Verfahrensgang

LSG Bremen (Urteil vom 24.09.1990; Aktenzeichen L 1 J 21/87)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Bremen vom 24. September 1990 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zu erneuter Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

I

Die beklagte Bundesanstalt für Arbeit (BA) wendet sich mit der Revision gegen ihre Verurteilung zur Zahlung von ca. DM 700.000,– an rückständigen Sozialversicherungsbeiträgen an die klagende Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) im Rahmen der Konkursausfallversicherung.

Am 8. Februar 1978 meldete Herr D. … K. … (D.K.), Frankfurt, in Bremerhaven einen Gewerbebetrieb mit der Gewerbeart „Bauunternehmen, Bau von Industrieanlagen” an und gab ergänzend an, er habe das Bauunternehmen A. … S. … gekauft. Es erfolgten bis einschließlich August 1978 Beitragszahlungen an die Klägerin. Als Arbeitnehmer waren im August 1978 ca 330 Personen gemeldet, vor allem Niederländer. Nachdem der niederländische Versicherungsträger der Klägerin mitgeteilt hatte, die in den Niederlanden angeworbenen Arbeitnehmer würden alle im Grenzbereich von Nordrhein-Westfalen beschäftigt, beendete die Klägerin die Mitgliedschaft aller Arbeitnehmer der Firma A. … S. …, Inhaber D. … K. … (Fa. A.S., Inh. D.K.) zum 15. Oktober 1978. Auf eine Beschwerde des Unternehmens teilte die Klägerin mit Schreiben vom 6. Dezember 1978 mit, sie könne für die Durchführung der Versicherung der Arbeitnehmer nicht zuständig sein; deren Beschäftigungsort bzw der wirtschaftliche Schwerpunkt des Unternehmens liege nicht in ihrem Bezirk. Mit Beschluß vom 27. Juni 1979 lehnte das Amtsgericht Frankfurt den Antrag der Klägerin vom 7. Februar 1979, über das Vermögen des D.K. das Konkursverfahren zu eröffnen, mangels Masse ab.

Am 14. August 1979 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Entrichtung von Pflichtbeiträgen zur gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung sowie zur BA in Höhe von insgesamt DM 743.847,42. Ihren ablehnenden Bescheid vom 9. März 1980 begründete die Beklagte damit, daß ein Arbeitsverhältnis zwischen den Arbeitnehmern und der Fa. A.S., Inh. D.K. nicht vorgelegen habe. Bei deren Tätigkeit habe es sich um unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung gehandelt. Damit beständen auch keine Arbeitsentgeltansprüche, sondern allenfalls Schadensersatzansprüche der Arbeitnehmer gegen den Verleiher. Beitragsforderungen dieser Arbeitnehmer könnten deshalb nicht im Rahmen der Konkursausfallversicherung erstattet werden.

Mit Urteil vom 9. Dezember 1982 hat das Sozialgericht (SG) die Beklagte verurteilt, an die Klägerin „Konkursausfallgeld” (Kaug) in der geltend gemachten Höhe zu zahlen und ließ die Berufung zu.

Mit Urteil vom 24. September 1990 (idF des Berichtigungsbeschlusses vom 31. Januar 1991) hat das Landessozialgericht (LSG) die Beklagte verurteilt, im Rahmen der Konkursausfallversicherung an die Klägerin DM 710.016,56 zu zahlen. In den Entscheidungsgründen führt das LSG aus, eine Beiladung der betroffenen Arbeitnehmer bzw der Arbeitgeber oder des Konkursverwalters sei nicht iS des § 75 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) notwendig gewesen (Hinweis auf BSG vom 1. März 1978, SozR 4100 § 141n Nr 1). Anspruchsgrundlage sei § 141n Arbeitsförderungsgesetz (AFG). Als maßgebender Insolvenztag sei der 15. Oktober 1978 anzusetzen; die Beendigung der Mitgliedschaft ihrer Arbeitnehmer durch die Beklagte habe die Fa. A.S., Inh. D.K. offensichtlich akzeptiert und offenbar damit ihre Betriebstätigkeit eingestellt. Beiträge für die Zeit vor der Gewerbeanmeldung am 8. Februar 1978 ständen der Klägerin im Verhältnis zur Beklagten nicht zu. Während des hiernach für die Berechnung des Kaug maßgeblichen Zeitraums seien für 935 vom LSG namentlich bezeichnete Arbeitnehmer insgesamt DM 945.050,68 an Beiträgen abzuführen gewesen. Zur Berechnung dieser Summe hat das LSG – ebenso wie die Klägerin – im Wege der Schätzung nach § 318c Reichsversicherungsordnung (RVO) aF die letzten drei Monate der jeweils (nach Angaben der Klägerin aufgrund von Originalmeldungen der Fa. A.S., Inh. D.K.) bekannten Beschäftigungsdauer der einzelnen Arbeitnehmer, den Gesamt-Beitragssatz von 32,4 % sowie eine Fünf-Tage-Woche mit 40 Arbeitsstunden à DM 10,77 (tariflicher Stundenlohn nach der Lohntabelle für das Baugewerbe im Lande Bremen, gültig ab 1. Juli 1978) zugrunde gelegt. Die Beklagte sei zur Schätzung berechtigt gewesen, da die Fa. A.S., Inh. D.K. trotz Aufforderung weder eine ordnungsgemäße Meldung abgegeben noch Lohnunterlagen vorgelegt habe. Die tatsächlich erfolgten Beitrags-(Abschlags-) Zahlungen rechnete das LSG in der Weise an, daß für den Zeitraum ab 1. Februar 1978 das (auf die oben angegebene Weise geschätzte) Gesamt-Beitragssoll den tatsächlichen Einzahlungen gegenübergestellt wurde; hieraus errechnete sich eine Zahlungsquote von 24,87 %. Der Zahlungspflicht der Beklagten stehe der Verdacht nicht entgegen, die Fa. A.S., Inh. D.K. habe (als eine von 61 Firmen) illegale Arbeitnehmerüberlassung betrieben, wobei D.K. lediglich als Strohmann für bislang unbekannte – vor allem niederländische – Hintermänner gehandelt habe. Denn in jedem Fall sei D.K. als der Inhaber aus allen Rechtsgeschäften der Fa. A.S. berechtigt und verpflichtet gewesen. Hierbei habe es sich nicht um eine Scheinfirma gehandelt, da diese mit anderen Firmen „Werksverträge” abgeschlossen habe; für sie hätten auf diversen Arbeitsstellen Arbeitnehmer gearbeitet und Löhne erhalten, für die zumindest teilweise Beiträge an die Klägerin entrichtet worden seien. Das LSG nahm ferner aufgrund mehrerer Indizien an, die Fa. A.S., Inh. D.K. habe den Arbeitnehmern während ihrer Beschäftigung Arbeitsentgelt gezahlt. Damit sei – auch schon vor Inkrafttreten des Art 1 § 10 Abs 3 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz ≪AÜG≫ (am 1. August 1986) – von faktischen Arbeitsverhältnissen zwischen dem illegalen Verleiher und den Arbeitnehmern auszugehen, die den Verleiher verpflichteten, die entsprechenden Beiträge zu entrichten. Hilfsweise bestehe die Zahlungspflicht der Beklagten auch auf der Grundlage des anstelle des Entgeltanspruchs entstehenden Schadensanspruchs des Leiharbeitnehmers gegen den Verleiher, der ebenfalls im Rahmen der Konkursausfallversicherung geschützt sei; dieser Schutz erstrecke sich auch auf die entsprechenden Versicherungsbeiträge.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte die Verletzung von § 75 Abs 2 SGG sowie § 202 SGG iVm § 308 Abs 1 Satz 1 Zivilprozeßordnung (ZPO) sowie des materiellen Rechts. Das LSG habe weder die betroffenen Arbeitnehmer noch die für sie zuständigen Rentenversicherungsträger zum Verfahren beigeladen. Zwar sei es mit dem der Klägerin zuerkannten Gesamtbetrag unter deren zusammengefaßten Teilforderungen geblieben, habe jedoch mit einer Forderungsquote von 75,13 % eine höhere als die von der Klägerin veranschlagten 70,87 % zugrunde gelegt. In materieller Hinsicht lasse sich den bisherigen Feststellungen weder entnehmen, daß die Fa. A.S. Arbeitsentgelte gezahlt habe noch daß überhaupt „faktische” Arbeitsverhältnisse zu ihr bestanden hätten. Anders als in dem im Jahre 1982 vom Senat entschiedenen Fall (SozR 4100 § 141b Nr 23) sei die Arbeitgebereigenschaft nicht unbestritten. Entgegen der Hilfserwägung des LSG seien ferner entsprechende Schadensersatzforderungen der betroffenen Arbeitnehmer gegen den illegalen Verleiher nicht beitragspflichtig. Schließlich habe die Klägerin die Beitragsforderung nicht ausreichend spezifiziert. Das durch Zugrundelegung einer pauschalen Forderungsquote ergänzte Schätzungsverfahren nach § 318c RVO genüge insoweit nicht. Eine individuelle Zuordnung der Beiträge zu den – wenn auch namentlich bekannten – einzelnen Arbeitnehmern sei nicht bzw nicht mehr möglich.

Die Beklagte beantragt,

die Urteile des Landessozialgerichts Bremen vom 24. September 1990 sowie des Sozialgerichts Bremen vom 9. Dezember 1982 aufzuheben und die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

den Rechtsstreit unter Aufhebung der vorbezeichneten Urteile an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II

Der Senat hat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden (§ 124 Abs 2 SGG).

Die zulässige Revision ist im Sinne der Zurückverweisung des Rechtsstreits begründet.

Zu Recht rügt die Beklagte die fehlende notwendige Beiladung der beteiligten Rentenversicherungsträger; hingegen stellt die mangelnde Beiladung der Versicherten keinen Verfahrensmangel dar. Ebenfalls nicht verfahrensfehlerhaft war die Verurteilung der Beklagten aufgrund einzelner Berechnungsfaktoren, die zugunsten der Klägerin von denen von ihr zugrunde gelegten abwichen.

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin gegenüber der Beklagten einen Anspruch nach § 141n Abs 1 AFG auf rückständige Beiträge zur Sozialversicherung und zur BA hinsichtlich einzelner benannter Arbeitnehmer (insgesamt 935) für jeweils einzeln aufgeführte Beschäftigungszeiträume hat.

Zu einem derartigen Rechtsstreit sind grundsätzlich sowohl die Versicherten als auch die zuständigen Rentenversicherungsträger gemäß § 75 Abs 2 SGG notwendig beizuladen (so der Senat unter Aufgabe der früheren, vom LSG herangezogenen, Rechtsprechung in BSG vom 12. Dezember 1984, SozR 4100 § 141n Nr 10; vom 3. Oktober 1989, SozR 4100 § 141n Nr 18). Denn beide sind am streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt, daß die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Die Beiträge, deren Zahlung die Klägerin von der Beklagten verlangt, fließen nicht nur auf die Beitragskonten bei den bereits am Verfahren beteiligten Trägern der Kranken- bzw Arbeitslosenversicherung (insoweit können im übrigen Leistungsansprüche auch ohne Beitragsentrichtung entstehen: vgl die Ausführungen des Senats im Urteil vom 22. November 1988, BSGE 64, 163, 165 f = SozR 4100 § 141n Nr 14 S 42), sondern auch auf die bei den Rentenversicherungsträgern. Gegen diese aber bestehen Leistungsansprüche unabhängig von der Beitragsentrichtung nur dann, wenn der Versicherte glaubhaft macht, daß der auf ihn entfallende Beitragsanteil vom Lohn abgezogen wurde (§ 1397 Abs 6 RVO; jetzt § 203 Abs 2 SGB VI). Daß dies bei den betroffenen Arbeitnehmern der Fall war, hat das LSG jedoch weder ausdrücklich festgestellt noch läßt sich dies aus seiner Feststellung entnehmen, die Fa. A.S., Inh. D.K. habe „tatsächlich das volle Arbeitsentgelt gezahlt”.

Die Pflicht zur Beiladung entfällt jedoch hinsichtlich der betroffenen Versicherten angesichts ihrer Anzahl. Im vorliegenden Streitfall geht es um die Beiträge von 935 Arbeitnehmern. Wie das BSG zu § 245 RVO aF (Errichtung von Betriebskrankenkassen) bereits mehrfach entschieden hat, haben praktisch nicht durchführbare Massenbeiladungen nicht zu erfolgen (BSG vom 6. November 1985 SozR 1500 § 75 Nr 56, S 61 mwN; vgl auch BSG vom 25. Oktober 1990, SozR 3-1500 § 170 Nr 1 S 2). In jenen Fallkonstellationen spielte zwar neben der großen Zahl der Beizuladenden auch deren Fluktuation eine Rolle. Eine derartige Ausgangslage besteht bei dem vorliegenden in der Vergangenheit zurückgelegten Sachverhalt nicht. Dennoch ist bei knapp 1000 beizuladenden Arbeitnehmern – auch wenn es sich nicht zum größten Teil um Ausländer handelte – eine ordnungsgemäße Beteiligung im sozialgerichtlichen Verfahren nicht möglich. Ohne daß dies im vorliegenden Fall entschieden werden müßte, liegt nahe, als Grenze zur nicht mehr erforderlichen Massenbeiladung die Zahl von mehr als 50 Beizuladenden anzusetzen (vgl § 18 Verwaltungsverfahrensgesetz ≪VwVfG≫).

Solche Schwierigkeiten stehen jedoch der Beiladung der Rentenversicherungsträger (hierzu zuletzt der Senat im Urteil vom 7. August 1991, SozR 3-1500 § 75 Nr 9) selbst dann nicht entgegen, wenn sich deren örtliche Zuständigkeit (vgl § 1329 RVO aF) nicht eindeutig aus den bisherigen Feststellungen ergibt. Denn auch bei Beiladung sämtlicher möglicher Rentenversicherungsträger handelt es sich nicht um eine derartige Anzahl, daß ihre ordnungsgemäße Beteiligung am sozialgerichtlichen Verfahren in Frage gestellt wäre.

Eine Beiladung der Rentenversicherungsträger ist auch nicht deshalb überflüssig, weil ein Zweck der notwendigen Beiladung – die endgültige Klärung des Streitgegenstands durch Rechtskrafterstreckung auf die Beteiligten – mangels Beiladung der Arbeitnehmer in jedem Falle nicht voll erreicht werden kann. Denn nach § 1433 RVO aF (entsprechend nunmehr § 28 k Abs 1 SGB IV) können die Rentenversicherungsträger gegenüber der Einzugsstelle die Abführung der Beiträge pauschal, dh ohne Zuordnung zu einzelnen Versicherten, verlangen. Insoweit aber – dh im Verhältnis Einzugsstelle (Klägerin)/ Rentenversicherungsträger, ohne daß das Verhältnis Versicherter/ Rentenversicherungsträger berührt wäre – kann auch ohne Beiladung der Arbeitnehmer eine einheitliche Entscheidung iS des § 75 Abs 2 Satz 1 SGG herbeigeführt werden.

Nicht durchdringen kann jedoch die Beklagte mit ihrer aus § 202 SGG iVm § 308 Abs 1 Satz 1 ZPO hergeleiteten Verfahrensrüge. Dies gilt schon deshalb, da die zitierte zivilprozessuale Regelung „Das Gericht ist nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist”) einer entsprechenden Anwendung im sozialgerichtlichen Verfahren nicht zugänglich ist; insoweit enthält nämlich bereits das SGG eine Verfahrensbestimmung: § 123 SGG. Ein Verstoß hiergegen aber liegt nicht vor. Aus dem Vorbringen der Klägerin ergab sich, daß sie ihren Anspruch hinsichtlich der rückständigen Beitragsforderungen gegen die Fa. A.S., Inh. D.K. sowie deren Vorgängerfirmen nach § 141n AFG gegenüber der Beklagten gerichtlich durchsetzen wollte. Dessen einzelne – von der Klägerin angesetzte – Berechnungsfaktoren binden die Sozialgerichte nicht in der Weise, daß sie in keinem Einzelfall (hier: hinsichtlich der für den einzelnen Arbeitnehmer anzusetzenden Beiträge oder hinsichtlich der Forderungsquote) hierüber hinausgehen dürften.

III

Zur Vermeidung einer überlangen, weiteren Laufzeit des Verfahrens weist der Senat auf folgende materiell-rechtliche Gesichtspunkte hin:

– Auf der Grundlage des 15. Oktober 1978 als dem vom LSG als maßgebend angesehenen Insolvenztag der Betriebseinstellung ist zweifelhaft, ob der am 14. August 1979 gestellte Antrag der Klägerin fristgerecht war (§ 141e Abs 1 Satz 1 iVm § 141b Abs 3 AFG). Die Betriebseinstellung allein ist freilich im Konkursausfallrecht ohne Bedeutung; Feststellungen zur zusätzlich erforderlichen offensichtlichen Masselosigkeit (BSG vom 17. Juli 1979, BSGE 48, 269, 271 = SozR 4100 § 141b Nr 11 S 43) hat das LSG nicht getroffen. Zudem könnte die Annahme des LSG, die Firma A.S. Inh. D.K. habe die Beendigung der Mitgliedschaft ihrer Arbeitnehmer durch die Beklagte offensichtlich akzeptiert, zur Beschwerde der Firma vom 9. November 1978 im Widerspruch stehen. Liegt jedoch eine Betriebseinstellung bei offensichtlicher Masselosigkeit vor, so bleibt diese auch dann das maßgebliche Insolvenzereignis, wenn später ein Konkursantrag gestellt wird (vgl hierzu das Urteil des Senats vom 30. Oktober 1991 – 10 RAr 3/91 – zur Veröffentlichung bestimmt).

– Soweit das LSG – hilfsweise – eine Beitragspflicht auf der Grundlage der Schadensersatzansprüche der Arbeitnehmer nach Art 1 § 10 Abs 2 AÜG angenommen hat, so setzt diese – ebenso wie der Schadensersatzanspruch selbst – die Gutgläubigkeit des Leiharbeitnehmers voraus: Dieser darf den Grund der Unwirksamkeit seines Vertrages mit dem Verleiher nicht gekannt haben (Art 1 § 10 Abs 2 Satz 2 AÜG), also nicht gewußt haben, daß es sich bei seiner Tätigkeit um Leiharbeit handelte und der Entleiher hierzu keine Erlaubnis besaß (hierzu die Urteile des Senats vom 20. März 1984, BSGE 56, 211, 214 = SozR 4100 § 141b Nr 32 sowie vom 12. August 1987, Die Beiträge 1986, 286). Entsprechende Feststellungen fehlen jedoch.

– Trotz der pauschalen Berechnungsweise der Beiträge dürfte im vorliegenden Fall entgegen der Auffassung der Beklagten das Erfordernis laut Urteil des Senats vom 22. November 1988 (BSGE 64, 163 = SozR 4100 § 141n Nr 14) erfüllt sein, daß die Beiträge einzelnen Versicherten zugeordnet werden können: Sowohl die Personalien als auch die Beschäftigungszeiträume der Arbeitnehmer sind bekannt. Mit dem Konkursausfallrecht ist ferner die Schätzung der Arbeitsentgelte nicht von vornherein unvereinbar, wie sich aus der (allerdings erst ab 1. Januar 1982 geltenden) Regelung des § 141e Abs 3 AFG ergibt. Auch im übrigen sind Schätzungen des Arbeitsentgelts, wenn genaue Unterlagen nicht zur Verfügung stehen, dem System der sozialen Sicherheit nicht fremd (s ferner zur Anwendung des § 287 ZPO im sozialgerichtlichen Verfahren die Entscheidung des Senats vom 20. Mai 1987, BSGE 62, 5, 8 = SozR 1750 § 287 Nr 1).

Das LSG wird auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden haben.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1172652

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