Entscheidungsstichwort (Thema)

berufsbezogene Zuwendung. Ballettänzer. Weitergeltung von DDR-Recht als sekundäres Bundesrecht. Einigungsvertrag. richterliche Gesetzeskorrektur. in die Rentenversicherung überführbare Ansprüche. Berufsunfähigkeit. Altersversorgung vergleichbarer westdeutscher Berufsangehöriger

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Anordnung über die Gewährung einer berufsbezogenen Zuwendung an Ballettmitglieder in staatlichen Einrichtungen der DDR vom Juni 1983 hat als sekundäres Bundesrecht bis zum 31.12.1991 (weiter) gegolten.

2. Ansprüche nach der Anordnung über die Gewährung einer berufsbezogenen Zuwendung an Ballettmitglieder in staatlichen Einrichtungen der DDR sind nicht in die gesetzliche Rentenversicherung überführt worden; Anl 1 Nr. 17 AAÖG geht ins Leere.

 

Normenkette

GVG § 17a Abs. 1, 5; SGG § 55 Abs. 1 Nr. 1, § 162; EinigVtr Art. 9 Abs. 2, 4, Art. 19; EinigVtr Anlage II Kap. VIII H. III Nrn. 6, 9; AAÜG Anl. 1 Nr. 17; EinigVtr §§ 2, 4, 8 Abs. 4; BallMZuwAnO; SGB VI §§ 43-44; GG Art. 14, 3

 

Verfahrensgang

Sächsisches LSG (Urteil vom 27.07.1994; Aktenzeichen L 4 An 36/94)

SG Dresden (Urteil vom 25.01.1994; Aktenzeichen S 2 An 680/93)

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 27. Juli 1994 abgeändert. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 25. Januar 1994 wird zurückgewiesen. Im übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Die Klägerin begehrt die Feststellung, daß die Beklagte verpflichtet ist, ihr „spätestens ab Eintritt in das Rentenalter” eine berufsbezogene Zuwendung (bbZ) iHv 60 vH der fünf zusammenhängenden verdienstgünstigsten Jahre als Ballettänzerin entweder als Bestandteil der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung oder als Zusatzversorgung neben der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung zu zahlen und zu dynamisieren.

Die im November 1948 geborene Klägerin gehörte von 1969 bis 1989 dem Ballettensemble der S. S. in D. an. Nach ihrem Ausscheiden erhielt sie von der Staatsoper eine bbZ nach der „Anordnung über die Gewährung einer berufsbezogenen Zuwendung an Ballettmitglieder in staatlichen Einrichtungen der DDR”, in Kraft getreten am 1. Juli 1983 (bbZ-AO 1983), iHv monatlich 668,50 M. Zum 1. Januar 1992 stellte der Freistaat Sachsen, der als Träger der Staatsoper nach Herstellung der Einheit Deutschtands die Zahlung des seit 1. Juli 1990 in DM gewährten Betrages übernommen hatte, die Leistung ein.

Mit der Klage hat die Klägerin die og Feststellung begehrt. Durch Urteil vom 25. Januar 1994 hat das Sozialgericht (SG) Dresden die Klage abgewiesen. Das SG hat ausgeführt: Eine Rechtsgrundlage für einen derartigen Anspruch sei nicht ersichtlich. Die Anordnung habe gemäß Anl II Kap VIII Sachgebiet H Abschn III Nr. 6 des Einigungsvertrages (EinigVtr im folgenden: EV) vom 31. August 1990 (BGBl II S 889) nur bis zum 31. Dezember 1991 gegolten. Die in Nr. 17 der Anl 1 des Gesetzes zur Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen des Beitrittsgebietes (AAÜG) vom 25. Juli 1991 (BGBl I S 1606, 1677) genannte „Zusätzliche Altersversorgung der Ballettmitglieder in staatlichen Einrichtungen, eingeführt mit Wirkung vom 1. September 1976” (bbZ-AO 1976), sei lediglich irrtümlich zitiert; tatsächlich sei nämlich durch Nr. 17 der Anl 1 aaO die „Anordnung vom Juni 1983” in die Rentenversicherung überführt worden. Dennoch habe die Klägerin keinen Anspruch auf die bbZ in der beantragten Höhe. § 3 AAÜG sehe vor, daß die Renten bei Eintritt des Versicherungsfalls nach den Vorschriften des Sechsten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VI) zu berechnen seien; infolgedessen hätten Versicherte einen Anspruch auf nur eine Rente und nicht wie in der ehemaligen DDR auf eine Rente aus der Sozialpflichtversicherung und auf eine solche aus dem Zusatzversorgungssystem.

Das Sächsische Landessozialoericht (LSG) hat auf die Berufung der Klägerin das Urteil des SG aufgehoben, die Klage als unzulässig abgewiesen und die Berufung im übrigen zurückgewiesen (Urteil vom 27. Juli 1994). Es hat die Auffassung vertreten: Die Feststellungsklage sei bereits unzulässig, weil ein Feststellungsinteresse der Klägerin nicht bestehe. Nach den rentenrechtlichen Vorschriften sei sichergestellt, daß die Klägerin bei Eintritt des Versicherungsfalls durch Bescheid eine Rente nach den zu diesem Zeitpunkt maßgeblichen Bestimmungen erhalten werde. Sofern sie dann beschwert sei, habe sie die Möglichkeit, den dafür vorgesehenen Rechtsbehelf einzulegen. Im übrigen habe die Klägerin ab Januar 1997 gemäß § 274b SGB VI einen Anspruch auf Kontenklärung.

Mit der vom Bundessozialgericht (BSG) zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von § 55 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und von Art. 19 EV sowie – ua – von Art. 19, 14, 3 Grundgesetz (GG) und von Bestimmungen der Konvention zum Schutze der Menschen und Grundfreiheiten (EMRK) vom 4. November 1950 (BGBl II S 685, 953 mit späteren Änderungen) nebst Zusatzprotokoll zur EMRK vom 20. März 1952 (BGBl II 1956 S 1880). Sie trägt im wesentlichen vor: Das LSG habe zu Unrecht die Zulässigkeit der Feststellungsklage verneint. Sie müsse – sollte der der Klage zugrundeliegende Anspruch nicht bestehen – rechtzeitig Vorsorge für ihre Altersversorgung treffen. Bei einer Verneinung des Anspruchs habe sie nämlich lediglich einen Anspruch auf Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung unter Berücksichtigung der in der ehemaligen DDR geltenden Beitragsbemessungsgrenze von 600,00 M.

Die Feststellungsklage sei auch begründet. Sie habe eine Anwartschaft auf die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie auf eine weitere zusätzliche Altersversorgung in Form der bbZ. Diese Anwartschaften habe sie in Übereinstimmung mit rechtsstaatlichen Grundsätzen im Berufsleben durch Arbeit, Qualifikation und Leistung erworben. Beide Anwartschaften hätten in der DDR unter dem Schutz der Verfassung gestanden. Sie bestünden seit dem Beitritt der ehemaligen DDR unverändert entweder nach Art. 19 EV oder nach Art. 232 § 1 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB, eingeführt durch EV Anl I Kap III Sachgebiet B Abschn II) fort. Diese Rechtspositionen seien durch das GG geschützt; in sie dürfe nicht eingegriffen werden. Sie seien Grundlage der Zahlung bis zum 31. Dezember 1991 gewesen. Eine rückwirkende Entziehung der durch bestandskräftigen Verwaltungsakt vom Ministerium für Kultur zuerkannten Leistung sei willkürlich. Sie dürfe auch gegenüber anderen Berufsgruppen in den alten Bundesländern nicht benachteiligt werden; diese hätten nämlich neben ihrer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung einen Anspruch auf eine weitere Altersversorgung.

Bei Nichtanerkennung der vollen, in der Anordnung über die Gewährung einer berufsbezogenen Zuwendung an Ballettmitglieder in staatlichen Einrichtungen der DDR (bbZ-AO) erworbenen Anwartschaften sei eine schrittweise Angleichung des Lebensniveaus Ost an das Lebensniveau West nicht erreichbar. Selbst bei einer Gleichbehandlung der bbZ-AO mit anderen Zusatzversorgungssystemen sei dies nicht gewährleistet; die sog Systementscheidung sei verfassungswidrig.

Sollte das BSG nicht im Sinne ihres Hauptantrags entscheiden, müsse der Rechtsstreit zurückverwiesen und der Rechtscharakter der bbZ durch Beweisaufnahmen geklärt werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Klägerin wird auf ihre Schriftsätze vom 2. Juni 1995 (Bl 59 ff der Akten) und vom 10. Dezember 1994 (Bl 28 ff der Akten) verwiesen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 27. Juli 1994 und das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 25. Januar 1994 aufzuheben und festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, ihr aufgrund der erworbenen Anwartschaft auf die berufsbezogene Zuwendung diese Leistung spätestens ab Eintritt in das Rentenalter iHv 60 vH des angepaßten Gehalts der fünf zusammenhängenden verdienstgünstigsten Jahre als Ballettänzerin als Bestandteil der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung oder als Zusatzversorgung neben dieser Rente zu zahlen und zu dynamisieren,

hilfsweise,

den Rechtsstreit „zur erneuten Amtsermittlung, Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen” und dieses zu verpflichten, „seine Entscheidung unter Berücksichtigung der Konsequenzen vorzubereiten, die sich aus der Weiteranwendung des DDR-Rechts im Zusammenhang mit der Bestandskraft der Verwaltungsentscheidung des DDR-Kulturministeriums und der überführten Anwartschaften auf die bbZ als zusätzliche Altersversorgung sowie aus weiteren gemäß dem Amtsermittlungsgrundsatz zu machenden Feststellungen ergeben”.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, eine Leistung außerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung komme nicht in Betracht.

Ergänzend hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vorgetragen:

Anl 1 Nr. 17 des AAÜG habe zur Folge, daß Ballettänzer während ihrer aktiven Zeit neben den Rentenanwartschaften aus der Sozialpflichtversicherung auch solche aus diesem „Zusatzversorgungssystem” erworben hätten, wenn ihr Einkommen über 600,00 M gelegen habe. Den Pflichtbeitragszeiten sei daher ein Arbeitsverdienst bis zum jeweiligen Betrag der Anl 3 des AAÜG zugrunde zu legen. Eine darüber hinausgehende Bedeutung komme der Anl 1 Nr. 17 des AAÜG nicht zu; insbesondere seien die Zeiten des Bezugs der bbZ bei der Rentenberechnung nicht zu berücksichtigen.

Der Senat hat am 4. September 1995 eine Auskunft von der Beklagten zur Situation der Ballettänzer und der Bezieher von bbZ eingeholt. Mit dem in der mündlichen Verhandlung überreichten Schreiben vom 6. September 1995 hat die Beklagte mitgeteilt: Ballettänzer hätten Beiträge zur freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) entrichten dürfen. Die Anzahl der Bezieher von bbZ, die ab Vollendung des 35. Lebensjahres bis zum Eintritt der Invalidität bzw bis zum Erreichen der Altersrente eine andere Beschäftigung gegen Entgelt ausgeübt habe, sei ebenso unbekannt wie die Zahl derjenigen aus dieser Gruppe, die Beiträge zur FZR gezahlt hätten.

Der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin hat hierzu erklärt, verläßliche Zahlen lägen weder ihm noch der Interessengemeinschaft vor.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision der Klägerin ist zulässig. Das LSG hat in der Hauptsache entschieden und damit den Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit bindend festgestellt (§ 17a Abs. 1 und 5 Gerichtsverfassungsgesetz ≪GVG≫).

Die Revision hat jedoch im wesentlichen keinen Erfolg. Das Urteil des LSG ist lediglich insoweit abzuändern, als die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des SG insgesamt zurückzuweisen ist.

Zu Recht hat das SG die Voraussetzungen für eine Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG bejaht. Die Klägerin hat ein berechtigtes Interesse an alsbaldiger Feststellung, ob sie neben einem Anspruch aus der gesetzlichen Rentenversicherung bei Eintritt des Leistungsfalls auch einen weiteren Anspruch auf bbZ aus der bbZ-AO 1983 – oder einer vergleichbaren Anordnung – hat. Damit begehrt sie die Feststellung über das Bestehen eines Rechtsverhältnisses zwischen ihr und der Beklagten aufgrund ihr durch die bbZ-AO 1983 eingeräumten Begünstigungen und nicht etwa lediglich die Feststellung eines Berechnungselementes ihrer künftigen Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung.

Ihr Feststellungsinteresse ist auch nicht etwa im Hinblick auf die Rechtsprechung des Senats zur Zuständigkeit der SG bei Ansprüchen aus der bbZ-AO 1983 (vgl. hierzu ua BSG SozR 3-8570 § 17 Nr. 1) entfallen. Diese Beschlüsse entscheiden allein über die Zuständigkeit der SG und nicht über das anzuwendende materielle Recht. Da im übrigen ein Feststellungsurteil hierüber den Streit zwischen den Beteiligten auch endgültig „erledigen” würde, ist auch aus diesem Grunde ein berechtigtes Interesse der Klägerin an der Feststellung zu bejahen (vgl. hierzu BSGE 31, 235, 240 f).

Das Feststellungsbegehren der Klägerin hat jedoch keinen Erfolg. Ihr steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf eine von der SGB VI-Rente unabhängige oder in ihr integrierte weitere „Rente” nach den Bestimmungen der bbZ-AO 1983 bei Eintritt des Rentenfalls iS des SGB VI zu. Eine bundesdeutsche Rechtsgrundlage für einen derartigen Anspruch findet steh weder im Sozial – noch im – hier im Hinblick auf § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG ebenfalls in die Prüfung miteinzubeziehenden – Arbeitsrecht. Weder in den Vorschriften der ehemaligen DDR, soweit sie nach dem EV übergangsrechtlich als „sekundäres” Bundesrecht weiter anzuwenden waren, noch im EV selbst, noch in den Bestimmungen des AAÜG oder denjenigen des SGB VI ist der Klägerin ein derartiger Anspruch eingeräumt worden.

Das Begehren der Klägerin beurteilt sich ausschließlich nach Bundesrecht (§ 162 SGG). Das BSG darf seinen Entscheidungen nur Rechtsnormen zugrunde legen, deren Anwendung das GG oder ein gültiges Bundesgesetz ihm vorgeschrieben hat. Schon deswegen darf es Rechtsnormen, die von der früheren DDR oder ihren Untergliederungen erlassen worden sind, nur und nur insoweit beachten, wie dies bundesrechtlich angeordnet ist. Soweit nach Art. 9 Abs. 2 und 4 des EV iVm Anl II Kap VIII, dort insbesondere in den Sachgebieten F bis I (Sozialversicherung, Allgemeine Vorschriften; Krankenversicherung; Rentenversicherung; Unfallversicherung), die Weitergeltung bzw weitere Anwendung von originärem DDR-Recht angeordnet worden ist, gilt dies als Bundesrecht nur weiter oder ist als solches nur anzuwenden, soweit der EV die Geltung oder Anwendung von originärem Bundesrecht (vor allem in der Anl I) hintangehalten, im anwendbaren originären Bundesrecht keine spezielle oder abschließende Regelung getroffen und insoweit (lückenfüllend) die Maßgeblichkeit von DDR-Recht für eine Übergangszeit (als sekundäres Bundesrecht) angeordnet hat. Einen Anwendungsvorrang zugunsten des EV und innerhalb dessen einen Vorrang von originärem DDR-Recht vor Bundesrecht gibt es nicht.

Bundesrecht in diesem Sinne ist auch der EV. Zwar handelt es sich insoweit um einen der Form nach völkerrechtlichen Vertrag; solche Verträge gelten aber innerstaatlich nur im Range des Vertragsgesetzes, also hier im Range eines Bundesgesetzes. Der EV ist auch kein Staatenfusionsvertrag, kein „Verfassungsgesetz” eines durch den Beitritt angeblich entstandenen „Gesamtstaates”. Die DDR ist mit dem Wirksamwerden des Beitritts nicht Mitglied der Bundesrepublik Deutschland geworden, sondern in derselben logischen Sekunde untergegangen; nur die dort genannten Länder sind mit dem Wirksamwerden des von der DDR lediglich erklärten Beitritts dieser anderen Teile Deutschlands Länder der Bundesrepublik Deutschland geworden. Nur sie sind zur Geltendmachung ihrer Rechte aus dem EV befugt. Der EV bekräftigt somit die rechtliche Diskontinuität zwischen der DDR und der Bundesrepublik Deutschland. Damit wird zugleich deutlich, daß die Bundesrepublik Deutschland nicht Gesamtrechtsnachfolgerin der DDR geworden ist. Vielmehr sind gerade im EV und seinen Anlagen bereichsspezifische Regelungen getroffen worden, ob und ggf in welchem Umfang sie, ihre Länder oder Untergliederungen in Rechte und Pflichten eingetreten sind, die in der DDR oder durch diese begründet worden sind. Deshalb beruht jedes Fortgelten von Rechten und Pflichten, die nach dem DDR-Recht entstanden sind, seit dem 3. Oktober 1990 allein auf Bundesrecht. Im übrigen ist das gesamte Recht der früheren DDR erloschen. Dies gilt auch für Rechte und Pflichten, die von der demokratisierten Volkskammer der DDR anerkannt bzw begründet worden sind, soweit der EV sie nach den og Maßgaben nicht in Geltung erhalten hat (stRspr des Senats; vgl. hierzu zuletzt ua Vorlagebeschlüsse vom 14. Juni 1995 – 4 RA 1/95 – und – 4 RA 98/94 – sowie Urteil vom 14. Juni 1995 – 4 RA 41/94 – zur Veröffentlichung bestimmt, jeweils mwN).

Infolgedessen kann die Klägerin einen Anspruch aus der bbZ-AO 1983 selbst für die Zeit ab Januar 1992 nicht mehr herleiten. Denn die bbZ-AO 1983 hat gemäß EV Anl II Kap VIII Sachgebiet H Nr. 6 (= EV Nr. 6) lediglich zeitlich begrenzt, bis zum 31. Dezember 1991, als Bundesrecht weiter gegolten.

Die Weitergeltung (oder Wiederanwendung) der bbZ-AO 1983 ist auch für die Zeit nach dem 31. Dezember 1991 nicht etwa durch – sonstiges – Bundesrecht angeordnet worden, und zwar weder in ihrer Gesamtheit noch in Teilbereichen.

Zwar sieht § 2 Abs. 2 AAÜG iVm Anl 1 Nr. 17 vor, daß Ansprüche und Anwartschaften der „Zusätzlichen Altersversorgung der Ballettmitglieder in staatlichen Einrichtungen, eingeführt mit Wirkung vom 1. September 1976”, auf Leistungen wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, Alters und Todes zum 31. Dezember 1991 in die Rentenversicherung überführt werden; sie würden damit grundsätzlich Teil eines – wie und in welchem Umfang auch immer zu berücksichtigenden – Anspruchs auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung der Bundesrepublik Deutschland, wenn die Leistungen aus der bbZ-AO 1983 zu den nach § 2 Abs. 2 AAÜG überführbaren Leistungen aus den Sonder- und Zusatzversorgungssystemen gehörten. Dies ist jedoch nicht der Fall. Denn um ein Versorgungssystem in diesem Sinne handelt es sich bei der bbZ-AO 1983 nicht; die in der Anl 1 Nr. 17 des AAÜG genannte „Zusätzliche Altersversorgung der Ballettmitglieder, eingeführt mit Wirkung vom 1. September 1976,” hat es, soweit ersichtlich, nie gegeben (vgl. BSG SozR 3-8570 § 17 Nr. 1 S 8). Die im Hinblick auf ihre Anspruchsvoraussetzungen und die Art. ihrer Leistungen im wesentlichen mit der bbZ-AO 1983 identische bbZ-AO 1976 ist schließlich durch diese ersetzt worden (§ 5 Abs. 2 bbZ-AO 1983); auch die bbZ-AO 1976 hat somit am 3. Oktober 1990 nicht mehr gegolten.

Es kann nicht angenommen werden, daß der Gesetzgeber versehentlich eine falsche Bezeichnung der Anordnung und zugleich ein falsches Datum – also statt „eingeführt am 1. September 1976, eingeführt am 1. Juli 1983” – aufgenommen hat. Dies könnte im übrigen im Wege einer richterlichen Gesetzeskorrektur nicht berichtigt werden. Eine solche Korrektur ist nur dann erlaubt, wenn zwingende Gründe vorliegen, die einen entsprechenden Rückschluß rechtfertigen, wie etwa bei einem Vergreifen im Ausdruck oder einem Verschreiben (vgl. hierzu BSGE 58, 180, 182 = SozR 1300 § 45 Nr. 17 S 48 f). Ein derartiges Versehen des Gesetzgebers müßte offenkundig sein. Dies ist nicht der Fall. Aus dem Gesetz ist nicht erkennbar, daß der Bundesgesetzgeber die bbZ-AO 1983 als Zusatzversorgung iS des AAÜG hat einstufen wollen.

Die Ausgestaltung der Leistungen nach der bbZ-AO 1983 unterscheidet sich nach Art. und Umfang so erheblich von denjenigen nach den Versorgungssystemen, daß nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden kann, der Gesetzgeber habe sie den übrigen in der Anl 1 des AAÜG aufgeführten Zusatzversorgungssystemen gleichstellen wollen. Mit den Vorschriften des AAÜG hat der Gesetzgeber gemäß den Vorgaben in der Anl II Kap VIII Sachgebiet H Abschn III Nr. 9 des EV (= EV Nr. 9) das Ziel verfolgt, die Zeiten, in denen Beschäftigungen in der DDR ausgeübt wurden, für die zu irgendeinem Zeitpunkt Versorgungsansprüche aus einem Zusatz- oder Sonderversorgungssystem zugesagt worden waren, – ggf – mit Ansprüchen aus der Sozialpflichtversicherung und aus der FZR, soweit es sich um nach dem EV überführbare Ansprüche handelt, ab 1. Januar 1992 zukunftsgerichtet ausschließlich durch eine Rente nach dem SGB VI zu ersetzen (stRspr seit BSGE 72, 50 ff = SozR 3-8750 § 10 Nr. 1; vgl. zuletzt Urteil vom 14. Juni 1995 – 4 RA 41/94 – und Vorlagebeschlüsse vom 14. Juni 1995 ua – 4 RA 1/95; 4/94 und 28/94, jeweils mwN). Damit hat der Gesetzgeber – wie aus § 4 AAÜG (und EV Nr. 9 Buchst b Satz 1) ersichtlich – zum Ausdruck gebracht, daß nur solche Ansprüche und Anwartschaften überführt werden können, die nach Rechtsgrund, Leistungsfall und Sicherungszweck den in dem Leistungskatalog des SGB VI enthaltenen, im wesentlichen vergleichbar und infolgedessen „überführbar” sind. Überführbar in diesem Sinne sind somit lediglich Rentenarten, die iS des SGB VI wegen Alters, Todes und verminderter Erwerbsfähigkeit zustehen können.

Die nach der bbZ-AO 1983 zu gewährenden Leistungen können in diesen Katalog nicht eingeordnet werden. Die nicht übertragbare (§ 2 Abs. 1 Satz 2 bbZ-AO 1983) bbZ war nach § 3 Abs. 1 bbZ-AO 1983 grundsätzlich nach 15jähriger Tätigkeit ab dem 36. Lebensjahr und nach Ausscheiden aus dem Tänzerberuf zu gewähren (bei gesundheitsbedingter Aufgabe des Berufs ggf auch früher, § 3 Abs. 2 aaO), neben und damit zusätzlich zu einem vollen Arbeitsentgelt aus einem anderen Beruf (§ 2 Abs. 6 aaO) und während des gesamten weiteren Arbeitslebens, unabhängig von der Höhe des erzielten Einkommens (und daher auch im Rentenalter, § 2 Abs. 5 aaO). Die bbZ unterlag weder einer Steuer- noch einer Beitragspflicht zur Sozialversicherung (§ 2 Abs. 1 Satz 1 aaO). Bis zur Zahlung der Altersrente nach der Sozialpflichtversicherung oder bis zum Eintritt der Invalidität betrug sie 50 vH und danach 60 vH der arbeitsvertraglich festgelegten monatlichen Bruttogage als Ballettmitglied der fünf zusammenhängenden verdienstgünstigsten Jahre, höchstens jedoch 800,00 M monatlich (§ 2 Abs. 3 und 5 aaO). Insgesamt knüpfte die Leistungsgewährung also grundsätzlich an die Vollendung des 35. Lebensjahres (oder an eine gesundheitsbedingte Berufsaufgabe) an; des Eintritts weiterer Voraussetzungen bedurfte es nicht. Eine solche Anknüpfung kennt das SGB VI jedoch nicht. Eine Rente wegen Berufsunfähigkeit (BU) gemäß § 43 SGB VI erfaßt ebenso wie eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU) nach § 44 SGB VI andere Leistungsfälle; beide dienen der Absicherung des Versicherten gegen gesundheitliche Beeinträchtigungen seiner Erwerbsfähigkeit. Beide Rentenarten setzten – im Gegensatz zur bbZ – voraus, daß der Versicherte gesundheitsbedingt keine oder keine zumutbare Erwerbstätigkeit mehr ausüben kann:

Berufsunfähig ist nur derjenige Versicherte, dessen Erwerbsfähigkeit aus gesundheitlichen Gründen auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich und geistig gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken ist. Dabei beurteilt sich die Erwerbsfähigkeit des Versicherten nicht allein nach seinem bisher ausgeübten Beruf, sondern nach einer Tätigkeit, die allen seinen Kräften und Fähigkeiten entspricht, welche ihm unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs seiner Ausbildung sowie seines bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen seiner bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Mithin wird dem Versicherten ein Anspruch auf Rente wegen BU nicht schon dann eingeräumt, wenn er seinen versicherungspflichtig ausgeübten „bisherigen Beruf” aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr auszuüben in der Lage ist. Vielmehr verlangt das Gesetz von dem Versicherten, daß er bezogen auf seinen bisherigen Beruf einen „zumutbaren beruflichen Abstieg” in Kauf nimmt und sich vor Inanspruchnahme einer Rente mit einer geringeren Erwerbstätigkeit begnügt (vgl. zur Rente wegen BU ua: BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 137, 139, 161 und SozR 3-2200 § 1246 Nrn 1 und 41 sowie Beschluß vom 23. März 1993 – 4 BA 121/92 – in NZS 1993 S 403 f). Erreicht wird dieser Gesetzeszweck, indem die Erwerbsfähigkeit des Versicherten – wie ausgeführt – nicht nur in Bezug gesetzt wird zu dem bisher ausgeübten Beruf, sondern auch – abstrakt – zu einem theoretisch denkbaren, seinen Kenntnissen und Fähigkeiten (s oben) entsprechenden – zumutbaren – anderen Beruf des Arbeitsmarktes. Nicht ausreichend ist nach alledem für einen Anspruch auf BU allein eine medizinisch indizierte Aufgabe des bisherigen Berufs oder das Erreichen einer bestimmten Altersgrenze, und zwar auch dann nicht, wenn – wie etwa bei Ballettänzern – ein Beruf in der Regel nur bis zu einem bestimmten Alter ausgeübt werden kann. Das BSG hat in diesem Zusammenhang konsequent hinsichtlich des Anspruchs eines Berufsfußballspielers auf eine BU-Rente ausgeführt, die in der gesetzlichen Rentenversicherung Versicherten bildeten im Hinblick auf die abzusichernden Risiken – Invalidität, Alter und Tod – eine Solidargemeinschaft; den Angehörigen dieser Solidargemeinschaft sei es nicht zumutbar, aus den Erträgnissen ihrer in der Regel bis zum Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze ausgeübten „normalen” Erwerbstätigkeit die Beiträge aufzubringen, aus denen die Sportinvalidität eines noch jungen ehemaligen Berufssportlers zeitlich unbeschränkt zu berenten wäre, selbst wenn dieser unstreitig im normalen Erwerbsleben eine qualifizierte Tätigkeit gewinnbringend ausüben könne (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 161 S 523).

Die von der Systematik der gesetzlichen Rentenversicherung abweichende Konzeption der bbZ-AO 1983 mit der Leistungsvoraussetzung der Vollendung des 35. Lebensjahres nach 15jähriger beruflicher Tätigkeit (oder gesundheitsbedingter Berufsaufgabe) bei möglicher weiterer voller Erwerbstätigkeit mit entsprechendem, auf die bbZ nicht anrechenbarem Arbeitsentgelt – eine, wie dem Senat bekannt ist, häufig vorkommende Fallgestaltung – kennt das SGB VI nicht. Leistungen nach der bbZ-AO 1983 sind mithin in die gesetzliche Rentenversicherung ohne Systembruch oder ergänzende – auf das SGB VI zugeschnittene – Regelungen durch den Gesetzgeber nicht in die gesetzliche Rentenversicherung überführbar. Würde man eine Überführbarkeit der Leistungen dennoch bejahen, würde die Personengruppe der Ballettänzer in der ehemaligen DDR gegenüber allen anderen in der Bundesrepublik Deutschland in der Rentenversicherung Versicherten gleichheitswidrig privilegiert, weil diese nur unter den og erschwerten Bedingungen eine BU- (bzw EU-)Rente erhalten können (Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG). Dem steht auch nicht entgegen, daß nach dem Vorschlag der Bundesregierung im Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des SGB VI und anderer Gesetze nach Art. 1 Nr. 40 § 252a Abs. 1 Buchst b des Entwurfs Zeiten des Bezugs einer bbZ bei der Rentenberechnung als Anrechnungszeit berücksichtigt werden sollen. Es ist nicht erkennbar, daß diese Zeiten – was ihre Systematik anbelangt – mit anderen Anrechnungszeiten der gesetzlichen Rentenversicherung vergleichbar sind, wie etwa bei Bezug einer BU-Rente. Denn eine BU (und zwar auch nicht eine teilweise) war grundsätzlich nicht Voraussetzung für einen Anspruch auf bbZ, da die Vollendung des 35. Lebensjahres grundsätzlich alleiniger Entstehungstatbestand war. Infolgedessen handelte es sich entgegen der Auffassung der Bundesregierung (S 25 f E) bei der bbZ gerade nicht „um eine Versorgung wegen voller Berufsunfähigkeit”.

Festzuhalten ist somit, daß der Bundesgesetzgeber keine Regelungen getroffen hat, die eine Überführung der bbZ-AO 1983 und ihrer Leistungen in die gesetzliche Rentenversicherung ermöglichen. Es fehlen beispielsweise Bestimmungen darüber, welche Zeiten als „Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem” iS des AAÜG bei der Rentenberechnung zu berücksichtigen sind, ob etwa allein die Zeiten des aktiven Tanzens oder – auch – die Zeiten des Bezugs der bbZ heranzuziehen sind. Der Gesetzgeber hat auch nicht etwa klargestellt, daß die bbZ – unabhängig von ihrem Wesensgehalt – als eine in die Rentenversicherung nach § 4 AAÜG überführbare Leistung gilt.

Im übrigen kann auch im Hinblick auf die Spezialregelung in EV Nr. 6 von einem offenbaren Versehen des Gesetzgebers bei der Normierung des AAÜG (Anl 1 Nr. 17) ebenfalls nicht ausgegangen werden. Vielmehr ist gerade den getrennten – verschiedenartigen – Regelungen in EV Nr. 6 und in EV Nr. 9 zu entnehmen, daß die bbZ-AO 1983 nicht zu den Zusatzversorgungssystemen gehört; sie schließen sich vielmehr gegenseitig aus. Der EV unterscheidet nämlich gezielt zwischen der bbZ-AO 1983 im EV Nr. 6 einerseits und den Zusatz- und Sonderversorgungssystemen im EV Nr. 9 andererseits (vgl. BSG SozR 3-8570 § 17 Nr. 1 S 9). Gemäß EV Nr. 6 war die bbZ-AO 1983 bis zum 31. Dezember 1991 anzuwenden (Nr. 6a aaO); von der Anordnung konnte bis zum 31. Dezember 1991 durch Tarifvertrag und Betriebsvereinbarung abgewichen werden (Nr. 6b aaO). Damit ist nicht nur der begrenzte zeitliche Geltungsbereich der bbZ-AO 1983 aufgezeigt. Zugleich wird die bbZ-AO 1983 hierdurch dem Arbeitsrecht und nicht wie die Ansprüche aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen dem öffentlichen Recht, dh dem Sozialrecht zugeordnet. Denn EV Nr. 6b weist auf die Abänderbarkeit (bis zum 31. Dezember 1991) mit Hilfe ausschließlich arbeitsrechtlicher (und gerade nicht sozialrechtlicher) Gestaltungsmöglichkeiten hin, wie Tarifvertrag und Betriebsvereinbarung. Im Einklang damit steht die arbeitsrechtliche Grundlage des Anspruchs auf bbZ; dieser entsteht aus einem Arbeitsverhältnis, richtet sich gegen den Arbeitgeber (§ 4 Abs. 1 bbZ-AO 1983) und ist aus Mitteln der Einrichtung zu erfüllen (§ 4 Abs. 5 aaO).

Nach alledem sind die Leistungen aus der bbZ-AO 1983 nicht nach dem AAÜG in die Rentenversicherung überführt worden. Ein Aufspalten der bbZ-AO 1983 in eine betriebliche Leistung mit monatlicher Zuwendung durch den Arbeitgeber bei Ausscheiden aus dem Tänzerberuf und 15jähriger Berufstätigkeit oder bei Krankheit einerseits und in eine Zusatzversorgung mit monatlicher höherer Zuwendung durch die staatliche Versicherung bei Erreichen der Altersgrenze oder Eintritt in die Invalidität andererseits kommt nicht in Betracht (so aber Mutz und Holler in DAngVers 1995, S 212, 222). Denn die bbZ-AO 1983 hat grundsätzlich nur einen einzigen Leistungsfall, nämlich das Erreichen einer bestimmten Altersgrenze, die Vollendung des 35. Lebensjahres. Hierauf baut die – wie auch immer einzuordnende – Leistungszusage auf. Ein anderer Leistungsfall, etwa der des Alters, des Todes oder der der Invalidität iS einer BU oder EU wird in der bbZ-AO 1983 nicht genannt. Die an das Erreichen der Altersgrenze oder an den Eintritt der „Invalidität” anknüpfende Erhöhung der bbZ ist keine andere oder neue Leistung, sondern stellt lediglich eine Berechnungsmodalität dar.

Eine andere sozialrechtliche Anspruchsgrundlage für das Begehren der Klägerin ist nicht erkennbar. Insbesondere ist die bbZ-AO 1983 nicht „kraft Sachzusammenhangs” Teil der gesetzlichen Rentenversicherung des Bundes dadurch geworden, daß sie in EV Nr. 6 und damit im Sachgebiet H „gesetzliche Rentenversicherung” (iS des EV) geregelt worden ist. Denn dieses Sachgebiet umfaßt außer den Materien, die inhaltlich der gesetzlichen Rentenversicherung des SGB VI entsprechen, auch Renten arbeits-, entschädigungs- und dienstrechtlicher Natur (so BSG SozR 3-8570 § 17 Nr. 1 S 12f).

Auf Art. 19 EV iVm einer Versorgungszusage – gleich welcher Ausgestaltung – kann sich die Klägerin ebenfalls nicht berufen. Nach Art. 19 EV bleiben zwar Verwaltungsakte der ehemaligen DDR, die vor dem Beitritt ergangen sind, wirksam. Unter Verwaltungsakt in diesem Sinne ist jedoch im gesamten Bundesrecht eine Einzelentscheidung auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts (§ 31 des Zehnten Buchs Sozialgesetzbuch) zu verstehen (vgl. BSG SozR 3-8570 § 17 Nr. 1 S 13 und Vorlagebeschluß vom 14. Juni 1995 – 4 RA 1/95). Eine solche Einzelentscheidung auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts liegt jedoch im Hinblick auf den – wie ausgeführt – arbeitsrechtlichen Charakter der bbZ-AO 1983 nicht vor (so BSG SozR 3-8570 § 17 Nr. 1 S 13).

Eine öffentlich-rechtliche Grundlage für das Feststellungsbegehren der Klägerin ist somit nicht ersichtlich. Es fehlt jedoch auch an einer arbeitsrechtlichen bzw bürgerlich-rechtlichen Anspruchsgrundlage. Eine solche käme einmal in Betracht, wenn die Beklagte gegenüber der Klägerin eine entsprechende Verpflichtung schuldrechtlicher Art. auf Übernahme der Leistungen aus der bbZ-AO 1983 eingegangen wäre. Hierfür liegen jedoch keine Anhaltspunkte vor, unabhängig von der weiteren Frage, ob die Beklagte überhaupt berechtigt gewesen wäre, eine derartige Verpflichtung einzugehen. Die Beklagte ist zum anderen auch nicht aufgrund von § 232 Art. 1 EGBGB Schuldnerin der Klägerin geworden. Selbst wenn die Vorschrift grundsätzlich auch auf Rechtsverhältnisse aus der bbZ-AO 1983 Anwendung finden sollte, so wäre die Beklagte nicht Anspruchsgegnerin einer entsprechenden Forderung der Klägerin. Denn die Beklagte ist als Trägerin der gesetzlichen Rentenversicherung weder Rechtsnachfolgerin des früheren Arbeitgebers der Klägerin als Öffentlicher Dienstherr bzw Arbeitgeber geworden noch mangels entsprechender bundesrechtlicher Regelung insoweit Funktionsnachfolgerin (Art. 13 EV; § 8 Abs. 4 AAÜG).

Infolgedessen sind Ansprüche der Klägerin aus der bbZ-AO 1983 grundsätzlich zum 31. Dezember 1991 erloschen. Entgegen der Auffassung der Klägerin gibt es kein iS von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG inhaltsbestimmendes Bundesgesetz, das die Ansprüche und Anwartschaften auf bbZ als Eigentum im Sinne der Institutsgarantie qualifiziert und als grundrechtlich geschütztes Individualeigentum ausgestaltet. Mithin steht der Klägerin ab 1. Januar 1992 – wie allen übrigen in der Bundesrepublik Deutschland in der gesetzlichen Rentenversicherung Versicherten – ein Anspruch auf Rente ausschließlich gemäß den Bestimmungen des SGB VI bei Eintritt der dort aufgezählten Leistungsfälle zu.

Die Regelung verstößt auch nicht gegen Bestimmungen der EMRK sowie des Zusatzprotokolls. Eine Eigentumsverletzung nach Art. 1 des Zusatzprotokolls zur EMRK, wonach jede natürliche Person ein Recht auf Achtung ihres Eigentums hat und grundsätzlich niemandem sein Eigentum entzogen werden darf, liegt nicht vor. Denn selbst wenn die bbZ ein ES von Art. 2 des Verfassungsgrundsätzegesetzes der DDR eigentumsgeschützter Anspruch gewesen wäre, wäre dieser mit dem Ende der DDR untergegangen, weil ein derartiger Anspruch nicht in bundesdeutsches Recht überführt worden ist (vgl. im übrigen zur EMRK im Rahmen der Oberleitung rentenrechtlicher Ansprüche: stellvertretend Vorlagebeschluß vom 14. Juni 1995 – 4 RA 1/95).

Der Bundesgesetzgeber war auch nicht nach Art. 14 Abs. 1 oder nach Art. 3 Abs. 1 GG verpflichtet, die Weitergeltung der Ansprüche nach der bbZ-AO 1983 anzuordnen.

Der Bundesgesetzgeber war zwar bei Ausgestaltung des EV gehalten, die Rechte und Pflichten der deutschen Staatsbürger im Beitrittsgebiet ab 3. Oktober 1990 verfassungs- und damit grundrechtsgemäß auszugestalten (vgl. BSG SozR 3-8570 § 11 Nr. 3 S 32; Vorlagebeschluß vom 14. Juni 1995 – 4 RA 1/95). Indessen erstreckte sich die Institutsgarantie iS von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG nicht rückwirkend auf Erwerbstatbestände, die im Gebiet der ehemaligen DDR zurückgelegt worden sind (vgl. Urteil vom 14. Juni 1995 – 4 RA 41/94); Rechtsnormen der ehemaligen DDR können „inhaltsbestimmende” Gesetze iS von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 Regelung 1 GG nur sein, soweit sie durch den EV hierzu erhoben worden sind; dies ist hinsichtlich der bbZ, wie ausgeführt, nicht der Fall. Die Institutsgarantie nach Art. 14 Abs. 1 GG verpflichtete den Gesetzgeber auch nicht, für sämtliche Leistungen der ehemaligen DDR und ihrer Gliederungen, seien sie privat- oder Öffentlich-rechtlicher Art. einzustehen. Er war vielmehr berechtigt, unter Beachtung der finanziellen Möglichkeiten und der von ihm zur Förderung der Herstellung der inneren Einheit gesetzten Prioritäten den sozialen Schutz zunächst so auszugestalten, daß er für alle zumindest eine Rentenleistung sicherte, die nach der Art. ihrer Gestaltung typischerweise, dh bei einem den allgemeinen Regeln entsprechenden Arbeitsleben, zur angemessenen Sicherung der Existenz ausreichte. Dies ist für die Klägerin durch die Gewährung einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung geschehen. Damit hat sie erstmals iS von Art. 14 GG Eigentum an einer sozialrechtlichen Rechtsposition erlangt (vgl. BSG SozR 3-8570 § 11 Nr. 3 S 32).

Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen, gegen seine Verpflichtung bei der Ausgestattung von sozialen Rechten und Pflichten das Ziel der Gleichheit der Lebensverhältnisse im ganzen Bundesgebiet zu berücksichtigen und bei der Verfolgung dieses Ziels sachgerecht und verhältnismäßig zu differenzieren (vgl. hierzu BSGE 72, 50, 66 f = SozR 3-8570 § 10 Nr. 1 S 20; BSGE 74, 184, 194 = SozR 3-8570 § 11 Nr. 1 S 11). Eine darüber hinausgehende Verpflichtung zugunsten des betroffenen Personenkreises bestand für den Gesetzgeber im Hinblick auf das Gleichbehandlungsgebot nicht. Insbesondere liegt keine unsachliche Ungleichbehandlung der Bezieher der bbZ im Verhältnis zu den Anwartschaftsberechtigten vor, die Mitglieder der FZR waren und deren Einkünfte – soweit Beiträge entrichtet worden waren – bis zur Höhe der Beitragsbemessungsgrenze bei der Rentenberechnung zu berücksichtigen sind. Um eine solche Ungleichbehandlung würde es sich nur dann handeln, wenn der Gesetzgeber eine Gruppe von Normadressaten im Verhältnis zu anderen Normadressaten anders behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art. und solchem Gewicht bestehen, daß sie eine Ungleichbehandlung rechtfertigen (vgl. BVerfGE 55, 72, 88; 84, 133, 157). Hier war ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung nicht nur im Hinblick auf die fehlende Beitragsleistung der Bezieher von bbZ gegeben, sondern auch im Hinblick auf die Möglichkeit der „Mitglieder” der bbZ-AO 1983, sich – ebenso wie die Mitglieder der FZR – während ihrer Erwerbstätigkeit zusätzlich in der FZR zu versichern, um sich eine – zusätzliche – Rente für den Eintritt des Leistungsfalles (und zwar auch für ihre Hinterbliebenen im Falle des Todes) zu verschaffen. Wenn ein unter die bbZ-AO 1983 fallendes Ballettmitglied sich nicht in der FZR versicherte, so beruhte dies auf seinem freien Entschluß. Es ist sachlich gerechtfertigt, daß es die damit verbundenen Nachteile tragen muß. Es ist nach der Auskunft der Beklagten weder ein Anhaltspunkt dafür erkennbar, daß es Ballettänzern etwa grundsätzlich unmöglich war, der FZR beizutreten, noch liegen Anhaltspunkte dafür vor, daß Bezieher von bbZ nicht in der Lage waren, ab ihrem 36. Lebensjahr noch eine versicherungspflichtige Tätigkeit auszuüben. Sollte ihr Gehalt (oder das Gehalt einiger) nicht über 600,00 M gelegen haben und konnten sie aus diesem Grunde zum Zeitpunkt ihres aktiven Tanzens oder später nicht der FZR beitreten, so waren sie einer Vielzahl in der DDR Erwerbstätiger mit entsprechender Einkommenssituation gleichgestellt. Eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung ist somit nicht erkennbar.

Entgegen der Auffassung der Klägerin war der Gesetzgeber auch nicht verpflichtet, die Altersversorgung der Ballettänzer entsprechend der Altersversorgung der vergleichbaren westdeutschen Berufsangehörigen (in Gestalt der beamtenrechtlichen und berufsständischen Versorgung oder durch Sozialversicherungsrenten iVm ergänzenden, betrieblichen oder tariflich vereinbarten zusätzlichen Versorgungen) anzupassen, obwohl diese günstiger ist als die vergleichbare der ostdeutschen Berufsangehörigen. Im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit brauchte der Gesetzgeber nicht zu Lasten der Versichertengemeinschaft bzw der Allgemeinheit den Umstand auszugleichen, daß durch den Staats bankrott der DDR einschließlich ihrer Versicherungs- und Versorgungssysteme die Lebensleistung auch besonders qualifizierter Erwerbstätiger wirtschaftlich völlig entwertet war. Er mußte nicht diejenigen, die Versorgungsversprechen der DDR erhalten hatten, die über das für die Arbeiter und Angestellten allgemein zugesagte Niveau aus Sozialpflicht- und freiwilliger Zusatzrentenversicherung hinausgingen, rückwirkend und kostenfrei so stellen, als hätten auch sie die Gegenleistungen für die speziellen Alterssicherungssysteme in der Bundesrepublik Deutschland erbracht (vgl. hierzu Urteil vom 14. Juni 1995 – 4 RA 41/94).

Nach alledem hat der Klägerin zum Zeitpunkt des Erlöschens ihrer Ansprüche auf bbZ auch keine verfassungsrechtliche Rechtsposition zugestanden, die ihr Feststellungsbegehren ganz oder teilweise stützen könnte. Eine Vorlage iS von Art. 100 Abs. 1 GG kommt nicht in Betracht.

Ein Recht auf Gesetzgebung kann die Klägerin vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit nicht verfolgen, weil der einzelne Staatsbürger grundsätzlich keinen Anspruch auf ein bestimmtes Handeln des parlamentarischen Gesetzgebers hat (vgl. hierzu BSGE 72, 50, 52 f = SozR 3-8570 § 10 Nr. 1 S 4).

Die Revision ist mithin im wesentlichen unbegründet.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI946281

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