Entscheidungsstichwort (Thema)
Rentenversicherung. Beitragsnachentrichtung. Nachentrichtung. Verfolgter. Vertriebener. Deutscher Sprach- und Kulturkreis. Verlassen des Vertreibungsgebietes. Nötigungstatbestand. Vermutung. Israel. Nachentrichtungszeitraum. Berechtigung zur freiwilligen Versicherung. Abkommensrecht
Leitsatz (amtlich)
- Von der Beitragsnachentrichtung nach § 22 Abs 1 S 1 WGSVG sind Verfolgte nicht deswegen ausgeschlossen, weil sie die Vertreibungsgebiete vor dem 1.10.1953 verlassen haben.
- Für Verfolgte, die während des Nachentrichtungszeitraums von Februar 1971 bis Dezember 1989 als israelische Staatsangehörige ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Israel hatten, kommt die Nachentrichtung nur für die Zeit von Januar 1987 bis Dezember 1989 in Betracht.
Normenkette
WGSVG § 20 (Fassung: 18.12.1989), § 21 (Fassung: 18.12.1989), § 22 (Fassung: 18.12.1989)
Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 30.07.1993; Aktenzeichen L 3 J 201/92) |
SG Düsseldorf (Urteil vom 15.10.1992; Aktenzeichen S 12 J 114/92) |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 30. Juli 1993 aufgehoben, soweit es die Nachentrichtung von Beiträgen für die Zeit von Januar 1987 bis Dezember 1989 betrifft. Insofern wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Im übrigen wird die Revision des Klägers zurückgewiesen.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten um eine Beitragsnachentrichtung zur Rentenversicherung.
Der 1912 in Ungarn geborene Kläger ist als Verfolgter iS des § 1 des Bundesentschädigungsgesetzes anerkannt. Bei Beginn der Verfolgung hatte er seinen Wohnsitz in Rumänien. Er ist von dort im Jahre 1947 nach Palästina ausgewandert und lebt als israelischer Staatsangehöriger in Israel.
Im April 1990 beantragte der Kläger die Anerkennung von Versicherungszeiten, die Nachentrichtung von Beiträgen und Altersruhegeld. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 27. März 1992 und Widerspruchsbescheid vom 6. August 1992 die Nachentrichtung von Beiträgen nach den §§ 21, 22 des Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung (WGSVG) ab. Beim Kläger seien nicht erstmals nach § 20 Abs 2 WGSVG Fremdrentenzeiten zu berücksichtigen. Vielmehr sei bei Verfolgten, welche die Vertreibungsgebiete vor dem 1. Oktober 1953 verlassen hätten, die nunmehr gesetzlich geregelte Vermutung des Zusammenhangs zwischen der Zugehörigkeit zum deutschen Sprach- und Kulturkreis und dem Verlassen des Vertreibungsgebietes (des “Nötigungstatbestandes”) schon bisher angenommen worden.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage mit Urteil vom 15. Oktober 1992 abgewiesen, das Landessozialgericht (LSG) die Berufung mit Urteil vom 30. Juli 1993 zurückgewiesen. Es hat die Frage, ob bei Verfolgten, welche die Vertreibungsgebiete vor dem 1. Oktober 1953 verlassen haben, erstmals nach § 20 Abs 2 WGSVG Fremdrentenzeiten zu berücksichtigen sind, unentschieden gelassen, weil jedenfalls die übrigen Voraussetzungen für eine Nachentrichtung nicht vorlägen. § 21 Abs 1 Satz 1 und 2 WGSVG scheide aus, weil der Kläger vor 1976 keinen Antrag nach § 10 WGSVG gestellt habe und er in der Zeit vom 1. Dezember 1979 bis zum 1. Dezember 1980 auch nicht berechtigt gewesen sei, einen solchen Antrag zu stellen. Eine Nachentrichtung nach § 22 Abs 1 Satz 1 WGSVG scheitere daran, daß er durch die Berücksichtigung von Fremdrentenzeiten die Berechtigung zur freiwilligen Versicherung nicht erstmalig erlange. Er sei vielmehr auch ohne die Berücksichtigung dieser Zeiten berechtigt gewesen, Beiträge laufend zu entrichten oder nachzuentrichten. Auch eine Nachentrichtung nach § 21 Abs 1 Satz 3 oder § 22 Abs 1 Satz 2 WGSVG komme für ihn nicht in Betracht.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers, mit der er eine Verletzung der §§ 21, 22 WGSVG rügt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des LSG vom 30. Juli 1993, das Urteil des SG vom 15. Oktober 1992 und den Bescheid der Beklagten vom 27. März 1992 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. August 1992 aufzuheben sowie die Beklagte zu verpflichten, die Nachentrichtung von Beiträgen zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält daran fest, daß Fremdrentenzeiten bei Verfolgten, die die Vertreibungsgebiete vor dem 1. Oktober 1953 verlassen haben, nicht erstmals nach § 20 Abs 2 WGSVG zu berücksichtigen sind und ein Nachentrichtungsrecht nach § 21 Abs 1 Satz 1 oder § 22 Abs 1 Satz 1 WGSVG schon aus diesem Grunde nicht besteht.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Klägers ist teilweise iS einer Aufhebung des angefochtenen Urteils und einer Zurückverweisung an das LSG begründet. Zur Beurteilung der Frage, ob der angefochtene Bescheid rechtmäßig ist, soweit darin die Nachentrichtung von Beiträgen nach § 22 Abs 1 Satz 1 WGSVG für die Zeit von Januar 1987 bis Dezember 1989 abgelehnt worden ist, bedarf es weiterer Feststellungen. Im übrigen ist die Revision unbegründet. Das LSG hat zutreffend entschieden, daß ein Recht zur Nachentrichtung für Zeiten vor 1987 nicht besteht.
In dem angefochtenen Bescheid hat die Beklagte die Nachentrichtung von Beiträgen nach den §§ 21 und 22 WGSVG abgelehnt. Diese Vorschriften sind durch Art 21 Nr 5 des Rentenreformgesetzes 1992 (RRG 1992) vom 18. Dezember 1989 (BGBl I 2261) eingefügt worden und nach Art 85 Abs 5 RRG 1992 am 1. Januar 1990 in Kraft getreten. Sie enthalten in § 21 WGSVG eine Regelung zur Wiedereröffnung von Nachentrichtungsrechten und begründen in § 22 WGSVG ein neues Nachentrichtungsrecht.
§ 21 Abs 1 Satz 1 und 2 sowie § 22 Abs 1 Satz 1 WGSVG stehen im Zusammenhang mit der gleichzeitigen Änderung des § 20 WGSVG durch Art 21 Nr 4 RRG 1992. Nach Maßgabe des § 20 Satz 1 und Satz 2 WGSVG in der ursprünglichen Fassung des Art 1 des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung der Vorschriften über die Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung vom 22. Dezember 1970 (BGBl I 1846) und in der Neufassung durch Art 2 § 10 Nr 3 des Zwanzigsten Rentenanpassungsgesetzes vom 27. Juni 1977 (BGBl I 1040) standen bei Anwendung des Fremdrentengesetzes (FRG) den anerkannten Vertriebenen vertriebene Verfolgte gleich, die lediglich deswegen nicht als Vertriebene anerkannt waren oder werden konnten, weil sie sich nicht ausdrücklich zum deutschen Volkstum bekannt hatten. Mit Urteil vom 5. November 1980 (BSGE 50, 279 = SozR 5070 § 20 Nr 3) hat das Bundessozialgericht (BSG) entschieden, daß § 20 WGSVG iVm § 1 Abs 2 Nr 3 des Bundesvertriebenengesetzes einen Zusammenhang zwischen der Zugehörigkeit zum deutschen Sprach- und Kulturkreis und der Aussiedlung verlange, der bei Verlassen des Vertreibungsgebietes ab dem 1. Oktober 1953 nicht mehr allgemein zu vermuten sei, sondern glaubhaft gemacht werden müsse. Hieran hat das BSG in der Folgezeit festgehalten, ist jedoch bei einem Verlassen des Vertreibungsgebietes vor dem 1. Oktober 1953 weiterhin von der Vermutung ausgegangen; sie war widerleglich (SozR 5070 § 20 Nrn 2, 6, 7, 8 und 10) und vom erkennenden Senat nur vorübergehend als unwiderleglich bezeichnet worden (vgl SozR 5070 § 20 Nrn 4, 6). Nach dem Vorbringen der Beklagten sind auch die Versicherungsträger in ihrer Verwaltungspraxis bei Verlassen des Vertreibungsgebietes vor dem 1. Oktober 1953 von der (widerleglichen) Vermutung ausgegangen. Manche Verfolgte bestreiten oder bezweifeln jedoch, daß alle Versicherungsträger ständig so verfahren sind. Immerhin hat die Beklagte in dem Revisionsverfahren, das mit dem Urteil des BSG vom 15. November 1983 (1 RJ 2/83) abgeschlossen worden ist, die Ansicht vertreten, auch bei einer Auswanderung vor dem 1. Oktober 1953 müsse ein ursächlicher Zusammenhang in jedem Einzelfall glaubhaft gemacht werden. Später ist durch Art 9 des Siebten Rentenversicherungs-Änderungsgesetzes (7. RVÄndG) vom 19. Dezember 1986 (BGBl I 2586) dem § 20 WGSVG ein Satz 3 angefügt worden, wonach die Wohnsitznahme in einem nichtdeutschsprachigen Land allein keine Vermutung dafür begründete, daß kein Zusammenhang zwischen dem Verlassen des Vertreibungsgebietes und der Zugehörigkeit zum deutschen Sprach- und Kulturkreis bestand. Ob hiermit auch eine gesetzliche Vermutung für den Zusammenhang zwischen der Zugehörigkeit zum deutschen Sprach- und Kulturkreis und dem Verlassen des Vertreibungsgebietes aufgestellt wurde, erschien schon während des Gesetzgebungsverfahrens als unsicher (vgl BT-Drucks 10/6430 S 14 und 15, jeweils zu Art 8a; Protokoll der 247. Sitzung des 10. Deutschen Bundestages vom 14. November 1986 S 19147; Protokoll der 492. Sitzung des Bundesrats-Ausschusses für Arbeit und Sozialpolitik vom 3. Dezember 1986 S 16; Anl 15 zum Protokoll der 572. Sitzung des Bundesrates vom 19. Dezember 1986 S 767).
In Art 21 Nr 4 RRG 1992 hat der Gesetzgeber nunmehr § 20 WGSVG geändert. Die bisherigen Sätze 1 und 2 wurden zu Abs 1, Satz 3 wurde gestrichen, und die neuen Abs 2 und 3 wurden angefügt. Nach Abs 2 Satz 1 wird vermutet, daß die Zugehörigkeit zum deutschen Sprach- und Kulturkreis eine wesentliche Ursache für das Verlassen des Vertreibungsgebietes ist. Dies gilt nach Abs 2 Satz 2 nicht, wenn das Vertreibungsgebiet nachweislich im wesentlichen aus anderen Gründen verlassen worden ist, weil der Zugehörigkeit zum deutschen Sprach- und Kulturkreis im Verhältnis zu anderen Gründen nicht annähernd das gleiche Gewicht zukommt. Eine verfolgungsbedingte Abwendung vom deutschen Sprach- und Kulturkreis oder eine Wohnsitznahme in einem nichtdeutschsprachigen Land widerlegt nach Abs 2 Satz 3 allein die Vermutung des Satzes 1 nicht. Die Abs 1 und 2 des § 20 gelten nach dessen Abs 3 Satz 1 vom 1. Februar 1971 an (Inkrafttreten des WGSVG). Die Neuregelung ist im Gesetzentwurf näher begründet worden (BT-Drucks 11/4124 S 225/226). Einleitend heißt es dort, die Neufassung des § 20 durch Art 9 des 7. RVÄndG habe zu Auslegungsschwierigkeiten geführt. Insbesondere hätten einige Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit die Auffassung vertreten, daß der Gesetzgeber mit der Änderung des § 20 sein Ziel, eine gesetzliche Vermutung des “Nötigungstatbestandes” zu schaffen, nicht erreicht habe. Die Änderung solle hier Klarheit schaffen, indem sie eine eindeutige Vermutungsregelung vorsehe, die die im Vertriebenenrecht entwickelten Grundsätze für § 20 sinngemäß übernehme.
An die Änderung des § 20 WGSVG knüpfen § 21 Abs 1 Satz 1 und 2 sowie § 22 Abs 1 Satz 1 WGSVG an. Nach § 21 Abs 1 Satz 1 WGSVG können Verfolgte, für die erstmals nach § 20 Abs 2 in der vom 1. Januar 1990 an geltenden Fassung Beitragszeiten oder Beschäftigungszeiten nach dem FRG zu berücksichtigen sind, auf Antrag die Nachentrichtung des § 10 in der am 31. Dezember 1989 geltenden Fassung nach Maßgabe der Abs 2 bis 5 ausüben, wenn sie vor dem 1. Januar 1976 einen Antrag nach § 10 WGSVG gestellt haben oder in der Zeit vom 1. Dezember 1979 bis 1. Dezember 1980 berechtigt waren, einen solchen Antrag zu stellen. Ferner können nach § 21 Abs 1 Satz 2 WGSVG Verfolgte iS des Satzes 1, die eine Nachentrichtung in einer Weise genutzt haben, die sich durch die erstmalige Berücksichtigung von Beitragszeiten oder Beschäftigungszeiten nach dem FRG als ungünstig erweist, auf Antrag die Nachentrichtung nach Maßgabe der Abs 2 bis 5 neu ausüben; ein bei einer früheren Nachentrichtung zuviel gezahlter Betrag ist ohne Anrechnung bisher gewährter Leistungen zurückzuzahlen. In der Begründung des Gesetzentwurfs heißt es zu dieser Regelung (BT-Drucks 11/4124 S 226): “Die von § 20 erfaßten Personen halten sich häufig im Ausland auf. Renten sollen aber in Zukunft, soweit sie auf Zeiten beruhen, die nach dem FRG bei der Rentenberechnung zu berücksichtigen sind, nur ins Ausland an Deutsche oder nach zwischen- oder überstaatlichem Recht Deutschen Gleichgestellte in dem Umfang gezahlt werden, in dem auch Bundesgebiets-Beitragszeiten vorliegen. Nach dem bis Ende 1991 geltenden Recht genügt es, wenn mindestens 60 Beitragsmonate im Geltungsbereich dieses Gesetzes zurückgelegt sind oder diese Beitragsmonate überwiegen. Die bisher bestehenden Nachentrichtungsmöglichkeiten, mit denen solche Beitragsmonate erworben werden konnten, waren jedoch alle zeitlich begrenzt. Die Fristen, binnen deren die Nachentrichtung beantragt werden mußte, sind bereits abgelaufen. – Personen, die vor Ablauf dieser Fristen in der Lage gewesen wären, die Nachentrichtungsmöglichkeiten zu nutzen oder günstiger zu nutzen, als sie dies tatsächlich getan haben, sofern sie zum damaligen Zeitpunkt die Voraussetzungen des § 20 erfüllt hätten und die die Voraussetzungen des § 20 in der jetzigen Fassung erfüllen, können auf Antrag das Nachentrichtungsrecht wahrnehmen. Antragsberechtigt sind zum einen Personen, die vor Ablauf der Frist für die Nachentrichtung des § 10 (31.12.1975) einen Antrag gestellt haben, der später abgelehnt wurde. Personen, die zum damaligen Zeitpunkt keinen Antrag gestellt haben, werden nicht erfaßt, weil die Versicherungsträger bis Ende 1975 bei der Anwendung des § 20 nicht verlangten, daß der ‘Nötigungstatbestand’ glaubhaft gemacht wurde, sondern von einer Vermutung – wie sie nunmehr in den Wortlaut aufgenommen wurde – ausgingen. Zum anderen sind Personen antragsberechtigt, für die aufgrund eines internationalen Sozialversicherungsabkommens in der Zeit von 1.12.1979 bis zum 1.12.1980 noch einmal die Frist für die Nachentrichtung eröffnet worden war.”
Der Kläger ist nach § 21 Abs 1 Satz 1 und 2 WGSVG nicht berechtigt, die Nachentrichtung nach § 10 WGSVG in der genannten Fassung vorzunehmen oder neu vorzunehmen. Das LSG hat für das Revisionsgericht bindend festgestellt (§ 163 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫), daß der Kläger bis Ende 1975 keinen Antrag auf Nachentrichtung nach § 10 WGSVG gestellt hat. Ein etwaiges, jedoch nicht ausgeübtes Recht dazu reicht nach dem Wortlaut des § 21 Abs 1 Satz 1 WGSVG und der Begründung des Gesetzentwurfs nicht aus, um das Nachentrichtungsrecht neu zu eröffnen. Da eine Nachentrichtung nicht durchgeführt worden ist, scheidet deren Neuausübung (§ 21 Abs 1 Satz 2 WGSVG) ebenfalls aus. Der Kläger war als in Israel lebender israelischer Staatsangehöriger auch nicht iS des § 21 Abs 1 Satz 1 letzter Satzteil WGSVG berechtigt, in der Zeit vom 1. Dezember 1979 bis zum 1. Dezember 1980 einen Antrag auf Nachentrichtung nach § 10 WGSVG zu stellen. Dieses waren nach Art 16 Abs 2 der Vereinbarung zur Durchführung (DV) des Abkommens vom 7. Januar 1976 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika über Soziale Sicherheit (DASVA, BGBl 1979 II 567) nur Verfolgte, die amerikanische Staatsangehörige waren und sich gewöhnlich im Hoheitsgebiet der Vereinigten Staaten von Amerika aufhielten. Die Vereinbarung war am 1. Dezember 1979 in Kraft getreten (BGBl 1979 II 1283) und eröffnete für die Nachentrichtung nach § 10 WGSVG eine Antragsfrist von einem Jahr nach Inkrafttreten der DV/DASVA, dh bis zum 1. Dezember 1980 (Art 16 Abs 2b DV/DASVA). Im vorliegenden Rechtsstreit kommt es nicht darauf an, wie in § 21 Abs 1 Satz 1 WGSVG der Satzbeginn “Verfolgte, für die erstmals nach § 20 Abs 2 in der vom 1. Januar 1990 an geltenden Fassung Beitragszeiten oder Beschäftigungszeiten nach dem Fremdrentengesetz zu berücksichtigen sind” zu verstehen ist.
Unter dieser Voraussetzung können nach § 22 Abs 1 Satz 1 WGSVG auch Verfolgte, die die Vertreibungsgebiete vor dem 1. Januar 1990 verlassen haben, auf Antrag freiwillige Beiträge für Zeiten nachentrichten, für die sie durch die Berücksichtigung der Beitragszeiten und Beschäftigungszeiten nach dem FRG die Berechtigung zur freiwilligen Versicherung erstmalig erlangen. Hierzu heißt es in der Begründung des Gesetzentwurfs, in dem das Wort “erstmalig” am Ende des Satzes noch fehlte (BT-Drucks 11/4124 S 118, Begründung S 226): “Soweit weder Versicherungspflicht im Geltungsbereich dieses Gesetzes noch eine Nachentrichtungsmöglichkeit bestand, setzt die Zahlung von Renten aus Fremdrentenzeiten ins Ausland die Entrichtung freiwilliger Beiträge zur Rentenversicherung voraus. Ausländer im Ausland haben ein solches Recht allenfalls dann, wenn sie durch internationale Bestimmungen den Deutschen gleichgestellt sind. In der Regel besteht aber auch für gleichgestellte Ausländer ein Recht zur freiwilligen Versicherung nur, wenn zuvor für mindestens einen Monat oder mehrere Monate wirksam Beiträge zur Rentenversicherung entrichtet worden sind. Diese Voraussetzung können Ausländer u.a. erfüllen, sofern ihnen Fremdrentenzeiten anerkannt werden. – Für Zeiten ab dem Inkrafttreten des § 20 bzw. des § 17 FRG, frühestens ab Ausreise aus den Vertreibungsgebieten, bis zum 31. Dezember 1989 wird den von den Änderungen der genannten Vorschriften betroffenen Personen ein Nachentrichtungsrecht eingeräumt. Personen, denen aufgrund anderer Umstände auch ohne die Anwendung des § 20 bzw. des § 17 FRG bereits in der Vergangenheit ein Recht zur freiwilligen Versicherung zustand, z.B. infolge besonderer Bestimmungen in Sozialversicherungsabkommen, erhalten allerdings kein Nachentrichtungsrecht.” Das Einfügen des Wortes “erstmalig” am Ende des § 22 Abs 1 Satz 1 WGSVG während der Ausschußberatungen im Bundestag (vgl BT-Drucks 11/5490 S 258) sollte klarstellen, daß die vorgesehene Nachentrichtungsmöglichkeit entsprechend dem mit der Gesamtregelung verfolgten Grundgedanken immer dann zur Anwendung kommen soll, wenn damit erstmalig das Recht zur freiwilligen Versicherung erlangt wird (BT-Drucks 11/5530 S 70).
Zu der Frage, wie der erste Satzteil des § 22 Abs 1 Satz 1 WGSVG (“Verfolgte, die erstmals nach § 20 Abs 2 in der vom 1. Januar 1990 an geltenden Fassung Beitragszeiten oder Beschäftigungszeiten zu berücksichtigen sind”) aufzufassen ist, werden zwei Ansichten vertreten. Die Verfolgten beziehen den Satzteil auf alle, bei denen Fremdrentenzeiten erstmals unter der Geltung des § 20 Abs 2 WGSVG zu berücksichtigen sind und aufgrund einer Entscheidung der Versicherungsträger oder der Gerichte berücksichtigt werden; unerheblich sei, ob die Berücksichtigung von Fremdrentenzeiten schon unter der Geltung des früheren Rechts hätte erreicht werden können. Nach der gegenteiligen Ansicht der Beklagten ist demgegenüber ein Vergleich mit dem bisherigen Recht vorzunehmen. Er ergebe, daß bei Verfolgten, welche die Vertreibungsgebiete schon vor dem 1. Oktober 1953 verlassen hätten, stets eine Vermutung für den Nötigungstatbestand angenommen worden sei. Insofern seien Fremdrentenzeiten nicht erstmals zu berücksichtigen.
Die Ansicht der Verfolgten trifft zu. Allerdings ist der Gesetzeswortlaut nicht eindeutig. Der Beklagten ist einzuräumen, daß die Ansicht der Verfolgten deutlicher zum Ausdruck gekommen wäre, wenn es statt “erstmals … zu berücksichtigen sind” heißen würde “erstmals … berücksichtigt werden”. Andererseits ist der Wortlaut auch iS der Auffassung der Beklagten nicht klar. Die Fassung “erstmals … zu berücksichtigen sind” zwingt schon deshalb nicht zu einem Vergleich mit dem früheren Recht, weil Satz 2 des § 22 Abs 1 WGSVG dieselbe Formulierung verwendet, es jedoch zu der Neuregelung, an die dort angeknüpft wird (§ 17 Abs 1 Buchst b letzter Halbsatz FRG), keinen Vorläufer gab. Des weiteren enthält Satz 1 des § 22 Abs 1 WGSVG im Anschluß an den umstrittenen Satzteil selbst eine Stichtagsregelung (“die die Vertreibungsgebiete vor dem 1. Januar 1990 verlassen haben”). Hätte der Gesetzgeber eine weitere Stichtagsregelung (Verlassen des Vertreibungsgebietes vor dem 1. Oktober 1953) gewollt, wie die Beklagte sie dem ersten Satzteil (“erstmals … zu berücksichtigen sind”) entnehmen will, so hätte es nahegelegen, die gesetzliche Stichtagsregelung zu erweitern und von den Verfolgten zu sprechen, die die Vertreibungsgebiete nach dem 30. September 1953 und vor dem 1. Januar 1990 verlassen haben. Bei der Ansicht der Verfolgten ist der erste Satzteil der Vorschrift (“erstmals nach § 20 Abs 2”) nicht überflüssig. Er hat vielmehr Bedeutung für diejenigen Verfolgten, bei denen lediglich früher Fremdrentenzeiten zu berücksichtigen waren und berücksichtigt worden sind; für sie ist klargestellt, daß sie von der Nachentrichtung ausgeschlossen sind.
Die Ansicht der Beklagten wird den Zielen des § 20 Abs 2 WGSVG nicht voll gerecht. Mit dieser Vorschrift ist erstmals im WGSVG eine eigenständige Vermutungsregelung getroffen worden, nach der sich die Berücksichtigung von Fremdrentenzeiten bei dem Personenkreis des § 20 WGSVG seit dem 1. Januar 1990 ausschließlich richtet. Sie gilt, weil eine Ausnahme nicht vorgesehen ist, auch für Verfolgte, die die Vertreibungsgebiete schon vor dem 1. Oktober 1953 verlassen haben, für die jedoch erst seit 1990 über die Anerkennung von Fremdrentenzeiten zu entscheiden ist. Damit ist eine früher für diese Verfolgten angenommene Vermutung (vgl die dargestellte Entwicklung des § 20 WGSVG) in das WGSVG selbst eingefügt und sie zugleich auf Verfolgte erstreckt worden, welche die Vertreibungsgebiete erst später verlassen haben. Darüber hinaus sind jedoch für alle Verfolgten iS des § 20 WGSVG bestehende und mögliche Zweifel über die Geltung der Vermutung und über Ausnahmen von ihr sowie Unsicherheiten in Rechtsprechung und Verwaltungspraxis, die aufgrund des früheren Rechts hätten auftreten können, für die Zukunft ausgeschlossen worden. Dem würde es nicht gerecht, wenn bei der Anwendung der ergänzenden Nachentrichtungsvorschrift des § 22 Abs 1 Satz 1 WGSVG auf das frühere Recht zurückgegriffen und gefragt werden müßte, ob die Fremdrentenzeiten nicht schon früher zu berücksichtigen gewesen wären. Eine solche hypothetische Prüfung ließe sich kaum auf Verfolgte beschränken, welche die Vertreibungsgebiete bis zum 30. September 1953 verlassen haben. Sie müßte sich möglicherweise auch auf die später Ausgewanderten und bei ihnen auf die Frage erstrecken, ob sie den Nötigungstatbestand hätten glaubhaft machen können. Damit bliebe das frühere Recht weiterhin von Bedeutung. Verfolgte, die früher Umstände für eine Berücksichtigung der Fremdrentenzeiten hätten anführen müssen, wären nunmehr gehalten, zur Begründung des Nachentrichtungsrechts nach § 22 Abs 1 Satz 1 WGSVG vorzubringen, bei ihnen sei nach früherem Recht ein Antrag auf Berücksichtigung der Fremdrentenzeiten aussichtslos gewesen. Die Gerichte müßten bei einer Überprüfung ablehnender Nachentrichtungsentscheidungen der Versicherungsträger weiterhin im Wege der Vergleichsprüfung auch das frühere Recht heranziehen und dabei uU die jeweilige Verwaltungspraxis der Versicherungsträger ermitteln. Es ist auszuschließen, daß der Gesetzgeber diese Folgen gewollt oder auch nur in Kauf genommen hat.
Die Ansicht der Beklagten wird durch den Hinweis auf § 21 Abs 1 Satz 1 WGSVG und die dazu im Gesetzentwurf gegebene Begründung nicht gestützt. Denjenigen Verfolgten, die eine Nachentrichtung nach § 10 WGSVG nicht beantragt hatten, ist diese Nachentrichtung nicht wiedereröffnet worden. Dafür wurde angeführt, die Versicherungsträger hätten bis Ende 1975 bei der Anwendung des § 20 WGSVG nicht verlangt, daß der Nötigungstatbestand glaubhaft gemacht worden sei, sondern seien von einer Vermutung ausgegangen. Diese Begründung bezieht sich jedoch nicht auf den in § 21 Abs 1 Satz 1 WGSVG enthaltenen und in § 22 Abs 1 Satz 1 WGSVG gleichlautenden ersten Satzteil (“erstmals … zu berücksichtigen sind”), sondern auf den weiteren Teil des Gesetzestextes, daß nur diejenigen erneut das Nachentrichtungsrecht erhalten, die einen Antrag nach § 10 WGSVG gestellt hatten. Die Begründung ergibt ferner nicht den von der Beklagten angenommenen Stichtag (1. Oktober 1953); sie bezieht sich nicht nur auf diejenigen Verfolgten, die die Vertreibungsgebiete vor dem 1. Oktober 1953 verlassen haben, sondern auch auf die später ausgewanderten Verfolgten, für welche die Vermutung nach dem Urteil des BSG vom 5. November 1980 (BSGE 50, 279 = SozR 5070 § 20 Nr 3) nicht mehr galt. Auch sie sind, wenn sie bis Ende 1975 einen Antrag auf Nachentrichtung nach § 10 WGSVG nicht gestellt hatten, von der Wiedereröffnung der Nachentrichtung nach § 21 Abs 1 Satz 1 WGSVG ausgeschlossen. Schließlich haben § 21 und § 22 WGSVG unterschiedliche Regelungsgegenstände: § 21 Abs 1 Satz 1 WGSVG enthält eine Wiedereröffnung des fristgebundenen (31. Dezember 1975) Nachentrichtungsrechts nach § 10 WGSVG iVm § 9 WGSVG, dessen Prüfung wegen der Versicherungszeit von mindestens 60 Kalendermonaten und des erforderlichen Unterbrechungstatbestandes eine Feststellung der Fremdrentenzeiten nahelegte, für welche dann die vom Gesetzgeber angenommene Verwaltungspraxis maßgeblich sein konnte. Demgegenüber soll § 22 Abs 1 Satz 1 WGSVG dem Umstand Rechnung tragen, daß ein jederzeit zulässiger, nicht fristgebundener und damit der jeweiligen Anschauung zum Nötigungstatbestand ausgesetzter Antrag auf Klärung von Fremdrentenzeiten möglicherweise nicht zum Erfolg geführt hätte und daran ein Zugang zur deutschen Rentenversicherung gescheitert wäre. Daß diejenigen Verfolgten, die eine Nachentrichtung nach § 10 WGSVG nicht beantragt haben und daher nach § 21 Abs 1 Satz 1 WGSVG dieses Nachentrichtungsrecht nicht erneut erhalten, deswegen auch von einer Nachentrichtung nach § 22 Abs 1 Satz 1 WGSVG ausgeschlossen sein sollen, ist dieser Vorschrift (§ 22 Abs 1 Satz 1 WGSVG) und ihrer Begründung nicht zu entnehmen, zumal sich die Nachentrichtung nach den beiden Regelungen auf verschiedene Zeiträume erstreckt.
Das LSG wird hiernach feststellen müssen, ob der Kläger zum Personenkreis des § 20 Abs 1 WGSVG gehört und bei ihm erstmals nach § 20 Abs 2 WGSVG Fremdrentenzeiten zu berücksichtigen sind oder ob dieses durch die Beklagte schon geschehen ist. Hierauf kommt es für die Entscheidung des Rechtsstreits an, weil die Nachentrichtung aufgrund des letzten Satzteils des § 22 Abs 1 Satz 1 WGSVG nicht für den gesamten Nachentrichtungszeitraum ausscheidet, sondern nur für die Zeit vor 1987.
Der Wortlaut des letzten Satzteils (“für Zeiten, für die sie durch die Berücksichtigung der Beitragszeiten und Beschäftigungszeiten nach dem Fremdrentengesetz die Berechtigung zur freiwilligen Versicherung erstmalig erlangen”) läßt erkennen, daß die Berücksichtigung der Fremdrentenzeiten alleinursächlich für den Zugang zur Beitragsentrichtung in der deutschen Rentenversicherung während des Nachentrichtungszeitraums vom 1. Februar 1971 (frühestens jedoch dem Verlassen des Vertreibungsgebietes) bis zum 31. Dezember 1989 (§ 22 Abs 2 Satz 1 WGSVG) sein muß. Die Nachentrichtung nach § 22 Abs 1 Satz 1 WGSVG scheidet daher für Zeiten aus, für welche die Berechtigung zur freiwilligen Versicherung auch ohne die Berücksichtigung von Fremdrentenzeiten nach § 20 Abs 2 WGSVG bestanden hat oder für die sie trotz einer Berücksichtigung solcher Zeiten nicht besteht. Damit hat – anders als beim ersten Satzteil – hinsichtlich des letzten Satzteils (“für die sie … die Berechtigung zur freiwilligen Versicherung erstmalig erlangen”) eine Prüfung anhand der bisherigen Rechtslage zu erfolgen. Daß ein früherer Zugang zur deutschen Rentenversicherung der Nachentrichtung nach § 22 Abs 1 Satz 1 WGSVG entgegensteht, wird durch die zitierte Begründung des Gesetzentwurfs und zur späteren Ergänzung des Textes um das Wort “erstmalig” bestätigt.
Ein Recht zur freiwilligen Versicherung für den gesamten Nachentrichtungszeitraum (1. Februar 1971 bis 31. Dezember 1989, vgl § 22 Abs 2 Satz 1 WGSVG) scheint beim Kläger allerdings früher nicht nach § 9 WGSVG in der am 31. Dezember 1989 geltenden Fassung bestanden zu haben. Denn die in § 9 Satz 1 WGSVG genannten Voraussetzungen (Versicherungszeit von mindestens 60 Kalendermonaten, verfolgungsbedingte Unterbrechung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit), konnten von ihm anscheinend wiederum nur mit Fremdrentenzeiten erfüllt werden (vgl BSG SozR 5070 § 9 Nr 9). Das LSG wird abschließend festzustellen haben, ob § 9 WGSVG aus diesem Grunde ausscheidet.
Im übrigen ist die frühere Berechtigung zur freiwilligen Versicherung nach § 22 Abs 1 Satz 1 WGSVG (“für Zeiten, für die …”) für einzelne Zeitabschnitte gesondert zu prüfen, wenn während des Nachentrichtungszeitraums (Februar 1971 bis Dezember 1989) die Zugangsvoraussetzungen zur deutschen Rentenversicherung geändert worden sind. Dieses gilt sowohl, wenn die Berechtigung zur freiwilligen Versicherung geschaffen oder erleichtert, als auch, wenn ein ursprünglich eröffneter Zugang erschwert oder verschlossen worden ist. Insofern sind hier drei Zeitabschnitte zu unterscheiden: 1. Die Zeit von Mai 1975 bis Dezember 1986. – 2. Die anschließende Zeit von Januar 1987 bis Dezember 1989. – 3. Die vor dem ersten Zeitraum liegende Zeit von Februar 1971 bis April 1975.
Für den ersten Zeitabschnitt (Mai 1975 bis Dezember 1986) besteht das Nachentrichtungsrecht nicht für Verfolgte, die wie der Kläger während dieser Zeit als israelische Staatsangehörige in Israel gelebt haben. Nach Maßgabe des damals geltenden § 1233 der Reichsversicherungsordnung (§ 10 des Angestelltenversicherungsgesetzes) iVm der Gleichstellungsregelung in Art 3 Abs 1 Buchst a des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel über Soziale Sicherheit (DISVA) vom 17. Dezember 1973 (BGBl 1975 II 246) waren seit dem Inkrafttreten des Abkommens am 1. Mai 1975 (BGBl 1975 II 443) alle israelischen Staatsangehörigen mit gewöhnlichem Aufenthalt in Israel zur laufenden freiwilligen Versicherung in der deutschen Rentenversicherung berechtigt. Ein Vorbeitrag war bis Ende 1986 nicht erforderlich.
Für den anschließenden zweiten Abschnitt (Januar 1987 bis Dezember 1989) kommt bei Verfolgten wie dem Kläger die Nachentrichtung nach § 22 Abs 1 Satz 1 WGSVG hingegen in Betracht (so auch Gerhard, Amtliche Mitteilungen der LVA Rheinprovinz 1990, 63, 65, Beispiel 1). Seit dem 1. Januar 1987, an dem das Abkommen vom 7. Januar 1986 zur Änderung des DISVA in Kraft getreten ist (BGBl 1986 II 863, 1099), sind israelische Staatsangehörige, die sich gewöhnlich im Gebiet des Staates Israel aufhalten, zur freiwilligen Versicherung in der deutschen Rentenversicherung nur noch berechtigt, wenn mindestens ein Beitrag aus der Zeit vor Ausübung dieses Rechts in der deutschen Rentenversicherung anrechnungsfähig ist (Buchst c der Nr 2 des Schlußprotokolls zum DISVA, angefügt durch Art IV des Änderungsabkommens). Der Kläger hatte – vorbehaltlich einer abschließenden anderweitigen Feststellung des LSG – einen solchen Vorbeitrag nicht aufzuweisen. Ihm kann nicht entgegengehalten werden, daß er früher einen Vorbeitrag hätte entrichten können. Der Wortlaut des Gesetzes (“für Zeiten …, für die sie… die Berechtigung zur freiwilligen Versicherung erstmalig erlangen”) ergibt, daß nur eine solche frühere Berechtigung der Nachentrichtung entgegensteht, die für den betreffenden Zeitabschnitt tatsächlich bestanden hat; es reicht nicht aus, daß sie hätte geschaffen werden können. Ob der Begründung des Gesetzentwurfs entnommen werden könnte, daß sogar das Auslassen von Gelegenheiten, durch eine Beitragsentrichtung in den früheren Zeitabschnitten vor 1987 den Zugang zur Versicherung auch für die Zukunft zu sichern, der Nachentrichtung entgegensteht, ist fraglich. Jedenfalls hat dieses im Gesetz keinen Niederschlag gefunden.
Für den dritten Zeitabschnitt (Februar 1971 bis April 1975) besteht das Recht zur Nachentrichtung gemäß § 22 Abs 1 Satz 1 WGSVG hingegen nicht. Insofern konnten israelische Staatsangehörige in Israel schon früher Beiträge nachentrichten, ohne daß es dazu einer Vorversicherungszeit bedurfte. Ein solches Nachentrichtungsrecht bestand zunächst nach Art 2 § 51a Abs 2 des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (ArVNG; Art 2 § 49a Abs 2 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes – AnVNG) iVm Art 3 Abs 1 Buchst a DISVA seit dem Inkrafttreten des Abkommens am 1. Mai 1975; diese Nachentrichtung war für den Zeitraum vom 1. Januar 1956 bis zum 31. Dezember 1973 zulässig und mußte bis zum 31. Dezember 1975 beantragt werden (Art 2 § 51a Abs 2 Satz 1, Abs 3 Satz 1 ArVNG = Art 2 § 49a Abs 2 Satz 1, Abs 3 Satz 1 AnVNG). Ein weiteres Nachentrichtungsrecht bestand nach Art 12 der Vereinbarung vom 20. November 1978 zur Durchführung des DISVA (DV/DISVA, BGBl 1980 II 575) iVm Art 2 § 51a Abs 2 ArVNG (Art 2 § 49a Abs 2 AnVNG). Nach dieser Abkommensregelung, die am 12. Juni 1980 in Kraft getreten ist (BGBl 1980 II 851), erstreckte sich der Nachentrichtungszeitraum vom 1. Januar 1956 bis zum Inkrafttreten der DV/DISVA am 12. Juni 1980; der Antrag war binnen drei Jahren nach dem Inkrafttreten zu stellen (Art 12 Satz 1, 3 DV/DISVA).
§ 22 Abs 1 Satz 1 WGSVG (“für Zeiten, für die sie … die Berechtigung zur freiwilligen Versicherung erstmalig erlangt haben”) ist dahin zu verstehen, daß nicht nur eine Berechtigung zur laufenden freiwilligen Versicherung während früherer Zeiten, sondern auch ein für vergangene Zeiträume bestehendes Nachentrichtungsrecht als Sonderform der Berechtigung zur freiwilligen Versicherung die Nachentrichtung ausschließt. Hierfür spricht auch die Begründung des Gesetzentwurfs. Sie enthält nach dem Einleitungssatz (“Soweit weder Versicherungspflicht im Geltungsbereich dieses Gesetzes noch eine Nachentrichtungsmöglichkeit bestand, …”), später den Hinweis, daß Personen kein Nachentrichtungsrecht erhielten, denen aufgrund anderer Umstände auch ohne die Anwendung des § 20 WGSVG bereits in der Vergangenheit ein Recht zur freiwilligen Versicherung zugestanden habe, zB infolge besonderer Bestimmungen in Sozialversicherungsabkommen. Damit müssen im vorliegenden Zusammenhang vor allem Sonderregelungen wie Art 12 DV/DISVA gemeint sein, die Ausländern im Ausland schon früher einen von Vorversicherungszeiten unabhängigen Zugang zur deutschen Rentenversicherung eröffnet hatten. Andere Abkommensregelungen, nach denen er von Vorversicherungszeiten abhängig war, kommen hingegen bei vertriebenen Verfolgten als “besondere Bestimmungen in Sozialversicherungsabkommen” nicht in Betracht, soweit solche Vorversicherungszeiten wiederum nur die erstmals zu berücksichtigenden Fremdrentenzeiten sein konnten. Die genannten Nachentrichtungsregelungen haben für israelische Staatsangehörige in Israel das Recht zur Entrichtung laufender freiwilliger Beiträge, das seit dem Inkrafttreten des Abkommens am 1. Mai 1975 bestand, für die davor liegenden fast 20 Jahre (ab Januar 1956) ergänzt und den Zugang zur deutschen Rentenversicherung vervollständigt. Auch aus diesem Grunde ist hier ein früheres Nachentrichtungsrecht nicht anders zu behandeln als eine Berechtigung zur laufenden Entrichtung von Beiträgen. Da eine Nachentrichtung nach § 22 Abs 1 Satz 1 WGSVG für die Zeit von Februar 1971 bis April 1975 schon hiernach ausscheidet, kommt es nicht mehr darauf an, ob der Kläger für diesen Zeitraum oder Teile davon auch nach anderen Vorschriften zur freiwilligen Versicherung berechtigt gewesen wäre.
Bedenken, die gegen die Anwendung des § 22 Abs 1 Satz 1 WGSVG geltend gemacht werden, weil der Gedanke des Herstellungsanspruchs verfehlt werde, sind unbegründet. Sie besagen von seiten der Verfolgten, das Anliegen, einen Ausgleich für das frühere Nichtbestehen der gesetzlichen Vermutungsregelung in § 20 WGSVG zu schaffen, werde nicht voll erreicht, wenn der Nachentrichtung ungenutzte Gelegenheiten zur Beitragsentrichtung aus einer Zeit entgegengehalten würden, in denen die Anerkennung von Fremdrentenzeiten unsicher gewesen sei; gerade die Fremdrentenzeiten ließen erst eine Beitragsentrichtung für die Zahlbarkeit entsprechender Renten ins Ausland als notwendig oder als wirtschaftlich erscheinen. Auf der anderen Seite macht die Beklagte geltend, es gehe über die Verwirklichung eines gebotenen Ausgleichs hinaus, die Nachentrichtung auch den Verfolgten mit frühem Verlassen der Vertreibungsgebiete einzuräumen, obwohl insofern eine Vermutung des Nötigungstatbestandes angenommen worden sei und diese Verfolgten durch das Nichtbestehen der Vermutung bei anderen keinen Nachteil erlitten hätten. Beide Auffassungen berücksichtigen jedoch nicht hinreichend, daß den §§ 21, 22 WGSVG zwar der Grundgedanke des Herstellungsanspruchs zugrunde liegt, er aber nicht nach der individuellen Betroffenheit eines jeden Verfolgten, sondern in einer generellen und abstrakten gesetzlichen Regelung verwirklicht worden ist. Das schließt gewisse Unter- und Überschreitungen in der Verwirklichung des Herstellungsanliegens bei einzelnen Verfolgten ein. Insbesondere hat der Gesetzgeber in § 22 Abs 1 Satz 1 WGSVG einen Ausgleich nur für geboten erachtet und vorgenommen, soweit durch die Nichtberücksichtigung von Fremdrentenzeiten der Zugang zur deutschen Rentenversicherung überhaupt verschlossen war. Demgegenüber hat er die Nachentrichtung in dieser Vorschrift nicht für Verfolgte eröffnet, soweit ihnen die deutsche Rentenversicherung schon früher offenstand und ihnen lediglich eine Beitragsentrichtung erst bei Anrechnung von Fremdrentenzeiten als vorteilhaft erscheint.
Der Ausschluß derjenigen Verfolgten, die als israelische Staatsangehörige in Israel leben, von der Nachentrichtung nach § 22 Abs 1 WGSVG für die Zeit vor 1987 verletzt diese Verfolgten nicht in ihrem Grundrecht aus Art 3 Abs 1 des Grundgesetzes (GG). Er beruht darauf, daß die Nachentrichtung nach neuem Recht ausscheidet, soweit der Zugang zur deutschen Rentenversicherung schon nach früherem Recht bestand. Dieses traf für israelische Staatsangehörige in weitem Umfang zu.
Eine Nachentrichtung nach § 21 Abs 1 Satz 3 oder nach § 22 Abs 1 Satz 2 WGSVG, die mit der Ergänzung des § 17 Abs 1 Buchst b FRG durch Art 15 Nr 3 Buchst a Doppelbuchst bb RRG 1992 in Zusammenhang steht, scheidet für den aus Ungarn bzw Rumänien kommenden Kläger aus.
Demnach war das Urteil des LSG hinsichtlich der Nachentrichtung für die Zeit von Januar 1987 bis Dezember 1989 aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen. Wegen der Nachentrichtung für die Zeit vor 1987 erwies sich die Revision als unbegründet und war daher zurückzuweisen. Das LSG wird in seiner abschließenden Entscheidung auch darüber zu befinden haben, ob dem Kläger – einschließlich des Revisionsverfahrens – außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits zu erstatten sind.
Fundstellen
Haufe-Index 913299 |
BSGE, 165 |