Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 15. Dezember 1994 aufgehoben. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 26. Mai 1994 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungs- und Revisionsverfahren keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand
I
Der Kläger gewährt dem im Juni 1955 geborenen Sohn Jürgen des Beigeladenen, der geistig behindert ist, Eingliederungshilfe nach den §§ 39 ff Bundessozialhilfegesetz (BSHG) durch Heimunterbringung und Beschäftigung in der dortigen Werkstatt für Behinderte. Das Kindergeld (Kg) für Jürgen überweist die Beklagte im Wege der Abzweigung an den Kläger. Bezüglich des Kindergeldzuschlags (KGZ) tat sie dies nur bis zum Ende des Jahres 1992. Für das Jahr 1993 verweigerte sie gegenüber dem Beigeladenen sowie dem Kläger die Zahlung, da der Beigeladene seinen Sohn nicht überwiegend unterhalte (Bescheid vom 29. Dezember 1993; Widerspruchsbescheid vom 11. März 1994).
Das Sozialgericht (SG) Koblenz hat mit Urteil vom 26. Mai 1994 die Klage abgewiesen. Es schloß sich der Auffassung der Beklagten an, der steuerliche Kinderfreibetrag sei ebenso wie der KGZ dann nicht gerechtfertigt, wenn der Unterhalt des Kindes durch Leistungen der Sozialhilfe sichergestellt sei. Daran ändere auch die Abführung des KG nichts, denn der Beigeladene erbringe für seinen Sohn keine wesentlichen Unterhaltsleistungen.
Das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz hat das Urteil des SG sowie die Bescheide der Beklagten aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Beigeladenen den KGZ für das Jahr 1993 für Jürgen zu gewähren: Der KGZ sei ebenso wie das Kg, zu dessen Erhöhung es diene, als Sozialleistung nicht im Steuerrecht, sondern im Sozialrecht angesiedelt. Die steuerrechtlichen Tatbestandsmerkmale des § 11a Bundeskindergeldgesetz (BKGG) seien von der Kindergeldkasse ohne Bindung an Bescheide oder die Richtlinien der Finanzverwaltung selbständig unter Berücksichtigung der Besonderheiten des sozialen Kindergeldrechts zu prüfen. Da nach § 2 Abs 2 Nr 3 BKGG die Heimunterbringung auf Kosten des Sozialhilfeträgers der Gewährung von Kg nicht entgegenstehe, könne die entsprechende Regelung für den KGZ (§ 11a iVm § 32 Abs 5 und 6 Einkommensteuergesetz ≪EStG≫) nicht anders ausgelegt werden. Das soziale Anliegen des Gesetzgebers sei für die eine wie die andere Leistung das gleiche. Es könne nicht gesagt werden, mit der Eingliederungshilfe sei das Bedürfnis für den KGZ entfallen. Denn Sozialhilfe werde erst gewährt, wenn das Kind über kein Einkommen oder Vermögen verfüge und die Kostenbeteiligung der Eltern unzumutbar sei. Zudem beschränkten sich die Leistungen nach dem BSHG auf den notwendigen Mindestbedarf. Auch die Einkommensteuerrichtlinien (EStR) enthielten keine Aussage zur Frage der Anrechenbarkeit von Sozialhilfeleistungen.
Mit der Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 11a BKGG. Zu Unrecht bejahe das LSG den Anspruch auf KGZ, obwohl dem Beigeladenen für seinen Sohn Jürgen nach dem anzuwendenden Steuerrecht kein Kinderfreibetrag und damit auch nicht der daran anknüpfende KGZ zustehe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 15. Dezember 1994 aufzuheben und die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Der Beigeladene ist nicht durch einen Prozeßbevollmächtigten vertreten (§ 166 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫).
Die Beteiligten haben übereinstimmend ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).
Entscheidungsgründe
II
Die Revision ist begründet.
Die Beklagte verweigert zu Recht die Zahlung von KGZ. Dem Beigeladenen steht für seinen volljährigen Sohn kein entweder nicht oder nur teilweise ausgenutzter steuerlicher Kinderfreibetrag nach dem allein maßgeblichen Steuerrecht zu. Insbesondere ist sein Sohn iS des Steuerrechts wegen der gewährten Eingliederungshilfe nach dem BSHG nicht „wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande, sich selbst zu unterhalten”. Damit entfällt der Rechtsgrund für den ersatzweise gewährten KGZ.
Gemäß § 11a Abs 1 Satz 1 BKGG vom 14. April 1964 (BGBl I 265) idF der Bekanntmachung vom 30. Januar 1990 (BGBl I 149), der durch Art 1 Nr 4 des 11. BKGG-ÄndG vom 27. Juni 1985 (BGBl I 1251) mit Wirkung vom 1. Januar 1986 eingeführt wurde, erhöht sich das Kg für die Kinder des Berechtigten, für die ihm der Kinderfreibetrag nach § 32 Abs 6 EStG (hier idF der Bekanntmachung vom 7. September 1990 ≪BGBl I 1898, ber BGBl 1991 I 808≫) zusteht, ersatzweise um den in Abs 6 dieser Vorschrift bemessenen Zuschlag, wenn das zu versteuernde Einkommen (§ 2 Abs 5 EStG) des Berechtigten geringer ist als der Grundfreibetrag nach § 32a Abs 1 Nr 1 EStG.
Dem Beigeladenen steht unstreitig ein Anspruch auf Kg gemäß § 1 BKGG zu, insbesondere wird nach den Feststellungen des LSG das behinderte Kind gemäß § 2 Abs 2 Satz 1 Nr 3 BKGG bei der Kg-Gewährung berücksichtigt, weil es als Voraussetzung für den Anspruch auf Kg wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Ebenso ist unstreitig durch das LSG festgestellt worden, daß das zu versteuernde Einkommen des Beigeladenen geringer ist als der Grundfreibetrag nach § 32a Abs 1 Nr 1 EStG.
Dagegen sind nach § 11a Abs 1 BKGG iVm § 32 Abs 6 Satz 1 EStG die Voraussetzungen für die Gewährung des Kinderfreibetrages nicht gegeben.
Es handelt sich bei der Verweisung auf das EStG um eine Rechtsgrundverweisung, durch die prinzipiell alle einkommensteuerrechtlichen Regelungen, welche die Voraussetzungen für die Gewährung eines Kinderfreibetrages schaffen bzw konkretisieren, anzuwenden sind. Der Gesetzgeber hat den Familienlastenausgleich in Form eines dualen Systems gestaltet (BT-Drucks 9/1240 S 66). Einerseits soll durch eine allgemeine Sozialleistung die wirtschaftliche Belastung teilweise ausgeglichen werden, die Eltern durch die Sorge für ihre Kinder entsteht. Andererseits ist der steuerliche Kinderfreibetrag dazu bestimmt, im Steuerrecht zu berücksichtigen, daß die Leistungsfähigkeit von Steuerpflichtigen durch den Unterhalt ihrer Kinder gemindert wird. In der Zeit von 1974 bis einschließlich 1982 galt ein einheitlicher Familienlastenausgleich, bei dem das Kg wegen der Abschaffung der Kinderfreibeträge durch das Einkommensteuerreformgesetz 1974 zusätzlich die steuerliche Entlastungsfunktion der Kinderfreibeträge übernehmen mußte. Diese den Familienlastenausgleich bezweckende steuerliche Entlastungsfunktion (BVerfGE 82, 60, 78 f) hat das Kg nach Wiedereinführung des Kinderfreibetrages durch das Haushaltsbegleitgesetz 1983 teilweise, dh neben seiner Funktion als allgemeine Sozialleistung, auch in der Folgezeit behalten. Zusammen mit dem Kinderfreibetrag trägt es zugleich wie dieser dazu bei, daß dem Steuerpflichtigen wirtschaftlich das steuerlich zu verschonende Existenzminimum (s BVerfGE 87, 153, 169 f) verbleibt. Mit dem KGZ als rechtlich selbständigen Teil des Kg (s die Urteile des Senats vom 18. Juli 1989, SozR 5870 § 27 Nr 3 S 7 und vom 30. Januar 1996 – 10 RKg 13/95 – unveröffentlicht) hat das Kg in den Ausnahmefällen, in denen es wegen geringen Einkommens ganz oder teilweise unmöglich ist, den zustehenden Kinderfreibetrag auszuschöpfen, auch diejenige Seite des Familienlastenausgleichs übernommen, die regelmäßig über die steuerliche Entlastungsfunktion des Kinderfreibetrages die Minderung der Leistungsfähigkeit der Eltern durch den Unterhalt ihrer Kinder teilweise ausgleichen soll. Durch den KGZ ist somit nicht die Funktion des Kg als allgemeine Sozialleistung, sondern seine auf das Einkommensteuerrecht bezogene Entlastungsfunktion im dualen System des Familienlastenausgleichs ergänzt worden. Als Ersatz für den nicht oder nicht voll ausgeschöpften steuerlichen Kinderfreibetrag ist der KGZ insoweit, dh zur Berechnung des Kinderfreibetrages, allein von der Regelung des Steuerrechts abhängig. Maßgeblich sind vor allem § 32 Abs 4 Satz 1 Nr 7 und Abs 5 EStG. Sie bestimmen, daß Kinder nach Vollendung des 18. Lebensjahres beim steuerlichen Kinderfreibetrag nur dann zu berücksichtigen sind, wenn sie wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande sind, sich selbst zu unterhalten.
Der in den oa steuerrechtlichen Vorschriften verwendete Begriff „außerstande sein, sich selbst zu unterhalten” ist als Voraussetzung für den Anspruch auf KGZ nach steuerrechtlichen und nicht nach kindergeldrechtlichen Kriterien auszulegen. Die von den Sozialhilfebehörden nach den §§ 39 Abs 1 Satz 1, 40 Abs 1 Nr 1 BSHG idF der Bekanntmachung vom 23. März 1994 (BGBl I 646, ber 2975) gewährte Eingliederungshilfe führt zum Wegfall des Anspruchs auf KGZ, wenn dadurch der (existentiell) notwendige Unterhaltsbedarf des Kindes gedeckt ist und seine Eltern vom Träger der Sozialhilfe nicht regreßpflichtig gemacht werden.
Das Kindergeldrecht verwendet in § 2 Abs 2 Satz 1 Nr 3 BKGG ebenfalls den Begriff „außerstande sein, sich selbst zu unterhalten”. Der kindergeldrechtlichen und der steuerlichen Regelung ist gemeinsam, daß sie demjenigen, der unterhaltsrechtlich für ein behindertes Kind einzustehen hat, einen finanziellen Ausgleich der dadurch bedingten Belastung einerseits direkt durch den Kg-Bezug und andererseits indirekt durch Steuerfreistellung des eigenen Einkommens gewährt. Danach könnte bei oberflächlicher Betrachtung eine einheitliche Auslegung in Frage kommen. Die wesensverschiedenen Anspruchsvoraussetzungen für Kg (§§ 1 ff BKGG) und KGZ (§ 11a Abs 1 BKGG) gebieten jedoch eine unterschiedliche Interpretation.
Das Bundessozialgericht ≪BSG≫ (Urteil des Senats vom 14. August 1984, BSGE 57, 108, 112 f = SozR 5870 § 2 Nr 35 S 116, 120) hat den Begriff des Außerstandeseins, sich selbst zu unterhalten, als Voraussetzung für die Gewährung von Kg iS des § 2 Abs 2 Satz 1 Nr 3 BKGG entsprechend dem Begriff der Erwerbsunfähigkeit iS des § 1247 Abs 2 Satz 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) ausgefüllt, da Ziel beider Normen gleichermaßen sei, die jeweilige Sozialleistung demjenigen oder für denjenigen zu gewähren, der selbst nicht in der Lage sei, durch Arbeit das Existenzminimum zu verdienen. Maßgeblich sei demnach ausschließlich, ob der Behinderte fähig sei, sich selbst durch eine Erwerbstätigkeit zu unterhalten. Auf Zuwendungen Dritter, zB des Trägers der Sozialhilfe, komme es im Zusammenhang mit der Kg-Gewährung nicht an.
Im Einkommensteuerrecht, auf das § 11a Abs 1 BKGG über § 32 Abs 6 EStG Bezug nimmt, ist der sozialrechtliche Begriff der Erwerbsunfähigkeit unzureichend. Steuerrechtlich ist ein behindertes Kind, auch wenn es kein oder nur ein geringes Erwerbseinkommen erzielen kann, in der Lage, sich selbst zu unterhalten, wenn es über andere, nicht aus eigener Erwerbstätigkeit erworbene Einkünfte oder Bezüge verfügt. Dazu zählen auch Unterhaltsbeiträge des Sozialamts, soweit dieses von einer Rückforderung beim dem Hilfeempfänger unterhaltsverpflichteten Steuerpflichtigen absieht. Diese Grundsätze gehen zurück auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), erstmalig entwickelt in der Entscheidung vom 2. August 1974 (Az VI R 148/71, BFHE 114, 37 = BStBl 1975, S 139 f). Der BFH versteht unter dem Begriff „Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts bestimmt oder geeignet sind” (§ 33a Abs 1 Satz 3 EStG) alle Einnahmen, die nicht im Rahmen der einkommensteuerlichen Einkunftsermittlung erfaßt wurden, also nicht steuerbare und im einzelnen für steuerfrei erklärte Einnahmen. Unterhaltsbeiträge des Sozialamts seien nach § 3 Nr 11 EStG einkommen- und lohnsteuerfrei und im Rahmen des § 33a Abs 1 Satz 3 EStG als „steuerfreie Bezüge” zu berücksichtigen, da sie zur Bestreitung des Unterhalts bestimmt und geeignet seien. Leistungen des Sozialamts könnten dann nicht als Leistungen des Steuerpflichtigen angesehen werden, wenn das Sozialamt von einer Nachforderung abgesehen habe. Denn in diesem Falle zahle das Sozialamt nicht wirtschaftlich für den Steuerpflichtigen, sondern rechtlich und wirtschaftlich aufgrund eigener Verpflichtung. Der Steuerpflichtige sei wirtschaftlich nicht anders gestellt, als wenn statt des Sozialamts ein sonstiger Dritter, zB ein naher Angehöriger, zum Unterhalt beigetragen hätte. Diese bis heute aufrechterhaltene Rechtsprechung des BFH (vgl Urteile vom 22. Juli 1988, Az III R 253/83, BFHE 154, 111, 115 = BStBl 1988 II S 830 f und Az III R 175/86, BFHE 154, 115, 120 = BStBl 1988 II S 939 f) ist dahingehend zusammenzufassen, daß iS des § 33a Abs 1 Satz 3 EStG unter den Begriff „Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts bestimmt oder geeignet sind” nur solche Bezüge nicht fallen, die dem Unterhaltsempfänger von einem Dritten zweckgebunden für die Abdeckung eines nach Art und Höhe über das Übliche hinausgehenden besonderen und außergewöhnlichen Lebensbedarfs zufließen.
Dazu zählen exemplarisch die im Rahmen der Sozialhilfe geleisteten Beträge für Krankenhilfe (§ 37 BSHG), häusliche Pflege (§ 69 Abs 2 BSHG) und Mehrbedarf (§ 23 Abs 1 Nr 1 BSHG; BFHE 154, 111, 114 f) sowie die sog Telefonhilfe im Rahmen der Altenhilfe (§ 75 Abs 2 Nr 3 BSHG). Für den – mit dem vorliegenden vergleichbaren – Fall, daß dem behinderten Kind mit der Hilfe zum Lebensunterhalt nach den §§ 11 ff BSHG und der Eingliederungshilfe für Behinderte gemäß § 27 Abs 1 Nr 6 und Abs 3 Satz 1 iVm den §§ 39, 40, 41 BSHG die Unterbringungs- und Verpflegungskosten sowie zusätzliche Barbeträge (Taschengeld) gewährt werden und damit sein notwendiger Lebensbedarf grundsätzlich abgedeckt ist, hat der BFH im Urteil vom 14. Juni 1996 (Az III R 13/94, BFHE 181, 128) die bereits entwickelten Grundsätze nochmals bekräftigt. Er hat ausgeführt, daß es im Zusammenhang mit der Gewährung des Kinderfreibetrages nicht auf den angemessenen, sondern nur auf den existentiell notwendigen Grundbedarf ankomme. Dieser sei mit dem Leistungskatalog des BSHG deckungsgleich. Zur Absicherung des existentiell notwendigen Grundbedarfs diene auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (≪BVerfG≫, vgl BVerfGE 82, 60) der steuerliche Kinderfreibetrag. Die Inanspruchnahme der Eltern durch den Sozialhilfeträger sei in der Regel ausgeschlossen. Bei typisierender Betrachtung benötigten diese Eltern keine zusätzliche steuerliche Entlastung; im Gegenteil, würde ihnen der Steuerfreibetrag gewährt, läge hierin eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung gegenüber denjenigen Eltern, die tatsächlich Unterhalt zahlten. Nach diesen Maßgaben sind wegen ihrer Sachnähe zu § 33a Abs 1 Satz 3 EStG auch die vom Bundesfinanzministerium erlassenen EStR hinsichtlich der Voraussetzungen für die Gewährung des Kinderfreibetrages bei behinderten Kíndern gemäß § 32 Abs 6 Satz 1 iVm Abs 4 Satz 1 Nr 7 und Abs 5 EStG ausgestaltet. Nach Abschnitt 180d EStR 1990 sind bei der Prüfung, ob der unterhaltsberechtigte Behinderte wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, die Gesamtumstände des Einzelfalls maßgeblich. Dabei kommt es nach dem Wortlaut der Richtlinien nicht nur auf die Unfähigkeit des Kindes, durch eigene Erwerbstätigkeit seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, sondern auch darauf an, ob dem Kind hierfür andere Bezüge zur Verfügung stehen (s Nissen in Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, Stand Oktober 1996, § 32 Rz 90; Ross in Dankmeyer/Giloy, Einkommensteuer, Stand Juni 1996, § 32 EStG RdNr 62). Nach Abschnitt 190 EStR 1990, auf welchen in Abschnitt 180d EStR 1990 verwiesen wird, sind anrechenbar nur solche Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts bestimmt oder geeignet sind. Dazu gehören Unterhaltsbeträge des Sozialamtes, soweit dieses von einer Rückforderung bei gesetzlich unterhaltsverpflichteten Steuerpflichtigen abgesehen hat (Abschnitt 190 Abs 6 Nr 2d EStR 1990).
Soweit der Anspruch auf KGZ einen Kinderfreibetrag nach § 32 Abs 6 EStG voraussetzt, schließt sich der Senat dieser steuerrechtlichen Auslegung des Begriffs „außerstande sein, sich selbst zu unterhalten” in § 32 Abs 5 EStG an.
Damit stimmt überein, daß grundsätzlich eine Bindung der Kindergeldkasse und der Sozialgerichte an die von der Finanzverwaltung bzw den Finanzgerichten festgestellten Steuertatbestände besteht (Urteil des Senats vom 21. Februar 1995, SozR 3-5870 § 11a Nr 7 S 31 f). Sobald steuerrechtliche Beurteilungen und steuerliche Spezialkenntnisse erforderlich sind, kann aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität für die endgültige Entscheidung über die Gewährung des KGZ nicht von der Durchführung der Einkommensveranlagung durch die Finanzverwaltung abgesehen werden. Ausnahmen sind dort notwendig, wo die für die Feststellung der Leistung notwendigen steuerrelevanten Ermittlungen durch die Kindergeldkasse möglich und erforderlich sind, zB wenn das zu versteuernde (Gesamt-)Einkommen nachweisbar geringer ist als der Grundfreibetrag und eine Einkommensteuerveranlagung oder ein Lohnsteuerjahresausgleich, gleich aus welchen Gründen, unterblieben sind (Urteil des Senats vom 14. Februar 1991, SozR 3-5870 § 11a Nr 2). Da im vorliegenden Falle schon mangels eines zu versteuernden Einkommens der Eltern keine Steuerfestsetzung nach der Abgabenordnung (AO) – und damit keine die Kindergeldkasse bindende Entscheidung über die Anrechnung steuerlicher Kinderfreibeträge – erfolgt ist, hatte die Kindergeldkasse selbst über die steuerlichen Voraussetzungen des KGZ zu entscheiden. Dabei hat sie jedoch die sich aus dem Steuerrecht ergebende Rechtslage zu berücksichtigen. Das ergibt sich schon aus der Begründung zum Regierungsentwurf des § 11a BKGG vom 21. Februar 1985 (BT-Drucks 10/2886, S 6 zu Art 3). Dort heißt es ua: „Es entspricht der sozialen Gerechtigkeit, anläßlich der zum 1. Januar 1986 vorgesehenen Erhöhung des Kinderfreibetrages des Einkommensteuergesetzes auf 2.484,00 DM den Eltern, denen für ihre Kinder Kindergeld und Kinderfreibetrag zusteht, die aber mangels hinreichenden Einkommens den Kinderfreibetrag nicht oder nicht voll nutzen können, einen Ersatz in Form eines Zuschlages zum Kindergeld zu zahlen. …”
Die von der Revision sowie in dem Urteil des LSG angeführten Argumente für die „kindergeldrechtliche” Auslegung des Begriffs „außerstande sein, sich selbst zu unterhalten” iS des § 2 Satz 1 Nr 3 BKGG können demgegenüber nicht überzeugen.
Der Senat vermag nicht der Auffassung folgen, § 32 Abs 4 Nr 7 und Abs 5 EStG sei entsprechend § 2 Abs 2 Satz 1 Nr 3 BKGG auszulegen, weil sonst das Nachrangprinzip der Sozialhilfe unterlaufen werde.
Dem Träger der Sozialhilfe, der volljährigen Kindern Hilfe zur Eingliederung gewährt hat, ist es nämlich in der Regel untersagt, den Anspruch der Eltern auf KGZ, selbst wenn er bestünde, auf sich überzuleiten bzw abzuzweigen. Nach § 28 Halbs 2 BSHG idF vom 10. Januar 1991 (BGBl I 93, 808) = § 28 Abs 1 Satz 1 Halbs 2 BSHG idF des Gesetzes vom 23. Juli 1996 (BGBl I 1088) kann von den Eltern des Behinderten nur dann ein sozialhilferechtlicher Kostenbeitrag nach dem Abschnitt 4 des BSHG verlangt werden, wenn der Behinderte minderjährig und unverheiratet ist. Bei volljährigen behinderten Kindern, wie dem Sohn des Beigeladenen, liegt eine Einsatz- oder Bedarfsgemeinschaft iS des § 28 BSHG nicht vor (s Lehr- und Praxiskommentar BSHG, 3. Aufl 1993, § 28 RdNr 2). Deshalb scheidet die sozialhilferechtliche Inanspruchnahme der unterhaltsverpflichteten Eltern gemäß § 43 Abs 1 Satz 1, §§ 76 ff, § 85 Satz 1 Nr 1 BSHG aus.
Unterhaltsrechtlich kann der Sozialhilfeträger die Eltern ebenfalls nicht in Anspruch nehmen. Nach § 91 Abs 3 Satz 1 BSHG idF des Dritten Änderungsgesetzes zum BSHG vom 25. März 1974 (BGBl I 777 ≪aF≫) soll der Träger von einer Inanspruchnahme unterhaltspflichtiger Eltern (mittels Überleitung des Unterhaltsanspruches des behinderten Kindes gegen seine Eltern) absehen, wenn dies eine Härte bedeuten würde. Der Sozialhilfeträger soll vor allem von der Inanspruchnahme unterhaltspflichtiger Eltern absehen, soweit einem Behinderten oder einem Pflegebedürftigen nach Vollendung des 21. Lebensjahres Eingliederungshilfe für Behinderte oder Hilfe zur Pflege gewährt wird (§ 91 Abs 3 Satz 1 Halbs 2 BSHG). Eine unterhaltsrechtliche Inanspruchnahme durch den Sozialhilfeträger kommt deshalb nur bei atypischen Ausnahmefällen in Betracht, in denen – ausgerichtet an dem Interesse der Allgemeinheit an einem gerechtfertigten Einsatz öffentlicher Mittel – die Nichtinanspruchnahme der unterhaltspflichtigen Eltern unangemessen und mit dem Anliegen des Sozialhilferechts unvereinbar wäre, zB bei sehr guten wirtschaftlichen Verhältnissen (BVerwGE 56, 220, 224; 92, 330, 333 f). Hier sind solche Umstände vom LSG nicht festgestellt worden. Lägen sie vor, bestünde ggf ein Anspruch auf den KGZ, auf den der Sozialhilfeträger zurückgreifen könnte. In der Regel scheidet aber bei Eingliederungshilfe für erwachsene behinderte Kinder die unterhaltsrechtliche Inanspruchnahme der Eltern auf der Grundlage übergeleiteter bzw übergegangener Unterhaltsansprüche durch den Sozialhilfeträger nach § 91 Abs 3 BSHG aF oder (ab 27. Juni 1993) nach § 91 Abs 2 BSHG idF durch Art 7 Nr 19 des Gesetzes zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms vom 23. Juni 1993 (BGBl I 944, 952, 991) aus. Die angestrebte Abzweigung des KGZ nach § 48 Abs 2 SGB I wäre deshalb in der Regel unzulässig. Wenn aber der Sozialhilfeträger nicht auf das Einkommen der Eltern behinderter volljähriger Kinder, wozu auch der KGZ gehören würde, zurückgreifen kann, dann ist das Prinzip des Nachrangs von Sozialhilfeleistungen (§ 2 BSHG) praktisch ohne Bedeutung. Im Gegenteil: Der Gesetzgeber hat mit der Koppelung des Anspruchs auf den KGZ an das Steuerrecht in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise bereits das Entstehen des Anspruchs verhindert und damit bewußt darauf verzichtet, den KGZ im vorliegenden Falle eventuell vorrangig vor der Sozialhilfe zu gewähren.
Deshalb gibt es keinen Raum mehr für eine entgegengesetzte Auslegung der Vorschriften über den KGZ, um in jedem Falle nach Maßgabe des Prinzips des Nachrangs von Sozialhilfeleistungen eine Entlastung der Sozialhilfeträger herbeizuführen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen