Beteiligte
Tenor
Auf die Revision des Klägers werden die Urteile des Landessozialgerichts für das Saarland vom 10. September 1998 und des Sozialgerichts für das Saarland vom 18. Juli 1996 sowie der Bescheid der Beklagten vom 21. Mai 1997 aufgehoben.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten; im übrigen sind keine Kosten zu erstatten.
Gründe
I
Streitig ist die Erstattung von Arbeitslosengeld (Alg) in Höhe von 9.615,40 DM, das für die Zeit vom 1. August bis 31. Dezember 1993 gezahlt worden ist.
Der 1940 geborene Kläger war seit 3. September 1969 als Hüttenarbeiter bei der S. AG bzw deren Rechtsvorgängern beschäftigt. Seine ordentliche Kündigungsfrist soll nach der Arbeitsbescheinigung sechs Monate zum Monatsende betragen haben. Nachdem die S. AG im Mai 1993 einen Konkursantrag gestellt hatte, schloß der Kläger mit ihr am 18. Juni 1993 einen Aufhebungsvertrag, nach dem sein Arbeitsverhältnis zum 31. Juli 1993 endete. Außerdem nahm der Kläger ein Angebot der Beigeladenen, einer von der früheren S. V. GmbH gegründeten Stiftung, an, die ihm als Ausgleich für Einkommensverluste infolge der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses einen bestimmten Nettobetrag seines früheren Einkommens garantierte, auf den andere Leistungen, ua Alg, angerechnet wurden. Die Leistungen der Beigeladenen wurden dem Kläger ab 1. August 1993 in Höhe des Betrages gezahlt, der den von der Beklagten gezahlten Alg-Betrag überstieg.
Alg wurde ab 2. August 1993 in Höhe von 440,00 DM wöchentlich für die Dauer von 676 Tagen gewährt (Bescheid vom 30. Juli 1993), nachdem die Beklagte zuvor die Beigeladene mit Schreiben vom 28. Juli 1993 darüber in Kenntnis gesetzt hatte, daß Ansprüche auf die das Alg übersteigenden Beträge in noch zu errechnender Höhe auf sie (die Beklagte) übergingen. Der Kläger bezog Alg bis 28. September 1995 und ab 29. September 1995 Anschluß-Arbeitslosenhilfe (Alhi); ab 1. August 1993 wurde ihm außerdem von der Bundesknappschaft Rente wegen Berufsunfähigkeit und von der Landesversicherungsanstalt eine Zusatzrente aus der Hüttenknappschaftlichen Zusatzversicherung bewilligt.
Wegen unterschiedlicher Auffassungen darüber, ob die dem Kläger und anderen bei der S. AG ausgeschiedenen Arbeitnehmern zustehenden Leistungen der Beigeladenen zu einem Ruhen der Alg-Ansprüche führten, vereinbarten die Beklagte und die Beigeladene im Juli 1994, im Interesse einer für den einzelnen Arbeitslosen transparenteren Entscheidung Erstattungsansprüche der Beklagten global mit der Beigeladenen abzuwickeln. Es wurde ein voraussichtlicher, in zwei Abschlagszahlungen Anfang und Mitte 1995 fälliger Gesamterstattungsanspruch in Höhe von 8.000.000,00 DM festgelegt, der erst später endgültig abgerechnet werden sollte. Zu diesem Zwecke sollten die Arbeitsämter in vier ausgewählten Fällen dem Grunde nach das Ruhen der Alg-Ansprüche feststellen, während die Beigeladene sicherstellen sollte, daß die entsprechenden Bescheide von den betroffenen Arbeitslosen angefochten würden und der Rechtsweg ausgeschöpft werde. Nach dem Ergebnis der höchstrichterlichen Sachentscheidung würden dann alle gleichgelagerten Fälle abgewickelt werden; sollte eine höchstrichterliche Sachentscheidung nicht zu erzielen sein, würden die Fälle nach der rechtskräftigen Entscheidung des Landessozialgerichts (LSG) abgewickelt werden, soweit dieses in der Sache entschieden habe.
Die Beklagte teilte daraufhin – entsprechend dieser Vereinbarung – dem Kläger mit, daß sein Anspruch auf Alg ruhe, weil er wegen Beendigung seines Arbeitsverhältnisses eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistungen erhalten bzw zu beanspruchen habe und das Arbeitsverhältnis vorzeitig beendet worden sei; über die Dauer des Ruhenszeitraums und die Höhe des zu erstattenden Betrages ergehe noch ein gesonderter Bescheid (Bescheid vom 18. Oktober 1994; Widerspruchsbescheid vom 9. Februar 1995). Während des anschließenden Klageverfahrens erließ die Beklagte „unter Bezugnahme auf den Bescheid vom 18. Oktober 1994” eine als „Zwischenbescheid” bezeichnete Verfügung (vom 21. September 1995), nach der sich aufgrund der bis 31. Juli 1995 von der Beigeladenen an den Kläger geleisteten „Aufstockungsbeträge” in Höhe von insgesamt 19.386,28 DM „bisher” ein Ruhenszeitraum für die Zeit vom 1. August bis 16. September 1993 und ein zu erstattender Betrag von 2.936,00 DM ergebe. Der „endgültige” Ruhenszeitraum und der „gesamte” Erstattungsbetrag würden erst zu einem späteren Zeitpunkt festgesetzt. Das Sozialgericht (SG) hat die Klage gegen diesen und den Bescheid vom 18. Oktober 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Februar 1995 abgewiesen (Urteil des SG vom 18. Juli 1996).
Während des anschließenden Berufungsverfahrens verlangte die Beklagte vom Kläger die Erstattung von Alg in Höhe von insgesamt 9.615,40 DM für die Zeit vom 1. August bis 31. Dezember 1993 (Bescheid vom 21. Mai 1997). Während dieser Zeit habe der Alg-Anspruch geruht, weil wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses 71.101,70 DM als Abfindung gezahlt worden seien bzw beansprucht werden könnten. Das LSG hat die Berufung mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß auch die Klage gegen den Bescheid vom 21. Mai 1997 abgewiesen werde (Urteil vom 10. September 1998). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, Gegenstand des Rechtsstreits im Berufungsverfahren seien nicht nur der ursprüngliche Bescheid vom 18. Oktober 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Februar 1995 und der während des erstinstanzlichen Verfahrens ergangene Bescheid der Beklagten vom 21. September 1995, sondern auch der die früheren Bescheide ersetzende Bescheid vom 21. Mai 1997. Vor Erlaß dieses Bescheides sei der Kläger ordnungsgemäß angehört worden. Die Voraussetzungen für einen Erstattungsanspruch nach § 117 Abs 4 Satz 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) seien erfüllt. Die „Betriebsrente”, die der Kläger von der Beigeladenen für die Zeit vom 1. August 1993 bis 31. Oktober 2000 zur Aufstockung des Alg und der Alhi in Höhe von insgesamt 71.101,71 DM erhalten bzw noch zu beanspruchen habe, stelle eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung wegen vorzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses iS des § 117 Abs 2 AFG dar. Obwohl der Anspruch des Klägers auf Alg wegen der zu beanspruchenden Abfindung in der Zeit vom 1. August bis 31. Dezember 1993 geruht habe, habe die Beklagte in dieser Zeit zu Recht im Wege der sogenannten Gleichwohlgewährung Alg gezahlt. Denn der Kläger habe Leistungen der Beigeladenen jeweils erst am 15. des auf den Abrechnungszeitraum folgenden Monats, also erst nach Fälligkeit des Alg-Anspruchs, erhalten bzw erhalten können. Der Anspruch auf die Abfindung sei deshalb in Höhe des Alg auf die Beklagte übergegangen (§ 117 Abs 4 Satz 1 AFG iVm § 115 Sozialgesetzbuch – Verwaltungsverfahren – ≪SGB X≫). Die trotz dieses Anspruchsübergangs an den Kläger erfolgten Zahlungen der Beigeladenen in Form von Aufstockungsbeträgen zum Alg seien mit befreiender Wirkung gegenüber der Beklagten erfolgt. Die Beigeladene habe zwar aufgrund des Anschreibens vom 28. Juli 1993 Kenntnis vom Forderungsübergang auf die Beklagte gehabt, so daß sie sich nicht auf die Schuldnerschutzvorschrift des § 407 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) iVm § 412 BGB berufen könne. Die Beklagte habe jedoch die Zahlungen an den Kläger nachträglich genehmigt und dadurch bewirkt, daß die Beigeladene gegenüber der Beklagten von ihrer Zahlungspflicht befreit worden sei.
Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 24 SGB X, des § 117 Abs 4 Satz 2 AFG, des § 816 Abs 2 BGB, der §§ 362 Abs 2, 185 BGB, des § 32 Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil –, des § 115 SGB X und des § 117 Abs 2 AFG. Vor Erlaß des Bescheids vom 21. Mai 1997 sei er (der Kläger) nicht ordnungsgemäß angehört worden, weil er selbst, nicht sein Bevollmächtigter angeschrieben worden sei. Ohnedies handele es sich bei den von der Beigeladenen erbrachten Zahlungen nicht um eine Abfindung iS des § 117 Abs 2 AFG, weil die Beigeladene nicht seine Arbeitgeberin gewesen sei und die gezahlte „Betriebsrente” unterhaltssichernde Funktion habe. Das Arbeitsverhältnis sei auch nicht vorzeitig beendet worden, weil ab Eröffnung des Konkursverfahrens (1. Juli 1993) gemäß § 22 Konkursordnung eine gesetzliche Kündigungsfrist von zwei Wochen gegolten habe. Die Zahlungen der Beigeladenen seien außerdem nicht mit gegenüber der Beklagten befreiender Wirkung erfolgt, weil die Beigeladene durch das ihr im Juli 1993 zugegangene Schreiben des Arbeitsamtes auf den Rechtsübergang hingewiesen worden sei. Eine nachträgliche Genehmigung der Zahlungen durch die Beklagte sei weder erfolgt noch rechtlich zulässig. Für einen Erstattungsanspruch gemäß §§ 45, 48, 50 Abs 1 SGB X seien die Voraussetzungen nicht erfüllt.
Der Kläger beantragt,
die Urteile des LSG und des SG sowie den Bescheid der Beklagten vom 21. Mai 1997, hilfsweise auch den Bescheid der Beklagten vom 18. Oktober 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Februar 1995 und den Bescheid vom 21. September 1995 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die Ausführungen des LSG für zutreffend und erklärt, daß sie die Zahlung der Abfindung durch die Beigeladene an den Kläger vorsorglich genehmige. Eine solche Genehmigung müsse möglich sein, um die sich im Zusammenhang mit § 117 Abs 2 und 3 AFG stellenden Rechtsfragen – wie im Vertrag mit der Beigeladenen vereinbart – in einem sozialgerichtlichen Verfahren klären zu lassen.
Die Beigeladene hat sich weder zur Sache geäußert noch Anträge gestellt.
II
Die Revision des Klägers ist begründet (§ 170 Abs 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫). Das LSG hat unter Verletzung des § 117 Abs 4 Satz 2 AFG die Bescheide der Beklagten bestätigt. Ob die Beklagte den Kläger ordnungsgemäß angehört hat (§§ 24, 41 SGB X), bedarf bei dieser Sachlage keiner Entscheidung.
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur noch der Bescheid vom 21. Mai 1997, mit dem die Beklagte vom Kläger die Erstattung von 9.615,40 DM verlangt hat; dieser Bescheid ist gemäß §§ 153 Abs 1, 96 Abs 1 SGG bereits Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden. Obwohl der Kläger erst- und zweitinstanzlich zusätzlich die Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 18. Oktober 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Februar 1995 und die Aufhebung des Bescheids vom 21. September 1995 verlangt hat, sind diese Bescheide nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens. Denn über die vom Kläger erhobenen Ansprüche ist ohne Bindung an die Fassung seiner Anträge zu entscheiden (§ 123 SGG). Die vom Kläger gestellten Anträge waren dahin auszulegen, daß die Aufhebung der dem Bescheid vom 21. Mai 1997 vorausgehenden Bescheide nur für den Fall beantragt worden ist, daß sich diese Bescheide nicht bereits – wie vorliegend – gemäß § 39 Abs 2 SGB X erledigt haben. In diesem Sinne ist auch der in der Revisionsinstanz gestellte Hilfsantrag des Klägers zu verstehen.
Sowohl der Bescheid vom 18. Oktober 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Februar 1995 als auch der gemäß § 96 Abs 1 SGG zum Gegenstand des Klageverfahrens gewordene Bescheid vom 21. September 1995 sind in vollem Umfang durch den Bescheid vom 21. Mai 1997 ersetzt worden. Beide Bescheide sind bereits nach ihrem Wortlaut als vorläufig zu verstehen; der Bescheid vom 21. Mai 1997 umfaßt ohnedies in seinem Regelungsgehalt den Bescheid vom 21. September 1995. Dieser Bescheid, mit dem nur ein Teilzeitraum geregelt worden ist, sollte seinerseits erkennbar den Ausgangsbescheid vom 18. Oktober 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Februar 1995 ersetzen, in dem ausdrücklich auf einen späteren Bescheid über die Dauer des Ruhenszeitraums und die Höhe des Erstattungsbetrags hingewiesen ist. Demgemäß hat der Vertreter der Beklagten auch erklärt, anstelle des Ruhensbescheids vom 18. Oktober 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Februar 1995 habe man später die Erstattungsbescheide erlassen, weil man erkannt habe, daß der zunächst erlassene Ruhensbescheid rechtswidrig gewesen sei.
Dies trifft im übrigen auch zu. Denn sollte die von der Beigeladenen geschuldete bzw gezahlte Leistung („Betriebsrente”) nicht von § 117 Abs 2 AFG erfaßt werden, würde der Alg-Anspruch gerade nicht ruhen; das gleiche gilt, soweit die weiteren Voraussetzungen des § 117 Abs 2 und 3 AFG nicht erfüllt wären. Sollte andererseits § 117 Abs 2 und 3 AFG eingreifen und ein Fall der sogenannten Gleichwohlgewährung iS des § 117 Abs 4 Satz 1 AFG vorliegen, würde der Alg-Anspruch ebenfalls nicht ruhen (BSG SozR 3-4100 § 117 Nr 11 S 71 mwN); insoweit wäre auch ein feststellender Verwaltungsakt über das Ruhen des Alg-Anspruchs rechtswidrig (BSG aaO). Sollten die Voraussetzungen des § 117 Abs 2 und 3 AFG schließlich vorliegen, jedoch die Voraussetzungen einer Gleichwohlgewährung fehlen, wäre die Feststellung des Ruhens schon deshalb rechtswidrig, weil die Beklagte zuvor mit Bescheid vom 30. Juli 1993 Alg bewilligt hatte und somit ohne Aufhebung bzw die Rücknahme dieses Bescheides nach §§ 45, 48 SGB X an der regelnden Feststellung eines Ruhens des Anspruchs durch die Bestandskraft des Bewilligungsbescheids gehindert war (§ 77 SGG). Eine solche Aufhebung des Bewilligungsbescheids war ohnedies nicht das Ziel der Beklagten; vielmehr wollte sie lediglich – wenn auch von einer falschen Rechtsansicht ausgehend – die Voraussetzungen für Erstattungsansprüche nach § 117 Abs 4 AFG iVm § 115 SGB X schaffen, was jedoch auch bei Anwendung des § 117 Abs 4 Satz 2 AFG weder die Aufhebung der Alg-Bewilligung erforderlich noch zulässig macht (vgl nur BSG SozR 3-4100 § 117 Nr 11 S 72 mwN).
Auch der während des Berufungsverfahrens ergangene Bescheid der Beklagten vom 21. Mai 1997 ist rechtswidrig (dieses Schicksal würde im übrigen auch der „Zwischenbescheid” der Beklagten vom 21. September 1995 teilen). Die Beklagte hat deshalb gegen den Kläger keinen Anspruch auf Erstattung des in der Zeit vom 2. August bis 31. Dezember 1993 gezahlten Alg. Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus § 117 Abs 4 Satz 2 AFG (hier in der Fassung, die die Vorschrift durch das Gesetz zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms vom 23. Juni 1993 - BGBl I 944 - erhalten hat; vgl seit 1. April 1999 § 143a Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung –). Danach hat der Empfänger des Alg dieses insoweit zu erstatten, als der Arbeitgeber die (ua) in Abs 2 genannte Leistung (Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung) trotz des in Abs 4 Satz 1 AFG iVm § 115 SGB X angeordneten Rechtsübergangs auf die Bundesanstalt für Arbeit mit gegenüber dieser befreienden Wirkung an den Arbeitslosen gezahlt hat. Vorliegend scheitert die Anwendung dieser Vorschrift im Ergebnis schon daran, daß die Beigeladene mit der Zahlung des den Alg-Betrag übersteigenden Teils der „Betriebsrente” keine Forderung erfüllt hat, die auf die Beklagte übergegangen war. Hierfür kann sogar unterstellt werden, daß es sich bei der von der Beigeladenen garantierten und teilweise gezahlten „Betriebsrente” um eine Abfindung oder ähnliche Leistung iS des § 117 Abs 2 AFG gehandelt hat und daß die Beklagte zu Recht Alg gemäß § 117 Abs 4 Satz 1 AFG gezahlt hat, weil der Kläger die ihm zustehende Betriebsrente in Höhe des gezahlten Alg von der (ggf als Arbeitgeberin iS des Abs 4 Satz 2 zu verstehenden) Beigeladenen überhaupt nicht und den das Alg übersteigenden Betrag nach der Leistungsordnung der Beigeladenen erst rückwirkend für den vorangegangenen Monat erhalten hat.
Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) haben der Kläger und die Beigeladene eine Vereinbarung getroffen, daß gemäß der Leistungsordnung der Beigeladenen ein bestimmter – vom LSG nicht näher genannter – Nettobetrag des früheren Verdienstes als „Betriebsrente” garantiert wurde, auf die die von anderen Stellen zu beanspruchenden Leistungen (Alg, Alhi usw) angerechnet werden sollten. Dies bedeutet, daß die Beigeladene nicht nur verpflichtet war, den Alg-Betrag aufstockende Zahlungen zu erbringen – wovon möglicherweise die Beklagte und das LSG bei ihrer rechtlichen Wertung zu Unrecht ausgegangen sind –, sondern die Beigeladene dem Kläger richtigerweise einen höheren Monatsbetrag schuldete als die monatliche Alg-Leistung. Ausgezahlt werden mußte indes lediglich der das monatliche Alg übersteigende Spitzbetrag, weil die Beklagte der Zahlung der gesamten „Betriebsrente” durch die Zahlung des Alg zuvorgekommen war, so daß das Alg nach der Leistungsordnung der Beigeladenen auf die „Betriebsrente” angerechnet werden mußte. Auf diesen Spitzbetrag hatte jedoch ausschließlich der Kläger einen Anspruch; im Falle einer rechtmäßigen Gleichwohlgewährung des Alg nach § 117 Abs 4 Satz 1 AFG wäre nämlich der Anspruch auf die insgesamt von der Beigeladenen geschuldete „Betriebsrente” nur in Höhe des gezahlten Alg auf die Beklagte übergegangen.
Zahlt in derartigen Fällen der Aufspaltung der Forderung auf zwei Gläubiger der Schuldner an einen der Gläubiger, so ist unter entsprechender Anwendung des § 366 Abs 1 BGB vorrangig auf die Leistungsbestimmung des Schuldners abzustellen (BGHZ 47, 168, 170 f mwN; BGH NJW 1991, 2629, 2630 mwN). Dabei kann die Bestimmung der Leistung auch stillschweigend erfolgen (BGH MDR 1962, 977); § 366 Abs 2 BGB mit seiner gesetzlichen Regelung über die Zuordnung der Zahlung zu einer Forderung greift deshalb nur ein, wenn nicht ohne weiteres ersichtlich ist, auf welchen Teil der Forderung der Schuldner gezahlt hat. Hat aber, wie das LSG festgestellt hat, vorliegend die Beigeladene nur den das Alg übersteigenden, dem Kläger ohnedies zustehenden „Spitzbetrag” gezahlt, ist davon auszugehen, daß die Beigeladene ausschließlich Zahlungen auf den nicht auf die Beklagte übergegangenen Teil der „Betriebsrenten”-Schuld erbringen wollte und dies dem Kläger als Empfänger der Leistung auch ohne weiteres erkennbar war. Nur dieses Ergebnis wird dem Zweck des § 117 AFG gerecht, Doppelleistungen aus dem Arbeitsverhältnis und der Arbeitslosenversicherung zu vermeiden (vgl zum Zweck des § 117 AFG nur BSG, Urteil vom 24. Juni 1999 - B 11 AL 7/99 R -, zur Veröffentlichung vorgesehen). Der Kläger hat nach den Feststellungen des LSG zu keinem Zeitpunkt mehr erhalten, als er erhalten hätte, wenn die Beklagte kein Alg gezahlt hätte. Dies wäre unter Umständen anders, wenn die Beigeladene nur verpflichtet gewesen wäre, einen bestimmten Aufstockungsbetrag zu einem erwarteten Alg-Anspruch zu zahlen. Letztlich ist vorliegend entscheidend, daß nach den Vereinbarungen des Klägers mit der Beigeladenen diese das Risiko der Nichtgewährung von Alg trug: Hätte die Beklagte kein Alg gezahlt, hätte die Beigeladene die Zahlungen der Betriebsrente um diesen Betrag erhöhen müssen.
Selbst wenn man annähme, daß die Beigeladene – entgegen den Feststellungen des LSG und entgegen ihrer Leistungsordnung – versehentlich an den Kläger höhere Beträge als die das Alg übersteigenden Spitzbeträge gezahlt hätte, wären die Voraussetzungen des § 117 Abs 4 Satz 2 AFG nicht erfüllt, weil die Beigeladene dann nicht mit befreiender Wirkung gegenüber der Beklagten an den Kläger gezahlt hätte. Eine befreiende Wirkung kann jedenfalls nicht durch Genehmigung (§§ 362 Abs 2, 185 Abs 2 BGB) der Beklagten herbeigeführt worden sein (vgl zu dieser Möglichkeit nur BSGE 83, 82 ff mwN = SozR 3-4100 § 117 Nr 16), weil eine solche Genehmigung iS des § 242 BGB treuwidrig wäre (vgl zu dieser Beschränkung der Genehmigungsmöglichkeit ebenfalls BSGE 83, 82, 87 = SozR 3-4100 § 117 Nr 16). Dies ergibt sich aus den Gesamtumständen der Beziehung zwischen der Beklagten und der Beigeladenen, insbesondere aus der zwischen diesen beiden geschlossenen Vereinbarung vom Juli 1994, wonach Erstattungen ausschließlich zwischen den beiden Vertragsparteien durchgeführt werden sollten, weil die bei der S. AG entlassenen und ab 1. August 1993 arbeitslosen Arbeitnehmer nicht belastet werden sollten. Denn die Vertragsparteien haben gerade wegen der zwischen ihnen bestehenden Unstimmigkeiten, ob die von der Beigeladenen gezahlten bzw zu zahlenden Betriebsrenten Abfindungen iS des § 117 Abs 2 und 3 AFG sind, eine vertragliche Lösung allein auf der Ebene der Vertragsparteien gesucht. Hierzu wurde sogar bereits vorab ein pauschaler voraussichtlicher Erstattungsbetrag von 8.000.000,00 DM vereinbart und gezahlt, um, wie es in der Vereinbarung formuliert ist, den Interessen des einzelnen Arbeitslosen entsprechend eine transparentere Entscheidung zu ermöglichen. Beiden Vertragsparteien war mithin klar, daß die Rechtslage für die Arbeitslosen und damit für den Kläger auch im Hinblick auf das Sanierungskonzept insgesamt kaum überschaubar war. Bei dieser Sachlage obliegen der Beklagten gerade im Hinblick darauf, daß sie der Zahlung einer Gesamt-„Betriebsrente” der Beigeladenen durch die Gewährung von Alg zuvorgekommen war und dadurch die von ihr angenommene Konstellation der sogenannten Gleichwohlgewährung faktisch herbeigeführt hat, gesteigerte Pflichten zur Beachtung der Interessen des Klägers.
Hieran ändert sich auch nichts dadurch, daß die Beklagte ebenso wie die Beigeladene ein Interesse an der Klärung der Frage hat, ob die von der Beigeladenen gewährten bzw geschuldeten „Betriebsrenten” Leistungen iS des § 117 Abs 2 und 3 AFG sind. Die Klärung dieser Rechtsfrage kann vom Gericht weder isoliert, also unabhängig von den konkreten Rechtsfolgen des § 117 AFG verlangt werden, noch steht es im Belieben der Beklagten und Beigeladenen, durch eine Vereinbarung – losgelöst von den rechtlichen Vorgaben des § 117 AFG – eine Rechtslage zu konstruieren, über die die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit befinden sollen. Anders gewendet: Liegen die Voraussetzungen eines Erstattungsanspruchs der Beklagten gegen den Arbeitslosen nicht vor, kann sie – selbst bei einem anzuerkennenden berechtigten Interesse – die sich aus § 117 Abs 2 und 3 AFG ergebenden Rechtsfragen nur in einem Rechtsstreit gegen den Arbeitgeber, dann aber vor den ordentlichen Gerichten, klären lassen.
Hätte die Beigeladene höhere Beträge als das Alg gezahlt, wäre schließlich weder für die Zeit vor Abschluß der schriftlichen Vereinbarung zwischen der Beklagten und der Beigeladenen – ob bereits vor der Zahlung von Alg Absprachen getroffen wurden, hat das LSG nicht festgestellt – noch für die Zeit danach die Schuld auch ohne Genehmigung der Zahlung erloschen (§ 362 Abs 1 BGB). Insoweit könnte sich die Beigeladene nicht gemäß § 412 BGB iVm § 407 Abs 1 BGB darauf berufen, in Unkenntnis des Anspruchsübergangs an den Kläger gezahlt zu haben und deshalb von ihrer Schuld gegenüber der Beklagten befreit worden zu sein. Dabei kann offenbleiben, ob die Beigeladene durch die Mitteilung der Beklagten im Juli 1993 bereits Kenntnis iS des § 407 Abs 1 BGB hatte oder ob diese etwa zu verneinen wäre, wenn und weil der Beigeladenen die Höhe des gezahlten Alg nicht bekannt war bzw das Anschreiben der Beklagten von falschen rechtlichen Voraussetzungen ausgegangen ist (Anspruchsübergang wegen der Zahlung von „Aufstockungsbeträgen”). Selbst wenn Unkenntnis iS des § 407 Abs 1 BGB vorgelegen hätte, wäre die Erfüllungswirkung des § 362 Abs 1 BGB nicht bereits mit der Zahlung selbst eingetreten. Vielmehr handelt es sich bei § 407 Abs 1 BGB um eine dem Schuldner nachgelassene Einwendung; dieser hat die Wahl, sich auf § 407 Abs 1 BGB zu berufen, so daß die Erfüllungswirkung von seiner Willensbetätigung abhängig ist (BGHZ 52, 150, 153 f; 102, 69, 71; 135, 39, 43 f). Da aber auch die Erhebung dieser Einwendung dem Schuldner nach Treu und Glauben verwehrt sein kann (BGHZ 135, 39, 43 f), gelten für § 407 Abs 1 BGB vergleichbare Überlegungen wie für die Unzulässigkeit einer Genehmigung der Zahlung durch die Beklagte: Die Beigeladene darf sich unter Berücksichtigung der Gesamtumstände, insbesondere wegen der zwischen ihr und der Beklagten getroffenen Vereinbarung über die globale Erstattung ausschließlich zwischen ihnen beiden, nicht darauf berufen, in Unkenntnis an den Kläger gezahlt zu haben.
Wären also – wie von der Beklagten angenommen – alle Voraussetzungen des § 117 Abs 2, 3 und Abs 4 Satz 1 AFG iVm § 115 SGB X erfüllt und wäre die Beigeladene Arbeitgeber iS des § 117 Abs 4 Satz 2 AFG, bestünde trotzdem – wie ausgeführt – kein Erstattungsanspruch gegen den Kläger. Wären hingegen bereits die Voraussetzungen des § 117 Abs 2 und 3 AFG nicht erfüllt, wäre Alg an den Kläger zu Recht gezahlt worden, weil ihm das Alg dann neben der „Betriebsrente” zugestanden hätte; auch dann wäre ein Erstattungsanspruch nicht gegeben. Wären indes diese Voraussetzungen, nicht aber die einer „Gleichwohlgewährung” des Alg (§ 117 Abs 4 Satz 1 AFG) zu bejahen, könnte die Beklagte die Erstattung des Alg nicht verlangen, weil dann eine Aufhebung der Alg-Bewilligung nach § 45 SGB X erforderlich wäre; nur dann könnte der Beklagten ein Erstattungsanspruch gegen den Kläger nach § 50 Abs 1 SGB X zustehen (vgl BSG SozR 3-4100 § 117 Nr 11 S 77 mwN). Eine derartige Aufhebung ist allerdings nicht erfolgt und ist auch nicht in dem auf § 117 Abs 4 Satz 2 AFG gestützten Erstattungsbescheid stillschweigend enthalten (BSGE 72, 111, 113 mwN = SozR 3-4100 § 117 Nr 9). Der Erstattungsbescheid kann auch nicht gemäß § 43 SGB X in einen Rücknahme- und Erstattungsbescheid umgedeutet werden. § 43 SGB X läßt zwar die Umdeutung eines fehlerhaften Verwaltungsakts in einen anderen Verwaltungsakt zu, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlaß erfüllt sind. Vorliegend würde eine Umdeutung indes spätestens daran scheitern, daß die Voraussetzungen für die Rücknahme der Gleichwohlgewährung des Alg mit Wirkung für die Vergangenheit nach § 45 Abs 4 Satz 1 SGB X nicht vorliegen. Schließlich müßte der Kläger das in der Zeit vom 2. August bis 31. Dezember 1993 gezahlte Alg auch dann nicht erstatten, wenn die Beigeladene nicht als „Arbeitgeber” iS des § 117 Abs 4 Satz 2 AFG zu verstehen wäre.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 543024 |
BSGE, 116 |
DB 1999, 2569 |
NZS 2000, 468 |
SozSi 2000, 242 |
info-also 2001, 50 |