Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenbehandlung. Witwe. Krankenhauskosten. vorübergehender Auslandsaufenthalt. Kostenerstattung. Systemversagen
Leitsatz (amtlich)
Die Kosten einer während eines vorübergehenden Auslandsaufenthalts privat durchgeführten dringenden Krankenhausbehandlung wegen eines nicht schädigungsbedingten Leidens sind vom Versorgungsträger grundsätzlich nicht zu erstatten.
Stand: 24. Oktober 2002
Normenkette
BVG § 18 Abs. 4 S. 1, § 10 Abs. 4 S. 1 Buchst. c, Abs. 7 S. 1 Buchst. e, § 18 Abs. 1 S. 1; SGB V § 16 Abs. 1 Nr. 1; BVG § 64a
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 23. Juni 1994 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Klägerin bezieht wiederaufgelebte Witwenrente nach ihrem 1945 als Soldat gefallenen ersten Ehemann. Während einer Besuchsreise in den USA wurde sie am 16. Januar 1988 von einem Auto angefahren und schwer verletzt. Der Grad ihrer Behinderung beträgt 100. Von den Kosten der Krankenhausaufenthalte in den USA, die die Klägerin mit 169.870,07 US-Dollar beziffert, übernahm eine private Krankenversicherung 60 vH. Bei dieser hatte sich die Klägerin versichert, weil ihr nicht bekannt war, daß sie nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) Anspruch auf Krankenbehandlung hatte. Als der gerichtlich bestellte Betreuer der Klägerin von dieser Anspruchsberechtigung erfuhr, machte er den nicht gedeckten Teil der Krankenhauskosten gegen den beklagten Versorgungsträger geltend. Der Beklagte lehnte den Antrag zunächst mit der Begründung ab, das er verspätet gestellt worden sei (Bescheid vom 26. Juni 1989). Nachdem die Klägerin einen am 1. März 1989 geschlossenen Abfindungsvergleich zur Kenntnis gab, wonach die Unfallverursacherin bzw die hinter ihr stehende amerikanische Haftpflichtversicherung zur Abgeltung aller Ansprüche aus dem Unfall eine Abfindung iH von 1,25 Mio US-Dollar zahlt, wies der Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, daß durch die Abfindung auch die Krankenhauskosten ersetzt worden seien (Widerspruchsbescheid vom 6. Februar 1991). Das Sozialgericht hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 31. März 1993). Mit der Berufung hat die Klägerin ihre Klage erweitert und die Erstattung der Krankenhauskosten auch insoweit begehrt, als die private Krankenversicherung bereits gezahlt hat. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 23. Juni 1994): Die Klägerin habe schon deshalb keinen Kostenerstattungsanspruch, weil sie ohne zwingende Gründe, anstatt die Sachleistung in Anspruch zu nehmen, die Heilbehandlung selbst durchgeführt habe. Der Kostenerstattungsanspruch scheitere auch daran, daß der am 22. November 1988 gestellte Antrag wegen des am 18. Juli 1988 beendeten Krankenhausaufenthaltes verspätet sei. Dem Anspruch stehe auch entgegen, daß der Beklagte den Abfindungsvergleich gegen sich gelten lassen müsse. Er habe deshalb seinen Regreßanspruch gegen den Schädiger, der gemäß § 81a BVG auf ihn übergegangen sei, verloren. Im Gegenzug müsse sich die Klägerin entgegenhalten lassen, daß sie bei einer Erstattung der Krankenhauskosten angesichts der bereits erhaltenen Zahlungen ungerechtfertigt bereichert wäre.
Mit der vom Bundessozialgericht (BSG) zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts (§§ 18 Abs 4, 18a Abs 2 und 81a BVG). Entgegen der Auffassung des LSG hätten unvermeidbare Umstände die Inanspruchnahme der Versorgungsbehörde unmöglich gemacht. Ansprüche aus einer privaten Krankenversicherung hätten nach § 10 Abs 7 Satz 1 Buchst e BVG im Rahmen des § 18 Abs 4 BVG außer Betracht zu bleiben. Ferner habe das LSG zu Unrecht auf den Erstattungsanspruch die Fristregelung des § 18a Abs 2 Satz 1 BVG angewandt. § 81a BVG stehe dem Erstattungsanspruch nicht entgegen. Der nach kalifornischem Recht abgeschlossene Abfindungsvertrag decke nicht einmal den Schmerzensgeldanspruch.
Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 23. Juni 1994 und des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 31. März 1993 sowie den Bescheid vom 26. Juni 1989 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. Februar 1991 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, 169.870,07 US-Dollar zu erstatten.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Kostenerstattung für die selbst durchgeführte Krankenhausbehandlung steht ihr nicht zu, weil sie nicht durch „unvermeidbare Umstände” iS von § 18 Abs 2 Satz 1 BVG (hier und nachfolgend idF der Bekanntmachung vom 22. Januar 1982 ≪BGBl I 21≫, soweit nicht anders angegeben) gehindert war, die Krankenbehandlung als Sachleistung in Anspruch zu nehmen.
Als Soldatenwitwe (§§ 38, 44 BVG) hatte die Klägerin zum Zeitpunkt des Unfalls nach § 10 Abs 4 Satz 1 Buchst c BVG Anspruch auf Krankenbehandlung, weil ihr Einkommen unter der Jahresarbeitsentgeltgrenze der gesetzlichen Krankenversicherung lag und sie bei keinem Sozialversicherungsträger, sondern nur bei einer privaten Krankenversicherung krankenversichert war, was unschädlich ist (§ 10 Abs 7 Satz 1 Buchst a, d und e BVG in der durch Art 25 des Haushaltsbegleitgesetzes 1983 vom 20. Dezember 1982 ≪BGBl I 1857≫ geänderten Fassung). Die Krankenbehandlung umfaßt nach §§ 12 Abs 1, 11 Abs 1 Satz 1 Nr 5 BVG auch die Krankenhausbehandlung. Diese wird aber nur als Sachleistung erbracht. Das stellt § 18 Abs 1 BVG idF durch das KOV-Strukturgesetz (KOVStruktG) 1990 vom 23. März 1990 (BGBl I 582) jetzt ausdrücklich klar; zuvor ergab sich dies aus dem systematischen Zusammenhang der Vorschriften, insbesondere aus § 18a Abs 1 Satz 1 BVG iVm § 18c BVG, der die Durchführung der Krankenhausbehandlung den Krankenkassen zuweist. Die Klägerin hat keine Sachleistung des Versorgungsträgers oder der Krankenkasse in Anspruch genommen in der Weise, daß sie sich auf Kosten der Leistungsträger hat behandeln lassen, sondern sie hat die Krankenhausbehandlung selbst durchgeführt, indem sie sich privatrechtlich gegenüber dem amerikanischen Krankenhausträger zur Zahlung der Kosten verpflichtet und diese inzwischen auch gezahlt hat. Die Sachleistungsverpflichtung des Beklagten ist damit durch anderweitige Zweckerreichung erloschen. An deren Stelle ist entgegen der bisher zum Ausdruck gekommenen Rechtsauffassung des Beklagten nicht ohne weiteres ein Kostenerstattungsanspruch getreten, den die Klägerin nur aus sonstigen Gründen nicht mehr geltend machen könnte.
Im Falle einer selbst durchgeführten Krankenbehandlung gibt § 18 Abs 2 Satz 1 BVG (seit dem KOVStruktG 1990 Abs 4 Satz 1) einen Kostenerstattungsanspruch nur, wenn unvermeidbare Umstände die Inanspruchnahme der Krankenkasse oder der Verwaltungsbehörde unmöglich machten. Unvermeidbare Umstände sind nicht schon deshalb zu bejahen, weil sich die Klägerin zum Zeitpunkt des Unfalls im Ausland befand und wegen der Dringlichkeit keine Krankenhausbehandlung durch nach Krankenversicherungsrecht zugelassene Vertragskrankenhäuser im Inland (vgl § 11 Abs 1 Satz 2 BVG iVm § 371 Reichsversicherungsordnung ≪RVO≫, jetzt § 108 Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung -≪SGB V≫), aber auch nicht durch vertraglich gegenüber den Krankenkassen oder dem Versorgungsträger verpflichtete Krankenhäuser im Ausland erhalten konnte. Mit den Vereinigten Staaten von Amerika bestehen keine zwischenstaatlichen Vereinbarungen, wie sie zB mit Österreich abgeschlossen worden sind, um für nach dem BVG Berechtigte eine Heilbehandlung auch bei einem nur vorübergehenden Aufenthalt als Sachleistung zu ermöglichen (vgl Art 2 und 4 des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über Kriegsopferversorgung und Beschäftigung Schwerbeschädigter vom 7. Mai 1963 ≪Zustimmungsgesetz vom 10. März 1964 – BGBl II 220≫). Es bestehen auch keine überstaatlichen Regelungen wie zB im Geltungsbereich des EG-Rechts, die die Gewährung von Sachleistungen für Krankenversicherte im Ausland ermöglichen. Die Vereinigten Staaten von Amerika gehören krankenversicherungsrechtlich zum sog vertragslosen Ausland (vgl Übersicht über die mit den USA abgeschlossenen Sozialversicherungsabkommen bei Plöger/Wortmann, Deutsche Sozialversicherungsabkommen, XVI, I), so daß in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherte Personen dort keine Krankenbehandlung als Sachleistung erhalten können. Nichts anderes gilt für die Versorgung von Kriegsopfern.
Die Auffassung, bei vorübergehendem Aufenthalt in Staaten, mit denen keine Abkommen bestehen, lägen im plötzlichen Krankheitsfall stets unvermeidbare Umstände für die private Durchführung der Krankenbehandlung vor (Wilke/Fehl, Soziales Entschädigungsrecht, 7. Aufl, § 18 RdNr 12), trifft nicht zu. § 18 Abs 4 Satz 1 BVG nF, der von den Versorgungsbehörden als Rechtsgrundlage für die Erstattung herangezogen wird, setzt voraus, daß ein Sachleistungsanspruch bestanden hat, der nur wegen eines Systemversagens im Einzelfall nicht erfüllt werden konnte. Die Unmöglichkeit der Sachleistungserbringung im Ausland beruht indessen nicht auf einem Systemversagen aufgrund besonderer Umstände im Einzelfall, sondern auf der Struktur des Sachleistungsanspruchs. Dieser kann, weil er das Vorhandensein einer entsprechenden organisatorischen Infrastruktur voraussetzt, die durch die gesetzlichen Krankenkassen vor allem durch das System der vertragsärztlichen Versorgung zur Verfügung gestellt wird, in der Regel nur im Inland und nur ausnahmsweise im Ausland erfüllt werden.
Für den Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung, die ebenfalls vom Sachleistungsprinzip ausgeht, hat dem § 16 Abs 1 Nr 1 SGB V in der Weise Rechnung getragen, daß er generell das Ruhen des Anspruchs auf Leistungen für Versicherte anordnet, die während eines vorübergehenden Auslandsaufenthaltes dort erkranken, solange sie sich dort aufhalten. Anstelle des ruhenden Sachleistungsanspruchs tritt selbst bei dringender Behandlungsbedürftigkeit im Ausland grundsätzlich kein Kostenerstattungsanspruch; anders ist dies nach § 18 Abs 3 SGB V nur in den Fällen, in denen sich der Versicherte wegen einer Vorerkrankung oder des Lebensalters nachweislich nicht versichern konnte und die Krankenkasse dies vor Beginn des Auslandsaufenthaltes festgestellt hat. Die Kosten können auch dann nur bis zur Höhe der Kosten einer Inlandsbehandlung und längstens für sechs Wochen im Kalenderjahr übernommen werden (§ 18 Abs 3 Satz 2 SGB V). Das Unvermögen des deutschen Krankenversicherungsträgers, in einem bestimmten ausländischen Staat Krankenpflege zu gewähren, stellt für sich allein danach keinen Rechtsgrund für eine Umwandlung des Sachleistungsanspruchs in einen Kostenerstattungsanspruch dar. Diese seit dem 1. Januar 1989 geltende ausdrückliche Regelung hat nur eine Klarstellung dessen gebracht, was auch vorher nach dem Recht der RVO bereits galt, also auch zum Zeitpunkt des Unfalls der Klägerin. Auch damals war durch die Rechtsprechung des BSG (vgl BSGE 53, 150, 155 f = SozR 2200 § 222 Nr 1) geklärt, daß der Krankenversicherungsträger zur Gewährung von Krankenpflege im Ausland nicht verpflichtet ist und sich eine allgemeine Verpflichtung zur Erstattung der im Ausland angefallenen Behandlungskosten auch nicht der gesetzlichen Regelung über die Inanspruchnahme ärztlicher Behandlung in Notfällen (§ 368d Abs 1 Satz 2 RVO; jetzt § 13 Abs 3 SGB V) entnehmen ließ, die demselben Zweck wie § 18 Abs 4 Satz 1 BVG nF dient. Der Auslandsaufenthalt ist ein allgemeiner Tatbestand, der – weil er den Geltungsbereich der innerstaatlichen Normen betrifft – einer entsprechenden rechtlichen Regelung bedarf, wenn an ihn Leistungsansprüche geknüpft werden sollen (so zum früheren Recht auch schon Peters, Handbuch der Krankenversicherung, § 182 Anm 7; Wortmann, OKK 1975, 364, 366). Mit der Neuregelung durch das Gesundheits-Reformgesetz hat der Gesetzgeber die damalige Rechtsprechung für den Bereich der Krankenversicherung bestätigt, teilweise sogar verschärft (vgl die Ausdehnung des Ruhens auch auf Ansprüche auf Krankengeld, entgegen BSGE 31, 100 = SozR Nr 39 zu § 182 RVO). Soweit über- oder zwischenstaatliche Vereinbarungen nicht bestehen, muß sich der gesetzlich Krankenversicherte gegen das Risiko einer Erkrankung im Ausland durch Abschluß einer privaten Krankenversicherung schützen (vgl Peters in Kasseler Komm, § 18 SGB V RdNr 5).
Die aus dem Sachleistungsprinzip folgende grundsätzliche Beschränkung der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung auf das Inland gilt in gleicher Weise für das Recht der sozialen Entschädigung. Auch hier dient das Sachleistungsprinzip dazu, einerseits dem Berechtigten den ihm zustehenden Anspruch auf zweckmäßige und ausreichende Krankenbehandlung ohne Aufwendung eigener finanzieller Mittel zu erfüllen, andererseits aber auch eine wirtschaftliche Versorgung und eine Begrenzung des Kostenrisikos des Versorgungsträgers zu gewährleisten. Allerdings hat der Gesetzgeber abweichend vom Krankenversicherungsrecht Leistungen ins Ausland auch dort vorgesehen, wo überstaatliche oder zwischenstaatliche Abkommen nicht bestehen. Sie gelten aber nur bei einem dauerhaften Aufenthalt im Ausland. Anstelle der nicht möglichen Sachleistung ist in § 64a Abs 1 Satz 1 BVG den Beschädigten ausdrücklich die Befugnis zuerkannt, die Heilbehandlung wegen der Schädigungsfolgen selbst durchzuführen. Nach Satz 2 dieser Vorschrift werden dafür die nachgewiesenen notwendigen und angemessenen Kosten bis zur zweifachen Summe der Kosten einer entsprechenden Heilbehandlung im Geltungsbereich des BVG erstattet, ausnahmsweise auch darüber hinaus. Nach § 64a Abs 2 Satz 2 BVG wird Heilbehandlung für Gesundheitsstörungen, die nicht Folgen einer Schädigung sind, und Krankenbehandlung außerhalb des Geltungsbereichs des BVG ausgeschlossen. Statt dessen kann nach dem anschließenden Satz 3 aber eine Zuwendung bis zur zweifachen Höhe der im Inland anfallenden Leistungen gegeben werden. Es handelt sich insoweit um eine Ermessensleistung.
Diese Vorschriften lassen keinen Schluß darauf zu, daß bei einem vorübergehenden Auslandsaufenthalt eine unbeschränkte Kostenerstattung erfolgt. Was im Falle eines vorübergehenden Auslandsaufenthaltes gelten soll, läßt sich weder dem Wortlaut noch der Entstehungsgeschichte des Gesetzes entnehmen. § 64 Abs 1 BVG enthielt in der Ursprungsfassung den Grundsatz, daß das Recht auf Versorgung ruht, solange der Berechtigte sich im Ausland aufhält; jedoch konnte in diesen Fällen Versorgung als Ermessensleistung gewährt werden. Dem Wortlaut nach wurde nicht zwischen dauerhaftem und vorübergehendem Auslandsaufenthalt unterschieden. Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung (BMA) hat allerdings in Nr 1 seiner Richtlinien zu § 64 BVG von Anfang an die Auffassung vertreten, die Vorschrift gelte nur für den dauernden Auslandsaufenthalt. Die nachfolgenden Gesetzesänderungen haben dies insofern bestätigt, als sie nunmehr ausdrücklich Berechtigte mit Wohnsitz oder ständigem Aufenthalt außerhalb des Geltungsbereichs des Gesetzes betrafen (vgl § 64 Abs 1 BVG idF des Ersten Neuordnungsgesetzes vom 27. Juni 1960 ≪BGBl I 453≫). Aus diesen Regelungen läßt sich aber wegen der unterschiedlichen Lebenssituation der Versorgungsberechtigten bei dauerndem im Vergleich zu vorübergehendem Auslandsaufenthalt nicht die Folgerung ableiten, daß letztere gleichbehandelt werden müßten. Es läßt sich auch nicht der Schluß ziehen, daß bei vorübergehendem Auslandsaufenthalt eine noch weitergehende Kostenerstattung stattzufinden hat, die nur von der Notwendigkeit des jeweiligen Aufwands begrenzt wird. Vielmehr gilt dann hier mangels ausdrücklicher gesetzlicher Regelung der Grundsatz, daß wegen des Sachleistungsprinzips eine Kostenerstattung ausgeschlossen ist.
Jedenfalls bei solchen Versorgungsberechtigten wie der Klägerin, die nicht wegen Schädigungsfolgen einer ärztlichen Behandlung bedürfen, sondern nur deshalb Anspruch auf Krankenbehandlung durch den Versorgungsträger haben, weil sie keiner gesetzlichen Krankenkasse angehören und nur ein so geringes Einkommen haben, daß ihnen der Abschluß einer privaten Krankenversicherung nicht zugemutet wird, fehlt es an rechtfertigenden Gründen dafür, die Voraussetzung unvermeidbarer Umstände bei einer Erkrankung im Ausland zu bejahen und auf diese Weise die mit dem zunehmenden weltweiten Tourismus verbundenen Erkrankungs- und Unfallrisiken dem Versorgungsträger im Unterschied zum Krankenversicherungsrecht aufzubürden. Denn diese über den Entschädigungsgedanken hinausreichende, auf dem Gedanken einer allgemeinen Fürsorgepflicht beruhende Krankenversorgung (vgl BSG SozR Nrn 13, 18, 21 und 26; SozR 2500 § 31 Nr 2) tritt nur subsidiär ein und kann daher grundsätzlich nicht zu weitergehenden Ansprüchen führen als sie die gesetzliche Krankenversicherung vorsieht. Es ist zwar einzuräumen, daß in bestimmten Randbereichen kraft ausdrücklicher gesetzlicher Regelung der Anspruch auf Krankenbehandlung nach dem BVG den Berechtigten besserstellt, als er stünde, wenn er allein oder zusätzlich gesetzlich krankenversichert wäre. So räumt § 12 Abs 2 BVG nF in Abweichung von dem in § 12 Abs 1 BVG nF niedergelegten Grundsatz der Übereinstimmung der Leistungen mit dem Krankenversicherungsrecht im Einzelfall bei der Beschaffung von Zahnersatz höhere Zuschüsse ein. Nach § 18 Abs 1 Satz 2 BVG nF sind Berechtigten und Leistungsempfängern im Unterschied zum Krankenversicherungsrecht Sachleistungen ausnahmslos ohne Kostenbeteiligung zu gewähren. Diese Abweichungen lassen aber nicht den Schluß zu, daß nach Versorgungsrecht allgemein auch da großzügigere Leistungen eingeräumt werden, wo es nicht um die Verantwortung für Schädigungsfolgen geht. Der erkennende Senat hat die Abweichungen wegen ihrer Systemwidrigkeit strikt begrenzt. Den gesetzlich krankenversicherten Versorgungsberechtigten stehen über die Leistungen der Krankenversicherung hinaus bei Nichtschädigungsfolgen keine Ansprüche auf Aufstockung der Leistungen gegen die Versorgungsverwaltung zu, weil der Vorrang der Krankenversicherung abschließend gilt (BSG, Urteil vom 29. September 1993 – 9/9a RV 34/92 – USK 9379 = SozSich 1994, 473; bestätigt durch BVerfG, Beschluß vom 9. März 1994 – 1 BvR 342/94 –).
Der Senat folgt nicht der in dem Rundschreiben des BMA vom 14. Februar 1989 – VI a 3-51013-11 – (abgedruckt in: Die Leistungen 1989, 106) mitgeteilten Rechtsauffassung, wonach Versicherte der gesetzlichen Krankenkassen, die gleichzeitig versorgungsberechtigt sind, bei Erkrankungen in Staaten, mit denen keine Abkommen bestehen, einen Anspruch auf Kostenerstattung gegen den Versorgungsträger haben, wenn die Krankenkasse wegen des Ruhens der Krankenversicherungsansprüche nicht zur Leistung verpflichtet ist. Eine solche Leistungsaufstockung bei Nichtschädigungsfolgen käme schon wegen des ausschließlichen Vorranges der Krankenversicherung nicht in Betracht. Diese Rechtsauffassung des BMA trifft aber auch deshalb nicht zu, weil sie unterstellt, daß nichtkrankenversicherte Versorgungsberechtigte einen entsprechenden Erstattungsanspruch hätten. Das ist – wie gezeigt – nicht der Fall. Ob ein versorgungsrechtlicher Kostenerstattungsanspruch wegen Systemversagens dann bestehen kann, wenn ein gesetzlich Krankenversicherter im Ausland aufgrund bestehender Abkommen Sachleistungen in Anspruch nehmen kann, dies ausschließlich Versorgungsberechtigten (sog Zugewiesenen) aber nicht möglich ist, weil sie nicht in die Abkommen einbezogen worden sind, kann dahinstehen. Im Verhältnis zu den Vereinigten Staaten von Amerika existieren solche Abkommen nicht.
Vertrauensschutzgesichtspunkte wegen der bisherigen Verwaltungspraxis der Kostenerstattung sind im vorliegenden Fall nicht zu berücksichtigen, weil die Klägerin ihre Auslandsreise nicht im Vertrauen auf diese Praxis angetreten hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Fundstellen
Haufe-Index 1174779 |
BSGE 78, 59 |
BSGE, 59 |
SozR 3-3100 § 18, Nr.3 |
Breith. 1996, 949 |
SozSi 1997, 76 |