Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragszahnarzt. Zahnarztregister, Eintragung in. Vorbereitungszeit. Tätigkeit als Assistent oder Vertreter. ermächtigter Zahnarzt
Leitsatz (amtlich)
Zu den Voraussetzungen, unter denen die Zeit einer Tätigkeit als ermächtigter Zahnarzt auf die für die Eintragung in das Zahnarztregister abzuleistende Vorbereitungszeit als Assistent oder Vertreter eines Vertragszahnarztes angerechnet werden kann.
Normenkette
SGB V § 95; Zahnärzte-ZV §§ 3, 17, 31, 31a
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 31. August 1994 und der Bescheid der Beklagten vom 15. März 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. April 1993 aufgehoben.
Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger in das Zahnarztregister einzutragen.
Die Beklagte hat dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
Tatbestand
I
Der 1943 geborene Kläger erhielt nach dem Studium der Zahnheilkunde im Juli 1970 seine Approbation als Zahnarzt. Von September 1970 bis 15. Oktober 1973 erfolgte an der Zahn-, Mund- und Kieferklinik der Universität Freiburg seine Weiterbildung zum Zahnarzt für Kieferorthopädie. Ab dem 16. Oktober 1973 war der Kläger in eigener Praxis als Zahnarzt für Kieferorthopädie tätig. Ab dem 1. Januar 1979 war er zur kieferorthopädischen Behandlung im Primärkassenbereich ermächtigt sowie im Ersatzkassenbereich beteiligt. Mit Schreiben seines Prozeßbevollmächtigten vom 13. April 1992 verzichtete er auf die Ermächtigung und die Beteiligung.
Nachdem er im Januar 1993 die Zulassung als Vertragszahnarzt beantragt hatte, begehrte der Kläger mit Schreiben vom 25. Februar 1993 die Eintragung in das Zahnarztregister. Die beklagte Kassenzahnärztliche Vereinigung (KZÄV) lehnte diesen Antrag ab (Bescheid vom 15. März 1993, Widerspruchsbescheid vom 28. April 1993). Der Kläger erfülle nicht die Eintragungsvoraussetzungen. Er habe die nach der Zulassungsverordnung für Vertragszahnärzte (Zahnärzte-ZV) für den Registereintrag innerhalb der 24 monatigen Vorbereitungszeit erforderliche mindestens sechsmonatige Tätigkeit bei einem niedergelassenen Vertragszahnarzt nicht nachgewiesen.
Das hiergegen angerufene Sozialgericht (SG) Karlsruhe hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 31. August 1994). Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf die beantragte Eintragung in das Zahnarztregister, weil er die dafür erforderliche Voraussetzung der Ableistung einer mindestens sechsmonatigen Tätigkeit als Assistent oder Vertreter eines Vertragszahnarztes nicht nachgewiesen habe. Dem stehe nicht entgegen, daß er seit vielen Jahren bis zu seiner Verzichtserklärung im April 1992 zur kieferorthopädischen Behandlung ermächtigt bzw beteiligt gewesen sei. Diese Tätigkeit stehe der geforderten Assistenten- oder Vertretertätigkeit nicht gleich.
Mit der Sprungrevision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Das SG habe verkannt, daß die Tätigkeit eines ermächtigten bzw beteiligten Zahnarztes bezogen auf die Anforderungen an die Ausübung einer vertragszahnärztlichen Tätigkeit eher höher zu bewerten sei als die eines angestellten Assistenten oder Vertreters eines Vertragszahnarztes. Deshalb ersetze sie die nach der Zulassungsverordnung geforderte Vorbereitungszeit.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 31. August 1994 abzuändern, den Bescheid der Beklagten vom 15. März 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. April 1993 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihn zum frühestmöglichen Zeitpunkt in das Zahnarztregister einzutragen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und trägt ergänzend vor, die Vorbereitungszeit iS von § 3 Abs. 3 Satz 1 Zahnärzte-ZV könne ausschließlich bei einem Vertragszahnarzt, nicht aber bei einem ermächtigten Zahnarzt abgeleistet werden. Daraus ergebe sich, daß die Zeit einer Ermächtigung auch nicht als Vorbereitungszeit gewertet werden könne. Das Gesetz enthalte insoweit gerade keine Regelungslücke, so daß die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung der maßgeblichen Vorschrift nicht vorlägen. Im übrigen sei die Ermächtigung des Klägers zur kieferorthopädischen Behandlung wegen einer speziellen Versorgungslücke gemäß § 31 Abs. 2 Zahnärzte-ZV iVm § 10a des Bundesmantelvertrages-Zahnärzte (BMV-Z) von der Ermächtigung wegen allgemeiner Unterversorgung nach § 31 Abs. 1 Zahnärzte-ZV zu unterscheiden. Bei Anerkennung der Tätigkeit in eigener Praxis als Vorbereitungszeit iS der Zahnärzte-ZV wäre der Kläger in der Lage, die Zulassung und somit die Berechtigung zur Erbringung sämtlicher vertragszahnärztlicher Leistungen zu erlangen, ohne daß er jemals über den Bereich der kieferorthopädischen Versorgung hinaus vertragszahnärztliche Leistungen auch nur im Ansatz erbracht und insoweit mit Regelungen des Kassenzahnarztrechts in Berührung gekommen sei.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Klägers ist begründet. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz hat er einen Anspruch auf Eintragung in das von der beklagten KZÄV geführte Zahnarztregister.
Gemäß § 95 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 des Fünften Buchs Sozialgesetzbuch (SGB V) und der im wesentlichen gleichlautenden Vorschrift des § 3 Abs. 2 Buchst b der Zahnärzte-ZV, jeweils in der hier maßgebenden Fassung des Gesundheitsstrukturgesetzes (GSG) vom 21. Dezember 1992 (BGBl I 2266), ist Voraussetzung für die Eintragung in das Zahnarztregister die Ableistung einer zweijährigen Vorbereitungszeit. Nach § 3 Abs. 3 Satz 1 Zahnärzte-ZV muß die Vorbereitung eine mindestens sechsmonatige Tätigkeit als Assistent oder Vertreter eines oder mehrerer Vertragszahnärzte umfassen. Für die übrige Zeit kann die Vorbereitung durch Tätigkeiten in unselbständiger Stellung in bestimmten Zahnkliniken abgeleistet werden. Bis zu drei Monate der Vorbereitungszeit nach § 3 Abs. 3 Satz 1 Zahnärzte-ZV können durch eine Tätigkeit von gleicher Dauer in einer Universitätszahnklinik ersetzt werden (Satz 3 a.a.O.).
Der Kläger war zwar von September 1970 bis 15. Oktober 1973, also mehr als drei Jahre, in unselbständiger Stellung in einer Universitätszahnklinik beschäftigt, so daß er unter Berücksichtigung einer dreimonatigen Ersetzungszeit nach § 3 Abs. 3 Satz 3 Zahnärzte-ZV eine anzurechnende Vorbereitungszeit von einem Jahr und neun Monaten zurückgelegt hat. Die weitere Vorbereitungszeit von danach noch drei Monaten als Assistent oder Vertreter eines Vertragszahnarztes hat er jedoch nicht abgeleistet. Dieser Vorbereitungszeit steht jedoch die langjährige Tätigkeit als zur Primärkassenversorgung ermächtigter und an der Ersatzkassenversorgung beteiligter Zahnarzt für Kieferorthopädie gleich, so daß die Vorbereitung gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 Zahnärzte-ZV insgesamt als erfüllt gilt.
Von der Ableistung der Vorbereitungszeit – die im ärztlichen Bereich durch die Pflichtweiterbildungszeit nach § 95a SGB V ersetzt worden ist (vgl § 3 Ärzte-ZV, neugefaßt mit Wirkung vom 1. Januar 1994 durch Art. 9 Nr. 2 iVm Art. 35 Abs. 3 GSG) – hängt mittelbar die Zulassung zur vertragszahnärztlichen Tätigkeit ab; denn wer als Vertragszahnarzt zugelassen werden will, muß ua in das Zahnarztregister eingetragen sein (§ 95 Abs. 2 Satz 1 SGB V, § 18 Abs. 1 Satz 2 Buchst a Zahnärzte-ZV). Speziell mit der Vorbereitung nach § 3 Abs. 3 Satz 1 Zahnärzte-ZV soll sichergestellt werden, daß der Zahnarzt die Bedingungen und Erfordernisse der Erbringung vertragszahnärztlicher Leistungen in eigener Tätigkeit in der Praxis eines niedergelassenen Vertragszahnarztes kennengelernt hat, ehe er selbst als Vertragszahnarzt in eigener Praxis zugelassen werden kann (vgl Hess in Kasseler Komm, § 95 SGB V RdNr. 21). Demgegenüber dient die Teilnahme an einem Einführungslehrgang, der in einem engeren zeitlichen Zusammenhang vor der Zulassung als Vertragszahnarzt zurückgelegt werden muß (vgl § 17 Zahnärzte-ZV und § 17 Ärzte-ZV), dem Kennenlernen der rechtlichen und verwaltungstechnischen Erfordernisse der vertragszahnärztlichen Tätigkeit.
Nach Sinn und Zweck der Regelung in § 3 Abs. 3 Satz 1 Zahnärzte-ZV steht die Tätigkeit des Klägers im Rahmen seiner Ermächtigung/Beteiligung an der zahnärztlichen Versorgung der Versicherten der an sich abzuleistenden dreimonatigen Tätigkeit als Assistent oder Vertreter eines niedergelassenen Vertragszahnarztes gleich; denn sie wurde im wesentlichen unter gleichen rechtlichen und tatsächlichen Bedingungen, wie sie für die Ausübung der Tätigkeit als Vertragszahnarzt für Kieferorthopädie gelten, verrichtet. In rechtlicher Hinsicht handelt es sich bei der Ermächtigung zwar im Verhältnis zur Zulassung um die schwächere Teilnahmeform an der vertragszahnärztlichen Versorgung, weil eine Ermächtigung regelmäßig nur bei einem allgemeinen oder speziellen Versorgungsbedarf erteilt werden kann (§ 31 a Abs. 1, § 31 Abs. 1 bis 3 Zahnärzte-ZV). Bei den weiteren Anforderungen bestehen jedoch zwischen Zulassung und Ermächtigung keine wesentlichen Unterschiede, die die Gleichstellung einer Tätigkeit als ermächtigter Zahnarzt mit der Tätigkeit eines angestellten Zahnarztes ausschließen könnten. Das gilt zunächst für die allgemeinen Voraussetzungen der Ermächtigung. Der ermächtigte Zahnarzt muß – wie der zuzulassende Zahnarzt – für die Teilnahme an der vertragszahnärztlichen Versorgung geeignet sein (§ 31 a Abs. 3 iVm § 31 Abs. 8 Satz 1, § 31 Abs. 8 Satz 1 Zahnärzte-ZV). Des weiteren muß der unter den Voraussetzungen des § 31 Abs. 1 bis 3 Zahnärzte-ZV zu ermächtigende Zahnarzt ebenso wie der zuzulassende Zahnarzt – an einem Einführungslehrgang (§ 17 Zahnärzte-ZV) teilgenommen haben. Darüber hinaus unterliegt der ermächtigte Zahnarzt bei der Ausübung der vertragszahnärztlichen Tätigkeit den gleichen rechtlichen Bindungen wie der zugelassene Zahnarzt (vgl § 95 Abs. 4 Satz 1 SGB V) Seine Leistungen werden nach den für zugelassene Zahnärzte geltenden Gebührenordnungen vergütet, und er hat die ansonsten für die vertragszahnärztliche Tätigkeit geltenden rechtlichen Verpflichtungen wie das Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 72 Abs. 2 SGB V) zu beachten.
Die Gleichstellung einer Tätigkeit als ermächtigter Zahnarzt mit der Tätigkeit als Assistent oder Vertreter eines Vertragszahnarztes setzt nach dem Regelungsziel des § 3 Abs. 3 Satz 1 Zahnärzte-ZV allerdings weiter voraus, daß die ermächtigte Tätigkeit im wesentlichen den Bedingungen entspricht, unter denen ein Zahnarzt als Assistent oder Vertreter eines Vertragszahnarztes tätig wird. Daraus folgt, daß die Ermächtigung des Zahnarztes nicht nur auf einen unselbständigen Teil des zahnärztlichen Behandlungsbereichs, etwa die Erbringung einzelner Leistungen, beschränkt gewesen sein darf. Des weiteren muß die Ausübung der Tätigkeit, für die ermächtigt worden ist, den ermächtigten Arzt im wesentlichen im selben Umfang zeitlich in Anspruch genommen haben wie die Tätigkeit als Assistent oder Vertreter. Für die Anrechnung einer Zeit als ermächtigter Zahnarzt auf die Vorbereitung gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 Zahnärzte-ZV ist deshalb regelmäßig eine ganztägige zahnärztliche Tätigkeit erforderlich.
Die unter diesen Voraussetzungen mögliche Gleichstellung der Zeit der ermächtigten Tätigkeit mit der Vorbereitungszeit bedingt allerdings eine längere Dauer der ermächtigten Tätigkeit. Das ist schon deshalb geboten, weil zum einen nicht davon ausgegangen werden kann, daß die durch die praktische Tätigkeit innerhalb des vertragszahnärztlichen Versorgungssystems zu erlangenden Erfahrungen in der niedergelassenen Praxis als Assistent oder Vertreter eines Vertragszahnarztes im selben Zeitraum bei einer selbständigen Tätigkeit als ermächtigter Zahnarzt gewonnen werden können. Zum anderen darf die grundsätzliche Möglichkeit der Anrechnung selbständiger ermächtigter Tätigkeit nicht dazu führen, daß auf diese Weise die Vorbereitung gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 Zahnärzte-ZV umgangen werden kann. Aus diesem Grund ist für die Gleichstellung mit einer dreimonatigen Tätigkeit als Assistent oder Vertreter eines niedergelassenen Vertragszahnarztes eine ermächtigte Tätigkeit von mindestens zwei Jahren Dauer Voraussetzung.
Nach den Feststellungen des SG erfüllt der Kläger die vorgenannten Anforderungen. Er war von Oktober 1973 bis April 1992 in eigener Praxis als Zahnarzt für Kieferorthopädie zur umfassenden kieferorthopädischen Behandlung der Versicherten im Primärkassenbereich ermächtigt bzw im Ersatzkassenbereich beteiligt.
Entgegen der Ansicht der Beklagten steht die Beschränkung der Ermächtigung/Beteiligung auf das Fachgebiet, für das er eine Fachgebietsqualifikation hat, der Anerkennung als Vorbereitungszeit nicht entgegen; denn auch § 3 Abs. 3 Satz 1 Zahnärzte-ZV differenziert für die Ableistung der Vorbereitung nicht zwischen der Ableistung der Tätigkeit bei Zahnärzten oder Fachzahnärzten.
Auf die Revision des Klägers waren das Urteil des SG und der entgegenstehende Bescheid der Beklagten aufzuheben und die Beklagte zur Eintragung des Klägers in das Zahnarztregister zu verurteilen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 1049472 |
SozSi 1997, 397 |