Entscheidungsstichwort (Thema)
Höhe des Arbeitslosengelds. Bemessung. Nachträglicher Zufluss von Arbeitsentgelt. Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers
Leitsatz (redaktionell)
- Eine volle arbeitsrechtliche Prüfung dahingehend, ob ein Anspruch auf höheres Arbeitsentgelt bestand, ist bei beiden Alternativen der Bemessung des Arbeitslosengelds nach § 134 Abs. 1 S. 2 SGB III nicht erforderlich.
- Bei der Bemessung des Arbeitslosengelds nach der 2. Alternative des § 134 Abs. 1 S. 2 (Zuflussfiktion wegen Zahlungsunfähigkeit) wird tatsächlich nicht zugeflossenes Arbeitsentgelt nur dann berücksichtigt, wenn dies allein auf der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers beruht. Eine alleinige Kausalität ist dann zu verneinen, wenn die Zahlung auch aus anderen Gründen oder zunächst aus anderen Gründen unterblieben, später aber Zahlungsunfähigkeit hinzugetreten ist.
Normenkette
SGB III § 134 Abs. 1 S. 2, § 129
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 1. September 2005 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
I
Im Streit ist die Zahlung von höherem Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 2002.
Der 1962 geborene Kläger stand bei der Firma S… GmbH seit Juni 1995 in einem Arbeitsverhältnis. Am 26. März 2002 kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis zum 30. Juni 2002. Am 23. Mai 2002 meldete sich der Kläger zum 1. Juli 2002 arbeitslos und beantragte die Gewährung von Alg. Für die Monate Juli 2001 bis Juni 2002 waren von der Arbeitgeberin folgende Bruttoentgelte bescheinigt: Juli 2001 3.613,94 €, August 2001 3.625,21 €, September 2001 3.636,38 €, Oktober 2001 bis Dezember 2001 monatlich 3.306,75 €, Januar 2002 3.065,35 €, März 2002 bis Juni 2002 monatlich 2.966,67 €. Im Februar 2002 leistete der Kläger auf der Basis eines monatlichen Bruttoarbeitsentgelts von 2.966,67 € Kurzarbeit.
Auf eine vom Kläger wegen der Kündigung des Arbeitsverhältnisses erhobene Kündigungsschutzklage stellte das zuständige Arbeitsgericht fest, dass das Arbeitsverhältnis nicht zum 30. Juni 2002 beendet worden sei (Urteil vom 12. September 2002). Mit weiterem Urteil (ebenfalls vom 12. September 2002) verurteilte das Arbeitsgericht die Arbeitgeberin zur Zahlung von insgesamt 10.250,03 € wegen rückständigen Arbeitsentgelts, wobei es für die Monate Oktober 2001 bis Juni 2002 von einer monatlichen Bruttovergütung in Höhe von 3.394,98 € ausging, den Monat Februar 2002 wegen der Kurzarbeit jedoch ausschloss. Am 30. September 2002 kündigte der Kläger das Arbeitsverhältnis fristlos wegen der für die Monate Juli, August, September 2002 ausstehenden Arbeitsentgeltzahlungen; für diese Zeit erhielt er jedoch später Insolvenzgeld. Durch Beschluss des zuständigen Amtsgerichts vom 5. September 2002 waren bereits zuvor vorläufige Maßnahmen zur Sicherung der Masse über das Vermögen der Arbeitgeberin des Klägers angeordnet worden; am 6. Januar 2003 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet.
Zuvor hatte die Beklagte dem Kläger Alg ab 1. Juli 2002 für 360 Kalendertage in Höhe von 380,46 € wöchentlich (Bemessungsentgelt in Höhe von 745,00 €; Leistungsgruppe C; Leistungssatz 67 vH; Leistungsentgeltverordnung für das Jahr 2002) bewilligt (bestandskräftiger Bescheid vom 24. Juli 2002). Am 16. Oktober 2002 beantragte der Kläger eine Überprüfung der Alg-Bewilligung unter Hinweis auf die Entscheidung des Arbeitsgerichts über höheres Arbeitsentgelt und darauf, dass ihm auf Grund einer neuen Arbeitsbescheinigung seiner früheren Arbeitgeberin ein monatliches Bruttoentgelt in Höhe von 3.636,38 € für die Zeit ab Oktober 2001 zugestanden habe. Die Beklagte hat höhere Leistungen jedoch abgelehnt (Bescheid vom 24. Oktober 2002; Widerspruchsbescheid vom 18. März 2003).
Das Sozialgericht (SG) hat der Klage stattgegeben und die Beklagte ua “unter Aufhebung des Bescheides vom 24. Oktober 2002 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 18. März 2003 verpflichtet, den Bescheid vom 24. Juli 2002 abzuändern und der Bewilligung von Alg ein wöchentliches Bemessungsentgelt von 795,00 € zu Grunde zu legen”, weil durch das Arbeitsgericht rechtskräftig ein Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von monatlich 3.394,98 € für die Zeit ab Oktober 2001 zugestanden worden sei (Urteil vom 19. Mai 2004). Das Landessozialgericht (LSG) hat das Urteil insoweit bestätigt (Urteil vom 1. September 2005). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, der Anspruch des Klägers auf höheres Alg ergebe sich aus § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X). Insoweit sei für die Berechnung des Alg nachträglich das vom Arbeitsgericht zugestandene Arbeitsentgelt zu Grunde zu legen. Da der Kläger trotz fortbestehenden Arbeitsverhältnisses bereits ab 1. Juli 2002 faktisch beschäftigungslos gewesen sei, habe er auch ab diesem Zeitpunkt einen Alg-Anspruch, dessen Höhe sich aus den Verdiensten der Monate Juli 2001 bis Juni 2002 errechne. Daraus ergebe sich ein Bemessungsentgelt in Höhe von gerundet 795,00 € (41.430,35 € : 52).
Mit ihrer Revision rügt die Beklagte einen Verstoß gegen § 134 Abs 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch – Arbeitsförderung (SGB III). Sie trägt vor, für die Bemessung des Alg sei grundsätzlich nur das zugeflossene Arbeitsentgelt maßgeblich. Davon mache § 134 Abs 1 Satz 2 SGB III insoweit eine Ausnahme, als nicht gezahltes Arbeitsentgelt dann berücksichtigt werden könne, wenn es “nur wegen der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitsgebers” nicht zugeflossen sei. Dies sei indes vorliegend nicht der Fall, weil die Arbeitgeberin des Klägers die Zahlung höheren Arbeitsentgeltes zunächst aus anderen Gründen abgelehnt habe.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
die Urteile des LSG und SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er ist der Ansicht, das LSG habe richtig entschieden. Letztlich sei ihm das vom Arbeitsgericht zugesprochene Arbeitsentgelt nur wegen der zu diesem Zeitpunkt bestehenden Zahlungsunfähigkeit der Arbeitgeberin nicht zugeflossen. Damit sei den gesetzlichen Anforderungen Genüge getan.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫).
Entscheidungsgründe
II
Die Revision ist iS der Aufhebung der Entscheidung des LSG und der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Dem LSG ist nicht darin zu folgen, dass die Beklagte alleine deshalb zur Aufhebung ihres bestandskräftigen Verwaltungsaktes und zur Zahlung höheren Alg zu verurteilen ist, weil das Arbeitsgericht dem Kläger nachträglich einen höheren Arbeitsentgeltanspruch zugebilligt hat. Es fehlen jedoch ausreichende tatsächliche Feststellungen (§ 163 SGG) für eine abschließende Entscheidung durch den Senat. Insbesondere gilt dies für die Frage, ob die höheren Arbeitsentgelte dem Kläger zugeflossen sind bzw nur wegen Zahlungsunfähigkeit (Monokausalität) der Arbeitgeberin nicht zugeflossen sind (§ 134 Abs 1 Satz 2 SGB III, hier in der Fassung, die die Norm durch das Gesetz zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften vom 16. Februar 2001 – BGBl I 266 – erhalten hat).
Streitgegenstand des Verfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 24. Oktober 2002 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 18. März 2003 (§ 95 SGG), mit dem es die Beklagte abgelehnt hat, den bestandskräftigen (§ 77 SGG) Bescheid vom 24. Juli 2002 zu Gunsten des Klägers zu ändern. Hiergegen wehrt sich der Kläger mit einer kombinierten Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (§§ 54 Abs 1 und 4, 56 SGG). Dabei kann dahinstehen, ob dieser bestandskräftige Bescheid nach § 44 SGB X oder nach § 48 SGB X aufzuheben wäre. An eine Anwendung des § 48 SGB X wäre möglicherweise zu denken, wenn die Arbeitgeberin des Klägers zum Zeitpunkt der Alg-Bewilligung noch nicht zahlungsunfähig war, sodass iS des § 134 Abs 1 Satz 2 SGB III der Nichtzufluss von Arbeitsentgelt wegen der später eingetretenen Zahlungsunfähigkeit einem späteren Zufluss von Arbeitsentgelt nach dem Ausscheiden gleichgestellt würde (vgl zu letzterem BSG SozR 3-1300 § 48 Nr 48). Nicht gefolgt werden kann dem LSG jedoch, soweit dieses eine Anwendung des § 48 SGB X bereits deshalb annimmt, weil erst mit der Entscheidung des Arbeitsgerichts festgestanden habe, dass dem Kläger ein höherer Anspruch auf Arbeitsentgelt zustand. Dieser Umstand ist nach dem maßgeblichen Bemessungsrecht der §§ 129 ff SGB III nicht wesentlich für die Bestimmung des Bemessungsentgelts.
Nach § 129 SGB III (hier in der Fassung des Gesetzes vom 16. Februar 2001 – aaO) beträgt das Alg für Arbeitslose, die mindestens ein Kind iS des § 32 Abs 1, 3 bis 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) haben, sowie für Arbeitslose, deren Ehegatte oder Lebenspartner mindestens ein Kind iS des § 32 Abs 1, 3 bis 5 EStG hat, wenn beide Ehegatten oder Lebenspartner unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind und nicht dauernd getrennt leben, 67 %, für die übrigen Arbeitslosen 60 % des pauschalierten Nettoentgelts (Leistungsentgelt), das sich aus dem Bruttoentgelt ergibt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat (Bemessungsentgelt). Bemessungsentgelt ist nach § 132 SGB III (hier in der Fassung, die die Norm durch das 4. Euro-Einführungsgesetz vom 21. Dezember 2000 – BGBl I 1983 – erhalten hat) das im Bemessungszeitraum durchschnittlich auf die Woche entfallende Entgelt; Entgelt, von dem Beiträge nicht zu erheben sind, bleibt außer Betracht (Abs 1). Für die Berechnung des Bemessungsentgelts ist das Entgelt im Bemessungszeitraum durch die Zahl der Wochen zu teilen, für die es gezahlt worden ist (Abs 2 Satz 1). Eine Woche, in der nicht für alle Tage Entgelt beansprucht werden kann, ist mit dem Teil zu berücksichtigen, der dem Verhältnis der Tage mit Anspruch auf Entgelt zu den Tagen entspricht, für die Entgelt in einer Woche beansprucht werden kann (Abs 2 Satz 2). Das Bemessungsentgelt ist auf den nächsten durch 10 teilbaren DM-Betrag zu runden (Abs 3).
Der Bemessungszeitraum, aus dem sich das Bemessungsentgelt errechnet, ist in § 130 SGB III (hier in der Fassung, die Abs 1 und 2 der Vorschrift durch das 2. SGB III-ÄndG vom 21. Juli 1999 – BGBl I 1648 – erhalten haben) normiert. Danach umfasst der Bemessungszeitraum die Entgeltabrechnungszeiträume, die in den letzten 52 Wochen (so genannter Bemessungsrahmen) vor der Entstehung des Anspruchs, in denen Versicherungspflicht bestand, enthalten sind und beim Ausscheiden des Arbeitslosen aus dem Versicherungspflichtverhältnis vor der Entstehung des Anspruchs abgerechnet waren. Allerdings bestimmt § 134 SGB III (hier in der Fassung des Gesetzes vom 16. Februar 2001 – aaO) iVm § 129 SGB III, dass nur Entgelt zu berücksichtigen ist, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat (Abs 1 Satz 1). Eine Ausnahme hiervon macht Abs 1 Satz 2, wonach auch Arbeitsentgelte, auf die der Arbeitslose beim Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis Anspruch hatte, als erzielt gelten, wenn sie (später noch) zugeflossen oder nur wegen Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers nicht zugeflossen sind.
Vorliegend ist, weil das vom Arbeitsgericht zugesprochene weitere Arbeitsentgelt nicht zugeflossen ist, die Alternative der Zuflussfiktion wegen Zahlungsunfähigkeit der Arbeitgeberin des Klägers der zentrale Streitpunkt des Verfahrens. Hierzu haben der 11a- und 7a- Senat des Bundessozialgerichts (BSG) durch Urteile vom 5. Dezember 2006 und 14. Dezember 2006 (B 11a AL 43/05 R und B 7a AL 44/05 R) entschieden, dass ausgehend von der historischen Entwicklung der Vorschrift und ihrem durch Verwaltungspraktikabilität und Missbrauchsabwehr gekennzeichneten Normzweck der Anwendungsbereich des § 134 Abs 1 Satz 2 Alt 2 SGB III in typisierender Weise auf die Fälle beschränkt ist, in denen die Zahlungsunfähigkeit alleinige Ursache des unterbliebenen Zuflusses ist. Dagegen kann nicht eingewandt werden, das Gesetz sehe ohnedies eine Überprüfung vor, ob ein Anspruch auf das Arbeitsentgelt bestehe, sodass eine solche Auslegung zur Missbrauchsabwehr nicht erforderlich sei.
Auch bei der nachträglichen Vertragserfüllung des § 134 Abs 1 Satz 2 SGB III setzt die Einbeziehung höherer Arbeitsentgelte bei der Bemessung des Alg in der ersten Alternative (nachträglicher Zufluss) zwingend voraus, dass die ausstehenden Beträge tatsächlich, wenn auch erst nach dem Ausscheiden des Arbeitslosen aus dem Beschäftigungsverhältnis, zugeflossen sind. Die Regelung beinhaltet dabei keine Abkehr von der kombinierten Anspruchs- und Zuflusstheorie des BSG (BSGE 76, 162 ff = SozR 3-4100 § 112 Nr 22; Behrend in Eicher/Schlegel, SGB III, § 131 Rz 59a, Stand Oktober 2006), die eine schnelle Bewilligung und Auszahlung des Alg nach möglichst einfachen Maßstäben zum Ziel hat. Trotz des unklar formulierten Wortlauts der Regelung findet daher auch bei Anwendung des § 134 Abs 1 Satz 2 Alt 1 SGB III keine volle arbeitsrechtliche Prüfung hinsichtlich der beim Ausscheiden noch ausstehenden Arbeitsentgeltansprüche statt, weil an das tatsächlich zugeflossene Arbeitsentgelt, nicht jedoch an das Arbeitsentgelt angeknüpft werden soll, das der Arbeitslose rechtlich für den Bemessungszeitraum zu beanspruchen hat (Behrend aaO). Da angenommen werden kann, dass ein Arbeitgeber nur die von ihm geschuldeten Beiträge zahlt, ersetzt der tatsächliche Zufluss auch bei nachträglicher Vertragserfüllung eine verwaltungsaufwändige Prüfung möglicher arbeitsrechtlicher Anspruche durch die Arbeitsverwaltung.
Vor diesem Hintergrund ist auch die Auslegung der zweiten Alternative des § 134 Abs 1 Satz 2 SGB III (Zuflussfiktion wegen Zahlungsunfähigkeit) zu sehen. Auch dort ist dann keine volle arbeitsrechtliche Überprüfung darauf durchzuführen, ob ein Anspruch auf höheres Arbeitsentgelt bestand. Ist das Entgelt tatsächlich nicht zugeflossen, wird es vielmehr nur berücksichtigt, wenn dies allein auf der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers beruht; letztlich beinhaltet diese Einschränkung eine Durchbrechung der ansonsten geltenden Kausalitätslehre der wesentlichen Bedingung (Behrend, aaO, Rz 60), um Manipulationen zu verhindern, die jedenfalls bei einer fehlenden Überprüfung eines arbeitsrechtlichen Anspruchs in Insolvenzfällen auf der Hand liegen (BSG, Urteile vom 5. und 14. Dezember 2006, aaO). Eine alleinige Kausalität ist dann zu verneinen, wenn die Zahlung auch aus anderen Gründen oder zunächst aus anderen Gründen unterblieben, später aber Zahlungsunfähigkeit hinzugetreten ist. Hierzu fehlen die erforderlichen Feststellungen des LSG, die es noch nachzuholen hat. Dies gilt auch für den Monat Februar, in dem der Kläger Kurzarbeitergeld bezogen hat. Nach § 134 Abs 2 Nr 3 SGB III ist nämlich in dieser Zeit das Entgelt zu Grunde zulegen, das der Kläger ohne den Arbeitsausfall und ohne Mehrarbeit erzielt hätte; auch hier kommt es mithin nicht auf die Frage an, ob der Kläger einen Anspruch darauf hatte, sondern nur darauf, ob er dieses Entgelt ohne Kurzarbeit von seiner Arbeitgeberin erhalten hätte.
Bei seiner erneuten Entscheidung wird das LSG weitere Gesichtspunkte zu beachten haben. Vor einer Verurteilung der Beklagten zur Gewährung höherer Leistungen sind alle Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde und der Höhe nach zu überprüfen. Das Urteil des LSG enthält jedenfalls nicht alle dafür erforderlichen Feststellungen. Es ist im Urteil nicht einmal ausgeführt, dass bzw wann und welche Entgeltbeträge dem Kläger ausgezahlt worden sind. Zutreffend hat das LSG jedoch entschieden, dass sich auch bei der Gleichwohlgewährung von Alg (§ 143 Abs 3 SGB III) der Bemessungszeitraum ausgehend vom ersten Tag der faktischen Beschäftigungslosigkeit rückwirkend bestimmt, hier also der Bemessungszeitraum nicht die Monate Juli bis September 2002 enthalten kann.
Allerdings hat das LSG bei der Bestimmung des Bemessungszeitraums übersehen, dass nach der Rechtsprechung des BSG (Urteile vom 5. und 14. Dezember 2006, aaO; BSG SozR 4-4300 § 133 Nr 3 RdNr 21) in den so genannten Bemessungsrahmen der letzten 52 Wochen vor Entstehung des Anspruchs (§ 130 Abs 1 SGB III) nur hineinragende Abrechnungszeiträume nicht einzubeziehen sind. Dies dürfte vorliegend für den gesamten Juni 2001 gelten, wenn man von einer monatlichen Abrechnung ausgeht, was das LSG jedoch nicht festgestellt hat. Es ist zudem zu beachten, dass nur die Entgeltabrechnungszeiträume zu berücksichtigen sind, die beim Ausscheiden aus dem Versicherungspflichtverhältnis vor der Entstehung des Anspruchs abgerechnet waren (§ 130 Abs 1 SGB III). Dies könnte dazu führen, dass auch der Monat Juni 2002 nicht zu berücksichtigen ist. Nach den Angaben im Urteil des LSG dürfte hieraus jedoch wohl kein höheres Bemessungsentgelt resultieren.
Zweifelhaft erscheint die Angabe im angefochtenen Urteil, der Kläger habe seit Juni 1995 bei der Arbeitgeberfirma in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden. Es kann dahinstehen, ob es sich insoweit überhaupt um eine bindende Tatsachenfeststellung (§ 163 SGG) oder eine rechtliche Wertung handelt. Nach Aktenlage war das Arbeitsverhältnis des Klägers bereits zuvor einmal im September 2001 zum 31. Dezember 2001 gekündigt worden. Der Kläger hat sich im Hinblick hierauf am 6. Dezember 2001 arbeitslos gemeldet und die Bewilligung von Alg beantragt. Zu einer Bewilligung von Alg – ggf gemäß § 143 Abs 3 SGB III – kam es dann jedoch nicht, weil – nach Aktenlage – der Kläger am 7. Februar 2002 mitgeteilt hatte, durch Vergleich sei er wieder bei seiner alten Arbeitgeberin rückwirkend zum 1. Januar 2002 eingestellt worden. Dies alleine würde jedoch nichts daran ändern, dass ggf ein Stammrecht auf Alg bereits am 1. Januar 2002 entstanden ist und sich somit die Bewilligung von Alg ab 1. Juli 2002 als eine Wiederbewilligung darstellen würde (vgl BSGE 72, 177, 179 = SozR 3-4100 § 112 Nr 13 mwN), bei der mangels Erfüllung einer neuen Anwartschaftszeit das frühere Bemessungsentgelt zu Grunde zu legen wäre (vgl dazu: Behrend in Eicher/Schlegel, SGB III, § 130 Rz 27 ff mwN, Stand Juni 2005). Dass die Beklagte über den Alg-Antrag, der noch zurückgenommen werden könnte (vgl BSG, Urteil vom 5. September 2006 – B 7a AL 70/05 R), noch nicht entschieden und kein Alg gezahlt hat, ändert hieran ebenso wenig wie eine nachträgliche Zahlung von Arbeitsentgelt (s dazu nur BSG SozR 4100 § 117 Nr 26 S 139). Ggf wird das LSG jedoch auch darüber zu befinden haben, ob der Kläger ein bereits entstandenes Stammrecht rückwirkend zum Erlöschen bringen kann, indem er die Arbeitslosmeldung rückgängig macht.
Ggf wird das LSG auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.
Fundstellen