Beteiligte
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 23. Oktober 1997 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Gründe
I
Der Kläger begehrt von der Beklagten ab 9. Mai 1994 Leistungen wegen Arbeitslosigkeit im Anschluß an einen in Italien abgeleisteten Wehrdienst.
Der im Juni 1974 geborene Kläger ist italienischer Staatsangehöriger. Er arbeitete seit 1990 mit Unterbrechungen im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland als Hilfsarbeiter im Baugewerbe. Am 20. Januar 1993 meldete er sich bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Zahlung von Arbeitslosengeld (Alg). Die Beklagte bewilligte dem Kläger Alg aufgrund eines Restanspruchs bis zum 2. Februar 1993. Ab 3. Februar 1993 bezog der Kläger Arbeitslosenhilfe ≪Alhi≫ (Bewilligungsbescheid der Beklagten vom 29. März 1993). Am 30. März 1993 erschien der Kläger nicht zu einem Meldetermin. Die Beklagte stellte daraufhin ab 31. März 1993 die Zahlung von Alhi ein.
Vom 21. April 1993 bis 14. April 1994 leistete der Kläger in Italien Wehrdienst. Am 9. Mai 1994 meldete er sich unter Vorlage einer italienischen Wehrdienstbescheinigung bei der Beklagten erneut arbeitslos und beantragte die Zahlung von Alhi. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 30. Mai 1994 (Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 1994) die Bewilligung von Alhi ab, weil seit dem letzten Tag des Bezugs von Alhi mehr als ein Jahr vergangen und der frühere Anspruch mithin erloschen sei. Ein neuer Anspruch sei nicht entstanden, weil ein in Italien abgeleisteter Wehrdienst keinen Anspruch auf Alhi begründen könne.
Hiergegen hat der Kläger am 6. Juli 1994 Klage zum Sozialgericht (SG) erhoben. Der Kläger meldete sich während des Klageverfahrens am 18. April 1995 erneut bei der Beklagten arbeitslos, nachdem er sich zuvor vom 29. März 1995 bis 17. April 1995 in Italien aufgehalten hatte. Die Beklagte lehnte auch die Bewilligung von Alhi ab 18. April 1995 ab (Bescheid vom 26. April 1995; Widerspruchsbescheid vom 12. März 1996).
Das SG hat durch Urteil vom 29. Februar 1996 die Klage abgewiesen, das Landessozialgericht (LSG) die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 23. Oktober 1997). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, der frühere Anspruch des Klägers auf Alhi sei gemäß §135 Abs 1 Nr 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) erloschen gewesen. Ein neuer Anspruch auf Alhi nach §134 Abs 1 Satz 1 Nr 4b iVm §107 Satz 1 Nr 1 AFG bzw §134 Abs 2 Nr 2 AFG könne nur dann entstanden sein, wenn der Kläger durch den in Italien abgeleisteten Wehrdienst einen neuen Anspruch erworben hätte. Nach dem Regelungszusammenhang des AFG seien jedoch nur Zeiten eines nach deutschen Vorschriften abgeleisteten Wehrdienstes anwartschaftsbegründend. Auch das Recht der Europäischen Gemeinschaft (EG) gebiete es nicht, die in §§107 Abs 1 Nr 1 oder 134 Abs 2 Nr 2 AFG getroffenen Regelungen auf den Wehrdienst in den Streitkräften anderer Mitgliedstaaten auszudehnen. Es könne auch dahinstehen, ob der Wehrdienst des Klägers nach italienischem Recht eine Beschäftigungs- oder Versicherungszeit iS des Art 67 Abs 1 und Abs 2 der Verordnung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWGV) 1408/71 dargestellt habe, da jedenfalls die Voraussetzungen des Art 67 Abs 3 EWGV 1408/71 nicht vorgelegen hätten. Im Anschluß an den Wehrdienst in Italien habe der Kläger keine Beschäftigungszeiten nach deutschem Recht zurückgelegt. Er sei auch kein unechter Grenzgänger iS des Art 71 Abs 1 Buchst b Ziff ii EWGV 1408/71, weil er nicht unter den Beschluß Nr 94 der Verwaltungskommission der EG für die soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer vom 24. Januar 1974 falle.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des §134 Abs 1 Satz 1 Nr 4 Buchst b iVm §107 Abs 1 Nr 1 AFG und des §134 Abs 2 Nr 2 AFG. Diese Vorschriften dürften nicht so ausgelegt werden, daß nur der deutsche Wehrdienst anwartschaftsbegründend sei. Vielmehr folge aus Art 6, 48 und 51 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGVtr) und Art 7 EWGV 1612/68, daß der nach italienischen Vorschriften abgeleistete Wehrdienst dem nach dem deutschen Wehrpflichtgesetz (WPflG) abgeleisteten Wehrdienst gleichgestellt werden müsse.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 23. Oktober 1997 sowie das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 29. Februar 1996 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 30. Mai 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Juni 1994 zu verurteilen, ihm ab 9. Mai 1994 Arbeitslosenhilfe zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie beruft sich auf den Inhalt des angefochtenen Urteils.
II
Die Revision des Klägers ist iS der Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫). Der Senat kann nicht abschließend entscheiden, ob dem Kläger ab dem 9. Mai 1994 Leistungen wegen Arbeitslosigkeit zustehen. Hierzu bedarf es ggf einer Vorlage an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) gemäß Art 177 EGVtr, die aber ohne weitere Feststellungen des LSG untunlich ist.
Dabei geht der Senat davon aus, daß der Kläger nicht nur Alhi, sondern in erster Linie Alg beansprucht und nur hilfsweise einen Anspruch auf Alhi geltend macht. Der Kläger hat zwar ausdrücklich nur Alhi beantragt. Jedoch ist nach dem Meistbegünstigungsprinzip (hierzu zuletzt der Senat in seinem Urteil vom 10. März 1994, BSG SozR 3-4100 §104 Nr 11 S 47 mwN) davon auszugehen, daß er auch Alg als die günstigere Leistung beansprucht, zumal keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß nur die ausdrücklich bezeichnete Leistung beantragt wurde. Insoweit ist zugleich davon auszugehen, daß die bisher ergangenen Entscheidungen auch über den Anspruch auf Alg mitentschieden haben (vgl hierzu BSG, aaO, S 48). Wie aus den vom LSG in Bezug genommenen Verwaltungsakten der Beklagten ersehen werden kann, wurde dem Kläger ab 20. Januar 1993 Alg aufgrund eines ihm bereits im Jahre 1992 für 156 Tage bewilligten Alg-Anspruchs für die restliche Anspruchsdauer wiederbewilligt (1. Bewilligungsbescheid der Beklagten vom 10. Februar 1992). In der Zeit zwischen der ersten Arbeitslosmeldung des Klägers am 10. Januar 1992 und der erneuten Meldung am 20. Januar 1993 hat der Kläger jedoch ausweislich der Verwaltungsakten mehrere Beschäftigungen ausgeübt, die aber keinen neuen Anspruch auf Alg ab 20. Januar 1993 begründet haben und daher auch keinen neuen Anspruch auf Alg ab 9. April 1994 begründet haben können. Diese Beschäftigungszeiten des Klägers aus dem Jahre 1992 könnten allerdings zusammen mit der in Italien abgeleisteten Wehrdienstzeit zur Erfüllung der Anwartschaftszeit iS des §104 AFG (in der hier maßgeblichen Fassung, die die Vorschrift durch das Erste Gesetz zur Änderung des Jugendarbeitsschutzgesetzes vom 15. Oktober 1984 - BGBl I 1277 - erhalten hat) dienen. Innerhalb einer nach §104 Abs 2 und Abs 3 AFG zu errechnenden Rahmenfrist vom 10. Januar 1992 bis 8. Mai 1994 hat der Kläger 359 Kalendertage Wehrdienst in Italien geleistet, so daß unter Hinzurechnung nur eines Tages Beitragszeit in Deutschland die Anwartschaftszeit für einen Anspruch auf Alg erfüllt sein könnte. Insoweit fehlen aber Feststellungen des LSG zu den vor dem Wehrdienst in Deutschland zurückgelegten Beschäftigungszeiten.
Zu Recht hat das LSG allerdings ausgeführt, daß dem Regelungszusammenhang der §§104 Abs 1, 107 Satz 1 Nr 1 iVm §168 Abs 2 AFG ebenso wie dem §134 Abs 1 Nr 4 Buchst b iVm §107 Satz 1 Nr 1 iVm §168 Abs 2 AFG und dem §134 Abs 2 Nr 2 AFG zu entnehmen ist, daß leistungsrechtlich relevante Zeiten des Wehrdienstes iS des Arbeitsförderungsrechts ausschließlich Zeiten eines aufgrund des deutschen WPflG bei einem deutschen Hoheitsträger abgeleisteten Wehrdienstes sein können. Da ein Anspruch des Klägers auf Alhi gemäß §134 Abs 3a AFG (idF, die die Vorschrift durch das Gesetz zur Änderung von Fördervoraussetzungen im Arbeitsförderungsgesetz und in anderen Gesetzen vom 18. Dezember 1992 - BGBl I 2044 - erhalten hat) nicht in Betracht kommt, weil der Kläger nicht mindestens 20 Jahre seinen Wohnsitz im Geltungsbereich des AFG hatte (§134 Abs 3a AFG) und eine Rechtsverordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung über die Gleichstellung ausländischer Versicherungszeiten nach §109 AFG (idF des 1. SKWPG vom 21. Dezember 1993 - BGBl I 2353) nicht ergangen ist, kann ein Leistungsanspruch des Klägers auf Alg oder Alhi nach dem AFG mithin nur gegeben sein, wenn die italienische Wehrdienstzeit vom 21. April 1993 bis 14. April 1994 nach europarechtlichen Vorschriften zugunsten des Klägers zu berücksichtigen wäre und wenn alle anderen Voraussetzungen des innerdeutschen Rechts (wie etwa die Verfügbarkeit gemäß §103 AFG) erfüllt wären.
Eine Berücksichtigung des italienischen Wehrdienstes könnte sich aus der EWGV 1408/71 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, vom 14. Juni 1971 (ABl Nr L 149/2) in der hier anzuwendenden Fassung der EWGV 1945/93 vom 30. Juni 1993 (Abl Nr L 181/1) ergeben, die auf den Kläger Anwendung findet. Der Kläger war Arbeitnehmer iS des Art 1 Buchst a Ziff i iVm Art 2 EWGV 1408/71. Der Begriff des Arbeitnehmers erfaßt alle Personen, die im Rahmen für abhängig Beschäftigte geschaffener Systeme der sozialen Sicherheit gegen eines oder mehrere Risiken geschützt sind, mithin die Versicherteneigenschaft in einem System der sozialen Sicherheit für Arbeitnehmer besitzen (EuGHE 1979, 1977 RdNr 4 = SozR 6050 Art 72 Nr 4; vgl auch Schulte in: Nomos Komm zum Europäischen Sozialrecht, RdNr 8 zu Art 1). Die geltend gemachten Ansprüche des Klägers fallen gemäß Art 4 Abs 1 Buchst g in den sachlichen Geltungsbereich der EWGV 1408/71, zumal die Bundesrepublik Deutschland in ihrer Erklärung gemäß Art 5 EWGV 1408/71 vom 9. Juni 1980 (ABl Nr 139/1) ausdrücklich die Rechtsvorschriften des AFG mit Änderungen und Ergänzungen in der jeweils geltenden Fassung dem Geltungsbereich der EWGV 1408/71 unterstellt hat (zitiert nach Schulte, aaO, RdNr 3 zu Art 5).
Einen Anspruch auf Leistungen wegen Arbeitslosigkeit nach dem AFG könnte der Kläger, der unmittelbar vor der Antragstellung in Deutschland keine Versicherungszeiten zurückgelegt hat, nach der EWGV 1408/71 für den Fall haben, daß er als sog unechter Grenzgänger in den Regelungsbereich des Art 71 Abs 1 Buchst b Ziff ii EWGV 1408/71 fällt. Nach der genannten Vorschrift gilt für die Gewährung von Leistungen an einen arbeitslosen Arbeitnehmer, der während seiner letzten Beschäftigung im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats als des zuständigen Staats wohnte, ua folgendes (Satz 1): Arbeitnehmer, die nicht Grenzgänger sind und die sich der Arbeitsverwaltung des Mitgliedstaats zur Verfügung stellen, in dessen Gebiet sie wohnen, oder in das Gebiet dieses Staates zurückkehren (sog unechte Grenzgänger), erhalten bei Vollarbeitslosigkeit Leistungen nach den Rechtsvorschriften dieses Staates, als ob sie dort zuletzt beschäftigt gewesen wären; diese Leistungen gewährt der Träger des Wohnorts zu seinen Lasten (Buchst b Ziff ii). Die Anwendung des Art 71 Abs 1 Buchst b Ziff ii EWGV 1408/71 auf den Kläger setzt danach voraus, daß der Wehrdienst einer Beschäftigung gleichsteht und daß der Kläger während der Ableistung des Wehrdienstes in Italien weiterhin im Bundesgebiet gewohnt hat. Zum Wohnsitz des Klägers während seiner Wehrdienstzeit hat das LSG bisher keine Feststellungen getroffen.
Das LSG ist unter Berufung auf den Beschluß Nr 94 der Verwaltungskommission der EG für die soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer vom 24. Januar 1974 (ABl C 126/22 vom 17. Oktober 1974) davon ausgegangen, daß der Kläger kein unechter Grenzgänger ist, weil er nicht dem dort aufgeführten Personenkreis zuzuordnen ist. Das LSG hat dabei allerdings nicht beachtet, daß der EuGH bereits mehrfach entschieden hat, daß der genannte Beschluß Nr 94 weder abschließend noch für die Gerichte bindend ist (vgl EuGH SozR 6050 Art 71 Nr 10 S 33 und EuGH SozR 6050 Art 71 Nr 2). Da eine Gleichstellung des Wehrdienstes mit einer Beschäftigung iS von Art 71 Abs 1 EWGV 1408/71 möglicherweise in Betracht kommt (vgl dazu später), wird das LSG zunächst festzustellen haben, ob sich der Kläger während des Wehrdienstes in Italien lediglich aufgehalten hat oder ob er auch seinen Wohnort im europarechtlichen Sinne nach Italien verlegt hat (hierzu Husmann, SGb 1998, 252). Nur wenn bei Ausübung des Wehrdienstes in Italien der Wohnort des Klägers in der Bundesrepublik Deutschland fortbestand, kommt die Anwendung des Art 71 Abs 1 Buchst b Ziff ii EWGV 1408/71 überhaupt in Betracht. Nach der Rechtsprechung des EuGH setzt dies voraus, daß er weiterhin den Mittelpunkt seiner Interessen in der Bundesrepublik Deutschland hatte. Maßgebliche Kriterien für das Vorliegen des Wohnorts sind die Dauer und Kontinuität des Wohnens bis zur Aufnahme der Beschäftigung, die Dauer und Modalität der Abwesenheit, die Art der im anderen Mitgliedstaat ausgeübten Beschäftigung sowie die Absicht des Arbeitnehmers, wie sie sich aus den gesamten Umständen ergibt (vgl EuGH SozR 6050 Art 71 Nr 2; EuGH SozR 3-6050 Art 71 Nrn 1 bis 3). Das LSG wird daher – ggf auch durch Befragung des Klägers – festzustellen haben, wie stark seine räumlichen Bindungen an die Bundesrepublik Deutschland während der Wehrdienstzeit in Italien ausgeprägt waren. Dabei werden auch familiäre Bindungen zu berücksichtigen sein, etwa der Wohnort der Eltern des Klägers, weiterhin die Kontinuität der bisherigen Wohnorte des Klägers in der Bundesrepublik und seine Absichten für die Zeit nach Ableistung des Wehrdienstes in Italien.
Sollte das LSG feststellen, daß der Kläger während des Wehrdienstes weiterhin in der Bundesrepublik gewohnt hat, stellt sich die – europarechtliche – Frage, ob der Wehrdienst einer Beschäftigung iS des Art 71 Abs 1 Satz 1 EWGV 1408/71 gleichsteht. Diese Regelung knüpft an den Begriff der letzten „Beschäftigung” an. Der EuGH hat, soweit ersichtlich, bislang über die Auslegung des Begriffs der Beschäftigung iS des Art 71 Abs 1 Satz 1 EWGV 1408/71 nicht zu befinden gehabt. Dieser Begriff ist weder in Art 71 noch in Art 1 der EWGV 1408/71 definiert. Allerdings greift Art 1 Buchst b EWGV 1408/71 für die Definition des (echten) Grenzgängers auf den Begriff des Arbeitnehmers oder Selbständigen zurück. Auch weitere in Art 71 EWGV 1408/71 verwendete Begriffe wie „Unternehmen” (Abs 1 Buchst a Ziff i) und „Arbeitgeber” (Abs 1 Buchst b Ziff i) legen es nahe, den Anwendungsbereich des Art 71 EWGV 1408/71 auf erwerbstätige Personen zu beschränken. Andererseits schreibt Art 13 Abs 2 Buchst e Satz 3 EWGV 1408/71 ausdrücklich vor, daß ua zum Wehrdienst einberufene Arbeitnehmer ihre Arbeitnehmereigenschaft behalten, so daß insofern eine Gleichstellung der Wehrdienstzeit mit einer Beschäftigungszeit iS des Art 71 EWGV 1408/71 systemkonform erscheint. Dies gilt insbesondere unter Berücksichtigung des Ziels des Art 71 EWGV 1408/71, dem Arbeitslosen die Leistungen in dem Mitgliedstaat zur Verfügung zu stellen, in dem vermutlich die günstigsten Aussichten auf eine berufliche Wiedereingliederung bestehen (vgl EuGHE 1986, 1837 RdNr 16 = SozR 6050 Art 71 Nr 8). Auch aus der Entscheidung des EuGH vom 13. November 1997 (C 248/96 - EuGHE 97, 6407, 6437) können für den Anwendungsbereich des Art 71 EWGV 1408/71 gewisse Rückschlüsse gezogen werden. Der EuGH hat dort die Zeiten des Pflichtwehrdienstes als Beschäftigungszeiten iS von Anhang VI Abschnitt J Nr 4 Buchst a und Buchst c EWGV 1408/71 betrachtet und dabei ua auf die Regelung des Art 13 Abs 2 Buchst e Satz 3 EWGV 1408/71 Bezug genommen (aaO, S 6438 RdNr 31). Schließlich könnte auch unter Berücksichtigung des Art 3 der EWGV 1408/71 eine Gleichstellung der Wehrdienstzeit mit Beschäftigungszeiten iS des Art 71 Abs 1 Satz 1 EWGV 1408/71 geboten erscheinen, weil sonst der Arbeitslose, der in einem anderen Mitgliedstaat als dem Wohnstaat Wehrdienst leisten muß, von den Vergünstigungen dieser Regelung ausgeschlossen wäre, obwohl er beispielsweise bisher nur im Wohnstaat beschäftigt war und nach dem Wehrdienst auch in diesen zurückkehren will. Diese Auslegungsfrage zu Art 71 EWGV 1408/71 kann der Senat jedoch nicht selbst entscheiden, sondern müßte sie dem EuGH zur Vorabentscheidung nach Art 177 EGVtr vorlegen.
Sollte sich ergeben, daß der Kläger während der Wehrdienstzeit in Italien weiterhin seinen Wohnsitz in der Bundesrepublik hatte und wird unterstellt, er sei hinsichtlich des in Italien abgeleisteten Wehrdienstes als Beschäftigter und damit als unechter Grenzgänger iS von Art 71 Abs 1 Buchst b Ziff ii EWGV 1408/71 anzusehen, so stellt sich die weitere Frage, ob dann der italienische Wehrdienst unmittelbar nach Art 71 EWGV 1408/71 bei der Feststellung des Alg zu berücksichtigen ist, oder ob es dazu des Rückgriffs auf die Regelung in Art 67 Abs 1 EWGV 1408/71 bedarf. Wenn der Begünstigte nach Art 71 EWGV 1408/71 Leistungen nach den Rechtsvorschriften seines Wohnstaates erhält, „als ob er dort zuletzt beschäftigt gewesen wäre”, so könnte dies bedeuten, daß Art 71 EWGV 1408/71 nicht nur die Anwendbarkeit des deutschen Rechts bestimmt, sondern gleichzeitig auch vorsieht, daß der Wehrdienst als die letzte Beschäftigung nach dem Recht des Wohnstaates so behandelt werden muß, als wäre er dort – als deutscher Wehrdienst – zurückgelegt. Letzteres könnte zweifelhaft sein, wenn Art 71 EWGV 1408/71 nach seinem Regelungszweck (Kollisionsnorm) darauf beschränkt wäre, lediglich den für die Leistungen an Grenzgänger zuständigen Staat zu bestimmen. Insoweit könnte es aus systematischen Gründen geboten sein, hinsichtlich der Zusammenrechnung des italienischen Wehrdienstes mit deutschen Zeiten auf Art 67 Abs 1 EWGV 1408/71 zurückzugreifen, der die Zusammenrechnung von Versicherungszeiten regelt und der für einen unechten Grenzgänger unabhängig davon gilt, ob er unmittelbar zuvor im Wohnstaat Versicherungszeiten oder Beschäftigungszeiten zurückgelegt hat (Art 67 Abs 3 EWGV 1408/71). Auch über diese Frage könnte der Senat nicht selbst entscheiden, sondern müßte sie dem EuGH zur Entscheidung vorlegen.
Wäre der EuGH der Auffassung, bereits aus Art 71 EWGV 1408/71 folge, daß der italienische Wehrdienst nach dem AFG so berücksichtigt werden müsse, als ob er im Bundesgebiet zurückgelegt worden wäre, müßte dann allerdings noch geprüft werden, ob der Kläger auch alle Anspruchsvoraussetzungen für einen Anspruch auf Alg bzw Alhi nach den Vorschriften des AFG erfüllt. Dies würde zunächst voraussetzen, daß der Kläger in dem streitigen Zeitraum ab 9. Mai 1994 nicht nur arbeitslos, sondern auch verfügbar war (§103 AFG in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes vom 18. Dezember 1992 - BGBl I 2044). Würde es an der Verfügbarkeit des Klägers fehlen, so würde von vornherein kein Anspruch auf Alg und auch kein Anspruch auf Alhi gemäß §134 Abs 1 Nr 1 AFG bestehen. Hierzu hat das LSG bisher – von seinem Rechtsstandpunkt aus zu Recht – keine Feststellungen getroffen. Diese Feststellungen wird es nachzuholen und zu prüfen haben, ob der Kläger in der streitigen Zeit der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stand – woran nach dem Akteninhalt gewisse Zweifel bestehen könnten – und ob er insbesondere auch erreichbar iS des §103 Abs 1 Nr 3 AFG war, ferner, ob nicht zumindest während des Italienaufenthalts des Klägers vom 29. März bis 17. April 1997 Verfügbarkeit zu verneinen wäre, es sei denn, er hätte sich mit Genehmigung der Beklagten in Italien aufgehalten.
Außerdem müßte der italienische Wehrdienst die Voraussetzungen erfüllen, bei deren Vorliegen ein deutscher Wehrdienst einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung iS von §104 Abs 1 Satz 1 iVm §107 Satz 1 Nr 1 AFG gleichgestellt ist. Nach §107 Satz 1 Nr 1 AFG (idF, die die Vorschrift durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Bundeserziehungsgeldgesetzes und anderer Vorschriften vom 6. Dezember 1991 - BGBl I, 2142 - erhalten hat) stehen Zeiten, in denen der Arbeitslose als Wehr- oder Ersatzdienstleistender beitragspflichtig war (§168 Abs 2), den Zeiten einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gleich. Bei einer Berücksichtigung der italienischen Wehrdienstzeit nach den Vorschriften des AFG müßte der Kläger mithin die Tatbestandsvoraussetzungen des §168 Abs 2 AFG erfüllt haben, was zugleich auch Anspruchsvoraussetzung für einen Alhi-Anspruch gemäß §134 Abs 1 Nr 4 Buchst b AFG (nicht jedoch für einen Anspruch gemäß §134 Abs 2 Nr 2 AFG) wäre. Nach §168 Abs 2 AFG (idF, die die Norm durch das Gesetz vom 18. Dezember 1992 - BGBl I 2044 - erhalten hat) sind beitragspflichtig auch Personen, die aufgrund der Wehrpflicht Wehr- oder Zivildienst leisten und während dieser Zeit nicht – wie der Kläger – nach §168 Abs 1 beitragspflichtig sind, wenn sie für länger als drei Tage einberufen sind und unmittelbar vor Dienstantritt ... 2. eine Beschäftigung gesucht haben, die die Beitragspflicht begründen kann.
Das BSG hat bislang noch nicht entschieden, welche Anforderungen an das Tatbestandsmerkmal der Beschäftigungssuche bis „unmittelbar vor Dienstantritt” zu stellen sind. Soweit das LSG Nordrhein-Westfalen für die Unmittelbarkeit iS des §168 Abs 2 Nr 1 AFG einen Zeitraum von etwa vier Wochen zwischen der letzten Beschäftigung und dem Tag des Dienstantritts als unschädlich erachtet (Urteil vom 13. Februar 1986 - L 9 Ar 124/85 -, zitiert nach Niesel/Brand, AFG, 2. Aufl, RdNr 49 zu §168), kann dem für die in §168 Abs 2 Nr 2 AFG genannte Fallkonstellation der Beschäftigungssuche jedenfalls nicht generell und für alle Fälle gefolgt werden. Allerdings hat die Beklagte das vorgenannte Urteil in ihren Runderlassen zugrunde gelegt und hinsichtlich des Begriffs „unmittelbar vor Dienstantritt” eine weite Auslegung empfohlen (Runderlaß 163/88 Nr 3.5; vgl Theuerkauf in: Hennig/Kühl/Heuer/Henke, AFG, RdNr 20 zu §168). Außerdem geht die Bundesanstalt für Arbeit zu §168 Abs 2 Nr 2 AFG davon aus, daß die Suche nach einer mehr als geringfügigen Beschäftigung ohne weitere Prüfung bei Personen unterstellt werden kann, die sich beim Arbeitsamt für eine solche Beschäftigung als Arbeitsuchende gemeldet haben, und daß (nur) bei Fehlen einer solchen Meldung eine Prüfung im Einzelfall erforderlich ist (RdErl 163/88 Nr 3.4.4.). Ob der Kläger in diesem Sinne bis zur gebotenen Abwanderung nach Italien – die ggf schon vor dem 21. April 1993 erforderlich gewesen sein kann – ordnungsgemäß gemeldet war, ist vom LSG nicht festgestellt worden. Insoweit könnte von Bedeutung sein, daß der Kläger einer zum 30. März 1993 angeordneten Meldung nach §§120, 132 AFG nicht Folge geleistet hat, die Beklagte sodann die Zahlung von Alhi mit diesem Tag eingestellt hat und der Kläger auch hierauf nicht tätig geworden ist. Das LSG wird daher festzustellen haben, aus welchem Grund der Kläger zum 30. März 1993 und nach Einstellung der Zahlungen nicht mehr bei der Beklagten vorstellig geworden ist, wann er nach Italien abgereist ist bzw seine Abreise erforderlich war, und wann bzw aus welchen Gründen er eine Beschäftigungssuche in Deutschland ggf (endgültig) aufgegeben hat. Insoweit bestehen jedenfalls Zweifel, ob der Kläger vor Antritt des Wehrdienstes am 21. April 1993 überhaupt noch ernsthaft eine Beschäftigung gesucht hat.
Wären die Voraussetzungen des §168 Abs 2 AFG nicht erfüllt, müßte allerdings gefragt werden, ob der italienische Wehrdienst dann nicht gleichwohl zu berücksichtigen wäre, insbesondere dann, wenn er die Voraussetzungen einer Versicherungszeit nach italienischem Recht erfüllt (vgl dazu unten). In diesem Fall könnte eine Anrechnung dieser italienischen Versicherungszeit im Lichte des Art 3 EWGV 1408/71 gerechtfertigt sein, weil der Kläger andernfalls – ohne sachlich rechtfertigenden Grund – von den Vergünstigungen des Art 71 Abs 1 Buchst b Ziff ii EWGV 1408/71 ausgeschlossen sein könnte.
Aber auch dann, wenn davon auszugehen wäre, daß eine Berücksichtigung des italienischen Wehrdienstes nur im Rahmen des Art 67 EWGV 1408/71 möglich ist, bedarf es weiterer Feststellungen des LSG. Diese sind bisher unterblieben, weil das LSG die Anwendung des Art 67 Abs 1 EWGV 1408/71 wegen Abs 3 der Vorschrift mit der Begründung verneint hat, daß der Kläger nicht unmittelbar vor der Arbeitslosmeldung am 9. Mai 1994 Versicherungszeiten in der Bundesrepublik Deutschland zurückgelegt habe und kein unechter Grenzgänger iS des Art 71 Abs 1 Buchst b Ziff ii Satz 1 EWGV 1408/71 sei. War der Kläger hingegen unechter Grenzgänger iS des Art 71, so kommt es hierauf nicht an; er kann vielmehr die Zusammenrechnung von Versicherungs- oder Beschäftigungszeiten gemäß Art 67 Abs 1 EWGV 1408/71 geltend machen, auch wenn zuvor Versicherungszeiten im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland nicht zurückgelegt worden sind.
Art 67 Abs 1 EWGV 1408/71 bestimmt: Der zuständige Träger eines Mitgliedstaates, nach dessen Rechtsvorschriften der Erwerb, die Aufrechterhaltung oder das Wiederaufleben des Leistungsanspruchs von der Zurücklegung von Versicherungszeiten abhängig ist, berücksichtigt, soweit erforderlich, die Versicherungs- oder Beschäftigungszeiten, die als Arbeitnehmer nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaates zurückgelegt wurden, als handelte es sich um Versicherungszeiten, die nach den eigenen Rechtsvorschriften zurückgelegt worden sind; für Beschäftigungszeiten gilt dies jedoch unter der Voraussetzung, daß sie als Versicherungszeiten gegolten hätten, wenn sie nach den eigenen Rechtsvorschriften zurückgelegt worden wären.
Danach hängt die Berücksichtigung des italienischen Wehrdienstes als anwartschafts- und damit anspruchsbegründende Versicherungszeit durch den deutschen Versicherungsträger davon ab, ob er nach italienischem Recht als Versicherungszeit (oder als Beschäftigungszeit unter den Voraussetzungen des Art 67 Abs 1 letzter Halbsatz EWGV 1408/71) zurückgelegt worden ist. Als Versicherungszeiten iS von Art 67 Abs 1 EWGV 1408/71 gelten auch gleichgestellte Zeiten, soweit sie nach dem Recht, nach dem sie zurückgelegt worden sind, als den Versicherungszeiten gleichwertig anerkannt sind (Art 1 Buchst r EWGV 1408/71). In diesem Zusammenhang können sich weitere europarechtliche Zweifelsfragen ergeben, wenn der vom Kläger in Italien zurückgelegte Wehrdienst nach dem insofern gemäß Art 13 Abs 2 Buchst e Satz 1 EWGV 1408/71 maßgeblichen italienischen Recht zwar Versicherungszeit (bzw gleichgestellte Zeit) sein kann, jedoch möglicherweise nicht als Versicherungszeit zurückgelegt worden ist, weil der Kläger die Voraussetzungen des italienischen Rechts nicht erfüllt hat. Die Berücksichtigung der Zeiten des Militärdienstes bei Ansprüchen aus der italienischen Arbeitslosenversicherung ist in Art 56 Buchst c Regio Decreto Legge (RDL) vom 4. Oktober 1935, Nr 1827, geregelt. Danach sind auf Antrag des Versicherten zu Zwecken des Anspruchs, der Höhe und der Dauer der Arbeitslosenentschädigung ... Zeiten des ... Wehrdienstes anzurechnen, wenn die Versicherten mindestens 24 Wochen Pflichtbeitragszeiten während der 12 dem Wehrdienst vorausgehenden Monate geltend machen können. Der Kläger müßte also in den 12 Monaten vor dem 21. April 1993 (Beginn des Wehrdienstes in Italien) in der Bundesrepublik Deutschland 24 Wochen Beitragszeiten zurückgelegt haben, die ihrerseits gemäß Art 13 Abs 2 Buchst e Satz 2 EWGV 1408/71 nach italienischem Recht zur Begründung einer Versicherungszeit zu berücksichtigen wären. Entsprechende Feststellungen hat das LSG – von seiner Rechtsansicht aus zu Recht – nicht getroffen. Aus den Verwaltungsakten ergeben sich jedoch Zweifel, ob der Kläger diese Voraussetzung des Art 56 Buchst c RDL vom 4. Oktober 1935, Nr 1827, erfüllt hat. Kann der italienische Antragsteller keine 24 Beitragswochen entsprechend Art 56 Buchst c RDL nachweisen, so wird die gesamte Wehrdienstzeit nach italienischem Recht lediglich „neutralisiert”, dh die zwei Jahre vor der letzten Entlassung bzw Kündigung, in denen im Regelfall 52 Wochen Beiträge nachgewiesen werden müssen (vgl hierzu auch Warnecke, Koordinierendes Arbeitsförderungsrecht und Freizügigkeit 1995, S 39), werden um die Dauer des Militärdienstes erweitert. Die Zeit des Wehrdienstes des Klägers stellt nach italienischem Recht mithin nur dann eine Versicherungszeit oder gleichgestellte Zeit iS des Art 67 Abs 1 EWGV 1408/71 dar, wenn der Kläger in den 12 Monaten vor der Einberufung 24 Wochen mit Pflichtbeitragszeiten zurückgelegt hat. Sollten die Ermittlungen des LSG ergeben, daß der Kläger diese Voraussetzung nur knapp verfehlt, so wäre (ggf durch Rücksprache bei den italienischen Versicherungsträgern) zu ermitteln, wie nach italienischem Recht die Beitragswoche bestimmt wird. Beispielsweise könnte eine Regelung derart, daß jede nur mit einem Beitragstag belegte Woche eine Beitragswoche iS des Art 56 Buchst c RDL vom 4. Oktober 1935, Nr 1827, ist, möglicherweise dazu führen, daß der Kläger die italienische Tatbestandsvoraussetzung für eine Versicherungszeit (24 Beitragswochen) doch erfüllt.
Sollte sich ergeben, daß der in Italien zurückgelegte Wehrdienst nicht die Voraussetzungen einer italienischen Versicherungszeit erfüllt, so stellt sich die Frage, ob die Wehrdienstzeit des Klägers dann noch iS des Art 67 Abs 1 Satz 1 2. Halbsatz EWGV 1408/71 zumindest als Beschäftigungszeit Berücksichtigung finden könnte unter der Voraussetzung, daß sie nach deutschem Recht als Versicherungszeit gegolten hätte, wenn sie nach deutschen Rechtsvorschriften zurückgelegt worden wäre. Nach der Rechtsprechung des EuGH (vgl insbesondere EuGHE 1989, 1203) sind Beschäftigungszeiten iS des Art 1 Buchst s iVm Art 67 Abs 1 EWGV 1408/71 lediglich Zeiten, die nach den Rechtsvorschriften, nach denen sie zurückgelegt wurden, nicht als Zeiten gelten, die einen Anspruch auf Zugehörigkeit zu einem System von Leistungen bei Arbeitslosigkeit begründen. Da die Wehrdienstzeit in Italien potentiell eine Versicherungszeit iS des Art 1 Buchst r EWGV 1408/71 ist, könnte aus dieser Entscheidung des EuGH zu folgern sein, daß ein Rückgriff auf den Begriff der Beschäftigungszeit im Rahmen des Art 67 Abs 1 EWGV 1408/71 nicht mehr möglich ist, wenn die Bejahung einer Versicherungszeit lediglich am Fehlen einer der innerstaatlichen Tatbestandsvoraussetzungen für das Vorliegen einer Versicherungszeit scheitert, die Zeit als solche aber Versicherungszeit sein könnte. Auch insoweit dürfte die Auslegung des Art 67 Abs 1 EWGV 1408/71 dem EuGH vorbehalten bleiben. Sollte der EuGH die vorgenannte Auffassung bestätigen, könnte sich die weitere Frage ergeben, ob nicht – insbesondere im Lichte des Art 3 EWGV 1408/71 – der italienische Wehrdienst jedenfalls dann im Rahmen des Art 67 Abs 1 EWGV 1408/71 berücksichtigt werden muß, wenn er nach deutschem Recht die Voraussetzungen einer Versicherungszeit (oder gleichgestellten Zeit) erfüllt. Auch diese Frage wird dem EuGH ggf vorzulegen sein.
Schließlich könnte auch zu erwägen sein, ob nicht – unabhängig von Art 67, 71 EWGV 1408/71, aber möglicherweise nur dann, wenn nach Art 13 Abs 2 Buchst f EWGV 1408/71 deutsches Recht (AFG) anzuwenden wäre – das Gleichstellungsgebot des Art 3 EWGV 1408/71 es gebietet, den italienischen Wehrdienst mit dem deutschen Wehrdienst gleichzustellen (zum Rückgriff auf Art 3 EWGV 1408/71 vgl EuGH SozR 3-6050 Art 3 Nr 12). Allerdings könnte dieser Entscheidung zu entnehmen sein, daß Personen, die im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland wohnen und für die diese Verordnung gilt, gleiche Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften der Bundesrepublik Deutschland wie die Staatsangehörigen der Bundesrepublik Deutschland nur haben, soweit besondere Bestimmungen dieser Verordnung nichts anderes vorsehen. Insofern würde der vorliegende Rechtsstreit die Frage aufwerfen, inwieweit ein Rückgriff auf den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art 3 EWGV 1408/71 überhaupt noch möglich ist, wenn die in den Art 67 bis 71 EWGV 1408/71 enthaltenen Sondervorschriften einen Anspruch des Klägers nicht begründen können.
Schließlich stellt sich die weitere Frage, ob der Rechtsansicht des Klägers gefolgt werden kann, daß sich im vorliegenden Falle eine Berücksichtigung des italienischen Wehrdienstes insbesondere aus Art 7 der Verordnung (EWG) 1612/68 (EWGV 1612/68) über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft vom 15. Oktober 1968 (ABl Nr 257/2), geändert durch Verordnung (EWG) 2434/92 vom 27. Juli 1992 (ABl Nr L 245/1), ergibt. Nach Art 7 Abs 2 EWGV 1612/68 genießt der Kläger grundsätzlich die gleichen sozialen und steuerlichen Vergünstigungen wie die inländischen Arbeitnehmer. Von Art 7 Abs 2 EWGV 1612/68 werden jedoch nicht erfaßt die Vergünstigungen, die ihren wesentlichen Grund nicht in der Arbeitnehmereigenschaft oder im Wohnsitz, sondern in der Ableistung des Kriegs- oder Wehrdienstes als solchem haben (EuGHE 1979, 2019; EuGHE 1996, 1417). Mithin könnte der vorliegende Rechtsstreit die Frage aufwerfen, ob die mit dem Wehrdienst verbundenen Vergünstigungen hinsichtlich eines Anspruchs auf Leistungen wegen Arbeitslosigkeit auch von Art 7 Abs 2 EWGV 1612/68 erfaßt werden. Weiterhin könnte hier erheblich werden, in welchem Rangverhältnis die EWGVen 1612/68 und 1408/71 zueinander stehen, insbesondere ob bei einer Anwendbarkeit der EWGV 1408/71 ein Rückgriff auf die EWGV 1612/68 grundsätzlich ausgeschlossen ist (vgl hierzu Otting, BABl 12/1998, 16; Huster, NZS 1999, 10 ff und Schulte, aaO, RdNr 20 zu Art 4).
Das LSG wird mithin die erforderlichen Feststellungen zum Wohnort des Klägers während der Wehrdienstzeit, zur Verfügbarkeit im Zeitraum ab 9. Mai 1994 und zu der Frage nachzuholen haben, ob er unmittelbar vor Antritt des Wehrdienstes noch eine Beschäftigung gesucht hat. Außerdem wird es Feststellungen zu den Beschäftigungszeiten ab 10. Januar 1992 zu treffen haben, die sowohl für die Rechtsnatur des geltend gemachten Anspruchs (Alg oder Alhi) als auch für die Frage erheblich sind, ob die Wehrdienstzeit nach italienischem Recht einer Versicherungszeit gleichsteht. Je nach dem Ergebnis seiner Ermittlungen wird das LSG ggf zu prüfen haben, ob eine Vorlage an den EuGH gemäß Art 177 EGVtr in Betracht kommt. Schließlich wird das LSG auch zu überprüfen haben, ob nicht weitere Bescheide der Beklagten für nachfolgende Zeiträume gemäß §96 SGG in den Rechtsstreit einzubeziehen sind.
Das LSG wird auch abschließend über die Kosten des Rechtsstreit unter Berücksichtigung des Ergebnisses des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.
Fundstellen
SGb 1999, 251 |
SGb 2000, 86 |
ZAR 2000, 88 |
SozSi 1999, 372 |
info-also 2000, 98 |