom 30. Juni 1989 stellte die Beklagte die im Versicherungsverlauf des Klägers enthaltenen Daten fest. Darin lehnte sie die Anerkennung des Zeitraumes von Dezember 1950 bis Mai 1954 sowohl als Beitrags- wie auch als Ausfallzeit ab. Nach erfolglosem Widerspruch (Widerspruchsbescheid vom 2. Januar 1990) erhob der Kläger beim Sozialgericht Kassel (SG) Klage. Während des erstinstanzlichen Verfahrens gewährte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 22. Februar 1990 Altersruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres für die Zeit ab 1. Januar 1990, wobei sie die streitige Lehrzeit nicht als Versicherungszeit anrechnete, jedoch eine Anschlußersatzzeit wegen Arbeitslosigkeit bis zum 4. Dezember 1950 berücksichtigte. Das SG wies die Klage, die sich nunmehr auch auf ein höheres Altersruhegeld richtete, durch Urteil vom 6. Juli 1990 ab. Die Berufung des Klägers hatte ebenfalls keinen Erfolg. Dem Urteil des Hessischen Landessozialgerichts (LSG) vom 3. September 1991 liegen folgende Erwägungen zugrunde:
Nach § 1226 der Reichsversicherungsordnung (RVO) iVm § 165 Abs 2 RVO (beide Vorschriften idF der Ersten Verordnung zur Vereinfachung des Leistungs-und Beitragsrechts in der Sozialversicherung [SVVereinfV] vom 17. März 1945, RGBl I, 41) sei Voraussetzung der Versicherung der Arbeiter mit Ausnahme der Lehrlinge gewesen, daß sie gegen Entgelt beschäftigt würden. Ein Lehrverhältnis außerhalb eines Beschäftigungsverhältnisses sei nur in Ausnahmefällen gegeben, insbesondere bei familienhafter Mithilfe. Davon könne im vorliegenden Falle jedoch nicht ausgegangen werden, denn aufgrund der Eintragung des Ausbildungsverhältnisses in die Handwerksrolle sei der Senat davon überzeugt, daß die Lehre im Rahmen eines üblichen Beschäftigungsverhältnisses stattgefunden habe.
Da eine Lehrzeit nach dem eindeutigen Wortlaut der §§ 1226 Nr 1, 165b und 165 Abs 1 Nr 2 RVO, jeweils idF der SVVereinfV, versicherungspflichtig sei, könne sie nicht Ausfallzeit iSd § 1259 Abs 1 Satz 1 Nr 4 Buchst a RVO sein. Die zur fraglichen Zeit noch herrschende Rechtsauffassung der Versicherungsträger, Meistersöhne seien nicht versicherungspflichtig beschäftigt gewesen, ändere daran nichts und sei unbeachtlich. Auch eine erweiternde Auslegung der Formulierung "nicht versicherungspflichtigen oder versicherungsfreien Lehrzeit" in dem Sinne, daß damit jede Lehrzeit iS eines Beschäftigungsverhältnisses gemeint sei, für die schuldlos keine Beiträge entrichtet worden seien, sei mit dem Ziel des Gesetzes nicht zu vereinbaren. Schließlich bestünden gegen die Anwendbarkeit der Vorschriften idF der SVVereinfV hier schon deshalb keine Bedenken, weil diese jedenfalls für den streitigen Zeitraum nach Einführung des Grundgesetzes (GG) im gesamten Bundesgebiet, und damit auch in Nordhessen, gegolten hätten.
Mit seiner vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 1259 Abs 1 Satz 1 Nr 4 Buchst a RVO und trägt zur Begründung vor:
Seine Lehrzeit sei "nicht versicherungspflichtig oder versicherungsfrei" gewesen. Es möge sein, daß tatsächlich jegliche Lehrzeit nach § 1226 RVO idF der SVVereinfV der Beitragspflicht unterlegen habe. Tatsächlich sei aber diese Neuregelung in der amerikanischen Zone seinerzeit nicht angewandt worden. Wenn die Versicherungsträger Pflichtbeiträge für Lehrzeiten dieser Art seinerzeit nicht akzeptiert, sondern beanstandet hätten, könne nicht im Nachhinein der betroffene Lehrling, dessen Schutz ja gerade die Beitrags- und Versicherungspflicht gedient habe, einen Schaden davontragen.
Ein anderes Ergebnis wäre gleichheitswidrig und würde einen Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG darstellen: "Meistersöhne", die aufgrund der überholten "Meistersohn-Rechtsprechung" als nicht versicherungspflichtig angesehen worden seien, erhielten für die Lehrzeit Ausfallzeiten gutgeschrieben, obwohl sie nach Auffassung des Gesetzgebers eher weniger schutzwürdig gewesen seien als Personen wie er, die ein ordnungsgemäßes Beschäftigungsverhältnis absolviert hätten. Das lasse sich mit dem Sinn und Zweck des § 1259 Abs 1 Satz 1 Nr 4 Buchst a RVO nicht vereinbaren.
Der Kläger beantragt,
|
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 3. September 1991 sowie das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 6. Juli 1990 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 30. Juni 1989 idF des Widerspruchsbescheides vom 2. Januar 1990 und ihres Bescheides vom 22. Februar 1990 zu verurteilen, bei der Berechnung des Altersruhegeldes als zusätzliche Ausfallzeit eine Lehrzeit vom 1. Januar 1951 bis 31. Mai 1954 rentensteigernd zu berücksichtigen. |
|
Die Beklagte beantragt,
|
die Revision des Klägers zurückzuweisen. |
|
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
II
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das LSG hat zu Recht erkannt, daß er keinen Anspruch auf Anerkennung der streitigen Ausfallzeit und auf Berücksichtigung derselben bei der Berechnung des Altersruhegeldes hat.
Gegenstand des Rechtsstreits war zunächst nur der Bescheid der Beklagten vom 30. Juni 1989 idF des Widerspruchsbescheides vom 2. Januar 1990 über die Feststellung der im Versicherungsverlauf des Klägers enthaltenen Daten. Wie das LSG zutreffend entschieden hat, ist der während des Klageverfahrens erteilte Rentenbescheid vom 22. Februar 1990 in entsprechender Anwendung des § 96 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in den Rechtsstreit einzubeziehen. Vergleicht man die Verfügungssätze beider Verwaltungsakte (einerseits: Vormerkung von Versicherungszeiten, andererseits: Gewährung von Altersruhegeld), handelt es sich zwar um zwei voneinander unabhängige Regelungen. Dennoch ist - nicht zuletzt aus Gründen der Prozeßökonomie - eine Anwendung des § 96 Abs 1 SGG geboten, weil sich eine Anerkennung der streitigen Ausfallzeit auf die ansonsten unstreitige Höhe des Altersruhegeldes auswirken würde (vgl BSG SozR 1500 § 96 Nrn 13, 18; BSGE 57, 163, 164 = SozR 1500 § 96 Nr 30). Es ist daher über beide Klagebegehren zu entscheiden.
Soweit der Rechtsstreit die Höhe des Altersruhegeldes betrifft, sind gemäß § 300 Abs 2 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) noch die durch Art 6 Nr 24 des Rentenreformgesetzes 1992 (RRG 1992) gestrichenen Vorschriften des Vierten Buches der RVO anwendbar, da der Rentenantrag des Klägers vor dem Stichtag (1. April 1992) gestellt worden ist. Zwar sind - wie der 4. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) entschieden hat (BSG SozR 3-6180 Art 13 Nr 2; SozR 3-2600 § 252 Nr 1) - Verfahren zur Vormerkung/Anerkennung versicherungsrechtlich erheblicher Tatbestände, die vor dem 1. Januar 1992 noch nicht bindend abgeschlossen wurden, grundsätzlich nach dem SGB VI fortzuführen (vgl § 300 Abs 1 SGB VI). Hier gilt jedoch insofern etwas anderes, als nicht über die Vormerkung von Versicherungszeiten für einen erst in der Zukunft liegenden Leistungsfall gestritten wird, sondern gleichzeitig ein vor dem 1. Januar 1992 entstandener Rentenanspruch geltend gemacht wird. Da es sich dabei um Altersruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres handelt, kann in der Person des Klägers auch kein weiterer Versicherungsfall mehr eintreten. Daher ist es - gerade auch wegen der dargestellten Auswirkung der Feststellungen des Vormerkungsbescheides auf die Leistungshöhe - gerechtfertigt, auch auf den Vormerkungsstreit in entsprechender Anwendung des § 300 Abs 2 SGB VI noch das alte Recht anzuwenden (ebenso bereits Senatsurteil vom 8. Oktober 1992 [13 RJ 47/91]).
Für beide anhängige Klagebegehren kommt es darauf an, ob der Kläger die Voraussetzungen des § 1259 Abs 1 Satz 1 Nr 4 Buchst a RVO erfüllt. Eine Änderung des Vormerkungsbescheides kann der Kläger nur verlangen, wenn die geltend gemachte Ausfallzeit im Versicherungsverlauf hätte berücksichtigt werden müssen (vgl § 1325 Abs 2 RVO). Dies richtet sich nach § 1259 Abs 1 Satz 1 Nr 4 Buchst a iVm § 1258 RVO. Der Altersruhegeld-Bescheid ist unrichtig, wenn bei der Berechnung dieser Leistung die streitige Zeit gemäß §§ 1254, 1258 iVm § 1259 Abs 1 Satz 1 Nr 4 Buchst a RVO fälschlicherweise nicht als anrechnungsfähige Versicherungszeit berücksichtigt worden ist.
Nach § 1259 Abs 1 Satz 1 Nr 4 Buchst a RVO sind Ausfallzeiten iS des § 1258 RVO Zeiten einer nach Vollendung des 16. Lebensjahres liegenden abgeschlossenen, nicht versicherungspflichtigen oder versicherungsfreien Lehrzeit. Der 1924 geborene Kläger war während seiner in den Jahren 1950 bis 1954 zurückgelegten Berufsausbildung weit über 16 Jahre alt. Ob es sich um eine nicht versicherungspflichtige oder versicherungsfreie Lehrzeit iS des § 1259 Abs 1 Satz 1 Nr 4 Buchst a RVO handelte, beurteilt sich nach den damaligen tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten (vgl BSG SozR 2200 § 1259 Nr 102, S 277; SozR 3-2200 § 1232 Nr 2, S 13). Dabei ist insbesondere das seinerzeit geltende Recht zugrundezulegen (vgl BSGE 11, 274, 276; 52, 1, 3). Alte Rechtsprechung und Verwaltungspraxis darf jedoch nur insoweit herangezogen werden, als sie - bezogen auf die betreffende Zeit - auch aus heutiger Sicht als zutreffend erachtet werden können (vgl BSGE 52, 1, 3). Eine abweichende neuere Rechtsprechung des BSG ist in diesem Zusammenhang lediglich dann unbeachtlich, wenn sie auf der Berücksichtigung geänderter Verhältnisse, zB einer nachfolgenden Rechtsentwicklung, beruht (vgl dazu BSG SozR 5750 Art 2 § 46 Nr 3). Wollte man im Rahmen des § 1259 RVO auch eine in der Vergangenheit erfolgte unzutreffende Rechtsanwendung für maßgeblich erachten (so wohl VerbKomm zur RVO, § 1259 Anm 19.2 - S 91 f -), würde dies unter dem Gesichtspunkt des Rechtsstaatsgebotes und der sich daraus ergebenden Bindung an Recht und Gesetz (vgl Art 20 Abs 3 GG) erheblichen Bedenken begegnen. Etwaigen versicherungsrechtlichen Nachteilen, die sich aus Änderungen der herrschenden Rechtsauffassung für die Versicherten ergeben können, müßte ggf auf andere Weise Rechnung getragen werden. Insbesondere kann der Gesetzgeber derartige Unzuträglichkeiten gezielt durch begünstigende Regelungen ausgleichen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt ein Lehrverhältnis voraus, daß eine Beschäftigung in einem Betrieb hauptsächlich der Fachausbildung dient, dem Ziel entsprechend geleitet wird und der Auszubildende tatsächlich die Stellung eines Lehrlings einnimmt (vgl BSGE 6, 147, 151; 31, 226, 230 f; BSG SozR Nr 40 zu § 1259 RVO; SozR 2200 § 1259 Nrn 22, 87, 102). Was die Fachausbildung des Klägers und ihren Abschluß betrifft, so ergeben sich hier keine Probleme, da der Kläger die Gesellenprüfung im Kraftfahrzeughandwerk bestanden hat. Zwar ist darüber hinaus zu fordern, daß die Lehrzeit in einem Beschäftigungsverhältnis abgelaufen ist. Bei einer bloßen familienhaften Mitarbeit im väterlichen Betrieb würde hingegen eine Ausfallzeit von vornherein ausscheiden (vgl BSGE 52, 1 ff; dazu auch BSG SozR 2200 § 1259 Nr 110). Hier kann jedoch dahinstehen, ob der Kläger die Lehrzeit in der Form eines Beschäftigungsverhältnisses zurückgelegt hat. Denn auch in diesem Fall kommt eine Anerkennung der begehrten Ausfallzeit nicht in Betracht.
Unter Berücksichtigung des damals geltenden Rechts war die Lehrzeit des Klägers - das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses unterstellt - iS von § 1259 Abs 1 Satz 1 Nr 4 Buchst a RVO "nicht versicherungspflichtig oder versicherungsfrei". Gemäß § 1226 Abs 1 Nr 4 RVO idF vom 15. Dezember 1924 (RGBl I, 779; im folgenden: RVO 1924), der jedenfalls noch bis zum Erlaß der SVVereinfV galt, wurden für den Fall der Invalidität und des Alters sowie zugunsten der Hinterbliebenen, Lehrlinge versichert, soweit sie nicht nach dem Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) versicherungspflichtig oder versicherungsfrei waren. Voraussetzung der Versicherung war für diese Personen, daß sie gegen Entgelt (§ 160 RVO) beschäftigt wurden (§ 1226 Abs 2 RVO 1924). Nach dem Erlaß des Reichsarbeitsministers (RAM) vom 26. März 1942 waren die in einem Lehrverhältnis gewährten Barbezüge (Lehrlingsvergütung, Erziehungsbeihilfe usw) als Entgelt iS des § 160 RVO anzusehen. Hingegen war eine Beschäftigung, für die als Entgelt nur freier Unterhalt gewährt wurde, gemäß § 1227 RVO 1924 versicherungsfrei. Durch Art 3 SVVereinfV wurden die Vorschriften über die Rentenversicherungspflicht der Arbeiter weitgehend an die ebenfalls neu geregelten Bestimmungen über die Krankenversicherungspflicht angeglichen. Nach § 1226 Abs 1 Nr 1 RVO idF vom 17. März 1945 (RVO 1945) wurden für den Fall der Invalidität und des Alters sowie zugunsten der Hinterbliebenen diejenigen Arbeiter versichert, die aufgrund der Versicherungspflicht krankenversichert waren. Zu den Arbeitern gehörten gem § 165a Nr 2 RVO 1945 auch Lehrlinge, die nicht unter den Begriff der Angestellten iS von § 165b RVO 1945 fielen. Nach § 165 Abs 1 Nr 1 RVO 1945 wurden Arbeiter für den Fall der Krankheit versichert. Voraussetzung der Versicherung für diese Personen, mit Ausnahme der Lehrlinge, war, daß sie gegen Entgelt beschäftigt wurden. Diese Regelung unterscheidet sich vom früheren Rechtszustand also insbesondere dadurch, daß Lehrlinge jetzt auch dann versicherungspflichtig waren, wenn sie überhaupt kein Entgelt bekamen. Zuvor bestand Versicherungspflicht nur für die Lehrlinge, die Barbezüge erhielten.
Das LSG hat zu der Frage eines Lehrlingsentgeltes des Klägers keine Feststellungen getroffen. Darauf kommt es hier jedoch letztlich nicht an. Denn für die gesamte Dauer der Lehrzeit des Klägers galt die SVVereinfV.
Die SVVereinfV ist vom RAM im Einvernehmen mit den beteiligten Reichsministern, dem Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz und dem Regierungskommissar für das Sanitäts- und Gesundheitswesen erlassen worden. Sie beruft sich im Vorspruch auf die Verordnungsermächtigungen in § 29 Abs 3 des Gesetzes über weitere Maßnahmen in der Rentenversicherung aus Anlaß des Krieges vom 15. Januar 1941 (RGBl I, 34) und § 18 der Zweiten Verordnung über die Vereinfachung des Lohnabzuges (Zweite Lohnabzugs-Verordnung [Zweite LAV]) vom 24. April 1942 (RGBl I, 252). Diese Ermächtigungen bezogen sich ihrem Wortlaut nach an sich nur auf Rechts- und Verwaltungsvorschriften zur Durchführung und Ergänzung der betreffenden Normen. § 18 Satz 2 Zweite LAV ermächtigte den RAM darüber hinaus, die Reichsversicherungsgesetze an die Vorschriften dieser Verordnung anzupassen. Unter Berücksichtigung des damals herrschenden weiten Verständnisses derartiger Ermächtigungen (vgl BSGE 3, 161, 164) sind die hier einschlägigen Bestimmungen der Art 1 und 3 SVVereinfV über Änderungen der Versicherungspflicht von Lehrlingen noch von § 18 Zweite LAV gedeckt. Die Angleichung der Regelungen über die Kranken- und Rentenversicherungspflicht diente ebenso wie die mit der Zweiten LAV erfolgte Vereinheitlichung des Beitragseinzuges der Vereinfachung des Beitragsrechts und der Verwaltung (vgl BSGE 15, 65, 68). Es ist daher nicht auf die vom Bayerischen Landesversicherungsamt (Breithaupt 1954, 272, 275; zustimmend Klink, ZfS 1954, 130 f) erörterte Frage einzugehen, ob hier auch der Erlaß des Führers über den totalen Kriegseinsatz vom 25. Juli 1944 (RGBl I, 161) eine taugliche Ermächtigungsgrundlage abgeben konnte (vgl auch Weber, ZfS 1957, 115).
Die SVVereinfV ist in der Nr 10 des RGBl I abgedruckt und am 11. April 1945 in Berlin ausgegeben worden. Dadurch ist sie für das gesamte Reichsgebiet wirksam verkündet worden, auch wenn dieses damals zum Teil bereits von den alliierten Truppen besetzt war. Denn es kommt insofern nur auf den formalen Akt der Gesetzesausgabe an (vgl BSGE 3, 161, 165 ff; BSG SozR 2200 § 1251 Nr 46, S 116 f; Gissler, ZfS 1954, 97, 98; Weber, ZfS 1957, 115, 116).
Die SVVereinfV hat auch am Wohnort des Klägers Geltung erlangt. Spätestens mit dem 7. September 1949 sind Akte der deutschen Staatsgewalt, die - wie die SVVereinfV - wegen der Besetzung Deutschlands möglicherweise keine - flächendeckende - Wirksamkeit hatten entfalten können, nach der übereinstimmenden Rechtsprechung aller mit dieser Frage befaßt gewesenen Senate des BSG (vgl zB BSGE 3, 161, 170; BSG, Urteil vom 6. September 1956 [4 RJ 111/54]; BSG, Urteil vom 20. September 1956 [5 RKn 14/55]; BSGE 10, 156, 159; 18, 246, 248; BSG SozR 5750 Art 2 § 46 Nr 3, S 4; BSGE 52, 1, 5; BSG, Urteil vom 13. August 1981 [11 RA 6/81]; BSG SozR 2200 § 1259 Nr 64, S 182, Nr 66, S 183; SozR 3-1500 § 77 Nr 1, S 2; SozR 3-2200 § 1232 Nr 2, S 7) im gesamten damaligen Bundesgebiet (zur Nichtgeltung im Saarland vgl BSG SozR Nr 8 zu § 168 RVO) wirksam geworden, soweit sie nicht unter einen der im Besatzungsstatut vom 12. Mai 1949 (Amtsblatt der Alliierten Hohen Kommission für Deutschland S 13) ausdrücklich vorbehaltenen Materien fielen, was bei Teil I der SVVereinfV nicht der Fall war (vgl BSGE 15, 65, 69).Denn an diesem Tage traten die gesetzgebenden Körperschaften der Bundesrepublik Deutschland erstmals zu ihren konstituierenden Sitzungen zusammen. Dieser Vorgang markiert ein fast vollständiges Zurücktreten der Besatzungsmacht und damit das Wiederaufleben einer eigenständigen deutschen Gesetzgebungsgewalt.
Der erkennende Senat folgt dieser Auffassung, die auch in der Literatur weitgehend geteilt wird (vgl Beuerskens/Grintsch, Amtl Mitt der LVA Rheinprovinz 1971, 310, 318; Merz, Mitt der LVA Oberfranken und Mittelfranken 1983, 181, 198; Weber, ZfS 1957, 115, 117; aA allerdings Klink, ZfS 1954, 130, 131 f). Sie berücksichtigt nämlich einerseits in angemessener Weise, daß die SVVereinfV wirksam verkündet worden und damit zumindest iS einer "Reservefunktion" Bestandteil der deutschen Rechtsordnung geworden ist, und andererseits, daß es während und infolge der Besetzung Deutschlands durch die alliierten Streitkräfte zu Unsicherheiten und Beschränkungen hinsichtlich des Inkrafttretens dieser Verordnung gekommen ist. Soweit der Kläger einen (erneuten) Rechtsetzungs- oder -bestätigungsakt des Bundesgesetzgebers vermißt, übersieht er, daß es nicht um den Erlaß, sondern um das Inkrafttreten der Verordnung geht. Letzteres bedarf keiner besonderen gesetzgeberischen Handlung. Das Anknüpfen an die Konstituierung der gesetzgebenden Organe der Bundesrepublik steht im übrigen im Einklang mit der Regelung des Art 123 Abs 1 GG, wonach Recht aus der Zeit vor dem Zusammentritt des Bundestages fortgilt, soweit es dem GG nicht widerspricht.
Die SVVereinfV konnte allerdings am 7. September 1949 in Hessen nur in Kraft treten, sofern dem kein anderweitiges Recht entgegenstand. So war sie zB in der damaligen britischen Besatzungszone bis 1949 durch verschiedene Rechtsetzungsakte teilweise abgeändert worden (vgl dazu BSGE 7, 82; 16, 158). Derartige die SVVereinfV betreffenden Akte, die iS von Art 123 Abs 1 GG fortgelten konnten, sind bezogen auf Hessen (als Teil der damaligen amerikanischen Zone) nicht ersichtlich. Bloße Verwaltungsanweisungen, die eine Nichtanwendung dieser Verordnung bewirkt haben mögen, reichen insoweit nicht aus (vgl dazu BSGE 2, 188, 193). Ebenso ist der Umstand, daß die Versicherungsträger der amerikanischen Zone - zum Teil auf Anweisung ihrer Aufsichtsbehörden - die SVVereinfV in der damaligen Zeit nicht angewandt haben, für ihre Rechtsgültigkeit ohne Bedeutung. Dadurch hat sich insbesondere kein der Wirksamkeit der Verordnung entgegenstehendes Gewohnheitsrecht entwickeln können (vgl BSGE 3, 161, 171; ebenso Gissler, ZfS 1954, 97, 98; Weber, ZfS 1957, 115, 117; aA Klink, ZfS 1954, 130, 132). Die wenigen, ohnehin durch vielerlei widrige Umstände mit Unsicherheiten behafteten Nachkriegsjahre bis 1949 waren schwerlich geeignet, einer lediglich regionalen Verwaltungsübung ausreichendes gewohnheitsrechtsbildendes Gewicht zu geben, um verkündetes Reichsrecht zu brechen. Die Anerkennung einer "normativen Kraft des faktischen Verwaltungshandelns" würde zudem eine ernste Gefahr für den Rechtsstaat bedeuten.
Da die Lehrzeit des Klägers somit nach § 1226 Abs 1 Nr 1 RVO 1945 iVm § 165 Abs 1 und 2, § 165a Nr 2 RVO 1945 zu beurteilen ist, unterfiel sie damals bei Vorliegen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses unabhängig von einem etwaigen Entgeltbezug des Klägers der Rentenversicherungspflicht. Nach dem Wortlaut des § 1259 Abs 1 Satz 1 Nr 4 Buchst a RVO scheidet dann eine Ausfallzeit aus, weil es sich wegen der damals bestehenden Versicherungspflicht nicht um eine "nicht versicherungspflichtige oder versicherungsfreie Lehrzeit" gehandelt hat (vgl BSG SozR 3-1500 § 77 Nr 1, S 2). Nach Auffassung des erkennenden Senats ist auch eine erweiternde Auslegung, die ein für den Kläger günstigeres Ergebnis bringen könnte, weder rechtlich möglich noch geboten. Insbesondere kann nicht angenommen werden, daß auch solche Lehrzeiten dem § 1259 Abs 1 Satz 1 Nr 4 Buchst a RVO unterfallen, die nach damaliger unzutreffender Rechtspraxis zumindest in einem großen Teil Deutschlands als "nicht versicherungspflichtig oder versicherungsfrei" behandelt wurden, weil die Versicherungsträger entweder noch die inzwischen überholte (vgl BSGE 3, 30, 37 ff) "Meistersohn-Rechtsprechung" des Reichsversicherungsamtes (vgl RVA, AN 1937, 30) anwandten und folglich von einer familienhaften Mitarbeit ausgingen oder weil sie eine Geltung der SVVereinfV verneinten.
Grundsätzlich sind Ausfallzeiten nur die Zeiten, in denen die gesetzlich bezeichneten Tatbestandsmerkmale erfüllt sind; die unverschuldete Nichtentrichtung von Beiträgen zur Rentenversicherung reicht danach in keinem Falle aus (vgl BSG SozR 2200 § 1259 Nr 66, S 183; ähnlich auch Merz, Mitt der LVA Oberfranken und Mittelfranken 1983, 181, 198). Es ist dem Kläger allerdings einzuräumen, daß es sich hier um eine besondere historische Situation handelt und sich gewisse Anhaltspunkte für die von ihm vertretene erweiternde Auslegung des § 1259 Abs 1 Satz 1 Nr 4 Buchst a RVO in der Entwicklung der einschlägigen Regelungen und den dabei zu Tage getretenen Vorstellungen des Gesetzgebers finden lassen.
Der mit dem Gesetz zur Beseitigung von Härten in den gesetzlichen Rentenversicherungen und zur Änderung sozialrechtlicher Vorschriften (Rentenversicherungs-Änderungsgesetz [RVÄndG]) vom 9. Juni 1965 (BGBl I, 476) eingeführte Ausfallzeittatbestand der Lehrzeit (vgl Art 1 § 1 Nr 22 Buchst d RVÄndG) geht auf eine Initiative des Bundesrates zurück. Dieser bat zu prüfen, ob versicherungsfreie Lehrzeiten und sonstige Ausbildungszeiten nicht auch wie Schulzeiten angerechnet werden sollten. Er wies darauf hin, daß in vielen Fällen nach dem Recht, das vor März 1957 galt, für Lehrlingszeiten keine Versicherungspflicht bestanden habe (vgl BT-Drucks IV/2572, S 33 Nr 7 Buchst a). Nachdem der Bundestagsausschuß für Sozialpolitik vorgeschlagen hatte, auch Zeiten einer nach Vollendung des 16. Lebensjahres liegenden abgeschlossenen versicherungsfreien Lehrzeit in die Ausfallzeitenregelung einzubeziehen (vgl BT-Drucks IV/3233, S 13 Nr 13 Buchst b), erhielt die Vorschrift schließlich in der zweiten Beratung des Bundestages die Gesetz gewordene Fassung. Damit war eine Klarstellung bezweckt, "weil Lehrverhältnisse ohne Entgelt nicht versicherungspflichtig und solche ohne Barlohn, aber mit Kost und Logis, versicherungsfrei gewesen" seien (vgl BT-Drucks IV/3272, S 2; Abgeordneter Becker, Stenographischer Bericht über die 176. Sitzung des Bundestages vom 1. April 1965, S 8863D f).
Aus diesen Äußerungen im Zusammenhang mit der Gesetzesentstehung könnte sich ergeben, daß nach Meinung des Gesetzgebers erst die am 1. März 1957 in Kraft getretenen Gesetze zur Neuregelung der gesetzlichen Rentenversicherungen für die Versicherungspflicht der Lehrlinge eine wesentliche Änderung gebracht hätten. Soweit auf die nach altem Recht bestehende unterschiedliche Behandlung von Lehrlingen mit oder ohne Barlohn sowie mit oder ohne "Kost und Logis" abgestellt wurde, nahm man ersichtlich auf die Regelungen der RVO 1924 Bezug, ohne die Neufassung durch die SVVereinfV zu erwähnen. Im Hinblick auf die bereits 1956 ergangene Rechtsprechung des BSG (BSGE 3, 161) hätte es dagegen nahegelegen, das spätestens am 7. September 1949 erfolgte Inkrafttreten dieser Verordnung als entscheidendes Datum anzunehmen. Denn im Hinblick auf ein fehlendes Barentgelt nicht versicherungspflichtige oder versicherungsfreie Lehrlinge konnte es nur vor diesem Zeitpunkt geben.
Bereits der Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten hatte es als Ziel dieser Regelung bezeichnet, die Rechts- und Gesetzeseinheit auf dem Gebiet der Rentenversicherung wiederherzustellen. Dabei wurde insbesondere auf die unterschiedliche Anwendung des am Kriegsende erlassenen Rechts (SVVereinfV vom 17. März 1945) und den Erlaß von Länder- und Zonenregelungen hingewiesen (vgl BT-Drucks II/2437, S 61 f; ähnlich auch schriftlicher Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik, zu BT-Drucks II/3080, S 1). Durch die Neufassung des § 1227 RVO sollte die Verbindung, die zwischen der Versicherungspflicht in der Krankenversicherung und der in der Rentenversicherung durch die SVVereinfV in der ehemaligen britischen Besatzungszone bestehe, gelöst werden. Der dieser Verordnung zugrundeliegende Gedanke, daß die Versicherungspflicht in der Krankenversicherung und in der Rentenversicherung wegen des gemeinsamen Beitragseinzuges durch die Krankenversicherung völlig übereinstimmen müsse, habe sich nach den Erfahrungen in der bisherigen amerikanischen Zone, in der die Verordnung nicht zur Anwendung gekommen sei, nicht als unbedingt zwingend erwiesen. Die Erstrekung der Versicherungspflicht auf Lehrlinge, die während ihrer Ausbildung kein Entgelt erhielten, sei geboten mit Rücksicht auf die durch den Wegfall des Grundbetrages noch erhöhte Bedeutung der Versicherungsdauer für die Rentenhöhe (vgl BT-Drucks II/2437, S 63). Diese Gesetzesmaterialien lassen erkennen, daß die gesetzgebenden Körperschaften jedenfalls im Jahre 1953 noch nicht von einer bundesweiten Geltung der SVVereinfV ausgingen und mit dem Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetz (ArVNG) die Rentenversicherungspflicht einheitlich auch auf Lehrlinge ohne Entgelt erstrecken wollten.
Selbst wenn die Motive des Gesetzgebers demnach dafür sprechen könnten, daß als Ausfallzeit auch solche Lehrzeiten anerkannt werden sollten, die in der amerikanischen Zone zurückgelegt und wegen Entgeltfreiheit als nicht versicherungspflichtig behandelt wurden, läßt sich § 1259 Abs 1 Satz 1 Nr 4 Buchst a RVO auf diese Fälle nicht anwenden (aA Kasseler Komm/Niesel, § 252 SGB VI RdNr 12; § 1259 RVO RdNr 53; Bayerisches LSG, Urteil vom 31. März 1992 [L 5 Ar 65/89], Revision anhängig unter dem Az.: 5 RJ 40/92). Denn ein entsprechender Wille des Gesetzgebers hat in der fraglichen Regelung nicht hinreichend Ausdruck gefunden. Aus dem gleichen Grunde werden auch früher als versicherungsfreie "Meistersöhne" behandelte Lehrlinge von dieser Vorschrift nicht begünstigt. Das Tatbestandsmerkmal "nicht versicherungspflichtig oder versicherungsfrei" kann nur dann sachgerecht beurteilt werden, wenn man einheitlich die zutreffende Auffassung von dem im Zeitraum der Lehre geltenden Recht zugrundelegt. Daß allgemein auch frühere Verwaltungsfehler bei der Feststellung der Versicherungspflicht ausgeglichen werden sollten, ist nicht ersichtlich. Um Fälle wie den vorliegenden zu erfassen, hätte es einer differenzierten gesetzlichen Regelung bedurft.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Fassung des § 252 Abs 1 Nr 3 SGB VI, der Nachfolgevorschrift zu § 1259 Abs 1 Satz 1 Nr 4 Buchst a RVO. Danach sind Anrechnungszeiten auch Zeiten, in denen Versicherte nach dem vollendeten 16. Lebensjahr als Lehrling nicht versicherungspflichtig oder versicherungsgfrei waren und die Lehrzeit abgeschlossen haben, längstens bis zum 28. Februar 1957. Das Bayerische LSG (aaO) sieht darin, daß diese Vorschrift auf Zeiten "längstens bis zum 28. Februar 1957" abstellt, in bezug auf die vor diesem Zeitpunkt zurückgelegten Lehrzeiten eine sogen "authentische Interpretation" des Gesetzgebers iS der Rechtsansicht des Klägers. Dem kann nicht gefolgt werden. Dem Regierungsentwurf oder den sonstigen Materialien zum RRG 1992 ist keine entsprechende Absicht des Gesetzgebers zu entnehmen. Zur Begründung des Gesetzentwurfs wird lediglich ausgeführt, daß diese Vorschrift Anrechnungszeiten enthalte, die nach dem Inkrafttreten des Gesetzes nicht mehr anfallen könnten. Im übrigen entspreche sie dem geltenden Recht (vgl BT-Drucks 11/4124, S 200 zu § 247). Daß sich der Gesetzgeber durch die allgemeine Bezugnahme auf das "geltende Recht" gerade bei der Frage der Geltung der SVVereinfV in Gegensatz zur Rechtsprechung des BSG stellen wollte, wird daraus nicht ersichtlich. Zudem hat der Gesetzgeber offenbar übersehen, daß nach § 1259 Abs 1 Satz 1 Nr 4 Buchst a RVO Ausfallzeiten auch in der Zeit nach dem 28. Februar 1957 eintreten konnten. Gemäß § 1228 Abs 1 Nr 1 RVO idF des ArVNG, der erst durch Art 1 des Zweiten Rentenversicherungs-Änderungsgesetzes (2. RVÄndG) vom 23. Dezember 1966 (BGBl I, 745) mit Wirkung vom 1. Januar 1967 (Art 4 2. RVÄndG) gestrichen wurde, war nämlich versicherungsfrei, wer bei seinem Ehegatten in Beschäftigung stand. Dementsprechend konnte eine Lehrzeit beim Ehegatten noch bis zum 31. Dezember 1966 als Ausfallzeit anerkannt werden (vgl BSG SozR 2200 § 1259 Nr 110). Insofern stellt § 252 Abs 1 Nr 3 SGB VI sogar eine einschränkende Regelung dar (vgl auch Kasseler Komm/Niesel, § 252 SGB VI Nr 6).
Ebensowenig lassen sich - entgegen der Auffassung des Bayerischen LSG (aaO) -aus der Regelung des § 207 Abs 1 SGB VI für den Kläger günstige Schlüsse ziehen. Diese Bestimmung sieht vor, daß Versicherte für Zeiten eines Schul-, Fachschul- oder Hochschulbesuches nach dem vollendeten 16. Lebensjahr, die nicht als Anrechnungszeiten berücksichtigt werden, auf Antrag freiwillige Beiträge nachzahlen können, sofern diese Zeiten nicht bereits mit Beiträgen belegt sind. Abgesehen davon, daß sich diese Vorschrift auf die zeitliche Begrenzung der Anrechnungszeiten für Schul-, Fachschul- und Hochschulbesuch (vgl § 58 Abs 1 Nr 4 SGB VI) bezieht, handelt es sich um die nachträgliche Entrichtung von freiwilligen Beiträgen für Zeiten, in denen normalerweise keine Versicherungspflicht bestand. Demgegenüber geht es hier um eine versicherungspflichtige Lehrzeit, für die seinerzeit aufgrund einer unzutreffenden Rechtsansicht der Versicherungsträger keine Beiträge eingezogen wurden. Einer besonderen Nachzahlungsregelung bedurfte es in solchen Fällen nicht unbedingt, da ggf eine Zulassung der Beitragszahlung gem § 197 Abs 3 SGB VI (früher: § 1418 Abs 3 RVO) in Betracht kommt (vgl dazu BSGE 56, 266).
Auch der Sinn und Zweck des § 1259 Abs 1 Satz 1 Nr 4 Buchst a RVO spricht nicht für die vom Kläger erstrebte erweiternde Auslegung. Es sollte mit dieser Regelung offenbar eine gewisse Gleichbehandlung der nicht versicherungspflichtigen oder versicherungsfreien mit den versicherungspflichtigen Lehrzeiten erreicht werden (vgl BSGE 48, 100, 102 f). Während für letztere regelmäßig Pflichtbeiträge entrichtet wurden, die eine spätere Anrechnung als Beitragszeiten ermöglichten, sollten erstere ähnlich den Schulausbildungszeiten als Ausfallzeiten bei der Rentenberechnung Berücksichtigung finden. Eine Anerkennung von Ausfallzeiten für versicherungspflichtige Tatbestände, die rechtswidrig vom Beitragseinzug ausgenommen wurden, würde dagegen dem Wesen der Ausfallzeit widersprechen. Etwas anderes mag allenfalls dann gelten, wenn die Versicherungsfreiheit des Klägers seinerzeit vom zuständigen Versicherungsträger bescheidmäßig festgestellt worden wäre (so wohl Zweng/Scherer, Handbuch der Rentenversicherung, 2. Aufl, § 1259 Anm 7). Die Bindungswirkung eines derartigen Verwaltungsaktes wäre auch im Rahmen des § 1259 Abs 1 Satz 1 Nr 4 Buchst a RVO beachtlich. Vorliegend ist jedoch eine derartige Fallgestaltung nicht ersichtlich. Ein darüber hinausgehender Schutz von Vertrauen der Versicherten in die Rechtmäßigkeit früherer Verwaltungspraxis, wie er teilweise in der Literatur gefordert wird (vgl VerbKomm zur RVO, § 1259 Anm 19.2 [S 91 f]), ist dagegen abzulehnen, weil sich sonst auch eine unzutreffende Rechtsanwendung durch die Versicherungsträger gegen die Rechtsordnung durchsetzen könnte. Auf versicherungspflichtige Zeiten entfallende Beitragslücken können nach der Systematik des Gesetzes nur durch eine nachträgliche Beitragsentrichtung geschlossen werden.
Auch ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch kann im vorliegenden Fall nicht zur Berücksichtigung einer Ausfallzeit führen. Denn mit Hilfe dieses Rechtsinstituts soll nur der Zustand hergestellt werden, der bei rechtmäßigem Verwaltungshandeln bestehen würde (vgl zB BSGE 44, 114, 121).
Unter diesen Umständen ist hier auch in Ansehung des Falles des Klägers keine planwidrige Lücke des Gesetzes ersichtlich, die von dem erkennenden Senat durch Anerkennung einer Ausfallzeit zu schließen wäre. Jedenfalls kann die Rechtsprechung nicht verpflichtet sein, im Wege der Rechtsfortbildung systemwidrige Gesetzesergänzungen vorzunehmen.
Entgegen der Auffassung des Klägers begegnet § 1259 Abs 1 Satz 1 Nr 4 Buchst a RVO in dieser Auslegung keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Insbesondere liegt ein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG nicht vor. Diese Verfassungsnorm gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleichzubehandeln. Damit ist dem Gesetzgeber allerdings nicht jede Differenzierung verwehrt (vgl [auch zum folgenden] BVerfG, NJW 1992, 2213, 2214). Der Gleichheitsgrundsatz will vielmehr ausschließen, daß eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl BVerfGE 55, 72, 88). Die rechtliche Unterscheidung muß also in sachlichen Unterschieden eine ausreichende Stütze finden. Die Anwendung dieses Grundsatzes verlangt den Vergleich von Lebenssachverhalten, die einander nie in allen, sondern stets nur in einzelnen Merkmalen gleichen. Unter diesen Umständen ist es grundsätzlich Sache des Gesetzgebers zu entscheiden, welche von diesen Merkmalen er als maßgebend für seine Gleich-oder Ungleichbehandlung ansieht (vgl BVerfGE 83, 395, 401). Art 3 Abs 1 GG verbietet es ihm nur, dabei Art und Gewicht der tatsächlichen Unterschiede sachwidrig außer acht zu lassen. Innerhalb dieser Grenzen ist er in seiner Entscheidung frei. Allerdings kann sich eine weitergehende Einschränkung aus anderen Verfassungsnormen ergeben. So hat der Gesetzgeber insbesondere das Sozialstaatsgebot iS von Art 20 Abs 1 GG zu beachten.
Diesen Anforderungen genügt § 1259 Abs 1 Satz 1 Nr 4 Buchst a RVO, auch wenn dem Kläger danach keine Ausfallzeit zusteht. Die Ausfallzeitregelung des § 1259 RVO betrifft den Bereich der darreichenden Verwaltung, weil Zeiten ohne Beitragsleistung des Versicherten anerkannt werden und gemäß § 1258 RVO in die Rentenberechnung eingehen. Ihre an sich dem Versicherungsprinzip widersprechende Berücksichtigung ist in Ausprägung des Sozialstaatsgedankens eine Solidarleistung der Versichertengemeinschaft (vgl [auch zum folgenden] BSGE 55, 224, 229, mwN). Ausfallzeiten beruhen demnach überwiegend auf staatlicher Gewährung und sind Ausdruck besonderer Fürsorge. Damit steht dem Gesetzgeber bei der Bestimmung der Ausfalltatbestände sowie der Voraussetzungen und des Umfanges ihrer Anrechenbarkeit als Ausfallzeiten eine weitgehende Gestaltungsfreiheit zu.
Gemessen an diesen Kriterien ist es nicht ersichtlich, daß der Kläger im Vergleich zu anderen Normadressaten sachwidrig benachteiligt wird. Soweit er der Meinung ist, daß Meistersöhnen, die während ihrer Lehre im elterlichen Betrieb nicht abhängig beschäftigt gewesen sind, dafür eine Ausfallzeit anerkannt würde, übersieht er die Rechtsprechung des BSG, wonach § 1259 Abs 1 Satz 1 Nr 4 Buchst a RVO voraussetzt, daß die nicht versicherungspflichtige oder versicherungsfreie Lehrzeit in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zurückgelegt worden ist (vgl BSGE 52, 1). Eine unterschiedliche Behandlung des Klägers gegenüber den Versicherten, die ihre Lehre vor Inkrafttreten der SVVereinfV ohne Barbezüge absolviert haben, beruht auf der damals fehlenden Versicherungspflicht. Zwar mögen sich aus einem regional unterschiedlichen Inkrafttreten der SVVereinfV in der Zeit von 1945 bis 1949 für die Versicherten Unzuträglichkeiten ergeben haben, die verfassungsrechtlichen Bedenken begegnen könnten (vgl Bayerisches LSG, Urteil vom 31. März 1992, aaO). Daraus läßt sich jedoch keine Grundrechtsbeeinträchtigung des Klägers herleiten, da dessen Lehrzeit erst 1950 begann, als die SVVereinfV nach der Rechtsprechung des BSG im gesamten damaligen Bundesgebiet galt. Sofern der Kläger durch die damals herrschende unzutreffende Verwaltungspraxis der Versicherungsträger rentenversicherungsrechtliche Nachteile in Gestalt von Beitragslücken erlitten hat, kann darin zwar eine sachwidrige Ungleichbehandlung gegenüber den Lehrlingen gesehen werden, für die damals - zB in der ehemaligen britischen Zone - Beiträge eingezogen wurden. Ein solches Defizit kann jedoch sachgerecht durch eine Zulassung nachträglicher Beitragszahlungen gemäß § 197 Abs 3 SGB VI (früher: § 1418 Abs 3 RVO) ausgeglichen werden. Als Härteregelung ist diese Bestimmung in besonderem Maße einer verfassungskonformen Auslegung zugänglich (vgl BVerfGE 81, 156, 203 f). Eines Rückgriffs auf das Rechtsinstitut der Ausfallzeit bedarf es daher nicht. Er wäre im übrigen nicht nur aus Gründen der Systematik des Rentenversicherungsrechts problematisch. Es erschiene nicht gerechtfertigt, den Kläger durch die uU günstigere Anrechnung einer Ausfallzeit gegenüber denjenigen Versicherten zu begünstigen, für deren versicherungspflichtige Lehrzeit Beiträge entrichtet worden sind (vgl allgemein BSGE 19, 239, 241).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.BUNDESSOZIALGERICHT
Fundstellen