Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Hilfsmittel. kein Anspruch auf Spannungsumwandler für elektrisch betriebenes Druckbeatmungsgerät zwecks Urlaubsgestaltung. Leistungsausschluß. allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens. Zubehörteil. Betriebsmittel

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein an Schlafapnoe erkrankter Versicherter, dem die Krankenkasse ein elektrisch betriebenes Druckbeatmungsgerät zur Verfügung gestellt hat, kann nicht die zusätzliche Ausstattung mit einem an eine Autobatterie anzuschließenden Spannungsumwandler beanspruchen, um auf Urlaubsreisen von der üblichen Stromversorgung unabhängig zu sein.

2. Der Leistungsausschluß für allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens (§ 33 Abs 1 S 1 SGB 5) erstreckt sich nicht auf Zubehörteile und Betriebsmittel eines von der Krankenkasse geleisteten Hilfsmittels.

Stand: 24. Oktober 2002

 

Normenkette

SGB V § 2 Abs. 1, § 12 Abs. 1, § 33 Abs. 1 S. 1, § 13 Abs. 3

 

Verfahrensgang

SG Lüneburg (Urteil vom 15.02.1996; Aktenzeichen S 9 Kr 83/94)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 15. Februar 1996 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Der Kläger ist Mitglied der beklagten Ersatzkasse. Er leidet an einer schweren Schlafapnoe und ist auf die ständige Benutzung eines von der Beklagten als Hilfsmittel gewährten Druckbeatmungsgeräts während des Schlafs angewiesen. Das Beatmungsgerät wird elektrisch über das normale Stromnetz betrieben. Es läßt sich von 220 Volt (V) auf 110 V, nicht aber auf niedrigere Spannungsstärken umschalten. Der Einsatz des Geräts bei Stromspannungen von weniger als 110 V ist von der Zwischenschaltung eines Spannungsumwandlers (Konverter, Transformator) abhängig. Auf diese Weise kann das Druckbeatmungsgerät auch in Situationen, in denen kein normaler Stromanschluß vorhanden oder der Strom ausgefallen ist, über eine Stromquelle mit niedriger Spannungsstärke, zB eine Autobatterie, betrieben werden. Mit Blick auf derartige Fälle wurde die zusätzliche Ausstattung des Klägers mit einem „DC-Spannungswandler 12 V” sowie einem „Kabelanschluß für DC-Spannungswandler zum Anschluß an einen Auto-Zigarettenanzünder” im Januar 1994 vertragsärztlich verordnet. Am 7. Februar 1994 kaufte der Kläger einen DC-Konverter 12 V nebst Anschlußkabel zum Zigarettenanzünder für insgesamt 1.408,75 DM. Seinen Antrag, den Kaufpreis zu erstatten, lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 17. Februar 1994, Widerspruchsbescheid vom 11. August 1994).

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 15. Februar 1996): Mit der Übernahme der Kosten für das Druckbeatmungsgerät habe die Beklagte ihre Leistungspflicht aus der gesetzlichen Krankenversicherung (KV) erfüllt. Dem Kläger sei es zuzumuten, sein Leben so zu gestalten, daß er sich zur Schlafenszeit an Orten aufhalte, an denen ein normaler Stromanschluß zur Verfügung stehe. Darauf müsse sich der Kläger insbesondere auch auf Urlaubsreisen und langen Autofahrten einstellen. Die Möglichkeit eines länger dauernden, ohne Schlaf nicht zu überbrückenden Stromausfalls könne für alle entwickelten Länder nach dem heutigen Stand der Technik ausgeschlossen werden.

Mit der vom SG zugelassenen Sprungrevision rügt der Kläger eine Verletzung des § 33 Abs 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Er ist der Ansicht, bei dem Spannungsumwandler handele es sich um ein in seinem Einzelfall erforderliches Hilfsmittel iS des § 33 SGB V, dessen Anschaffungskosten von der Beklagten nach § 13 Abs 3 SGB V zu erstatten seien. Zwar gleiche das Druckbeatmungsgerät im täglichen Leben sein krankheitsbedingtes Funktionsdefizit bei der Atemluftversorgung im Schlaf aus. Dies gelte aber zB nicht für die Urlaubszeit, die er und seine Ehefrau seit nunmehr 17 Jahren auf Reisen mit seinem Wohnmobil verbringe. Es gehöre zu seinen elementaren Grundbedürfnissen, auch dort Urlaub machen zu können, wo er das Beatmungsgerät nur mit Hilfe eines Spannungsumwandlers benutzen könne. Da er sich im Urlaub am liebsten in einer natürlichen Landschaft aufhalte, könne er immer wieder an Orte gelangen, an denen ein Stromanschluß nicht vorhanden sei. Es sei zudem daran zu denken, daß er das Druckbeatmungsgerät auch während eines Stromausfalles (Unwetter, Streik, Sabotage) benutzen müsse. Schließlich müsse er als Autofahrer auf längeren Strecken Schlafpausen einlegen können. Dies geschehe vielfach auf Parkplätzen, die üblicherweise keine Steckdosen aufwiesen. Die Stromversorgung müsse dort über die Autobatterie bzw den Zigarettenanzünder erfolgen. Es handele sich bei diesen Situationen keineswegs um so außergewöhnliche oder seltene Lebenslagen, daß es ihm zuzumuten sei, das „Behinderungsrisiko” selbst zu tragen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 15. Februar 1996 sowie den Bescheid der Beklagten vom 17. Februar 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. August 1994 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Kosten von 1.408,75 DM für die Anschaffung des DC-Konverters nebst Anschlußkabel zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil als zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Rechtsstreits durch Urteil ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Sprungrevision des Klägers in unbegründet. Ihm steht der geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch nicht zu. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Da der Kläger sich die Zusatzausrüstung für das Druckbeatmungsgerät selbst beschafft hat, kommt als Anspruchsgrundlage allein die Vorschrift des § 13 Abs 3 SGB V idF des Art 1 Nr 5a des Gesundheitsstrukturgesetzes (GSG) vom 21. Dezember 1992 (BGBl I S 2266) in Betracht. Sie besagt: „Konnte die Krankenkasse (KK) eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie die Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, so sind diese von der KK in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war.” Von den genannten Alternativen – Selbstbeschaffung wegen Eilbedürftigkeit oder wegen rechtswidriger Leistungsverweigerung – ist hier nur die zweite in Erwägung zu ziehen. Die KK hat die Versorgung des Klägers mit dem Spannungsumwandler aber nicht zu Unrecht abgelehnt.

Nach § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Seh- und Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs 4 SGB V ausgeschlossen sind. Wie in allen anderen Bereichen der Leistungsgewährung der gesetzlichen KV auch, müssen die Leistungen nach § 33 SGB V ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die KKn nicht bewilligen (§ 12 Abs 1 SGB V). Gleiches gilt für Leistungen, die allein der Eigenverantwortung des Versicherten zuzurechnen sind (§ 2 Abs 1 Satz 1 SGB V).

Die Ausstattung des Klägers mit einem Spannungsumwandler entfällt nicht schon im Hinblick auf den in § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V vorgesehenen Ausschluß eines Sachleistungsanspruchs bei Hilfsmitteln, die als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen sind (vgl zu diesem Begriff BSGE 77, 209 = SozR 3-2500 § 33 Nr 19). Den Leistungsausschluß hat das Gesetz nur für das Hilfsmittel selbst vorgesehen, nicht aber für Zusatzteile, Zubehör und Betriebsmittel (vgl BSG, Urteil vom 6. Februar 1997 – 3 RK 12/96 – zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen – zum Anspruch eines Versicherten auf Versorgung mit Ladestrom bei einem elektrisch betriebenen Rollstuhl), die der ständigen Einsatzbereitschaft des Hilfsmittels dienen. So hat der Gesetzgeber zB den Anspruch auf notwendige Änderung oder Instandsetzung eines Hilfsmittels (§ 33 Abs 1 Satz 2 SGB V) nicht auf Fälle beschränkt, in denen die hierfür erforderlichen Zusatz- oder Ersatzteile nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens gelten. Das Verbot, bei noch nicht 18 Jahre alten Versicherten die Versorgung mit Batterien für Hörgeräte von der Leistungspflicht der KKn auszunehmen (§ 34 Abs 4 Satz 3 SGB V), ist ebenfalls nur vor dem Hintergrund zu erklären, daß Batterien, die zweifellos zu den allgemeinen Gebrauchsgegenständen des täglichen Lebens gehören, als Zubehör oder Betriebsmittel für ein Hilfsmittel nicht bereits selbst vom Leistungsausschuß des § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V erfaßt werden.

Der Anspruch ist jedoch deshalb unbegründet, weil die Zusatzausrüstung nicht iS des § 33 Abs 1 Satz 1 SGB „erforderlich” und nicht iS des § 12 Abs 1 SGB V „notwendig” ist. Zwar haben die KKn bei der Leistungsgewährung nach §§ 2 Abs 1 und 12 Abs 1 SGB V im Rahmen des Möglichen auf besondere Wünsche der Versicherten Rücksicht zu nehmen. Dies gilt insbesondere dann, wenn mehrere Arten oder Formen der Leistungsgewährung rechtlich zulässig und wirtschaftlich sind. Besondere Wünsche der Versicherten sind jedoch nicht dazu geeignet, einen Leistungsanspruch über das notwendige Maß hinaus zu begründen. Durch die Versorgung des Klägers mit dem Beatmungsgerät ist von Seiten der Beklagten das krankenversicherungsrechtlich Erforderliche geschehen, um die Atmungsfehlfunktion des Klägers auszugleichen.

Die KKn haben die Versicherten im Rahmen des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12 Abs 1 SGB V) mit allen Hilfsmitteln zu versorgen, die geeignet und erforderlich sind, die Betroffenen in den Stand zu versetzen oder es ihnen zu erleichtern, den Grundbedürfnissen des täglichen Lebens nachzukommen (BSG SozR 2200 § 182b Nr 10; zuletzt BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 16; ständige Rechtsprechung). Zu diesen Grundbedürfnissen gehört in der heutigen Zeit auch die Möglichkeit, einmal im Jahr einen längeren Urlaub an einem anderen als dem Wohnort zu verbringen (BSG, Urteil vom 26. Juni 1990 – 3 RK 26/88 – SozSich 1991, 94; Höfler in Kasseler Komm § 33 SGB V RdNr 12). Es gehört jedoch nicht zur Aufgabe der KKn, den Versicherten darüber hinaus jede individuell gewünschte Art des Urlaubs zu ermöglichen (BSG aaO zur Benutzung einer eigenen Ferienwohnung; Höfler aaO). Das hiernach Erforderliche hat die Beklagte mit der Kostenübernahme für das Beatmungsgerät getan. Der Kläger kann das Gerät überall dort nutzen, wo es die üblichen Stromanschlüsse gibt. Das ist in Hotels, Pensionen, Ferienwohnungen und heutzutage in der Regel auch auf Campingplätzen und Wohnmobilanlagen der Fall. Damit steht dem Kläger eine breite Palette von Urlaubsmöglichkeiten zur Auswahl. Er braucht nicht einmal auf den von ihm bevorzugten Urlaub im Wohnmobil zu verzichten. Beschränkungen muß er sich lediglich bei der Wahl der Übernachtungsplätze auferlegen. Das ist ihm aus krankenversicherungsrechtlicher Sicht im Hinblick auf die nicht unbegrenzte Belastbarkeit der Solidargemeinschaft zuzumuten.

Der Kläger kann auch nicht damit gehört werden, die Zusatzausrüstung für Schlafpausen auf Parkplätzen bei langen Autofahrten zu benötigen. Ihm ist zuzumuten, seine Autofahrten, seien sie dienstlicher oder privater Natur, so zu planen, daß er auf Schlafpausen entweder ganz oder jedenfalls an Orten, die nicht über einen Stromanschluß verfügen, verzichten kann.

Auch zur Vorsorge gegen Notfälle (Stromausfall) ist der Spannungsumwandler nicht erforderlich. In Betracht zu ziehen sind in diesem Zusammenhang nur Stromausfälle von einer Dauer, die ohne Schlaf nicht zu überbrücken sind. Diese Möglichkeit kann für die Bundesrepublik Deutschland ebenso wie für die Mehrzahl der anderen Staaten der Welt ausgeschlossen werden. Stromabschaltungen, etwa während eines Streiks, sind in der Bundesrepublik Deutschland nicht in nennenswertem Umfang vorgekommen und würden auch auf kürzere Zeiträume begrenzt, um die Versorgung der Bevölkerung nicht über Gebühr zu gefährden. In manchen Ländern, insbesondere in Krisengebieten, mag die Stromversorgung oft unregelmäßig sein und mitunter ganz zusammenbrechen. Derartige Zustände sind aber regelmäßig bekannt. Versicherten, die auf eine zuverlässige, regelmäßige Stromversorgung angewiesen sind, ist es zuzumuten, auf Fahrten in solche Regionen zu verzichten, um die Solidargemeinschaft nicht zu überfordern.

Soweit der Kläger im Revisionsverfahren erstmals vorgetragen hat, im Dezember 1993 habe ein Mitarbeiter der für ihn damals noch zuständigen Geschäftsstelle der Beklagten in H. … auf Nachfrage zum Stand des Antragsverfahrens erklärt, er solle die beantragte Zusatzausrüstung für das Beatmungsgerät zu den Bedingungen des Kostenvoranschlages der Firma M. … S. … Medizintechnik GmbH & Co KG vom 15. September 1993 bestellen, ist darauf nicht weiter einzugehen, da es sich um neues Tatsachenvorbringen handelt, das in der Revisionsinstanz – von hier nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen (vgl dazu Meyer-Ladewig, SGG, § 163 Anm 5) – ausgeschlossen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1173692

NJW 1998, 1812

SozR 3-2500 § 33, Nr.23

SozSi 1998, 120

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