Leitsatz (amtlich)
Die Revisionsbegründung entspricht nicht den gesetzlichen Anforderungen, wenn sie keine Rechtsausführungen enthält, die zumindest einen der das angefochtene Urteil tragenden Gründe in Frage stellen.
Stand: 05. Juni 2000
Beteiligte
Gmünder Ersatzkasse (GEK) |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Bremen vom 17. Juni 1999 wird als unzulässig verworfen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die Beteiligten streiten um einen Anspruch auf Krankengeld.
Der bei der beklagten Ersatzkasse krankenversicherte Kläger war in seinem Beruf als Maschinenbediener in der Zeit vom 3. März bis zum 11. April und vom 24. April bis zum 8. Juni 1997 arbeitsunfähig krank. Die ihm jeweils vom behandelnden Vertragsarzt ausgehändigte, für die Krankenkasse bestimmte Durchschrift der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung war mit dem Hinweis versehen, daß bei verspäteter Vorlage ein Verlust des Krankengeldes drohe. Dementsprechend fehlte auf den ebenfalls dem Kläger ausgehändigten, für den Arbeitgeber bestimmten Durchschriften der nach § 5 Abs 1 Satz 5 Entgeltfortzahlungsgesetz (EntgFG) vorgeschriebene Vermerk, daß der Arzt die Arbeitsunfähigkeit mit Befund und voraussichtlicher Dauer der Krankenkasse gemeldet habe.
Dennoch leistete der Arbeitgeber des Klägers zunächst für beide Zeiträume Entgeltfortzahlung. Nachdem er von der Beklagten erfahren hatte, daß die wiederholte Arbeitsunfähigkeit auf dieselbe Krankheit zurückzuführen war, forderte er das für die Zeit nach Ablauf des gesetzlich vorgeschriebenen Sechs-Wochen-Zeitraums fortgezahlte Arbeitsentgelt vom Kläger zurück. Den vom Kläger für den Rückforderungszeitraum (26. April bis 8. Juni 1997) geltend gemachten Anspruch auf Krankengeld lehnte die Beklagte ab. Dieser habe nach § 49 Abs 1 Nr 5 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) geruht, weil ihr die Arbeitsunfähigkeit vom 24. April erst am 9. Juni 1997 gemeldet worden sei (Bescheide vom 18. und 25. Juni 1997, Widerspruchsbescheid vom 28. Januar 1998). Das Sozialgericht (SG) bestätigte diese Entscheidung mit Urteil vom 15. Dezember 1998.
Das Landessozialgericht (LSG) hat demgegenüber die Vorentscheidungen aufgehoben und die Beklagte zur Zahlung von Krankengeld für die Zeit vom 26. April bis zum 8. Juni 1997 verurteilt. Die fehlende Arbeitsunfähigkeitsmeldung könne dem im übrigen unstreitigen Krankengeldanspruch des Klägers nicht entgegengehalten werden, denn die Berufung darauf sei rechtsmißbräuchlich. Bei Versicherten mit Anspruch auf Entgeltfortzahlung falle die rechtzeitige Arbeitsunfähigkeitsmeldung wegen § 5 Abs 1 Satz 5 EntgFG in den Verantwortungsbereich der Krankenkasse und nicht in den des Versicherten. Davon könnten sich die Krankenkassen nicht dadurch befreien, daß sie zusammen mit den Kassenärztlichen Vereinigungen Vordrucke entwickelten, die dieser Rechtslage widersprächen. Die Warnung über einen möglichen Krankengeldverlust habe unter diesen Umständen nur bei Versicherten eine rechtliche Wirkung, die keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung hätten. Das Ergebnis entspreche auch dem Sinn und Zweck der Vorschriften über die Arbeitsunfähigkeitsmeldung. An der durch eine rechtzeitige Meldung ermöglichten Überprüfung der Arbeitsunfähigkeit durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung habe die Krankenkasse während des Zeitraums der Entgeltfortzahlung nur geringes Interesse; demzufolge räume § 275 Abs 1a Satz 3 SGB V dem Arbeitgeber die gleichen Befugnisse wie der Krankenkasse ein, eine medizinische Überprüfung zu veranlassen.
Mit ihrer Revision beruft sich die Beklagte auf das nach ihrer Auffassung zutreffende Urteil des SG, wonach der Anspruch auf Krankengeld wegen verspäteter Meldung geruht habe. Die vom LSG herangezogene Entscheidung (BSGE 52, 254 = SozR 2200 § 216 Nr 5) könne auf den anhängigen Rechtsstreit nicht übertragen werden, weil dem damaligen anders als dem jetzigen Kläger die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nicht ausgehändigt worden seien. Auf der für die Kasse bestimmten Bescheinigung sei der Kläger auf die Gefahr des Verlustes von Krankengeld hingewiesen worden, so daß sein Vertrauen auch im Sinne der zitierten Rechtsprechung nicht schutzwürdig sei. Die Auffassung des LSG, daß die Berufung der Krankenkasse auf die fehlende Meldung am Einwand von Treu und Glauben scheitere, werde nicht geteilt.
Die Beklagte beantragt (sinngemäß),
das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält die von der Beklagten vorgelegte Revisionsbegründung für unzureichend und sieht darin vor allem einen Angriff gegen die Beweiswürdigung durch das LSG. In der Sache stütze sich das angefochtene Urteil zutreffend auf die bisherige Rechtsprechung.
II
Die Revision der Beklagten ist unzulässig. Ihre Begründung entspricht nicht den gesetzlichen Anforderungen.
Nach § 164 Abs 2 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) muß die Revisionsbegründung einen bestimmten Antrag enthalten, die verletzte Rechtsnorm und, soweit Verfahrensmängel gerügt werden, die Tatsachen bezeichnen, die den Mangel ergeben. Mit dieser Vorschrift soll zur Entlastung des Revisionsgerichts erreicht werden, daß der Revisionskläger bzw sein Prozeßvertreter die Erfolgsaussicht der Revision eingehend prüft und von aussichtslosen Revisionen rechtzeitig Abstand nimmt. Das setzt eine Auseinandersetzung mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung nach den Kriterien voraus, an denen sich auch die revisionsgerichtliche Überprüfung zu orientieren hat (vgl BSG SozR 1500 § 164 Nr 12 und Nr 28). Der Revisionskläger braucht die Revisionsentscheidung nicht im Einzelnen vorwegzunehmen; er darf sich aber nicht darauf beschränken, die angeblich verletzte Rechtsnorm zu benennen (BSG vom 24. Oktober 1996 – 4 RA 27/95 = HVBG-INFO 1997, 495), auf ein ihm günstiges erstinstanzliches Urteil Bezug zu nehmen (BSG vom 4. Oktober 1988 – 4/11a RA 56/87 = BR/Meuer zu SGG § 164 mwN zur übereinstimmenden Rechtsprechung anderer oberster Bundesgerichte) oder auf die Unvereinbarkeit der von der Vorinstanz vertretenen Rechtsauffassung mit der eigenen hinzuweisen (BSG vom 26. Mai 1987 – 4a RJ 61/86 = NZA 1987, 716). Notwendig sind Rechtsausführungen, die geeignet sind, zumindest einen der das angefochtene Urteil tragenden Gründe in Frage zu stellen.
Im Schriftsatz der Beklagten vom 16. August 1999, mit dem die Revision eingelegt und begründet worden ist, ist ein bestimmter Antrag nicht enthalten. Da darin das Urteil des SG als zutreffend bezeichnet und das Urteil des LSG für unrichtig gehalten wird, kann immerhin davon ausgegangen werden, daß die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erreichen möchte. Neben der Bezeichnung einer angeblich verletzten Rechtsnorm des Bundesrechts fehlt jedoch auch die erforderliche Auseinandersetzung mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung und der darin bezeichneten Rechtsprechung, so daß nicht angenommen werden kann, die Beklagte habe die Erfolgsaussicht der Revision geprüft.
Das LSG bezieht sich auf die Entscheidung des 3. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) vom 28. Oktober 1981, in der mit Rücksicht auf den damaligen § 3 Abs 1 Satz 3 Lohnfortzahlungsgesetz (LFZG) ausgesprochen wurde, daß im Falle einer Lohnfortzahlung der Arzt zur Meldung der Arbeitsunfähigkeit an die Krankenkasse verpflichtet sei. Wenn dem arbeitslosen Versicherten die eigentlich für den Arbeitgeber bestimmte Ausfertigung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausgehändigt werde, auf der die unmittelbare Meldung des Arztes an die Krankenkasse vermerkt sei, dann könne dem Krankengeldanspruch die fehlende Meldung nicht entgegengehalten werden (BSGE 52, 254 = SozR 2200 § 216 Nr 5). Da § 5 Abs 1 Satz 5 EntgFG dem früheren § 3 Abs 1 Satz 3 LFZG entspricht, hätte die Beklagte darauf eingehen müssen, warum diese Entscheidung nach ihrer Auffassung den jetzigen Fall nicht trifft und welche Bedeutung dabei den zwischenzeitlich geänderten Vorschriften des Bundesmantelvertrags-Ärzte zukommt, auf die schon damals Bezug genommen wurde. Statt dessen erschöpft sich die Revisionsbegründung in (teilweise unrichtigen) Behauptungen und Hinweisen auf abweichende Rechtsmeinungen. Der Umstand, daß die erste Instanz anders als das Berufungsgericht die Klage abgewiesen hat, beinhaltet ebensowenig eine rechtliche Erwägung wie die Mitteilung, daß die Beklagte die vom LSG angenommene Fehlerhaftigkeit der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht zu erkennen vermöge und daß sie die Rechtsauffassung des LSG nicht teile, wonach die Berufung der Krankenkasse auf die fehlende Meldung rechtsmißbräuchlich sei. Dem Einwand, der Kläger habe der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung entnehmen können, daß der Krankenkasse keine Meldung zugehe, mag ein gewisser rechtlicher Gehalt zukommen. Er geht jedoch an der vom LSG ausführlich auf § 5 Abs 1 Satz 5 EntgFG gestützten Begründung völlig vorbei und beinhaltet schon deshalb keine nähere Auseinandersetzung mit dem Streitstoff, weil er auf der mit dem festgestellten Tatbestand unvereinbaren Annahme beruht, in dem früher vom BSG entschiedenen Fall (BSGE 52, 254 = SozR 2200 § 216 Nr 5) seien dem Versicherten überhaupt keine Bescheinigungen ausgehändigt worden.
Da dieses Vorbringen für eine ordnungsgemäße Revisionsbegründung nicht ausreicht, ist die Revision nach § 169 SGG zu verwerfen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 543161 |
NZA-RR 2001, 441 |
NZS 2000, 578 |
SozSi 2001, 144 |