Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 25. Oktober 1990 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger dessen außergerichtliche Kosten auch für das Revisionsverfahren zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger Knappschaftsrente wegen Berufsunfähigkeit (BU) für unbestimmte Dauer oder gemäß § 72 Abs 1 Satz 2 Reichsknappschaftsgesetz (RKG) lediglich auf Zeit zu zahlen ist. Das Landessozialgericht (≪LSG≫ Urteil vom 25. Oktober 1990) hat die Beklagte zur Gewährung einer Dauerrente verurteilt.
Der 1938 geborene Kläger arbeitete von 1953 bis 1962 im Bergbau. Er legte die Knappen- und die Hauerprüfung ab. Die Abkehr erfolgte freiwillig. Nachdem er 1964 die Prüfung zum Waldfacharbeiter bestanden hatte, war er bis zum Eintritt der Arbeitsunfähigkeit am 5. September 1985 in dem erlernten Beruf tätig. Auf seinen Antrag vom 11. Februar 1986 gewährte ihm die Landesversicherungsanstalt für das Saarland für die Zeit vom 17. April bis 15. Mai 1986 eine medizinische Maßnahme zur Rehabilitation, aus der er als arbeitsunfähig entlassen wurde.
Auf den Antrag des Klägers vom 15. Juni 1986, ihm eine Knappschaftsrente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU) zu gewähren, bewilligte die Beklagte ihm ab 16. Mai 1986 Bergmannsrente wegen verminderter bergmännischer Berufsfähigkeit unter Zugrundelegung des Eintritts des Versicherungsfalles am 31. Dezember 1985 (Bescheid vom 30. September 1986). Die Gewährung einer Versichertenrente wegen EU bzw BU lehnte sie mit Bescheid vom 22. September 1986 ab. Der Widerspruch bliebt erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 22. Dezember 1986).
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage mit Urteil vom 27. Januar 1988 abgewiesen, da der Kläger noch die Tätigkeiten eines Lampenwärters, Maschinenwärters und Magazinarbeiters verrichten könne. Das LSG hat durch Urteil vom 25. Oktober 1990 unter Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung und des Bescheides der Beklagten vom 22. September 1986 idF des Widerspruchsbescheides – versehentlich mit Datum vom 14. Oktober 1986 statt 22. Dezember 1986 bezeichnet – die Beklagte verurteilt, dem Kläger ab dem Antragsmonat (Februar 1986) Übergangsgeld bzw Rente wegen BU zu gewähren. Der Kläger sei seit September 1985, dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit, berufsunfähig. Er könne seitdem ganztägig nur noch leichte körperliche Arbeiten in geschlossenen und wohltemperierten Räumen mit der Möglichkeit, zwischen Gehen, Stehen und Sitzen zu wechseln, verrichten. Seine Facharbeitertätigkeit als Forstwirt könne er deshalb aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben. Für Forstwirte, die nur noch leichte körperliche Arbeiten in temperierten Räumen verrichten könnten, seien keine Spezialisierungstätigkeiten, die dem Kläger zumutbar seien, erkennbar. Für sonstige Facharbeitertätigkeiten würden ihm die beruflichen Kenntnisse fehlen. Anlerntätigkeiten, in die er sein bisheriges Berufswissen einbringen und die er nach seinem körperlichen Leistungsvermögen und seinem beruflichen Wissen auch ohne eine längere als dreimonatige Einarbeitung vollwertig verrichten könne, seien nicht ersichtlich. Insbesondere würden die Tätigkeiten des Lampenwärters oder Maschinenwärters bei den Saarbergwerken ausscheiden, weil diese Tätigkeiten nur leistungsgeminderten Betriebsangehörigen offenstünden, so daß er keine Chance habe, einen solchen Arbeitsplatz zu erhalten. Es könne daher offenbleiben, ob die Tätigkeiten des Lampenwärters oder Maschinenwärters zu den sozial zumutbaren Verweisungstätigkeiten zu zählen seien. Auch die Tätigkeit eines gehobenen Pförtners sei keine zulässige Verweisungstätigkeit, weil hierfür eine über drei Monate andauernde Einweisung des Klägers erforderlich und darüber hinaus wegen der Vergabe dieser Stellen als betriebsinterne Aufstiegsposition der Arbeitsmarkt für den Kläger verschlossen sei. Für die Tätigkeit eines Hausmeisters verfüge der Kläger weder über die erforderliche Berufserfahrung noch über das notwendige gesundheitliche Leistungsvermögen. Für die Tätigkeit als Maschinenwärter in kommunalen Versorgungsbetrieben fehle ihm die erforderliche besondere Berufserfahrung.
Mit der – vom Senat zugelassenen – Revision rügt die Beklagte die Verletzung des § 72 Abs 1 Satz 2 RKG. Die Vorschrift gelte auch bei verschlossenem Vollzeitarbeitsmarkt. Aus dem Wortlaut, der Entstehungsgeschichte, dem in den wiederholten Gesetzesänderungen zum Ausdruck gekommenen gesetzgeberischen Willen sowie aus dem Sinn und Zweck der Zeitrentengewährung ergebe sich keine Einschränkung für die Anwendung der Vorschrift nur auf Versicherte mit untervollschichtigem Leistungsvermögen. Durch die Änderungen des § 72 Abs 1 RKG habe der Gesetzgeber wiederholt auf die durch die Beschlüsse des Großen Senats (GS) des Bundessozialgerichts (BSG) vom 11. Dezember 1969 und 10. Dezember 1976 eingeleitete Rechtsprechung zu Rentenansprüchen bei Verschlossenheit des Arbeitsmarktes reagiert und davon abgesehen, die Zeitrentengewährung gemäß § 72 Abs 1 Satz 2 RKG lediglich auf die Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes zu begrenzen. Dies gelte jedenfalls dann, wenn die BU auf Umständen des Arbeitsmarktes beruhe, die – wie im vorliegenden Fall – konjunkturabhängig seien. In Zeiten mit geringer Arbeitslosenquote hätten leistungsgeminderte Bergleute auch außerhalb des Bergbaus ohne Mühe einen sozial zumutbaren Arbeitsplatz gefunden. Im Bergbau nicht mehr beschäftigte Versicherte hätten damals eine gute Chance gehabt, bergbauliche Tätigkeiten zu erhalten.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 25. Oktober 1990 insoweit abzuändern, als die Beklagte zur Gewährung einer zeitlich unbefristeten Rente wegen Berufsunfähigkeit veruteilt worden ist, und in diesem Umfang die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Seine BU beruhe ausschließlich auf seinem Gesundheitszustand, da er seine bisherige Berufstätigkeit nicht mehr ausüben könne. Die Unmöglichkeit, dem Versicherten eine zumutbare Verweisungstätigkeit konkret zu benennen, sei Bestandteil des Merkmals „Herabsinken der Erwerbsfähigkeit infolge Krankheit oder anderer Gebrechen oder Schwäche der körperlichen oder geistigen Kräfte auf weniger als die Hälfte eines körperlich und geistig gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung, gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten”. Könnten für den Versicherten keine zumutbare Tätigkeiten benannt werden, dann sei seine Erwerbsfähigkeit entsprechend herabgesunken, so daß die BU ausschließlich auf dem Gesundheitszustand beruhe. Wollte man der Auffassung der Beklagten folgen, würde die Zeitrente, welche als Ausnahme gedacht sei, zur Regel.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Beklagten ist nicht begründet. Der Kläger hat seit Februar 1986 einen Anspruch auf Rente wegen BU, und zwar ohne zeitliche Begrenzung.
Nach den Feststellungen des LSG kann der Kläger in seinem Facharbeiterberuf oder in einer ihm sozial zumutbaren Position seit dem genannten Zeitpunkt das ihm noch verbliebene Leistungsvermögen nicht mehr nutzen. Hiervon geht auch die Beklagte aus; sie hat demgemäß die dieser Auffassung zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angefochten, so daß sie für den erkennenden Senat verbindlich sind (§ 163 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫).
Danach kann der Kläger vollschichtig nur noch leichte körperliche Arbeiten in geschlossenen und wohl temperierten Räumen mit der Möglichkeit, zwischen Gehen, Stehen und Sitzen zu wechseln, verrichten. Bei diesem Leistungsvermögen ist es nicht mehr möglich, den erlernten Beruf eines Forstwirts weiter auszuüben. Dasselbe gilt für einen Einsatz des Klägers als Hausmeister; auch hierfür fehlen ihm die erforderlichen gesundheitlichen Voraussetzungen. Tätigkeiten als Maschinenwärter in Versorgungsbetrieben sind dem Kläger, soweit ihre Erledigung nicht mit einem sozialen Abstieg verbunden sein würde, derart berufsfremd, daß er sie allenfalls nach einer unangemessenen langen Anlernzeit verrichten könnte. Im beruflichen Umfeld seines zuletzt ausgeübten Facharbeiterberufs als Forstwirt gibt es nach den Feststellungen des LSG keine Spezialisierungstätigkeiten, welche der Kläger mit dem ihm noch verbliebenen Leistungsvermögen erledigen könnte.
Bezüglich der Verwendbarkeit des Klägers als Lampen- oder Maschinenwärter im Bergbau oder als sogenannter gehobener Pförtner hat das LSG festgestellt, daß der Kläger keine auch noch so geringe Chance hat, einen Arbeitsplatz zu erhalten, weil diese ausschließlich an leistungsgeminderte Betriebsangehörige bzw zum Zwecke des Aufstiegs an eigene Pförtner vergeben werden. Danach sind die Voraussetzungen für eine zeitliche Begrenzung des Rentenanspruchs des Klägers nicht gegeben. Aus dem angefochtenen Urteil ergibt sich, daß das körperliche Leistungsvermögen des Klägers sich voraussichtlich nicht bessern wird (§ 72 Abs 1 Satz 1 RKG). Die voraussichtliche Abänderbarkeit der gesundheitlichen Verhältnisse ist Grundvoraussetzung für die Gewährung der Zeitrente nach § 72 Abs 1 Satz 1 RKG. Die Zeitrentengewährung nach § 72 Abs 1 Satz 2 RKG erfordert einen grundsätzlich zugänglichen Arbeitsmarkt, der zwar nicht im Zeitpunkt der Entscheidung über den Rentenantrag, wohl aber in absehbarer Zeit eine Vermittlung in Arbeit ermöglicht, ohne daß die Bedingungen des Arbeitsmarktes allerdings vom Versicherungsträger zu prognostizieren sind. Auch dies ist zu verneinen. Infolgedessen beruht die BU beim Kläger ausschließlich auf seinem Gesundheitszustand, dagegen nicht auf den Verhältnissen des Arbeitsmarktes.
Demgegenüber meint die Beklagte, die Arbeitsmarktsituation rechtfertige im zugrunde liegenden Fall nur die Gewährung einer Zeitrente. Nach § 72 Abs 1 Satz 2 RKG ist eine Rente auf Zeit zu leisten, wenn die BU nicht ausschließlich auf dem Gesundheitszustand des Klägers beruht (angesichts des Alters des Klägers spielt die weitere Voraussetzung dieser Vorschrift keine Rolle). Es kommt demgemäß im vorliegenden Rechtsstreit darauf an, ob die beim Kläger gegebene BU außer durch seinen Gesundheitszustand auch durch die besonderen Verhältnisse des Arbeitsmarktes iS der geltenden Ursachenlehre wesentlich mitverursacht ist (GS BSGE 30, 167, 178/179; SozR 2200 § 1247 Nr 57). Dabei ist für die Leistungsgewährung der Zeitpunkt der Entscheidung über den Rentenantrag maßgebend.
Die Zeitrente ist – wie bereits angedeutet – zu gewähren, wenn wegen des eingeschränkten Leistungsvermögens und der aktuellen Lage auf dem Arbeitsmarkt im Zeitpunkt der Entscheidung eine zumutbare Verweisung nicht realisierbar ist. Obwohl also derzeit praktisch keine Chance besteht, in einem zumutbaren Verweisungsberuf unterzukommen (vgl ua BSG SozR 2200 § 1246 Nr 110), wird von Gesetzes wegen die zukünftige Veränderbarkeit des Arbeitsmarktes fingiert. Ein auf Dauer unveränderbarer Arbeitsmarkt könnte die Zeitrentengewährung nicht rechtfertigen. Der Umstand, daß Zeitrente über einen größeren Zeitraum und letztendlich bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres zuerkannt werden kann, spricht ebenfalls dafür, daß der Gesetzgeber von einem variablen Arbeitsmarkt ausgeht. Er wollte durch die Gewährung von Zeitrente den Verhältnissen der Arbeitswelt, die ständigen Veränderungen unterliegt und deren Entwicklung nicht vorhersehbar ist, entsprechend Rechnung tragen. Dies folgt aus der Entwicklung der Vorschrift des § 72 Abs 1 Satz 2 RKG:
Durch Art 2 § 3 Nr 19 des 20. Rentenanpassungsgesetzes (20. RAG) vom 27. Juni 1977 (BGBl I S 1040) erhielten mit Wirkung ab 1. Juli 1977 erstmalig die Umstände des Arbeitsmarktes Bedeutung für die Frage, ob einem Versicherten eine Zeitrente oder eine Rente auf Dauer zusteht. Nach § 72 Abs 1 Halbs 1 RKG (§ 1276 Abs 1 Halbs 1 RVO) sollte Zeitrente gewährt werden, wenn begründete Aussicht besteht, daß die BU bzw EU in absehbarer Zeit behoben sein kann; nach dem 2. Halbs „gilt dies insbesondere dann, wenn die BU bzw EU nicht ausschließlich auf dem Gesundheitszustand des Berechtigten beruht”. Diese Neufassung des Gesetzes wurde aufgrund der Beschlußempfehlung und des Berichtes des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung des Bundestages vom 26. April 1977 zum 20. RAG verabschiedet. In der Beschlußempfehlung ist ausgeführt, daß die Möglichkeit von zeitlich begrenzten Renten wegen BU oder EU erweitert werden sollte (vgl BT-Drucks 8/337 S 3). Zeitlich begrenzte Renten sollten vor allem dann – ggf mehrmals – gewährt werden, wenn andere Gründe als der Gesundheitszustand des Versicherten für die Bewilligung der BU- oder EU-Rente ausschlaggebend sind, insbesondere die Situation auf dem Arbeitsmarkt (vgl BT-Drucks 8/337, S 5, 6, 91). Dies konnte in der Vorstellung des Ausschusses aufgrund der Rechtsprechung des BSG in starkem Maße der Fall sein. In solchen Fällen solle die Gewährung der Zeitrente beliebig oft wiederholt werden (BT-Drucks 8/337 S 91).
Ergänzend wurde empfohlen, die Bundesregierung zu ersuchen, die Auswirkungen der Rechtsprechung des BSG zur BU und EU sorgfältig zu beobachten und ggf Vorschläge zu Rechtsänderungen zu machen, durch die unangemessene Auswirkungen vermieden würden (BT-Drucks 8/337 S 10, 91). Anlaß für diese Beschlußempfehlungen war die Rechtsprechung des BSG, insbesondere der Beschluß des Großen Senats vom 10. Dezember 1976 (BSGE 43, 75f = SozR 2200 § 1246 Nr 13), deren finanzielle Auswirkungen nicht abschätzbar schienen und der durch die Beschlußempfehlung Rechnung getragen werden sollte. Die Möglichkeit der Gewährung einer Zeitrente sollte gerade auf die Fälle ausgedehnt werden, in welchen nach der Rechtsprechung des BSG die Arbeitsmarktlage eine besondere Rolle spielte, zB bei einem Versicherten, der noch sechs Stunden täglich, also fast vollschichtig, arbeiten kann, aber als erwerbsunfähig anzusehen ist, weil ihm kein Arbeitsplatz nachgewiesen wird. Es wurde vom Ausschuß für wichtig erachtet, daß Versicherte, die zwar nicht im Augenblick, wohl aber in absehbarer Zeit vermittelt werden könnten, sich nicht endgültig auf die Rente einstellten. In solchen Fällen sollte auch über den Zeitraum von sechs Jahren hinaus eine Zeitrente gewährt werden (vgl Protokoll der 11. Sitzung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung des Bundestages vom 26. April 1977).
§ 72 Abs 1 Halbs 2 RKG bzw die wortgleiche Vorschrift in § 1276 Abs 1 Halbs 2 RVO wurde durch die Rechtsprechung (BSG SozR 2200 § 1276 Nrn 4, 7) dahin ausgelegt, daß auch bei einem nicht ausschließlich auf dem Gesundheitszustand des Versicherten beruhenden Versicherungsfall nur dann Zeit- statt Dauerrente zu gewähren sei, wenn „begründete Aussicht” bestehe, daß sich der Arbeitsmarkt ändern werde. Die den Versicherungsträgern durch diese Entscheidung aufgebürdete Prognosestellung bezüglich der Bedingungen des Arbeitsmarktes hat den Gesetzgeber zu der bis zum 31. Dezember 1991 geltenden Fassung des Gesetzes veranlaßt. Die auf dem Haushaltsbegleitgesetz 1983 (HBegleitG) beruhende Änderung des § 72 Abs 1 RKG (BGBl I S 1857) beabsichtigte, die Versicherungsträger von der Notwendigkeit zu entbinden, die Arbeitsmarktbedingungen über den Zeitpunkt der Entscheidung hinaus zu prognostizieren. Dies ist insbesondere dadurch zum Ausdruck gebracht worden, daß der jetzige Satz 2 der Vorschrift verselbständigt worden ist, während er vorher als Halbsatz der Vorgängernorm formuliert und damit in die Prognosenotwendigkeit der Vorschrift eingebunden worden war (s BSG SozR 2200 § 1276 Nr 8 und BT-Drucks 9/2140 S 103; aA Oberfeld SGb 1984, 507, 508; wie hier Bürck DAngVers 1984, 191). In der Begründung des Gesetzentwurfes der Bundesregierung ist ausgeführt, daß nach dem 20. RAG Zeitrenten zu leisten seien, wenn die BU oder EU nicht ausschließlich auf dem Gesundheitszustand des Versicherten, sondern auch auf der Situation auf dem (Teilzeit-)Arbeitsmarkt beruhe. Eine Prognose, inwieweit eine begründete Aussicht bestehe, daß der Teilzeitarbeitsmarkt eine Arbeitsvermittlung in absehbarer Zeit zulasse, sei für die Versicherungsträger kaum zu stellen. Durch die Änderung solle die vom Gesetzgeber mit dem 20. RAG verfolgte Zielsetzung verdeutlicht und die Anwendung in der Praxis erleichtert werden (BR-Drucks 143/82 S 6). Es werde klargestellt, daß Renten wegen BU oder EU immer nur als Zeitrenten zu leisten seien, wenn der Rentenanspruch auch auf der jeweiligen Teilzeitarbeitsmarktlage beruhe (BT-Drucks 9/2140 S 103). Der Gesetzgeber setzte mithin – wie ausgeführt – die Möglichkeit der Änderung der Lage auf dem Teilzeit-Arbeitsmarkt für die Gewährung einer Zeitrente als gegeben voraus.
Diese Rechtsentwicklung hat der erkennende Senat zu beachten. Nach seiner Überzeugung ist § 72 Abs 1 Satz 2 RKG demzufolge dahin auszulegen, daß eine Zeitrente dann zu gewähren ist, wenn für die Leistungsgewährung die im Entscheidungszeitpunkt herrschenden Bedingungen des Arbeitsmarktes eine Mitursache sind. Das ist hier zu verneinen.
Für die seit dem 1. Januar 1992 geltende Vorschrift des § 102 Abs 2 des Sozialgesetzbuches – Sechstes Buch – (SGB VI) gilt nichts anderes. Nach § 102 Abs 2 Nr 2 SGB VI wird die BU-Rente auf Zeit geleistet, wenn der Anspruch auch von der jeweiligen Arbeitsmarktlage abhängig ist. Mit dieser Formulierung hat der Gesetzgeber die Rechtslage nicht erneut verändert, sondern vielmehr den Inhalt von § 72 Abs 1 Satz 2 RKG übernommen (BR-Drucks 120/89 S 176). Nach dem oben Gesagten ist unter der „jeweiligen Arbeitsmarktlage” im Sinne von § 102 Abs 2 SGB VI diejenige Arbeitsmarktlage zu verstehen, wie sie sich im jeweiligen Zeitpunkt der Entscheidung über den Anspruch auf Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit darstellt.
Entgegen der Meinung der Beklagten ist das LSG zutreffend davon ausgegangen, daß der für Lampenwärter und Maschinenwärter maßgebliche Arbeitsmarkt auf Dauer verschlossen ist. Mögliche energiewirtschaftliche Entwicklungen des Weltmarktes, die Auswirkungen auf den Zugang zu den Tätigkeiten als Lampenwärter oder Maschinenwärter haben könnten, sind prognostischer Natur und so fernliegend, daß sie unbeachtet bleiben müssen. Wenn das LSG wegen der Verschlossenheit des Arbeitsmarktes Dauerrente zuerkannt hat, entspricht dies auch der Rechtsprechung des BSG (vgl ua SozR 2200 § 1246 Nr 137; für Verwieger 1 vgl SozR 1500 § 62 Nr 24).
Im übrigen hat sich für den Zeitpunkt ab dem Leistungsbeginn (Februar 1986) die Lage auf dem Arbeitsmarkt bezüglich der hier allein interessierenden Tätigkeiten des Maschinenwärters und des Lampenwärters bis zur Entscheidung des LSG nicht verändert. Dies ergibt sich aus den Feststellungen des LSG. Dieses Gericht hatte daher für den gesamten Zeitraum bis zu seiner Entscheidung von einheitlichen tatsächlichen Voraussetzungen auszugehen. Danach bestand für den Kläger keinerlei Chance, Zugang zu diesen Tätigkeiten zu bekommen. Dies hatte seine Ursache vor allen Dingen darin, daß die Tätigkeiten nur noch betriebsintern vergeben werden. Zu diesem begünstigten Personenkreis der im Unternehmen Beschäftigten zählt der Kläger seit seiner Abkehr vom Bergbau nicht.
Für den Zeitpunkt ab dem Rentenbeginn (Februar 1986) bis zur Entscheidung des LSG hat sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt bezüglich der hier allein interessierenden Tätigkeiten des Maschinen- oder Lampenwärters sowie des gehobenen Pförtners nicht verändert. Dies ergibt sich aus den Feststellungen des LSG. Dieses Gericht hatte daher für den gesamten Zeitraum bis zu seiner Entscheidung von einheitlichen tatsächlichen Voraussetzungen auszugehen. Danach bestand für den Kläger seit langer Zeit keinerlei Chance,
Zugang zu diesen Tätigkeiten zu bekommen. Dies hatte seine Ursache vor allen Dingen darin, daß die Tätigkeiten nur noch betriebsintern oder/und aufstiegsweise vergeben werden. Zu diesem begünstigten Personenkreis der im Unternehmen Beschäftigten zählt der Kläger seit seiner Abkehr vom Bergbau bzw als Nicht-Pförtner nicht. Er hatte daher, wie das LSG verbindlich festgestellt hat (§ 163 SGG), keinerlei auch noch so geringe Chance, als Maschinen- oder Lampenwärter eingesetzt zu werden (vgl zur vormaligen Rechtslage Urteile des BSG vom 14. März 1968 SozR Nr 22 zu § 46 RKG, vom 11. Juli 1972 SozR Nr 103 zu § 1246 RVO und vom 28. Februar 1974 SozR 2600 § 46 Nr 1) bzw als Pförtner aufzusteigen. Demzufolge ist hier unerheblich, daß die Tätigkeiten nach wie vor in Tarifverträgen erfaßt sind; denn die grundsätzlich zutreffende Annahme, es seien entsprechende Arbeitsplätze auch für den einzelnen Versicherten vorhanden, ist hier widerlegt (vgl BSG SozR 2200 § 1246 Nr 19 = BSGE 44, 39 ≪40≫, SozR 2200 § 1246 Nrn 90 und 102 und SozR 2600 § 46 Nr 20).
Unter diesen Umständen des vorliegenden Falles gibt es keinen „Arbeitsmarkt” für den Kläger. Die Verwendung des Begriffes „Arbeitsmarkt” verlangt eine Auslegung durch die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit. Sie kann und muß entsprechend dem allgemeinen Sprachgebrauch und Wortsinn vorgenommen werden, zumal die Vorschriften des Arbeitsförderungsgesetzes ≪AFG≫ (vgl ua § 2 Nrn 5, 6 und 8; § 6; § 33 Abs 1; § 54 Abs 1 und § 55 Abs 1) keine auch nur annähernde Legaldefinition enthalten. Danach kann von einer „Marktlage” nur gesprochen werden, wenn einer Nachfrage ein auch noch so geringes Angebot gegenübersteht. Eben hieran fehlt es im vorliegenden Falle für den Personenkreis, welcher nicht zu den im Bergbau beschäftigten Versicherten gehört. Für sie besteht seit vielen Jahren keinerlei Angebot an Arbeitsplätzen für Maschinenwärter und Lampenwärter. Demgemäß ist es nicht möglich, diese Arbeitsplätze zu berücksichtigen, wenn es um die Beurteilung der Frage geht, ob ein Arbeitsmarkt vorhanden und mitursächlich für die BU eines Versicherten ist.
Infolgedessen ist im vorliegenden Rechtsstreit davon auszugehen, daß der Kläger nicht auch infolge einer Arbeitsmarktlage, sondern ausschließlich durch die Einschränkungen seines Leistungsvermögens außerstande ist, im Rahmen der zumutbaren Verweisungsberufe die gesetzliche Lohnhälfte zu verdienen.
Nach alledem liegen bei dem Kläger die Voraussetzungen für die Gewährung einer Zeitrente nach § 72 Abs 1 Satz 2 RKG bzw § 102 Abs 2 SGB VI nicht vor (ebenso im Ergebnis für die Verweisung eines nicht mehr im Bergbau Beschäftigten auf die Tätigkeit eines Verwiegers 1: BSG SozR 1500 § 62 Nr 24).
Der Senat brauchte nicht allgemein auf die Frage einzugehen, unter welchen Umständen Zeitrente nach der Vorschrift des § 72 Abs 1 Satz 2 RKG (bzw § 102 Abs 2 Satz 1 Nr 2 SGB VI) zu gewähren ist (etwa bei zeitlich eingeschränkter Einsatzfähigkeit: BSG SozR 2200 § 1276 Nr 8 oder bei Verlust eines behindertengerecht ausgestalteten Arbeitsplatzes: BSG SozR 2200 § 1247 Nr 57). Ferner kann unentschieden bleiben, ob bei der Zeitrentengewährung zwischen einem nicht bestehenden und einem verschlossenen Arbeitsmarkt (BSG SozR 2600 § 46 Nr 20) zu differenzieren ist. Schließlich hatte der Senat nicht darauf einzugehen, ob die Gewährung einer Zeitrente, die auch auf der Arbeitsmarktlage beruht, nur auf den Teilzeitarbeitsmarkt abstellt, worauf die Rechtsprechung des Großen Senats sowie die Gesetzesentwicklung hinzudeuten scheint, oder gleichwohl es auf den Umfang des Arbeitsmarktes nicht ankommt und demgemäß auch bei vollschichtiger Einsatzfähigkeit möglich ist.
Die Revision der Beklagten war zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen