Beteiligte
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 23. September 1997 wird zurückgewiesen.
Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die Klägerin ist pflichtversichertes Mitglied der beklagten Ersatzkasse. Ihre Zähne waren früher mit mehreren Amalgamfüllungen versorgt. Nachdem ein therapieresistentes Schmerzsyndrom und ungeklärtes Schwächegefühl in beiden Beinen sowie häufige Rückenbeschwerden mit dem im Amalgam enthaltenen Quecksilber in Zusammenhang gebracht wurden, ließ sie sich auf entsprechenden ärztlichen Rat Anfang 1997 die vorhandenen Amalgamfüllungen durch Gußfüllungen aus Gold (Inlays) ersetzen. Auf ihren bereits vor der Behandlung unter Vorlage eines Heil- und Kostenplans gestellten Antrag, mit dem sie sich außerdem auf erhöhte Quecksilberwerte im Speichel berief, bewilligte die Beklagte einen etwa 10%igen Zuschuß, lehnte eine Kostenübernahme im übrigen jedoch ab (Bescheide vom 9. März und 23. Mai 1995, Widerspruchsbescheid vom 14. August 1995).
Klage und Berufung der Klägerin gegen die Ablehnung der vollen Kostenübernahme durch die Beklagte hatten keinen Erfolg (Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Osnabrück vom 24. April 1996; Urteil des Landessozialgerichts ≪LSG≫ Niedersachsen vom 23. September 1997). Zur Begründung hat das LSG im wesentlichen ausgeführt, der Klägerin stehe kein Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) zu, da weder ein Notfall vorgelegen habe noch die Beklagte die Gewährung von Inlays zu Unrecht abgelehnt habe. Auf die Frage der Schädlichkeit von Amalgamfüllungen und die Notwendigkeit eines Austauschs komme es nicht an, weil eine Abrechnungsmöglichkeit für Inlays in den vertragszahnärztlichen Gebührenordnungen nicht vorgesehen sei. Der Anspruch des Versicherten auf ärztliche bzw zahnärztliche Behandlung richte sich zwar grundsätzlich nicht nach den Bestimmungen, die für die Abrechnung der erbrachten Leistungen durch den Vertragszahnarzt gelten, sondern das Leistungsrecht gehe dem Leistungserbringungsrecht vor. Dies gelte aber nicht, wenn das Gesetz den Vorrang des Leistungserbringungsrechts ausdrücklich anordne, wie das für die kieferorthopädische Behandlung und für die Versorgung mit Zahnersatz durch die jeweilige Bezugnahme auf den „Rahmen der vertragszahnärztlichen Versorgung” geschehe. Insoweit setze der Anspruch des Versicherten eine entsprechende Abrechnungsbestimmung im einheitlichen Bewertungsmaßstab für kassenzahnärztliche Leistungen bzw nach den Gebührentarifen A bis E der Anlagen zum Ersatzkassenvertrag-Zahnärzte voraus. Beide Behandlungsformen – die kieferorthopädische Behandlung und die Versorgung mit Zahnersatz – umfaßten als komplexe Leistung neben der reinen zahnärztlichen noch eine handwerklich-technische Tätigkeit des Zahnlabors, die nicht im Mund des Patienten erfolge. Auch Inlays würden nicht im Mund des Versicherten, sondern nach einem vom Zahnarzt angefertigten Abdruck durch den Zahntechniker angefertigt. Der Anspruch des Versicherten auf Inlays richte sich daher ebenso wie bei den übrigen komplexen zahnärztlichen Leistungen nach den vertragszahnärztlichen Bestimmungen. Eine Abrechnungsmöglichkeit für Inlays der im vorliegenden Fall verwendeten Art sähen die Gebührentarife A bis E nicht vor. Die inzwischen in § 28 Abs 2 Satz 2 und 3 SGB V aufgenommene Mehrkostenregelung für Inlays gelte frühestens für Behandlungen, die im Oktober 1996 begonnen worden seien.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 13 Abs 3 SGB V. Die Beklagte sei verpflichtet gewesen, den mittlerweile durchgeführten Austausch der Amalgamfüllungen gegen Goldinlays als Sachleistung zu erbringen – wenn nicht als zahnärztliche Behandlung gemäß § 28 Abs 2 SGB V, so jedenfalls als ärztliche Behandlung, die zur Besserung der bei ihr vorliegenden Gesundheitsbeeinträchtigungen notwendig gewesen sei. In der Regel müsse zwar die den Beschwerden zugrundeliegende Krankheit vor Beginn der Behandlung diagnostisch abgeklärt werden; anders sei es jedoch, wenn es darum gehe, Faktoren auszuschließen, die im Verdacht stünden, für die vorhandenen Krankheitssymptome verantwortlich zu sein. Im Fall der Klägerin sei mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen gewesen, daß die Beschwerden von Quecksilber- und Kupferausscheidungen aus den Amalgamfüllungen herrührten. Unverzügliche Austauschmaßnahmen gegen Füllungen aus unverdächtigem Material seien daher geboten gewesen. Es wäre unverantwortlich gewesen, mit dem Entfernen der Amalgamfüllungen so lange zu warten, bis die Ursache des Beschwerdebildes abschließend erwiesen sein würde. Eine Verwendung von Füllungen aus Kunststoff sei wegen mangelnder Stabilität und Randgenauigkeit vom behandelnden Zahnarzt nicht für ausreichend gehalten worden.
Die Klägerin beantragt,
die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben sowie die Beklagte unter Abänderung ihrer Bescheide zur Zahlung weiterer 4.373,30 DM zu verurteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, daß die Klägerin keinen Anspruch auf eine Versorgung mit Goldinlays habe, weil dies in den einschlägigen Abrechnungsvorschriften nicht vorgesehen sei. Selbst wenn Inlays entgegen der Auffassung des LSG den konservierend-chirurgischen Leistungen nach §§ 27 Abs 1 Nr 2, 28 Abs 2 SGB V zuzuordnen seien, scheide der geltend gemachte Anspruch aus, da die medizinische Notwendigkeit der Behandlung nicht in wissenschaftlich anerkannter Weise nachgewiesen sei. Eine Quecksilberallergie liege bei der Klägerin nicht vor; die von der Klägerin behauptete Quecksilberintoxikation sei wissenschaftlich nicht abgesichert.
II
Die Revision ist unbegründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Erstattung weiterer Kosten, die ihr durch den Austausch ihrer Amalgamfüllungen gegen Inlays entstanden sind. Die durchgeführte Maßnahme war nicht zweckmäßig im krankenversicherungsrechtlichen Sinne. Eine Unverträglichkeit der im Amalgam enthaltenen Stoffe im Sinne einer Allergie kann im vorliegenden Fall ausgeschlossen werden, denn die Klägerin hat unter Berufung auf die sie behandelnden Ärzte immer wieder betont, daß sie an Vergiftungserscheinungen und nicht an allergischen Reaktionen leide. Daß das aus Amalgamfüllungen freigesetzte Quecksilber Beschwerden verursachen könnte, wie sie von der Klägerin geschildert werden, ist zwar nicht ausgeschlossen, aber nach dem derzeitigen Stand der medizinischen Erkenntnisse nicht mehr als eine ungesicherte Annahme. Die bloß auf allgemeine Erwägungen gestützte hypothetische Möglichkeit eines Heilerfolges kann jedoch die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung grundsätzlich nicht begründen – und zwar auch dann nicht, wenn nachträglich geltend gemacht wird, die Behandlung sei in dem konkret zu beurteilenden Fall erfolgreich gewesen.
Versicherte haben nach § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Nach Satz 2 Nr 2 schließt die Krankenbehandlung die zahnärztliche Behandlung mit ein, die ihrerseits nach § 28 Abs 2 Satz 1 SGB V zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten ausreichend und zweckmäßig sein muß. Ob die von der Klägerin vorgetragenen Beschwerden, die von ihr auf eine Quecksilbervergiftung zurückgeführt werden, eine Krankheit in diesem Sinne darstellen, was das LSG von seinem Rechtsstandpunkt aus nicht festzustellen brauchte, kann letztlich auch im Revisionsverfahren offen bleiben. Auch wenn eine Krankheit unterstellt wird, hat die Beklagte die streitige Leistung zu Recht abgelehnt.
Für die Beurteilung ist freilich entgegen der vom LSG vertretenen Auffassung nicht maßgebend, ob dem Gesetz ebenso wie beim Zahnersatz und bei der kieferorthopädischen Behandlung die ausdrückliche Anordnung zu entnehmen ist, daß auch der Anspruch des Versicherten auf Versorgung mit Gußfüllungen nur im Rahmen der vom Bundesausschuß der Zahnärzte und Krankenkassen erlassenen Richtlinien bestehe. Abgesehen davon, daß die untergesetzlichen Vorschriften des Leistungserbringungsrechts nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ganz generell für den Leistungsanspruch des Versicherten von Bedeutung sind (vgl BSGE 78, 70, 75 = SozR 3-2500 § 92 Nr 6 S 30; BSGE 81, 73, 81 = SozR 3-2500 § 92 Nr 7 S 56), widerspricht die Einordnung von Gußfüllungen als besondere Art des Zahnersatzes der gesetzlichen Systematik, auch wenn solche Füllungen außerhalb des Mundes des Patienten hergestellt werden. § 30 Abs 1 Satz 2 SGB V lautet seit dem Inkrafttreten des SGB V am 1. Januar 1989 unverändert, daß der Zahnersatz auch Zahnkronen umfaßt. Die rechtliche Einordnung einer zahnmedizinischen Leistung als Zahnersatz bedeutet gegenüber dem „normalen” Sachleistungsanspruch nach § 28 Abs 2 SGB V die Beschränkung des Anspruchs des Versicherten auf einen Zuschuß, die infolgedessen nicht zu Lasten des Versicherten über den Wortlaut hinaus erweitert werden darf. Unter diesen Umständen kennzeichnet der Begriff „Zahnkrone” die Grenze dessen, was mit dem Begriff „Zahnersatz” nach dem Willen des Gesetzgebers erfaßt werden soll. Unabhängig von möglichen Abgrenzungsschwierigkeiten im Einzelfall (vgl dazu Marxkors, Funktioneller Zahnersatz, 3. Aufl 1988, S 21 f), für die beim vorliegenden Sachverhalt keine Anhaltspunkte bestehen, sind Füllungen nicht den Regeln für Zahnersatz zu unterwerfen. Das hat inzwischen auch der Gesetzgeber dadurch verdeutlicht, daß er eine Mehrkostenregelung für Zahnfüllungen im Zusammenhang mit der allgemeinen zahnärztlichen Behandlung getroffen hat (§ 28 Abs 2 Satz 2 SGB V in der Fassung vom 28. Oktober 1996, BGBl I 1559). Wie sich diese Regelung bei Gußfüllungen auswirkt und ob diese während der hier in Rede stehenden Zeit Gegenstand der vertragszahnärztlichen Versorgung waren, kann gleichwohl auf sich beruhen, weil die allgemeinen Voraussetzungen für einen Krankenbehandlungsanspruch nicht vorliegen.
Der Anspruch scheitert allerdings nicht schon daran, daß die Klägerin auch bei unterstellter Behandlungsbedürftigkeit nicht an einer Zahn-, Mund- oder Kieferkrankheit im eigentlichen Sinne leidet, wie es § 28 Abs 2 Satz 1 SGB V für Zahnbehandlungen zu verlangen scheint. Denn mit der begehrten Maßnahme ist lediglich die diagnostische Kompetenz des Vertragszahnarztes, aber nicht der Anspruchsrahmen der §§ 27, 28 SGB V überschritten. Die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen erstreckt sich auf Zahnbehandlungen auch dann, wenn eine sonstige Erkrankung diese Behandlung erfordert, ohne daß an den Zähnen, im Mund oder am Kiefer selbst ein krankhafter zahnheilkundlicher Befund zu erheben ist. Im Krankenversicherungsrecht ist es grundsätzlich unerheblich, aus welchen Gründen der Versicherte der ärztlichen oder zahnärztlichen Behandlung bedarf oder an welchem Organ sich seine Krankheit manifestiert. Die Krankenversicherung hat nicht die Aufgabe, bestimmte Krankheitsursachen zu bekämpfen, sondern diejenigen Behandlungsmaßnahmen zur Verfügung zu stellen, mit deren Hilfe der Gesundheitszustand insgesamt (vgl § 1 Satz 1 SGB V) gebessert werden soll. Einschränkungen des Versicherungsschutzes betreffen grundsätzlich nicht die Ursache der Behandlungsnotwendigkeit, sondern die Art der erforderlichen Maßnahme – etwa nach § 30 SGB V beim Zahnersatz (zum Ganzen bereits Senatsurteil vom 8. März 1995 - BSGE 76, 40 = SozR 3-2500 § 30 Nr 5). Eine an der Krankheitsursache ansetzende Differenzierung des Versicherungsschutzes wäre schon deshalb nicht durchzuhalten, weil sich die Ursache erst während der Behandlung herausstellt oder häufig ganz verborgen bleibt. Ein solcher Ansatz wäre auch deshalb systemfremd, weil Gegenstand der Krankenversicherung nicht die Gesundheit als solche sein kann, womit eine Aufspaltung in verschiedene Gesundheitsfaktoren immerhin verbunden sein könnte; versichert ist vielmehr der finanzielle Aufwand für bestimmte Maßnahmen, die zur Wiederherstellung der Gesundheit führen sollen. Da die Zahnbehandlung zu diesen Maßnahmen gehört, ist § 28 Abs 2 SGB V erweiternd so auszulegen, daß auch Eingriffe an ordnungsgemäß sanierten und deshalb aus zahnmedizinischer Sicht nicht behandlungsbedürftigen Zähnen zur zahnärztlichen Behandlung im Sinne dieser Vorschrift zu rechnen sind, wenn dadurch eine andere, allgemeinmedizinische Erkrankung behoben werden kann. Für die grundsätzliche Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung in den Fällen einer solchen „mittelbaren” Behandlung spricht zusätzlich, daß § 27 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB V ohne Beschränkung auf Zahnerkrankungen jegliche zahnärztliche Behandlung in den Leistungsumfang einbezieht. Eine generelle Beschränkung des Versicherungsschutzes im hier erörterten Sinne ist auch in der bisherigen Rechtsprechung nicht diskutiert worden. Es ging bisher vielmehr – umgekehrt – darum, unter welchen Voraussetzungen eine Beschränkung des Versicherungsschutzes etwa im Zahn- oder Kieferbereich mit Rücksicht auf die außerhalb dieses Bereichs liegenden Krankheitsursachen oder -folgen außer Betracht zu bleiben habe (BSGE 81, 245, 248 f = SozR 3-2500 § 28 Nr 3 S 9 f mwN).
Allerdings bedarf jede nur „mittelbare” Behandlung einer speziellen Rechtfertigung. Denn die therapeutischen Bemühungen müssen dort ansetzen, wo für sich genommen eine Behandlung nicht erforderlich ist, so daß eine besonders umfassende Abwägung zwischen voraussichtlichem medizinischen Nutzen und möglichem gesundheitlichen Schaden erfolgen muß. Noch strengere Anforderungen müssen dann gelten, wenn die mittelbare Behandlung eine gezielte Verletzung gesunder Körpersubstanz voraussetzt, wie das auch hier der Fall ist: Die neuen – von der Klägerin akzeptierten – Goldfüllungen können nur eingebracht werden, wenn die bisherigen Amalgamfüllungen unter Freisetzung von Quecksilber und unter Mitnahme gesunder Zahnsubstanz entfernt werden. Das bereits angesprochene Abwägungsproblem zwischen Heilungschance und Verschlimmerungsrisiko – und damit die Frage der Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit des therapeutischen Vorgehens – stellt sich in den Fällen eines bewußten körperlichen Eingriffs mit besonderer Schärfe. Die Interessen der Versichertengemeinschaft werden durch einen solchen Eingriff besonders nachhaltig berührt, weil eventuelle Folgekosten der zu Therapiezwecken vorsätzlich veranlaßten Gesundheitsschädigung wiederum die Gemeinschaft belasten können; dieser Grundgedanke hat dazu geführt, daß die Mehrkostenregelung bei Zahnfüllungen um eine eigene Ausschlußvorschrift ergänzt wurde, falls intakte Füllungen ausgetauscht werden (§ 28 Abs 2 Satz 5 ≪später vorübergehend Satz 6≫ SGB V in der Fassung vom 28. Oktober 1996, BGBl I 1559; dazu BT-Drucks 13/3695 S 4 zu Satz 4). In bestimmten Fallgestaltungen kann der Schutz der Versichertengemeinschaft daher unabhängig von medizinischen Erwägungen einen Leistungsausschluß gebieten. So hat der Senat entschieden, daß die gesetzlichen Krankenkassen grundsätzlich nicht verpflichtet sind, einen operativen Eingriff zu finanzieren, der in einen im Normbereich liegenden bzw für sich genommen nicht behandlungsbedürftigen Körperzustand vorgenommen wird, um eine psychische Störung zu beheben (BSGE 72, 96 = SozR 3-2500 § 182 Nr 14; BSGE 82, 158, 163 f = SozR 3-2500 § 39 Nr 5 S 29 f).
Mangels genügender Rechtfertigung für den damit zusammenhängenden körperlichen Eingriff hat die Beklagte auch für die Kosten des in Rede stehenden Amalgamaustausches nicht aufzukommen. Der therapeutische Nutzen dieser Maßnahme ist nämlich nicht ausreichend gesichert. Wie sich aus § 12 Abs 1 Satz 1 und § 28 Abs 1 und 2 SGB V ergibt, kann der Versicherte nur solche Leistungen beanspruchen, die für den angestrebten Behandlungserfolg nach den Regeln der ärztlichen Kunst zweckmäßig sind. Dazu gehört, daß von einer hinreichenden Wirksamkeit der betreffenden Leistungen ausgegangen werden kann (BSGE 70, 24, 26 ff = SozR 3-2500 § 12 Nr 2 S 4 ff mwN).
Bei der weiteren Frage, mit welchem Grad von Gewißheit ein Erfolg zu erwarten sein muß und aus welchen Umständen auf die erforderliche Erfolgsaussicht geschlossen werden darf, hat sich die Rechtslage gewandelt. Seit dem Inkrafttreten des SGB V am 1. Januar 1989 setzt die Zweckmäßigkeit der Behandlung voraus, daß über ihre Qualität und Wirksamkeit zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen gemacht werden können. Der Senat hat dies in seinem Urteil vom 5. Juli 1995 (BSGE 76, 194 = SozR 3-2500 § 27 Nr 5) zur Drogensubstitution mit Remedacen näher ausgeführt und klargestellt, daß insoweit eine Änderung gegenüber dem unter der Reichsversicherungsordnung geltenden Rechtszustand eingetreten ist. Hatten die Krankenkassen damals unter bestimmten Voraussetzungen auch solche Behandlungsmaßnahmen zu gewähren, deren Wirksamkeit (noch) nicht gesichert war, aber nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft für möglich gehalten werden mußte, so verlangt das Gesetz nunmehr in § 2 Abs 1 Satz 3 SGB V, daß Qualität und Wirksamkeit der Leistungen der Krankenversicherung dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Danach ist ein nur möglicher Behandlungserfolg grundsätzlich nicht geeignet, die krankenversicherungsrechtliche Leistungspflicht zu begründen. Vielmehr ist dazu in der Regel erforderlich, daß sich die Behandlung in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Fällen als erfolgreich erwiesen hat und dies durch wissenschaftlich einwandfrei geführte Statistiken belegt ist. Da es auf den Nachweis der generellen Wirksamkeit ankommt, kann die Leistungspflicht der Krankenkasse auch nicht mehr damit begründet werden, daß sich die Therapie im konkreten Einzelfall als erfolgreich erwiesen habe, weil es unter der Behandlung zu einer Besserung des Gesundheitszustandes gekommen sei (vgl zum Ganzen: BSGE 76, 194, 198 f = SozR 3-2500 § 27 Nr 5 S 11 f mwN zur früheren Rechtsprechung).
Der Grundsatz, daß eine medizinische Maßnahme nicht zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung gehört, wenn sie keinerlei Sicherheit für den Heilerfolg bietet, ist seither mehrfach bekräftigt worden. Im insoweit neuesten Urteil des Senats vom 16. Juni 1999 (B 1 KR 4/98 R = BSGE 84, 90 – auch zur Veröffentlichung in SozR bestimmt) ist im Zusammenhang mit einer Behandlung im Ausland ausgeführt, daß die in § 2 Abs 1 Satz 3 SGB V für die Leistungen der Krankenversicherung geforderte Qualität und Wirksamkeit nur dann erreicht wird, wenn über ihre Zweckmäßigkeit in den einschlägigen Fachkreisen – abgesehen von einzelnen, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen – Konsens besteht. Auch in den zu § 135 Abs 1 SGB V ergangenen Entscheidungen vom 16. September 1997 über die Anwendung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung ist der Senat davon ausgegangen, daß die Wirksamkeit der von der Krankenkasse zu gewährenden Maßnahmen belegt sein muß. Lediglich für den Ausnahmefall, daß das gesetzlich vorgesehene Anerkennungsverfahren vor dem Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt wird und deshalb einstweilen durch eine gerichtliche Entscheidung ersetzt werden muß, hat der Senat unter besonderen medizinischen Voraussetzungen die tatsächliche Verbreitung einer Methode in der ärztlichen Praxis und ihre Resonanz in der wissenschaftlichen Diskussion für maßgeblich erklärt, um zu vermeiden, daß Gerichte in medizinisch-wissenschaftlichen Auseinandersetzungen Partei ergreifen müssen und der eigentlich geforderten Entscheidung durch den Bundesausschuß vorgreifen (stellvertretend: BSGE 81, 54, 67 ff = SozR 3-2500 § 135 Nr 4 S 22 ff).
Es kann offenbleiben, ob der in Rede stehende Austausch von Amalgamfüllungen mit der zuletzt angesprochenen Fallgruppe vergleichbar sein könnte, weil die gesundheitlichen Belastungen durch Amalgam wissenschaftlich umstritten sind. Jedenfalls kann dem Gesichtspunkt der praktischen Akzeptanz des therapeutischen Vorgehens hier schon deshalb keine Bedeutung zukommen, weil sich die Ungewißheit über die Erfolgsaussicht der Amalgamentfernung letztlich nicht auf die angewandte Therapie bezieht. Deren Eignung zur Behandlung einer tatsächlich durch Amalgam ausgelösten Quecksilbervergiftung steht außer Frage. Die Zweifel am therapeutischen Nutzen rühren vielmehr vom Streit darüber, ob aus dem Vorliegen bestimmter Krankheitsbeschwerden, wie sie die Klägerin geschildert hat, auf die Diagnose einer „Quecksilbervergiftung” geschlossen und dabei dem in den Zahnfüllungen befindlichen Quecksilber eine wesentliche Rolle zugeschrieben werden darf, so daß mit dessen Entfernung die Erwartung eines Heilerfolgs verknüpft wäre. Würde diese Diagnose zutreffen, ergäbe sich die wirksame Therapie quasi von selbst. Hängt die Therapie in dieser Weise von der Diagnose ab, entspricht sie nur dann dem Zweckmäßigkeitserfordernis des Gesetzes, wenn die bei der Diagnose zugrunde gelegten Annahmen mit den allgemein anerkannten Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft in Einklang stehen. Das Krankheitsbild muß – auf der Grundlage dieser Erkenntnisse – die begründete Vermutung rechtfertigen, daß die vom Arzt angenommene Erkrankung vorliegt und mit der vorgeschlagenen Therapie wirksam behandelt werden kann. Das gilt in besonderem Maße, wenn – wie bereits ausgeführt – die Behandlung mit einem Eingriff in gesundes Körpergewebe verbunden ist. Eine bloße Verdachtsdiagnose reicht unter diesen Umständen zur Begründung der Leistungspflicht der Krankenkasse nicht aus: Ohne hinreichende Erfolgschance gebührt dem Interesse der Versichertengemeinschaft an einer Begrenzung auf die nachweisbar medizinisch notwendigen Leistungen der Vorrang vor dem Interesse des Einzelnen an einem kostenfreien Heilversuch.
Für die umstrittene Zahnbehandlung gelten schließlich nicht deshalb andere Maßstäbe, weil die Verwendung von Amalgam als Füllwerkstoff von einzelnen Wissenschaftlern und Ärzten wegen der Giftigkeit des darin enthaltenen Quecksilbers generell abgelehnt wird. Der frühere 14a-Senat des BSG hat allerdings mit Blick auf den naturheilkundlichen Ansatz dieser Position und wegen des Umfangs der aus der Sicht ihrer Befürworter drohenden Gesundheitsschäden der grundsätzlichen und vollständigen Ablehnung von Amalgam den Stellenwert einer besonderen Therapierichtung beigemessen und daraus gefolgert, daß der Versicherte nach ordnungsgemäßer Beratung durch seinen Zahnarzt die Verwendung eines amalgamfreien Füllwerkstoffs verlangen könne (Urteil vom 8. September 1993 - BSGE 73, 66, 74 ff = SozR 3-2500 § 2 Nr 2 S 10 ff). Diese Auffassung ist in der Literatur auf Kritik gestoßen, die sich sowohl gegen die Zuordnung der Amalgamablehnung zur Naturheilkunde als auch gegen die Qualifizierung der Naturheilkunde als besondere Therapierichtung im Gegensatz zur naturwissenschaftlich geprägten (Schul-)Medizin richtet (vgl etwa Schlenker, BKK 1994, 284 ff; Pohl, Zahnärztliche Mitteilungen 1994, 216 ff; zum Begriff „Naturheilverfahren”: Hakimi, Versicherungsmedizin 1997, 152 ff mwN). Den vom Gesetz in § 2 Abs 1 Satz 2, § 34 Abs 2 Satz 3 und § 92 Abs 2 Satz 4 SGB V verwendeten Begriff der „besonderen Therapierichtung” hat auch der erkennende Senat in einem anderen, umfassenderen Sinne als der 14a-Senat verstanden (Urteil vom 16. September 1997 - BSGE 81, 54, 72 = SozR 3-2500 § 135 Nr 4 S 28). Der Meinungsstreit hierüber kann indessen auf sich beruhen, weil es im vorliegenden Fall nicht um die Verwendung von Amalgam beim Legen neuer Füllungen, sondern darum geht, ob der Versicherte die Entfernung bereits vorhandener, intakter Füllungen auf Kosten der Krankenkasse verlangen kann, weil er ein anderes Füllmaterial für weniger gesundheitsschädlich hält als das früher verwendete. In dieser Konstellation kann die Ablehnung von Amalgam, auch wenn man sie in den Rang einer besonderen Therapierichtung hebt, jedenfalls nicht davon entbinden, den therapeutischen Nutzen der in Aussicht genommenen Maßnahme hinreichend zu belegen. Aus demselben Grund kann die Klägerin nichts daraus herleiten, daß das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte vor einer allzu unbedachten Erhöhung der Quecksilberbelastung durch Zahnfüllungen gewarnt und empfohlen hat, Amalgam bei bestimmten Risikogruppen nur eingeschränkt oder gar nicht zu verwenden (inhaltlich wiedergegeben bei Schmid, BKK 1995, 621 und in Zahnärztliche Mitteilungen 1995, 1046 f; vgl auch die Korrekturen im „Konsenspapier zur Restaurationsmaterialien in der Zahnheilkunde” vom 1. Juli 1997, abgedruckt in Halbach ua, Amalgam im Spiegel kritischer Auseinandersetzungen, Köln 1999 = Stellungnahme der Bundeszahnärztekammer ≪BZÄK≫). Denn ob aus prophylaktischen Gründen davon abzuraten ist, neue Amalgamfüllungen einzubringen, ist nicht nach den gleichen Kriterien zu entscheiden wie die Frage, ob bereits gelegte und klinisch einwandfreie Amalgamfüllungen zu entfernen sind.
Die demnach maßgeblichen Leistungsvoraussetzungen sind nicht erfüllt, denn die Aussichten, mit Hilfe der Amalgamentfernung eine Besserung des Gesundheitszustands zu erreichen, gehen über mehr oder weniger fundierte Hypothesen nicht hinaus. Mit wissenschaftlich anerkannten Mitteln kann heute (noch) nicht nachgewiesen werden, daß im individuellen Behandlungsfall die von manchen für eine Quecksilbervergiftung für typisch gehaltenen Beschwerden auf das Quecksilber zurückzuführen sind, das aus Amalgamfüllungen freigesetzt werde. Diese Feststellung betrifft eine allgemeine Aussage über den Stand der medizinischen Wissenschaft, die der Senat als generelle Tatsache selbst treffen darf (Senatsurteil vom 16. Juni 1999 - B 1 KR 4/98 R = BSGE 84, 90, 94 f, auch zur Veröffentlichung in SozR bestimmt).
Die Vorbehalte gegen eine konkrete Nachweisbarkeit des Kausalzusammenhangs zwischen Amalgamfüllungen und den von der Klägerin geschilderten Beschwerden sind begründet. Zwar ist heute unbestritten, daß aus Amalgamfüllungen Quecksilber freigesetzt und dadurch die anderweitige Aufnahme dieses Stoffs durch den menschlichen Körper insbesondere aus Luft und Nahrung erhöht wird. Bei der Frage nach dem Umfang dieser Aufnahme und ihren Wirkungen gehen die Meinungen jedoch auseinander. Die Schwierigkeiten näherer Feststellungen hängen damit zusammen, daß Quecksilber in verschiedenen Formen auftritt: in elementarer Form als Dampf oder Flüssigkeit oder in anorganischen oder organischen Verbindungen; von den letzteren ist vor allem das Methyl-Quecksilber von Bedeutung. Elementares Quecksilber und die verschiedenen Quecksilberverbindungen lösen im Körper auf unterschiedlichen Wegen unterschiedliche Prozesse aus und können je nach ihrer Konzentration verschiedene und in ihren gegenseitigen Abhängigkeiten nicht immer nachvollziehbare gesundheitliche Schäden hervorrufen. Von den verschiedenen Formen hängt insbesondere ab, zu welchen Anteilen und auf welchem Wege der Körper das Quecksilber sogleich wieder ausscheidet oder vielmehr resorbiert, so daß es vorübergehend oder auf längere Dauer in verschiedenen Organen verbleibt und dort zu Belastungen führen kann. Teilweise geht elementares Quecksilber mit den im Körper vorhandenen Substanzen chemische Verbindungen ein, teilweise werden bestehende Verbindungen zu Formen eines anderen Typs umgebaut (vgl zum Ganzen: Wassermann ua, „Kieler Amalgam-Gutachten 1995” ≪KAG≫, S 8-17; BZÄK, S 18-23; Müller, Quecksilber und Amalgam, hrsg vom Senator für Gesundheit, Jugend und Soziales, Bremen 1994, S 10-13, 22-25).
Die Beurteilung der gesundheitlichen Folgen speziell des Amalgams setzt nicht nur voraus, die angesprochenen physikalischen und chemischen Prozesse zu erkennen und zu beschreiben; sie müssen vielmehr auch quantifiziert werden, um die Herkunft des im Körper befindlichen Quecksilbers und dessen Einfluß auf die Gesundheit des Menschen zutreffend abschätzen zu können. Dabei sind schon die Möglichkeiten, das vom Körper insgesamt aufgenommene Quecksilber zuverlässig zu messen, eng begrenzt; Träger von Amalgamfüllungen scheiden statistisch signifikant mehr Quecksilber im Urin aus als Personen ohne Amalgamfüllungen, wodurch das toxikologisch bedeutsame Methyl-Quecksilber jedoch nicht erfaßt wird. Die Quecksilberkonzentration kann auch im Blut gemessen werden. Mögliche Rückschlüsse auf bestehende organische Belastungen sind jedoch ebenso umstritten wie die Höchstwerte, bis zu denen eine Gefährdung zu verneinen ist (KAG, 13, 59 ff, 116 f; BZÄK, 20 f, 27 f, 31 ff; Müller aaO, 26 f; World Health Organization: Inorganic Mercury, Environmental Health Criteria Nr 118, Genf 1991, S 61). Aus ähnlichen Gründen wird die Relevanz von Erhebungen der Quecksilberkonzentration im Speichel von Versuchspersonen mit Amalgamfüllungen sehr unterschiedlich beurteilt (KAG, 76 f; BZÄK, 28 f).
Bei alledem bleibt wesentlicher Streitpunkt die Frage, von welchen Grenzwerten an die tägliche Aufnahme von Quecksilber als schädlich angesehen werden muß und ob dieser Wert dadurch überschritten wird, daß Amalgamfüllungen die Aufnahme aus anderen Quellen wesentlich erhöhen, so daß eine Amalgamentfernung mit der erforderlichen Sicherheit ein Abklingen der allerdings nur schwer objektivierbaren Krankheitserscheinungen erwarten läßt. In einem Teil der Literatur und vom ehemaligen Bundesgesundheitsamt werden Orientierungswerte für die Konzentration im Urin als ungefährlich eingestuft, die in einer breit angelegten Untersuchung trotz der Verbreitung von Amalgam in der Bevölkerung nur von einem ganz geringen Prozentsatz der Versuchspersonen überschritten wurde (BZÄK, 26 f mwN; vgl Müller aaO, 26 f). Autoren, die Amalgam für gesundheitsgefährdend halten, wenden demgegenüber die Ungeeignetheit jeglicher Grenzwertbestimmung ein, weil gerade bei noch nicht ausgeprägten chronischen Quecksilberintoxikationen das Unterschreiten von bestimmten Werten in Blut oder Urin eine quecksilberbedingte Erkrankung nicht ausschließen könne (KAG, 116). Aus diesen Äußerungen ist der Schluß zu ziehen, daß eine Amalgamentfernung generell nicht mehr als die gute Möglichkeit einer Besserung des Gesundheitszustands bietet.
Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, daß dieser Sachverhalt nicht (mehr) dem derzeitigen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis entspricht oder daß die Beiziehung weiterer Unterlagen ein wesentlich anders lautendes Ergebnis rechtfertigen würde. Die gesundheitliche Gefährdung durch Amalgam ist in ihren wesentlichen Einzelheiten derzeit (noch) wissenschaftlich höchst umstritten; es ist nicht Aufgabe der Gerichte, durch die Auswahl von Sachverständigen oder die juristische Bewertung naturwissenschaftlicher Lehrmeinungen für die eine oder andere Position Partei zu ergreifen oder durch Gutachtensaufträge den Fortschritt der medizinischen Erkenntnis voran zu treiben, wie der Senat bereits an anderer Stelle betont hat (BSGE 81, 54, 69 = SozR 3-2500 § 135 Nr 4 S 25). Im Gerichtsverfahren kann es in dieser Fallgestaltung lediglich darum gehen, die wissenschaftliche Auseinandersetzung zur Kenntnis zu nehmen und daraufhin zu untersuchen, ob ein wissenschaftlicher (Teil-)Konsens festgestellt werden kann, der eine Entscheidung zu tragen geeignet ist. Da dies hinsichtlich der Schädlichkeit von Amalgamfüllungen nicht der Fall ist, kann die jetzige Klage keinen Erfolg haben, so daß die Revision zurückzuweisen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen