Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches LSG (Urteil vom 12.12.1989) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Schleswig- Holsteinischen Landessozialgerichts vom 12. Dezember 1989 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Es ist streitig, ob der Kläger von der beklagten Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) den Ersatz von Prämien zur privaten Lebensversicherung, die er in der Zeit eines Krankengeldbezuges entrichtet hat, verlangen kann.
Der Kläger hat sich von der Angestelltenversicherung befreien lassen; er ist bei der Beigeladenen lebensversichert (vgl §§ 1230 ff Reichsversicherungsordnung ≪RVO≫, §§ 7 ff Angestelltenversicherungsgesetz ≪AVG≫). Er wurde arbeitslos und bezog Arbeitslosengeld (Alg). Während dieses Bezuges wurde er am 24. April 1987 arbeitsunfähig krank. Das Alg wurde für sechs Wochen – bis zum 4. Juni 1987 – fortbezahlt. Für die gesamte Zeit des Bezugs von Alg, also auch für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit vom 24. April bis 4. Juni 1987, bezahlte die Bundesanstalt für Arbeit (BA) denjenigen Betrag an die beigeladene P. … L. … Versicherungsanstalt, der sonst zur gesetzlichen Rentenversicherung zu entrichten gewesen wäre. Die BA hatte diese Beiträge nach § 166b Abs 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) zu entrichten, da sie sonst – ohne die Befreiung des Klägers – entsprechende Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung für den Kläger als Empfänger von Alg zu entrichten gehabt hätte (§ 1385a RVO, § 112a AVG). Die Arbeitsunfähigkeit des Klägers dauerte (über den 4. Juni 1987 hinaus) bis zum 2. August 1987 fort. Deshalb bezog er von der beklagten AOK, bei der er krankenversichert ist, vom 5. Juni bis zum 2. August 1987 Krankengeld.
Der Kläger ist der Meinung, die Beklagte sei für diese Zeit des Krankengeldbezuges ebenso wie die BA für die vorangegangene Zeit des Alg-Bezuges zur Zahlung seiner Versicherungsprämien verpflichtet. Widerspruch, Klage und Berufung hatten keinen Erfolg; es wurde jeweils die Rechtsansicht vertreten, daß es für den geltend gemachten Anspruch keine Rechtsgrundlage gebe. Mit der von ihm eingelegten Revision beantragt der Kläger,
die Urteile des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 12. Dezember 1989 und des Sozialgerichts Kiel vom 16. Januar 1989 sowie den Bescheid der Beklagten vom 7. August 1987 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. September 1987 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger die Prämien zu seiner Lebensversicherung bei der Beigeladenen für die Zeit vom 5. Juni bis 2. August 1987 in der Höhe zu erstatten, wie sie ohne seine Befreiung von der Rentenversicherungspflicht zur Bundesversicherungsanstalt für Angestellte zu entrichten gewesen wäre.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beigeladene hat sich nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision ist nicht begründet.
Der Kläger begehrt den Ersatz seiner Versicherungsprämien mit der Begründung, die Beklagte sei insoweit, wäre er nicht von der Rentenversicherungspflicht befreit, zur Entrichtung von Rentenversicherungsbeiträgen verpflichtet. Eine solche Ersatzpflicht trifft die Beklagte aber nicht.
Es ist zwar richtig, daß die Beklagte für den Kläger, wenn er rentenpflichtversichert wäre, in der streitigen Zeit Rentenversicherungsbeiträge zu entrichten gehabt hätte. Denn § 1385b Abs 1 RVO, § 112b Abs 1 AVG legt der Beklagten eine solche Leistungspflicht für Krankengeldbezieher auf. Eine gesetzliche Verpflichtung des Krankenversicherungsträgers, dem von der Rentenversicherungspflicht befreiten Versicherten Beiträge für eine private Versicherungsversorgung zu bezahlen, ihm also außer den Krankenversicherungsleistungen auch noch Zahlungen für eine im Rentenversicherungsbereich ersatzweise vorgenommene private Absicherung zu leisten, enthält diese Vorschrift ganz offensichtlich jedoch weder direkt noch indirekt.
Dem Krankenversicherungsträger eine solche vom Gesetzgeber offenbar nicht gewollte Verpflichtung im Wege der Analogie des § 166b AFG aufzubürden, ist rechtlich nicht möglich. Nach dieser Vorschrift trägt die BA für die Ausfallzeiten aufweisenden Empfänger von Alg, die von der Rentenversicherungspflicht befreit sind, Beiträge bis zu der Höhe, in der sie – die BA – Beiträge nach § 1385a RVO, § 112a AVG zur Rentenversicherung zu entrichten hätte. Diese der BA zur Sicherung von solchen Angestellten auferlegte Verpflichtung, welche sich von der gesetzlichen Rentenversicherung haben befreien lassen, ist vom Gesetzgeber bewußt und gewollt auf den Träger der Arbeitslosenversicherung (§ 3 Abs 1 Nr 6 AFG) übertragen und beschränkt worden. § 166b Abs 1 AFG wurde durch das Fünfte Änderungsgesetz zum Arbeitsförderungsgesetz (5. AFG-ÄndG) vom 23. Juli 1979 (in Kraft getreten am 1. August 1979) eingeführt und rückwirkend ab 1. Juli 1978 in Kraft gesetzt. Hätte der Gesetzgeber bei der erst mit Wirkung vom 1. Januar 1984 (durch Art 1 Nr 53 Haushaltsbegleitgesetz 1984 ≪HBegleitG≫ vom 22. Dezember 1983) erfolgten Einfügung des § 1385b RVO, als ihm demnach die etwa vier Jahre früher von ihm eingeführte Regelung des § 166b AFG gegenwärtig war, eine solche Übertragung der genannten Verpflichtung der BA als Träger der Arbeitslosenversicherung auf den Träger der Krankenversicherung vornehmen wollen, so hätte er dies getan. Aus dem Unterlassen einer solchen Übertragung folgt ganz eindeutig, daß er eine derartige Regelung nicht wollte. Er wollte die Zahlungsverpflichtung des § 166b Abs 1 AFG offenbar nicht regelhaft auch auf den Krankenversicherungsträger erstrecken, sie vielmehr als Ausnahmebestimmung auf die BA beschränken. Damit verbietet sich eine Analogie schon aus rechtsdogmatischen Gründen. Wie der 3. und 6. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) schon in zahlreichen Urteilen ausgeführt hat, ist eine Analogie bei Ausnahmebestimmungen schon dann unzulässig, wenn auch nur Zweifel daran bestehen, ob durch die analoge Anwendung die Regelungsabsicht des Gesetzgebers nicht vereitelt wird (vgl Urteil vom 24. Oktober 1984, 6 RKa 36/83, BSGE 57, 195, 196 ff mwH; Urteil vom 12. November 1985, 3 RK 48/83, BSGE 59, 119, 120 f; Urteil vom 12. Dezember 1985, 6 RKa 35/84, BSGE 59, 216, 217 f; Urteil vom 15. Januar 1986, 3 RK 45/84, BSGE 59, 270 f; Urteil vom 27. Januar 1987, 6 RKa 28/86, BSGE 61, 146 f; Urteil vom 23. März 1988, 3/8 RK 11/85, BSGE 63, 99, 101).
Da hier, wie ausgeführt, der Gesetzgeber die streitige Zahlungsverpflichtung bewußt und gewollt auf die Regelung des § 166b AFG beschränkte, ist den Gerichten bei Wahrung der Grenze zur gesetzgeberischen Wertung eine Analogie verwehrt.
Darin, daß die BA bei von der Rentenversicherungspflicht befreiten Personen zur Tragung von ersatzweise für die normalen Rentenversicherungsbeiträge stehenden Leistungen – hier Prämien – verpflichtet ist, eine solche Verpflichtung aber dem Krankenversicherungsträger nicht obliegt, vermag der Senat keine nach Art 3 GG verfassungswidrige Ungleichbehandlung zu sehen. Der Gesetzgeber hat bei der Regelung der Beitragszahlungen einen breiten Handlungsspielraum, der in dem gegliederten System der Sozialversicherung auch eine Heranziehung verschiedener Leistungsträger zu je anderen Beiträgen mit je verschiedener Belastung umgreifen kann. Insoweit kann es auch ohne Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes dazu führen, daß einer der Leistungsträger im Verhältnis zu einem anderen Leistungsträger zur Erbringung einer zusätzlichen Leistung verpflichtet wird. Aus einer solchen Mehrbelastung wird der einzelne jedenfalls aber dann nicht in seinen Verfassungsrechten verletzt, wenn es, wie hier, um die Forderung geht, daß ein Versicherungsträger (Ersatz-)Beiträge an einen anderen Versicherungsträger leisten soll. Die Übernahme von Prämien für eine private Versicherung durch einen Träger der gesetzlichen Krankenversicherung wäre systemfremd. Mit der Zahlung von Rentenversicherungsbeiträgen gemäß § 1385b RVO wäre sie nicht zu vergleichen. Diese dient dem finanziellen Ausgleich für rentensteigernde, aber beitragslose Zeiten (§ 1259 RVO, § 36 AVG), die es in der Privatversicherung nicht gibt.
Die Revision des Klägers war demnach zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Unterschriften
Bundessozialgericht Friedel Schmidt
Fundstellen