Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 7. Dezember 1994 aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin Hinterbliebenenrente nach ihrem am 11. Juli 1985 in der damaligen DDR verstorbenen früheren Ehemann H … T … (Versicherter) zu gewähren ist.
Die Klägerin und der Versicherte schlossen am 9. Januar 1967 die Ehe. Diese wurde durch Urteil des Kreisgerichts Köthen (damals DDR) vom 19. August 1970 geschieden. Gleichzeitig wurde der Versicherte verurteilt, an die Klägerin Unterhalt für den gemeinsamen am 3. Juli 1967 geborenen Sohn O … in Höhe von monatlich 65,90 M und ab dem 13. Lebensjahr 105,– M sowie für die Klägerin selbst in Höhe von 120,– M ab Rechtskraft der Scheidung als Überbrückung für ein Jahr zu zahlen. Die geschiedenen Eheleute lebten nach der Scheidung gemeinsam mit dem Sohn weiter in der bisherigen Ehewohnung, weil es dem Versicherten nicht gelang, eine eigene Wohnung zu erhalten.
Die Klägerin arbeitete von 1974 bis 1986 als Empfangssekretärin bei dem Feriendienst des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes (FDGB) in O … (Thüringen). Dort hielt sie sich an den Arbeitstagen auf, kehrte jedoch an den Wochenenden in die gemeinsame Wohnung zurück. Ihr Verdienst betrug 560,– M monatlich. Durch diese Tätigkeit entstanden ihr Unkosten in Höhe von 50,– M für die Wohnung in O … und Fahrkosten in Höhe von 100,– M monatlich. Ab Januar 1985 war sie arbeitsunfähig krank und hielt sich während dieser Zeit in K … auf. Ab 1. März 1986 erhielt sie Rente.
Der Versicherte hatte zuletzt als Berufskraftfahrer gearbeitet und bezog vom 1. April 1983 bis zu seinem Tode vom FDGB Kreis K … Invalidenrente in Höhe von 560,– M monatlich. Zusätzlich erzielte er aufgrund einer Tätigkeit in einem ehemaligen HO-Betrieb in K … sowie durch gelegentliche Aushilfen zwischen Juli 1984 und Juli 1985 Einkommen in Höhe von ca 340,– M monatlich.
Beide früheren Ehepartner sind keine neue Ehe eingegangen.
Die Klägerin hat im Februar 1989 die damalige DDR verlassen und hielt sich danach in B … (Niedersachsen) auf. Sie beantragte am 30. Mai 1989 Hinterbliebenenrente. Bei der Ausfüllung von Fragebögen gab sie an, daß der Versicherte ihr im letzten Jahr vor seinem Tode keinen Unterhalt gezahlt habe.
Die Beklagte lehnte den Antrag ab (Bescheid vom 12. September 1989) mit der Begründung, der Versicherte habe der Klägerin zur Zeit seines Todes keinen Unterhalt zu gewähren gehabt, weil er dazu nach dem in der DDR geltenden Recht nicht verpflichtet gewesen sei. Er habe im letzten Jahr vor seinem Tode auch auf freiwilliger Basis keine Unterhaltszahlungen geleistet. Damit seien die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente nach § 1265 Abs 1 Satz 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) nicht erfüllt.
Im Widerspruchsverfahren hat die Klägerin geltend gemacht, sie habe auch nach der Scheidung mit ihrem Ehemann zusammengelebt. Er habe ihr Unterhalt in Höhe von 200,– bis 300,– M bar sowie in Form von Naturalien erbracht. Sie sei hierauf auch angewiesen gewesen, weil sie nur ein geringes Einkommen gehabt habe. Die formularmäßige Frage nach Unterhaltszahlungen habe sie dahin verstanden, ob ihr ein Unterhaltstitel gegen ihren Ehemann zugestanden habe. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 26. Februar 1990).
Auf die Klage hat das Sozialgericht Lüneburg (SG) die Beklagte verurteilt, der Klägerin Hinterbliebenenrente zu gewähren (Urteil vom 12. Dezember 1991, s dazu auch Kostenbeschluß vom 17. Februar 1992). Es hat sich auf die Angaben des Sohnes der Klägerin, O … T …, gestützt, der Zahlungen des Versicherten an die Klägerin in der Zeit vor dessen Tode bestätigt hatte.
Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht Niedersachsen (LSG) das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 7. Dezember 1994). Es stützt sich dabei auf folgende Gründe: Ein Unterhaltsanspruch der Klägerin gegen den Versicherten habe zur Zeit seines Todes weder nach dem Ehegesetz (EheG) noch aus sonstigem Grund bestanden. Der Senat habe auch nicht feststellen können, daß der Versicherte der Klägerin im letzten Jahr vor seinem Tode Unterhalt gezahlt habe. Keiner der gehörten Zeugen habe sich unmittelbar an eine Geldübergabe erinnert; auch ein genauer Zahlungstermin (monatlich, wöchentlich usw) habe von den Zeugen nicht genannt werden können. Dementsprechend habe zum Nachweis der regelmäßigen monatlichen Unterhaltszahlungen nur das eigene Vorbringen der Klägerin vorgelegen. Dieses Vorbringen könne aber der Entscheidung nicht zugrunde gelegt werden, weil es widersprüchlich sei. Die Klägerin habe in zwei Fragebögen der Beklagten Unterhaltszahlungen verneint. Der darin liegende Widerspruch zu ihren jetzigen Angaben sei auch nicht ausgeräumt worden; denn zumindest einer der Fragebogen habe eine klar formulierte Frage enthalten, die für mehrere Deutungen keinen Raum ließ. Der Senat könne deshalb der Einlassung der Klägerin nicht folgen, sie habe diese Frage nur auf Unterhaltszahlungen aufgrund von Unterhaltstiteln bezogen.
Hinzu komme, daß auch die wirtschaftlichen Verhältnisse der geschiedenen Eheleute im Jahre vor dem Tode des Versicherten nicht für eine regelmäßige Unterhaltszahlung sprächen. Die Klägerin habe zwischen Juli 1984 und 1985 560,– M monatlich verdient. Hiervon habe sie die Mieten für die Wohnungen in O … und K … von je 50,– M, Fahrgeld von 100,– M, Verpflegungskosten in O … von ca 120,– M beglichen, so daß ihr 210,– M zur eigenen Verfügung verblieben seien. Demgegenüber habe der geschiedene Ehemann über eine Invalidenrente von 560,– M verfügt sowie Einnahmen aus der Nebenbeschäftigung im HO-Betrieb in K … von ca 300,– M monatlich und ein Taschengeld von Bekannten bei geringen Gefälligkeiten, insgesamt also über ca 900,– M. Hiervon habe er den Unterhalt für einen Sohn, den gesamten Einkauf von Lebensmitteln, Kohlen usw und die Kosten für das gemeinsame Auto getragen. Hätte er der Klägerin 200,– bis 300,– M monatlich gegeben, so hätte sie damit 400,– bis 500,– M zur freien Verfügung gehabt, während demgegenüber dem Versicherten selbst nur ein geringer Betrag verblieben wäre.
Die Klägerin könne ihr Rentenbegehren auch nicht auf § 1265 Abs 1 Satz 2 RVO stützen. Zwar sei eine Witwenrente nicht zu gewähren, jedoch seien die Voraussetzungen von § 1265 Abs 1 Satz 1 Ziff 1 bis 3 RVO nicht gegeben; denn es fehle schon an den Voraussetzungen der Ziff 1, weil die Unterhaltsverpflichtung nicht erst wegen der Vermögens- und Erwerbsverhältnisse des Versicherten bzw wegen der Erträgnisse der Klägerin aus einer Erwerbstätigkeit nicht bestanden habe (Hinweis auf Bundessozialgericht ≪BSG≫ SozR 2200 § 1265 Nr 39), sondern weil das Recht der DDR regelmäßig Unterhaltsansprüche nur bis zu zwei Jahren vorgesehen und die Klägerin auch keinen Verlängerungsantrag gestellt habe.
Mit der Revision macht die Klägerin geltend, daß ihr in der Zeit vor dem Tode des Versicherten „aus sonstigen Gründen” ein Unterhaltsanspruch zugestanden habe (§ 1265 Abs 1 Satz 1 2. Alternative RVO). § 31 des Familiengesetzbuches der DDR vom 20. Dezember 1965 – GBl I, 1966, 1 – (FGB-DDR) habe die Möglichkeit vorgesehen, durch Klage eine Fortdauer der Unterhaltsverpflichtung zu erreichen. Darauf, daß sie dies versäumt habe, komme es nicht an, wenn – was hier der Fall sei – die materiellen Voraussetzungen gegeben gewesen seien (BSG SozR 2200 § 1265 Nrn 14 und 46).
Selbst wenn man dem nicht folge, habe sie zumindest die 3. Alternative des § 1265 Abs 1 Satz 1 RVO erfüllt. Ihr sei im letzten Jahr vor dem Tode des Versicherten freiwilliger Unterhalt in Form von Bargeld zwischen 200,– und 300,– M zugeflossen, ferner Naturalien und ein Betrag für eine Lebensversicherung, der ebenfalls als Unterhaltsleistung anzusehen sei. Die Beweiswürdigung des LSG sei fehlerhaft, soweit es annehme, daß die Aussagen der gehörten Zeugen allein deshalb nicht geeignet seien, laufende monatliche Zahlungen zu bestätigen, weil keiner eine Geldübergabe wahrgenommen habe. Das LSG habe nicht gewürdigt, daß die Zeugen aus direkten Gesprächen mit ihr und dem Versicherten erfahren hätten, daß laufende Zahlungen in der genannten Höhe stattgefunden hätten.
Die Angaben seien auch nicht widersprüchlich. Es sei für Laien nicht ungewöhnlich, bei einer Formularfrage nach Unterhalt lediglich an gesetzliche Unterhaltsverpflichtungen zu denken. Nicht hinreichend gewürdigt worden sei auch, daß ihre Konzentrationsfähigkeit wegen einer Chemotherapie beeinträchtigt gewesen sei.
Da die Leistungen des Versicherten für den gemeinsamen Haushalt wesentlich höher gewesen seien als der Beitrag der Klägerin, könne insoweit auch nicht von einer Gegenleistung für den Beitrag der Klägerin zum Haushalt ausgegangen werden. Im Gegenteil habe der Ehemann der Klägerin durch seinen überwiegenden Beitrag zum Haushalt – auch in Form von Hausarbeit – einen weiteren laufenden Unterhaltsbeitrag geleistet.
Der Unterhaltsbeitrag des Versicherten habe 25 % des zeitlich und örtlich geltenden Sozialhilfesatzes überschritten. Der in der DDR geltende Sozialhilfesatz habe 1984 260,– M betragen, 25 % davon (nur) 65,– M.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des LSG vom 7. Dezember 1994 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG vom 12. Dezember 1991 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie bezieht sich im wesentlichen auf das angefochtene Urteil. Im übrigen führt sie aus, daß das von der Klägerin zitierte Urteil des BSG in SozR 2200 § 1265 Nr 46 hier nicht herangezogen werden könne, weil im dort geschilderten Fall der Antrag auf Unterhalt bereits im Scheidungsverfahren gestellt worden und nur materiell eine unrichtige Beurteilung erfolgt sei. Die Klägerin könne sich auch nicht auf die Entscheidung in SozR 2200 § 1265 Nr 14 berufen, weil es dort um einen Sachverhalt gegangen sei, der allein nach dem EheG der Bundesrepublik Deutschland zu beurteilen gewesen sei, das keine dem DDR-Recht entsprechenden Regelungen enthalte.
Die Rügen zur Beweiswürdigung des LSG seien unsubstantiiert und deshalb unbeachtlich. Die Klägerin habe sich von ihrem Verdienst selbst unterhalten können, so daß für einen weitergehenden Unterhaltsanspruch materiell kein Raum gewesen sei.
Die Ausführungen zur Lebensversicherung seien nicht weiter zu erörtern, da der Betrag von 20,– M monatlich kein rechtlich bedeutsamer Unterhaltsbeitrag sei.
Für einen rentenrechtlich beachtlichen Unterhaltsbeitrag des Ehemannes im Rahmen der gemeinsamen Haushaltsführung bestehe ebenfalls kein Anhalt, weil sich die gemeinsame Lebensführung nach den eigenen Angaben der Klägerin nur auf die Wochenenden beschränkt habe.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das LSG. Es sind noch weitere Ermittlungen dazu erforderlich, ob der Versicherte der Klägerin im Jahr vor seinem Tode monatlich Unterhalt geleistet hat, der 25 % des damals in der DDR maßgeblichen Sozialhilfesatzes (65,– M) erreichte oder überstieg.
Zutreffend ist das LSG davon ausgegangen, daß sich der Anspruch der Klägerin noch nach § 1265 RVO richtet, weil der Rentenantrag vor dem 1. April 1992 gestellt wurde und Leistungen für die Zeit vor dem 1. Januar 1992 in Betracht kommen (§ 300 Abs 2 SGB VI).
Nach § 1265 Abs 1 Satz 1 RVO (idF des Art 4 Nr 1 Buchst b des Ersten Eherechtsreformgesetzes vom 14. Juni 1976, BGBl I, 1421) wird einer früheren Ehefrau des Versicherten, deren Ehe mit dem Versicherten vor dem 1. Juli 1977 geschieden, für nichtig erklärt oder aufgehoben worden ist, unter weiteren noch zu behandelnden Voraussetzungen Rente gewährt. Nach den Feststellungen des LSG ist die Ehe der Klägerin im Jahre 1970, also vor dem 1. Juli 1977, geschieden worden; Scheidungsurteile der Gerichte der ehemaligen DDR wirken unmittelbar auch in der Bundesrepublik Deutschland, ohne daß es hierzu einer besonderen Anerkennung bedarf (BSG SozR 2200 § 1265 Nr 20; BGHZ 34, 137; 85, 18).
Für die Gewährung einer Geschiedenenwitwenrente sind des weiteren in § 1265 Abs 1 Satz 1 RVO drei alternative Voraussetzungen vorgesehen:
Nach der ersten Alternative wird Rente gewährt, wenn der Versicherte der früheren Ehefrau zur Zeit seines Todes Unterhalt nach dem EheG zu gewähren hatte. Diese Voraussetzung ist im Falle der Klägerin nicht gegeben, denn das EheG war auf die Rechtsbeziehungen zwischen dem Versicherten und der Klägerin nicht anzuwenden. Maßgebend für einen Unterhaltsanspruch der Klägerin gegen ihren geschiedenen Ehemann bis zu dessen Tode war vielmehr allein das Eherecht der DDR, dh die §§ 5 bis 41 FGB-DDR (vgl dazu BSGE 69, 203, 205 = SozR 3-2200 § 1265 Nr 6 S 23f).
Der Versicherte war der Klägerin auch nicht im Sinne der zweiten Alternative in § 1265 Abs 1 Satz 1 RVO aus sonstigen Gründen zur Unterhaltszahlung verpflichtet. Zwar konnte eine Unterhaltsverpflichtung „aus sonstigen Gründen” auch auf dem materiellen Scheidungsrecht der DDR beruhen (BSG SozR 2200 § 1265 Nr 46 in Fortführung von BSG SozR 2200 § 1265 Nr 38; BSGE 69, 203, 206 = BSG SozR 2200 § 1265 Nr 6 S 24). Der Klägerin stand aber gegen ihren früheren Ehemann bei seinem Tod aufgrund des Scheidungsfolgenrechts der DDR kein Unterhaltsanspruch zu. Die maßgeblichen Vorschriften dieses Rechts kann der erkennende Senat, auch wenn es sich hierbei um nicht revisibles Recht handelt (BSG SozR 2200 § 1265 Nr 46 und SozR 5050 § 15 Nrn 21 und 22), ausnahmsweise selbst feststellen, soweit das Berufungsgericht hierzu keine Feststellungen getroffen hat (vgl BSG SozR 5050 § 15 Nrn 21 und 22). Daß dieses Recht für Ehen, wie die der Klägerin, auch nach Herstellung der Rechtseinheit in der gesetzlichen Rentenversicherung weiter zugrunde zu legen ist, ergibt sich inzident aus Art 1 Nr 56 des Gesetzes zur Herstellung der Rechtseinheit in der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung (Rentenüberleitungsgesetz ≪RÜG≫ vom 31. Juli 1991, BGBl I, 1605), wonach in das SGB VI § 243a eingefügt wird und dieser – bezogen auf Ehegatten, die vor dem 1. Juli 1977 geschieden wurden – beginnt: „Bestimmt sich der Unterhaltsanspruch der geschiedenen Ehegatten nach dem Recht, das im Beitrittsgebiet gegolten hat …”.
§ 29 Abs 1 FGB-DDR sah eine Unterhaltsverpflichtung im Grundfall nur „für eine Übergangszeit, jedoch nicht länger als zwei Jahre nach Rechtskraft der Scheidung”, vor. Der Klägerin wurde hiernach sogar nur ein Unterhaltsanspruch für ein Jahr nach der Scheidung zugebilligt. Dieses Jahr endete lange vor dem Tode des Versicherten. Die Klägerin hat es auch versäumt, rechtzeitig einen Verlängerungsantrag zu stellen. Dies hätte gemäß § 31 Abs 1 Satz 2 FGB-DDR innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf der Frist geschehen müssen, für die der Unterhalt zugesprochen wurde. Die Nichteinhaltung dieser Frist hatte materielle Ausschlußwirkung.
Zu Unrecht beruft sich die Klägerin demgegenüber darauf, daß es nach der Rechtsprechung des BSG auf den fehlenden Antrag nicht ankomme, sondern nur auf die materiellen Gegebenheiten in den Einkommensverhältnissen der Ehegatten. Der erkennende Senat hat bereits mit Urteil vom 28. August 1991 (BSGE 69, 203, 206f = SozR 3-2200 § 1265 Nr 6 S 24f) für das Erfordernis, den Unterhaltsanspruch bereits im Scheidungsverfahren geltend zu machen (§ 29 Abs 3 FGB-DDR), entschieden, daß die Versäumung rechtzeitiger Antragstellung den Unterhaltsanspruch ausschloß; entsprechendes gilt für den Verlängerungsantrag. Das Urteil des BSG, auf das sich die Klägerin beruft (SozR 2200 § 1265 Nr 14), betraf einen Fall, bei dem sich die Unterhaltsgewährung allein nach dem Recht der Bundesrepublik Deutschland richtete. Auch die Entscheidung BSG SozR 2200 § 1265 Nr 46 ist hier nicht einschlägig, weil dort ein Antrag rechtzeitig gestellt und lediglich (zu Unrecht) abschlägig beschieden worden war. Hier fehlt es aber bereits an dem Erfordernis eines rechtzeitig gestellten Antrags.
Somit verbleibt als mögliche Rechtsgrundlage des geltend gemachten Anspruchs allein die dritte Alternative des § 1265 Abs 1 Satz 1 RVO, dh die tatsächliche Gewährung von Unterhalt im letzten Jahr vor dem Tode des Versicherten. Dieser muß wenigstens 25 % des Sozialhilfesatzes betragen (BSG SozR 2200 § 1265 Nr 4). Dies wären, da das LSG den 1969/70 in der DDR geltenden Sozialhilfesatz mit 260,– M festgestellt hat, 65,– M monatlich.
Das LSG hat eine laufende Leistung des Versicherten an die Klägerin von mindestens 65,– M monatlich nicht für erwiesen angesehen. Es hat sich dabei darauf gestützt, daß die Zeugenaussagen zu ungenau und die eigenen Angaben der Klägerin widersprüchlich seien. Bei seiner Beweiswürdigung hat es berücksichtigt, daß seiner Ansicht nach aufgrund der Einkommensverhältnisse des Versicherten und der Klägerin eine nennenswerte Unterhaltsleistung gar nicht in Betracht gekommen sei.
Die der Verneinung einer tatsächlichen Unterhaltsgewährung zugrundeliegenden Erwägungen halten indes einer Nachprüfung nicht stand. Das LSG berücksichtigt nicht, daß neben Barleistungen auch Naturalleistungen sowie Arbeitsverrichtungen (insbesondere Haushaltsarbeiten) zu den Unterhaltsleistungen zu rechnen sind (s ua BSG SozR 2200 § 1266 Nrn 7 und 13; SozR 2200 § 1265 Nr 45 S 155; SozR 2200 § 593 Nr 1).
Im Hinblick darauf, daß die früheren Eheleute – abgesehen von der berufsbedingten Abwesenheit der Klägerin – weiterhin in einer Wohnung mit ihrem gemeinsamen Sohn zusammenlebten, war dementsprechend festzustellen, wieviel Unterhaltsaufwand insgesamt (Geld, Naturalien, Arbeitsleistung) in der Familie erbracht wurde, wieviel davon der Klägerin zugute kam und welchen Teil hiervon die Klägerin durch ihren Unterhaltsbeitrag selbst aufbrachte. Berufsbedingter Aufwand ist vorher abzuziehen (BSG SozR 2200 § 1266 Nrn 5, 16 und 18).
Im einzelnen wären also zunächst einmal vom Einkommen der Klägerin die Aufwendungen für ihre berufliche Tätigkeit abzuziehen. Das waren 100,– M Fahrgeld und 50,– M für die Miete in O …. Der Klägerin verblieben dann noch 410,– M. Der Ehemann der Klägerin hatte ein Einkommen von 900,– M. Die erforderliche Feststellung, welcher berufsbedingte Aufwand hiermit verbunden war, fehlt noch. Aus diesen beiderseitigen (bereinigten) Einkünften wurde der gemeinsame Unterhalt der beiden früheren Ehegatten sowie des Sohnes bestritten. Das LSG hat jedoch noch nicht festgestellt, ob das gesamte verfügbare Einkommen für den Unterhalt verwandt wurde. Auch diese Feststellung ist noch nachzuholen.
In einem weiteren Schritt ist festzustellen, wem die Mittel in welcher Höhe zugute kamen. Da Unterhaltsansprüche zwischen der Klägerin und dem Versicherten nicht bestanden, sind gegenseitige Zahlungen zu verrechnen; denn es ist davon auszugehen, daß die Zahlungen insoweit vornehmlich als Ausgleich für den Beitrag des Partners erbracht wurden (BSG SozR Nr 13 zu § 1265 RVO).
Dabei spielt es keine Rolle, ob die Leistungen aus dem Einkommen unmittelbar in Form von Bargeld oder mittelbar in Form von Naturalien (Nahrungsmittel, Kleidung ua), die aus dem eigenen Einkommen bezahlt wurden, gewährt wurden. Zum Aufwand und der Verteilung auf die einzelnen Haushaltsmitglieder enthält das angefochtene Urteil indes nur wenige Feststellungen. Es ist festgestellt, daß der finanzielle Unterhalt des Sohnes (ausgenommen den Anteil an der Miete für die Wohnung) vollständig vom Versicherten getragen wurde. Es ist weiterhin festgestellt, daß die Klägerin für die Verpflegung in O …, dh für die Verpflegung im Laufe der Woche, regelmäßig ca 120,– M monatlich aufgewandt hat. Es bedarf dazu allerdings noch der Feststellung, in welchem Umfang die Klägerin während dieser Zeit aus Krankheitsgründen zu Hause blieb.
Ferner ist festgestellt, daß die Miete für die Wohnung in K … in Höhe von 50,– M von der Klägerin allein getragen wurde. Das bedeutet, daß sie den Anteil, der auf den Versicherten und ihren Sohn entfiel, mitgetragen hat. Wie hoch dieser Anteil war, ist noch festzustellen.
Schließlich ist festgestellt, daß der Versicherte „den gesamten Einkauf von Lebensmittel, Kohlen usw” und die Kosten des gemeinsamen Autos getragen hat. Damit sind indes nicht einmal die gesamten Kosten beschrieben, die für einen Familienhaushalt anfallen. Es fehlen insbesondere die sonstigen Kosten der Wohnung (Reparaturen, Abgaben, Versicherungen, evtl Reinigung), die Kosten für Kleidung, Hygiene und Gesundheit sowie Aufwendungen für Freizeitbetätigungen, Reisen und sonstigen täglichen Bedarf. Auch diese Bereiche sind in die Feststellungen dazu einzubeziehen, welcher Aufwand betrieben wurde und welcher Anteil davon auf die Klägerin entfiel.
Bei der Aufteilung des Aufwandes auf die Haushaltsmitglieder ist zu berücksichtigen, daß die fixen Kosten der Wohnung in K … der Klägerin nicht nur anteilig für die Wochenenden und die Krankheitszeiten zugerechnet werden können, weil es ihre ständige Wohnung auch während ihrer Abwesenheit blieb. Gleiches gilt für sonstige Kosten, die unabhängig von ihrer Anwesenheit in K … angefallen sind.
Hingegen können der Klägerin Verpflegungskosten, die ihr Ehemann aufgewandt hat, grundsätzlich nur für die Zeit ihrer Anwesenheit in K … zugerechnet werden, sofern sie nicht Naturalien mit nach O … genommen hat. Umgekehrt können Geldmittel, die die Klägerin zum Einkauf von Garderobe für die Familie nach O … mitbekommen hat, ihr nur insoweit als Unterhalt zugerechnet werden, als sie davon Kleidung für sich selbst gekauft hat.
Die Klägerin macht allerdings geltend, daß 20,– M monatlich für den Aufbau einer Alterssicherung zu ihren Gunsten aufgewandt wurden. Solche Aufwendungen gehören indes nach der Rechtsprechung des BSG (SozR 2200 § 1265 Nr 29) nicht zum Unterhalt iS von § 1265 Abs 1 Satz 1 RVO.
Nachdem insoweit die Aufteilung des finanziellen Aufwands ermittelt worden ist, sind auch noch die Arbeitsleistungen des Versicherten und der Klägerin für Haushalt und Familie festzustellen. Dies ist bisher nicht geschehen. Auch insoweit kommt es darauf an, welcher Anteil der Klägerin als Unterhalt zugeflossen ist. Da möglicherweise beide früheren Ehegatten Unterhalt durch Arbeit geleistet haben, wäre bei beiden vorab der Anteil abzuziehen, der auf den Sohn entfiel und alsdann durch Gegenüberstellung zu klären, ob der Klägerin mehr zugute gekommen ist, als sie selber für den Versicherten an Leistungen erbracht hat.
Im Hinblick auf die nach alledem noch erforderlichen Feststellungen ist die Sache an das LSG zurückzuverweisen (§ 163 iVm § 170 Abs 2 Satz 2 SGG).
Fundstellen