Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 09.02.1989; Aktenzeichen L 16 Kr 146/87) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 9. Februar 1989 – L 16 Kr 146/87 – wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand
I
Der klagende Landschaftsverband begehrt Erstattung der Kosten in Höhe von 15.400,51 DM für einen Elektro-Zimmerrollstuhl mit pneumatisch betriebener Vorrichtung zur Anhebung und Senkung des Sitzes.
Diesen vom Kläger finanzierten Rollstuhl benötigt der körperbehinderte Beigeladene während seines Chemiestudiums an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen, um in den Laborräumen Gegenstände und Arbeitsbereiche, die höher als auf Tischebene liegen, oder nur durch Vorbeugen des Oberkörpers aus angehobener Stellung zugänglich wären, erreichen zu können.
Mit der Klage und der Berufung hat der Kläger keinen Erfolg gehabt. Das Landessozialgericht (LSG) hat ausgeführt, der Arbeitsrollstuhl des Beigeladenen bewirke keinen unmittelbaren Ausgleich der fehlenden oder beeinträchtigten Körperfunktion; auch diene er nicht der Befriedigung eines elementaren Grundbedürfnisses. Der Beigeladene könne während des jeweiligen Praktikums wesentliche Verrichtungen zwar nur mit Hilfe der Hebevorrichtung des Rollstuhls ausführen. Auf dem Markt gebe es auch kein gleichwertiges, kostengünstigeres Gerät. Trotzdem sei die Beklagte nicht leistungspflichtig. Es gehe nicht darum, im Rahmen des traditionellen Leistungsbereichs der Krankenkassen die Arbeitsfähigkeit des Beigeladenen herzustellen, wiederherzustellen, zu erhalten oder ihn schlechthin zu einer sinnvollen, für ihn allein in Betracht kommenden, Tätigkeit zu befähigen; insoweit wäre auch eine andere Studien- und Berufswahl möglich und ohne Inanspruchnahme des streitigen Arbeitsrollstuhls realisierbar gewesen. Es fehle auch an einer sonstigen in den Zuständigkeitsbereich der Krankenkassen fallenden Befriedigung eines elementaren Grundbedürfnisses. Der aus der Behinderung des Beigeladenen folgende Nachteil, der durch den Arbeitsrollstuhl ausgeglichen werden müsse, liege im speziellen berufsbezogenen Tätigkeitsbereich und müsse der Berufseingliederung zugerechnet werden.
Der Kläger macht mit der Revision geltend, die Ausübung einer beruflichen oder anderen gleichwertigen Tätigkeit sei ein elementares Grundbedürfnis.
Der Kläger beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 9. Februar 1989 – L 16 Kr 146/87 – und des Sozialgerichts Köln vom 19. Oktober 1987 – S 19 Kr 174/86 – aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger die durch die Anschaffung des Arbeitsrollstuhls entstandenen Kosten in Höhe von 15.400,51 DM zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision ist nicht begründet. Dem Kläger steht der geltend gemachte Erstattungsanspruch (§ 104 des Sozialgesetzbuches – Verwaltungsverfahren – -SGB X-) nicht zu, denn der Beigeladene hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Gewährung des Arbeitsrollstuhls (§ 182b der Reichsversicherungsordnung -RVO- in der bis zum 31. Dezember 1988 geltenden Fassung durch das Kostendämpfungs-Ergänzungsgesetz vom 22. Dezember 1981 – BGBl I 1578).
Der Arbeitsrollstuhl ist für den Beigeladenen nicht iS des § 182b RVO) erforderlich, um seine körperliche Behinderung auszugleichen. Nach den Feststellungen des LSG ist der Rollstuhl notwendig, damit der Beigeladene im Rahmen seines Chemiestudiums einige für die erforderlichen Laborpraktika wesentliche Verrichtungen ausführen kann. Wenn ein Hilfsmittel nicht die gestörte Körperfunktion bessert, sondern lediglich ein Ausgleich der Behinderung auf andere Weise und in einem begrenzten Lebensbereich erreicht werden kann, hängt der Anspruch des Versicherten davon ab, ob das Hilfsmittel zur Befriedigung von Grundbedürfnissen des Menschen benötigt wird (BSG SozR 2200 § 182b RVO Nr 37 – Baby-Rufanlage – mwN). Ein Hilfsmittel, das ausschließlich für Verrichtungen im Tätigkeitsbereich eines bestimmten Berufs oder einer bestimmten Berufsausbildung benötigt wird, dient nicht der Befriedigung von Grundbedürfnissen in diesem Sinne. Für den Beigeladenen ist der streitige Rollstuhl nur erforderlich für die Praktika, die er im Rahmen seines Chemiestudiums im Labor leisten muß; er benötigt den Rollstuhl nicht, um überhaupt einen Beruf ausüben oder irgendeinen Beruf erlernen zu können (vgl BSG SozR 2200 § 182b RVO Nr 36). Die Befriedigung solcher Bedürfnisse gehört aber nicht zu den Aufgaben der Krankenversicherung, die am medizinischen Zweck der Leistungen ausgerichtet und danach begrenzt sind (BSG SozR 2200 § 182 RVO Nr 73 – Sportbrille –). Zutreffend hat das LSG entschieden, daß es sich um eine Maßnahme der beruflichen Eingliederung handelt, für die die Beklagte nicht einzustehen hat. Dafür sind die Krankenkassen nicht zuständig. Das LSG hat insoweit zutreffend insbesondere auf die Bestimmung des § 193 Nr 2 RVO (§ 43 Nr 2 SGB V) hingewiesen, wonach die berufsfördernden Maßnahmen zur Rehabilitation vom Leistungsbereich der Krankenkassen ausgeschlossen sind.
Der Senat hat allerdings ausgesprochen, daß sich Abgrenzungsschwierigkeiten ergeben können, wenn eine Behinderung vor allem im beruflichen Bereich eines Ausgleichs bedarf. Danach bleibt offen, ob und unter welchen Voraussetzungen Hilfsmittel, die auch und sogar überwiegend im beruflichen Bereich gebraucht werden, von den Krankenkassen zu gewähren sind. Die Leistungspflicht setzt aber jedenfalls voraus, daß das Mittel nicht nur für den Beruf, sondern auch für andere Bereiche und dabei zur Befriedigung elementarer Grundbedürfnisse erforderlich ist. Das ist hier nicht der Fall.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen