Beteiligte
Landesversicherungsanstalt Schleswig-Holstein |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 14. März 1997 aufgehoben.
Die Sache wird zu erneuter Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Gründe
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu gewähren ist.
Die 1940 geborene Klägerin war in der ehemaligen DDR nach abgeschlossenem Schulbesuch von 1965 bis 1973 als Baggerfahrerin beschäftigt. Im Folgejahr war sie zwei Monate als Aushilfskraft in der Fischverarbeitung tätig. Von Oktober 1974 bis Juli 1977 arbeitete sie als Kesselwärterin. In dieser Zeit durchlief sie von Februar bis Dezember 1975 eine Ausbildung zur staatlich geprüften Kesselwärterin. Von Juli 1977 bis April 1978 war sie Maschinenbedienerin in einer Bettfedernreinigung. Nach dem Versuch illegaler Ausreise wurde sie wegen „Republikflucht” zu einer Haftstrafe verurteilt. Durch „Freikauf” gelangte sie im Juli 1979 in die Bundesrepublik, wo sie zunächst bis August 1980 arbeitslos war. Anschließend war sie bis Dezember 1981 als Stewardeß und Köchin zur See tätig. Danach war sie wiederum bis Juli 1984 arbeitslos. Schließlich war sie bis Dezember 1985 als Imbißverkäuferin Angestellte im Betrieb des Ehemannes. Seitdem ist sie keiner Erwerbstätigkeit mehr nachgegangen.
Durch Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts (LSG) vom 22. Februar 1992 wurde der Klägerin wegen der Folgen der DDR-Haft eine Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 30 vH zugesprochen. Ihr im August 1992 gestellter Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Berufs-/Erwerbsunfähigkeit (BU/EU) wurde von der Beklagten abgelehnt (Bescheid vom 9. August 1993; Widerspruchsbescheid vom 15. Februar 1994). Nach weiteren medizinischen und berufskundlichen Ermittlungen hat das Sozialgericht Itzehoe (SG) die Beklagte verurteilt, der Klägerin Rente wegen BU zu gewähren, und die weitergehende Klage auf Gewährung einer EU-Rente abgewiesen (Urteil vom 28. Juni 1995). Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG das Urteil des SG abgeändert, die Klage in vollem Umfang abgewiesen und die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Urteil vom 14. März 1997). Es hat seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet:
Die Klägerin sei nicht berufsunfähig iS des § 43 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI). Ihr stehe kein Berufsschutz als Facharbeiterin zu. Die bis Juli 1977 ausgeübte Tätigkeit als Kesselwärterin begründe keinen solchen Berufsschutz. Diese Frage bedürfe jedoch keiner abschließenden Erörterung; denn die Klägerin habe sich von diesem Beruf im Jahre 1977 gelöst. Sie habe ihren Beruf nicht aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben. Nach ihren eigenen Angaben habe sie eine andere Tätigkeit aufgenommen, um sich auf die Flucht aus der ehemaligen DDR vorzubereiten. Dabei könnten auch die im Abschlußbericht der S. -Klinik geschilderten Umstände von Bedeutung gewesen sein; sie hätten zur Beendigung der Tätigkeit als Kesselwärterin zumindest beigetragen. Nach den von der Klägerin im Jahre 1980 gemachten Angaben habe die Staatssicherheit wegen eines von ihr gestellten Ausreiseantrags versucht, ihr die Verantwortung für eine Kesselexplosion zuzuschieben, bei der ein Arbeitskollege ums Leben gekommen sei. Aufgrund dieser Umstände sei die Chance der Klägerin, bei einem Verbleib in der DDR wieder in den früheren Beruf zurückzukehren, so gering gewesen, daß eine Trennung von diesem Beruf als endgültig anzusehen gewesen sei.
Später habe die Klägerin keinen neuen Berufsschutz erworben. Hinsichtlich der Tätigkeit in einer Bettfedernreinigung gebe es keine Hinweise, daß diese Arbeit mit einer tariflichen Facharbeiterentlohnung verbunden gewesen sei. Selbst wenn dies zuträfe, sei nicht ersichtlich, wie und wo die Klägerin die Kenntnisse und Fähigkeiten erworben hätte, eine Maschinenbedienertätigkeit auf Facharbeiterebene auszuüben. Auch durch die Tätigkeiten als Stewardeß und Köchin zur See sowie als Imbißverkäuferin habe sie keinen Berufsschutz erworben; dafür hätten die Tätigkeiten nicht lange genug gedauert.
Die Klägerin sei demnach auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar. Mit ihrem Restleistungsvermögen könne sie die in den angefochtenen Bescheiden aufgeführten Arbeiten – außer Kassierertätigkeiten – ausführen. Da die Klägerin nicht berufsunfähig sei, sei sie erst recht nicht erwerbsunfähig.
Mit der vom Bundessozialgericht (BSG) zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 43 Abs 2 SGB VI und einen Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht (§ 103 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫). Dazu trägt sie vor: Zu Unrecht habe das LSG eine Lösung vom Beruf der Kesselwärterin angenommen. Es hätte die Ursachen der Aufgabe dieser Tätigkeit weiter aufklären müssen. Sie, die Klägerin, habe bereits im Berufungsverfahren vorgetragen, daß der Berufswechsel aus gesundheitlichen Gründen erfolgt sei. Aus den Verfahrensunterlagen ergebe sich, daß sie während der Beschäftigung als Kesselwärterin mehrfach Ausreiseanträge gestellt habe. Dadurch sei sie unter großen psychischen Druck geraten, so daß sie nicht nur in ihrem alten Betrieb mehrfach arbeitsunfähig, sondern auch in ihrem neuen Betrieb in der Zeit vom 26. August 1977 bis zu ihrer Flucht krankgeschrieben gewesen sei. Dem psychischen Druck habe sie sich nur durch Betriebswechsel bzw Verzicht auf Ausreise entziehen können. Die Annahme des LSG, der Betriebswechsel sei erfolgt, um sich auf die Flucht vorzubereiten, werde dem nicht gerecht.
Zu Unrecht habe das LSG offengelassen, ob sie in dem Beruf als Kesselwärterin Berufsschutz erworben habe; damit habe es gegen § 103 SGG verstoßen. Ein entsprechender Berufsschutz habe nach den Ausführungen des berufskundlichen Sachverständigen im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegen. Sie habe unter den Bedingungen der ehemaligen DDR mit dem vorausgegangenen Praktikum und der intensiven theoretischen Schulung sowie der nachfolgenden Bewährung im Beruf den Status einer gehobenen Facharbeiterin erworben.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 14. März 1997 aufzuheben, soweit es die Versagung von Rente wegen BU betrifft, und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 28. Juni 1995 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angegriffene Urteil für zutreffend. Darüber hinaus bringt sie vor: Der Klägerin habe als Kesselwärterin nicht der Qualifikationsstatus einer Facharbeiterin zugestanden. Die kurze Einarbeitungszeit sei nicht geeignet, einen solchen Berufsschutz zu begründen. Die hohe Entlohnung sei hierfür nicht ausschlaggebend. Auch die vorherigen und späteren Tätigkeiten der Klägerin hätten nur das Niveau des allgemeinen Arbeitsfeldes gehabt.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis zur Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).
II
Die Revision der Klägerin ist zulässig und begründet. Sie führt zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz, weil die berufungsgerichtlichen Tatsachenfeststellungen nicht ausreichen, um abschließend beurteilen zu können, ob die Klägerin berufsunfähig ist.
Nicht mehr streitig ist die Gewährung einer Rente wegen EU; denn die Klägerin hat insoweit keine Revision gegen das zweitinstanzliche Urteil eingelegt.
Der Anspruch der Klägerin auf Versichertenrente wegen BU richtet sich nach dem am 1. Januar 1992 in Kraft getretenen SGB VI (vgl Art 85 Abs 1 des Rentenreformgesetzes 1992 vom 18. Dezember 1989 - BGBl I 2261), da er sich auf die Zeit ab Antragstellung (August 1992) bezieht (vgl § 300 Abs 1 und 2 SGB VI). Nach § 43 Abs 1 SGB VI haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen BU, wenn sie
- berufsunfähig sind,
- in den letzen fünf Jahren vor Eintritt der BU drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
- vor Eintritt der BU die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Berufsunfähig sind nach § 43 Abs 2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist (Satz 1). Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfaßt alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (Satz 2). Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (Satz 4).
Ausgangspunkt für die Prüfung der BU ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG der „bisherige Beruf”, den der Versicherte ausgeübt hat (vgl BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 107 S 334, 169 S 544; BSG SozR 3-2600 § 43 Nr 17 S 58). Das LSG hat keine näheren Feststellungen zum bisherigen Beruf der Klägerin getroffen, insbesondere nicht dazu, ob sie die zuletzt ausgeübten Tätigkeiten als Kesselwärterin, Maschinenbedienerin, Stewardeß und Köchin zur See sowie als Imbißverkäuferin angesichts ihrer gesundheitlichen Einschränkungen noch ausüben kann. Es hat hierzu nur ausgeführt, die Klägerin sei trotz einer schweren neurotischen Persönlichkeitsstörung und der im Jahre 1980 erlittenen Haftbedingungen bis Januar 1986 in der Lage gewesen, leichte Arbeiten im Sitzen und Stehen fortgesetzt vollschichtig zu verrichten. Die Neigung zu Depressivität und Erschöpfung sowie die Wirbelsäulenbeschwerden erforderten zusätzlich die Vermeidung von Nachtschichten, besonderem Zeitdruck, besonderer nervlicher Belastung (zB durch Publikumsverkehr), häufigem Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten, überwiegend einseitiger Körperhaltung sowie Kälte, Zugluft und Nässe. Mit diesem Restleistungsvermögen sei die Klägerin auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar. Diesen zweitinstanzlichen Ausführungen ist zu entnehmen, daß das LSG mangelnde Einsatzfähigkeit der Klägerin in ihrem bisherigen Beruf unterstellt und zudem angenommen hat, daß es zumindest eine andere Tätigkeit gebe, die der Klägerin sozial zumutbar sei und die sie sowohl gesundheitlich als auch fachlich ausüben könne. Der erkennende Senat sieht sich nicht in der Lage, diese Beurteilung des LSG zu bestätigen, weil es insoweit an hinreichenden Tatsachenfeststellungen fehlt.
Ausgehend von dem in § 43 Abs 2 SGB VI verankerten Gedanken des Berufsschutzes soll demjenigen Versicherten, der aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der bisherigen Weise arbeiten kann, ein zu starkes Absinken im Beruf erspart bleiben (vgl BSG, Urteil vom 30. Juli 1997 - 5 RJ 8/96). Unter Berücksichtigung dieses Gedankens beurteilt sich die Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit nach der Wertigkeit des bisherigen Berufs. Zur Erleichterung dieser Beurteilung hat die Rechtsprechung des BSG die Versicherten in Gruppen eingeteilt. Diese Berufsgruppen sind ausgehend von der Bedeutung, die Dauer und Umfang der Ausbildung für die Qualität eines Berufs haben, gebildet worden. Entsprechend diesem sog Mehrstufenschema werden die Arbeiterberufe durch Gruppen mit dem Leitberuf des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), des angelernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von bis zu zwei Jahren) und des ungelernten Arbeiters charakterisiert (vgl zB BSG SozR 2200 § 1246 Nr 140 S 453 mwN; BSG SozR 3-2600 § 43 Nr 15 S 49).
Die nach diesem Schema vorzunehmende Einordnung erfolgt aber nicht ausschließlich nach der Dauer der absolvierten förmlichen Ausbildung. Entscheidend ist vielmehr die Wertigkeit der verrichteten Arbeit, dh der aus einer Mehrzahl von Faktoren zu ermittelnde Wert der Arbeit für den Betrieb. Es kommt auf das Gesamtbild an, wie es durch die in § 43 Abs 2 Satz 2 SGB VI am Ende genannten Merkmale (Dauer und Umfang der Ausbildung sowie des bisherigen Berufs, besondere Anforderungen der bisherigen Berufstätigkeit) umschrieben wird (vgl BSG SozR 3-2600 § 43 Nr 15 S 50, Nr 17 S 58 f mwN). Davon ausgehend darf der Versicherte im Vergleich zu seinem bisherigen Beruf grundsätzlich auf die nächstniedrigere Berufsgruppe verwiesen werden (vgl BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr 5 S 21f mwN; BSG SozR 3-2600 § 43 Nr 17 S 59). Was die Suche nach Verweisungstätigkeiten anbelangt, die den Kräften und Fähigkeiten eines Versicherten entsprechen, so ist nach der vom Großen Senat des BSG (vgl BSGE 80, 24 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8) bestätigten Rechtsprechung des BSG davon auszugehen, daß einem Versicherten grundsätzlich zumindest eine Tätigkeit konkret zu benennen ist, die er noch ausüben kann. Eine derartige Bezeichnung einer Verweisungstätigkeit ist hingegen grundsätzlich nicht erforderlich, wenn der Versicherte zwar nicht mehr zu körperlich schweren, aber doch vollschichtig zu mittelschweren oder leichten Arbeiten in der Lage ist und auf den allgemeinen Arbeitsmarkt ungelernter Tätigkeiten verweisbar ist.
Nach diesen Kriterien wäre die Klägerin sozial zumutbar nur dann ohne weiteres auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar, wenn ihr bisheriger Beruf höchstens dem unteren Bereich der Gruppe mit dem Leitberuf des angelernten Arbeiters zuzuordnen wäre. Hat sie jedoch zuletzt einen Beruf ausgeübt, der dem oberen Bereich der angelernten Arbeiter zuzuordnen ist, müßte ihr zumindest eine ungelernte Tätigkeit konkret benannt werden, die sich durch Qualitätsmerkmale, zB des Erfordernis einer nennenswerten Einweisung oder Einarbeitung, die Notwendigkeit beruflicher oder betrieblicher Vorkenntnisse, auszeichnet (vgl etwa BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr 45 S 187 mwN). Wollte das LSG auf eine genaue Ermittlung des bisherigen Berufs der Klägerin verzichten, hätte es sich mithin nicht darauf beschränken dürfen, bezüglich aller in Betracht kommenden Tätigkeiten einen Berufsschutz der Klägerin als Facharbeiterin zu verneinen. Vielmehr hätte es auch ausschließen müssen, daß die Klägerin nicht als angelernte Arbeiterin oberen Ranges einzustufen war. Dies ist indes nicht geschehen.
Auf entsprechende Ermittlungen hätte das LSG allerdings dann verzichten können, wenn es der Klägerin zumindest eine Verweisungstätigkeit benannt hätte, die auch für eine „obere Angelernte” sozial zumutbar wäre. Insoweit hat das LSG nur auf die in den angefochtenen Bescheiden genannten Verweisungstätigkeiten – mit Ausnahme von Kassierertätigkeiten – Bezug genommen. Ob es sich bei den im Widerspruchsbescheid vom 15. Februar 1994 bezeichneten Tätigkeiten (einfache Arbeiten an Stanzen, Pressen und Bohrern in der metallverarbeitenden Industrie; leichte Sortier-, Pack- und Lagerarbeiten; einfache Prüf- und Kontrolltätigkeiten sowie Kassiertätigkeiten in Freizeiteinrichtungen und Parkhäusern) um herausgehobene Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes im og Sinne handelt, kann ohne Feststellung von qualitätsrelevanten Merkmalen nicht beurteilt werden.
Da der erkennende Senat die erforderlichen ergänzenden Ermittlungen im Revisionsverfahren nicht selbst nachholen kann (vgl § 163 SGG), ist das vorinstanzliche Urteil bereits aus diesem Grunde gemäß § 170 Abs 2 Satz 2 SGG aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Das LSG wird bei seinen weiteren Ermittlungen zunächst den bisherigen Beruf der Klägerin festzustellen haben. Dabei ist unter dem bisherigen Beruf in der Regel die letzte nicht nur vorübergehend vollwertig ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit zu verstehen. Sie ist auch dann maßgebend, wenn sie nur kurzfristig verrichtet wurde, aber zugleich die qualitativ höchste im Berufsleben des Versicherten war (vgl BSG SozR 2200 § 1246 Nr 130 S 13; BSG SozR 3-2600 § 43 Nr 17 S 58). Die Aufnahme einer anderen Tätigkeit führt nicht in jedem Fall zur Lösung vom früheren Beruf, sondern nur dann, wenn der neue Beruf versicherungsrechtlich relevant ist, wenn er also die Voraussetzungen erfüllt, die unabhängig von der früheren Berufsentwicklung zum Erwerb eines versicherungsrechtlich geschützten Berufs führen. Das ist dann der Fall, wenn der Beruf mit dem Ziel aufgenommen und ausgeübt wird, ihn weiterhin bis zum Eintritt der gesundheitlichen Unfähigkeit oder bis zur Erreichung der Altersgrenze – also auf Dauer – auszuüben. Deshalb ist die nur vorübergehende Aufnahme einer anderen Tätigkeit unschädlich; sie führt nicht zum Erwerb eines neuen Dauerberufs und damit nicht zum Verlust des alten Berufs (BSG SozR 2200 § 1246 Nr 158 mwN). So hat die Rechtsprechung keine Lösung von dem früheren Beruf angenommen, wenn der Versicherte die neue Tätigkeit nur aufnimmt, um Zeiten der Arbeitslosigkeit zu überbrücken (BSG SozR 2200 § 1246 Nr 130).
Auf der anderen Seite ist eine Lösung vom bisherigen Beruf – wovon auch das LSG ausgeht – immer dann zu bejahen, wenn der rentenrechtlich relevante Berufswechsel freiwillig erfolgt (vgl dazu BSG Urteil vom 16. Februar 1962 - 4 RJ 183/62). Wurde die Arbeit gezwungenermaßen aufgegeben, so ist zu unterscheiden: Waren dafür gesundheitliche Gründe verantwortlich, bleibt der Berufsschutz erhalten, da sich insofern gerade das versicherte Risiko der gesetzlichen Rentenversicherung verwirklicht hat (vgl BSGE 2, 182, 187; BSG SozR Nr 33 zu § 1246 RVO). Dabei ist nicht erforderlich, daß die gesundheitlichen Gründe allein ursächlich waren; ausreichend ist, daß die gesundheitlichen Umstände den Berufswechsel wesentlich mitverursacht haben (BSGE 38, 14 ff = SozR 2600 § 45 Nr 6). Lagen hingegen andere – insbesondere betriebliche – Gründe vor, ist eine Lösung im vorerwähnten Sinne jedenfalls dann anzunehmen, wenn sich der Versicherte sofort oder im Laufe der Zeit mit dem Wechsel abgefunden hat (vgl BSGE 15, 212, 214 = SozR Nr 16 zu § 35 RKG aF; BSGE 46, 121, 123 = SozR 2600 § 45 Nr 22; BSG vom 30. Juli 1997 - 5 RJ 20/97). Ein endgültiges Sich-Abfinden mit dem neuen, nunmehr ausgeübten Beruf kann auch im Laufe der Zeit unter dem Druck der Verhältnisse erfolgen (vgl BSGE 46, 121 = SozR 2600 § 45 Nr 22 mwN). Von welcher Art dieser Druck ist, ist grundsätzlich unerheblich. Auch wenn der Versicherte zB wegen der Aussichtslosigkeit, zum früheren höherwertigen Beruf zurückzukehren, resigniert und sich endgültig einem anderen Beruf zuwendet, ist versicherungsrechtlich vom letzteren Beruf auszugehen.
Eine Ausnahme ist für den Fall zu machen, daß das Sich-Abfinden mit der dauerhaften Ausübung des geringerwertigen Berufs auch auf der inzwischen eingetretenen gesundheitlichen Unfähigkeit zur Ausübung des früheren, höherwertigen Berufs beruht. Ist die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten aus gesundheitlichen Gründen auf ein bestimmtes Maß herabgesunken, so macht es versicherungsrechtlich keinen Unterschied, ob dies allmählich, stufenweise oder plötzlich geschehen ist (BSG SozR 2200 § 1246 Nr 158).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sollte das LSG zunächst feststellen, ob mit dem Berufswechsel von der Kesselwärterin zur Maschinenbedienerin eine berufliche Schlechterstellung der Klägerin verbunden war. Andernfalls wäre ein bis dahin ggf erworbener Berufsschutz schon aus diesem Grunde nicht verlorengegangen (vgl auch BSG vom 28. März 1980 - 5 RJ 40/79). Für einen sozialen Abstieg könnten die Angaben im Versicherungsverlauf sprechen, wonach die Klägerin in ihrem Beruf als Kesselwärterin höher als in ihrem Beruf als Maschinenbedienerin entlohnt wurde. Sofern die höhere Entlohnung auf qualitätsfremden Merkmalen beruht haben sollte, wäre dies allerdings nicht zu berücksichtigen.
Sollte ein sozialer Abstieg eingetreten sein, käme es darauf an, ob sich die Klägerin durch die Aufnahme der Tätigkeit als Maschinenbedienerin oder auch später von ihrem Beruf gelöst hat. Dagegen könnten sich vorliegend Bedenken unter den Gesichtspunkten der kurzen Dauer der Tätigkeit als Maschinenbedienerin und der im Versicherungsverlauf ausgewiesenen langen Krankheitszeiten ergeben. Überdies hat die Klägerin nach ihren eigenen Angaben die Beschäftigung in der Bettfedernreinigung nur deshalb aufgenommen, um sich auf ihre Flucht aus der DDR vorzubereiten.
Soweit die Aufnahme eines neuen Dauerberufs vorliegen sollte, könnte sich die Prüfung anbieten, ob die Klägerin freiwillig aus dem Beruf der Kesselwärterin ausgeschieden ist. Bedenken gegen eine solche Freiwilligkeit könnten sich ergeben, wenn auf die Klägerin – wie im Revisionsverfahren erstmals vorgetragen – psychischer Druck durch die Staatssicherheit ausgeübt worden wäre, so daß für die Berufsaufgabe zB auch krankheitsbedingte Gründe wesentlich mitursächlich gewesen sein könnten.
Auch wenn eine wesentliche krankheitsbedingte Ursache für die Berufsaufgabe auszuschließen wäre, könnte Anlaß zu der Prüfung bestehen, ob dem Druck der Staatssicherheit nicht ausnahmsweise ein solches Gewicht zugekommen sein könnte, daß die Freiwilligkeit ausgeschlossen war. Im übrigen können in sozialistischen Staaten bei der Beendigung einer Tätigkeit betriebliche und politische Ursachen identisch oder miteinander vermischt sein (BSG SozR 2200 § 1246 Nr 158 S 512).
Ist das Arbeitsverhältnis der Klägerin als Kesselwärterin nicht aus Gesundheitsgründen, aber doch unfreiwillig beendet worden, könnte eine Lösung von diesem Beruf vorliegen, wenn die Klägerin keine realistische Chance auf eine Wiederbeschäftigung hatte. Für eine diesbezügliche Prognose wäre nicht allein auf die Verhältnisse in der ehemaligen DDR abzustellen, sondern auch zu prüfen, ob die Klägerin nach geglückter Flucht in der Bundesrepublik wieder als Kesselwärterin hätte arbeiten können. Fehlende Versuche der Klägerin, in der Bundesrepublik in den alten Beruf als Kesselwärterin zurückzukehren, wären ihr dann nicht anzulasten, wenn sie hierzu aus gesundheitlichen Gründen (zB infolge der Folterungen in der DDR-Haft) nicht in der Lage gewesen wäre, obwohl sie ihren Berufswunsch ursprünglich beibehalten hatte.
In bezug auf die von der Klägerin in der Bundesrepublik ausgeübten Tätigkeiten könnten vom LSG ggf entsprechende Prüfungen vorzunehmen sein.
Schließlich wird das LSG über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.
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