Entscheidungsstichwort (Thema)
Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech). Arbeitslosigkeit am Stichtag
Leitsatz (amtlich)
Eine Gleichstellung weiterer Personengruppen, die am 30.06.1990 arbeitslos und damit vor diesem Zeitpunkt aus einem vom Versorgungssystem erfassten Beschäftigungsverhältnis bereits ausgeschieden waren und deshalb nach den zu sekundärem Bundesrecht gewordenen Regelungen der Zusatzversorgungssysteme die Voraussetzungen für eine (fiktive) Versorgungsanwartschaft Nichteinbezogener nicht erfüllten, ist von Verfassungs wegen nicht geboten.
Normenkette
AAÜG § 1 Abs. 1; GG Art. 3
Verfahrensgang
Nachgehend
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 17. September 2003 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Streitig ist, ob die Beklagte als Versorgungsträger für das Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 Nr 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) verpflichtet ist, Tatbestände von Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech), und zwar vom 14. März 1983 bis 29. Januar 1990, sowie die in diesem Zeitraum tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.
Der Kläger war in der DDR ab 11. März 1983 berechtigt, den Titel “Diplomingenieur” zu führen. Vom 14. März 1983 bis 26. November 1984 war er als Mitarbeiter Forschung und Entwicklung beim VEB Metallleichtbaukombinat im Forschungsinstitut in L.… beschäftigt. Vom 27. November 1984 bis zum 29. Januar 1990 arbeitete er als Konstrukteur beim VEB Metallleichtbaukombinat im Werk Industriemontagen L.…. Anschließend war er arbeitslos.
Sein Antrag, den Zeitraum vom 14. März 1983 bis 29. Januar 1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zur AVItech sowie die darin erzielten Arbeitsentgelte festzustellen, lehnte die Beklagte ab, weil der Kläger am 30. Juni 1990 keine Beschäftigung ausgeübt habe, die – aus bundesrechtlicher Sicht – dem Kreis der obligatorisch Versorgungsberechtigten zuzuordnen wäre. Das AAÜG sei deshalb auf ihn nicht anwendbar (Bescheid vom 7. August 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Januar 2003).
Das Sozialgericht (SG) hat durch Urteil vom 17. September 2003 die Klage abgewiesen und ausgeführt: Das AAÜG sei auf den Kläger nicht anwendbar. Prüfungsmaßstab für das Begehren des Klägers sei § 5 Abs 1 Satz 1 und 2 AAÜG. Zugehörigkeitszeiten lägen dann vor, wenn eine entgeltliche Beschäftigung ausgeübt worden sei, wegen der ihrer Art nach eine zusätzliche Altersversorgung vorgesehen gewesen sei. Da hier keine Versorgungszusage erteilt worden sei, könne die Frage, ob eine Beschäftigung in einem Versorgungssystem tatsächlich zurückgelegt worden sei, nur anhand derjenigen Gegebenheiten in der ehemaligen DDR beantwortet werden, an die das AAÜG maßgeblich anknüpfe. Dies seien die Versorgungsordnungen der ehemaligen DDR, die als bundesrechtlich relevante Tatsachen für die Anwendung des § 5 AAÜG in den Texten der Anlagen 1 und 2 zum AAÜG aufgelistet seien – hier die “Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben” vom 17. August 1950 und die Zweite Durchführungsbestimmung zu dieser Verordnung vom 24. Mai 1951. Der Kläger habe den Titel eines Ingenieurs und damit eine technische Qualifikation erworben, die eine Einbeziehung in die AVItech ermögliche. Der Kläger sei auch in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens bzw in einem gleichgestellten Betrieb (Forschungsinstitut des VEB) beschäftigt gewesen. Er habe diese Beschäftigung jedoch nicht bis zum 30. Juni 1990 ausgeübt. Zu diesem Zeitpunkt sei er arbeitslos gewesen. Nach der Rechtsprechung des BSG komme es bei der erweiternden verfassungskonformen Auslegung darauf an, ob jemand auf Grund der am 30. Juni 1990 gegebenen Sachlage nach der am 31. Juli 1991 gegebenen Rechtslage einen Anspruch auf Versorgungszusage nach den bundesrechtlichen Regelungen der Versorgungssysteme gehabt hätte (Hinweis auf die Urteile vom 9. April 2002 – B 4 RA 31/01 R, SozR 3-8570 § 1 Nr 2 und B 4 RA 42/01 R). Zwar habe das BSG in einer anderen Entscheidung (Hinweis auf Urteil vom 10. April 2002 – B 4 RA 32/01 R) darauf verwiesen, dass es für eine Zeit der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem ausreiche, wenn zu irgendeinem Zeitpunkt (nicht notwendig zum 30. Juni 1990) eine Beschäftigung ausgeübt worden sei, wegen der eine zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz vorgesehen gewesen sei. Damit habe sich das BSG aber nicht in Widerspruch zu den Entscheidungen gesetzt, die auf die am 30. Juni 1990 gegebene Sachlage abstellen. Zentrale Überlegung für diesen “Stichtag” sei der Umstand, dass nur bis zu diesem Zeitpunkt ein Vertrauen auf eine Einbeziehung in die Zusatzversorgungssysteme habe bestehen können, da diese danach geschlossen worden seien. Der Kläger hätte zu diesem Zeitpunkt kein schutzwürdiges Vertrauen auf Einbeziehung in die Zusatzversorgung geltend machen können. Die unterschiedliche Behandlung der Ingenieure, die vor dem 30. Juni 1990 ausgeschieden seien, verstoße nicht gegen Art 3 Abs 1 GG. Die Rechtsprechung habe nur einem bestimmten Personenkreis aus Gründen des Vertrauensschutzes eine Rechtsstellung eingeräumt, die anderen Personen, die schon auf Grund der DDR-Gesetze keinen Anspruch auf eine Zusatzversorgung gehabt hätten, nicht zuwachsen könne. Ein Anspruch auf Gleichbehandlung könne hieraus nicht entstehen.
Der Kläger hat mit Zustimmung der Beklagten die vom SG zugelassene (Sprung-)Revision eingelegt. Er rügt eine Verletzung der §§ 1 und 5 AAÜG. Er erfülle die persönlichen und betrieblichen Voraussetzungen für eine Zugehörigkeit zur AVItech, denn er habe als Ingenieur eine qualifizierte Beschäftigung in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens oder in einem diesem gleichgestellten Betrieb ausgeübt. Für diese Beschäftigung sei ihrer Art nach eine zusätzliche Altersversorgung vorgesehen. Nach der Rechtsprechung des BSG sei nicht zwingend, von einem Stichtag am 30. Juni 1990 auszugehen. Dies ergebe sich vor allem aus dem Urteil vom 10. April 2002 – B 4 RA 32/01 R. Danach lägen Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem vor, wenn zu irgendeinem Zeitpunkt (nicht notwendig am 30. Juni 1990) eine Beschäftigung ausgeübt worden sei, wegen der ihrer Art nach eine zusätzliche Altersversorgung in dem genannten System vorgesehen gewesen sei. Personen, die aus bundesrechtlicher Sicht einen Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage gehabt hätten, dürften nicht anders behandelt werden, als diejenigen, die eine solche Zusage zuvor rechtmäßig verloren hätten. Eine Ungleichbehandlung von Personen, die weniger als ein halbes Jahr vor dem 30. Juni 1990 arbeitslos geworden seien, gegenüber denjenigen, die weiterhin in einem auf Produktion angelegten Betrieb beschäftigt gewesen seien, sei nicht gerechtfertigt.
Der Kläger beantragt (sinngemäß)
das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 17. September 2003 und den Bescheid der Beklagten vom 7. August 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Januar 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Zeitraum vom 14. März 1983 bis 29. Januar 1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (Anlage 1 Nr 1 zum AAÜG) sowie die in diesem Zeitraum tatsächlich erzielten Entgelte festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass nach den zutreffenden Feststellungen des SG kein Anspruch auf Feststellung von Zugehörigkeitszeiten als Pflichtbeitragszeiten nach Maßgabe des AAÜG bestehe. Das AAÜG sei auf den Kläger nicht anwendbar. Da er keine Versorgungszusage erhalten habe, komme eine Anwendung des AAÜG nur auf Grund der am 30. Juni 1990 gegebenen Sachlage in Betracht. Zu diesem Zeitpunkt habe der Kläger jedoch nicht die persönlichen, sachlichen und betrieblichen Voraussetzungen der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz erfüllt. Soweit vorgetragen werde, der Stichtag werde in der Entscheidung des Senats vom 10. April 2002 – B 4 RA 32/01 R – nicht als entscheidungsnotwendig betrachtet, so habe in diesem Verfahren der Kläger im Gegensatz zu dem hier vorliegenden eine Versorgungsanwartschaft iS des § 1 AAÜG gehabt. Es sei deshalb in diesem Verfahren um die Frage gegangen, für welche Zeiten der Versorgungsträger Zeiten der Zugehörigkeit iS von § 5 AAÜG als Pflichtbeitragszeiten festzustellen habe. In allen bisher vom Senat getroffenen Entscheidungen, in denen die Kläger zu Zeiten der DDR keine Versorgungsanwartschaften erworben hatten, werde die Anwendung des AAÜG von der am 30. Juni 1990 gegebenen Sachlage abhängig gemacht. Der Normzweck des AAÜG sei die Überführung von Versorgungen und Anwartschaften, die in den Zusatz- und Sonderversorgungssystemen der DDR erworben worden seien. Es sei keine Ungleichbehandlung, wenn Personen, die keine Versorgungsanwartschaften erworben hätten, nicht unter den Anwendungsbereich des AAÜG fielen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫).
Entscheidungsgründe
II
Die zulässige Revision des Klägers ist zurückzuweisen. Zwar ergeben die Entscheidungsgründe des SG eine Gesetzesverletzung (§ 162 SGG); die Entscheidung stellt sich aber im Ergebnis aus anderen Gründen als richtig dar (§ 170 Abs 1 Satz 2 SGG).
Auf Grund der tatsächlichen Feststellungen des SG, die gemäß § 161 Abs 4 SGG vom Revisionskläger nicht mit Verfahrensrügen angegriffen werden können und damit gemäß § 163 SGG für das BSG bindend sind, steht im Ergebnis fest, dass der Kläger gegen den beklagten Versorgungsträger keinen Anspruch auf Feststellung von Tatbeständen von Zugehörigkeitszeiten zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) für den Zeitraum vom 14. März 1983 bis 29. Januar 1990 und der in diesem Zeitraum erzielten tatsächlichen Arbeitsverdienste hat. Denn der Kläger fällt schon nicht unter den persönlichen Anwendungsbereich des § 1 AAÜG.
Erst wenn das AAÜG nach § 1 Abs 1 auf den Kläger anwendbar wäre, ist in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob Tatbestände von Zugehörigkeitszeiten iS von § 5 Abs 1 AAÜG und damit Tatbestände von gleichgestellten Pflichtbeitragszeiten iS des SGB VI vorliegen, auf deren Feststellung der Kläger nach § 8 Abs 1 iVm Abs 2 und 3 AAÜG einen Anspruch gegen die Beklagte haben könnte. Aus der Entscheidung des erkennenden Senats vom 10. April 2002 – B 4 RA 32/01 R – ergibt sich nichts anderes. Die Beklagte hat zutreffend darauf hingewiesen, dass es in dieser Entscheidung nicht um den persönlichen Anwendungsbereich des AAÜG ging. In diesem Verfahren stand bereits fest, dass die Vorschriften des AAÜG Anwendung finden.
1. Vom persönlichen Anwendungsbereich werden nach der Maßstabsnorm des § 1 Abs 1 AAÜG die Versorgungsberechtigungen (Ansprüche oder Anwartschaften) erfasst, die auf Grund der Zugehörigkeit zu Versorgungssystemen im Beitrittsgebiet erworben worden sind und beim Inkrafttreten dieses Gesetzes am 1. August 1991 bestanden haben (§ 1 Abs 1 Satz 1 AAÜG). War ein Verlust der Versorgungsanwartschaften deswegen eingetreten, weil die Regelungen des Versorgungssystems ihn bei einem Ausscheiden vor dem Leistungsfall vorsahen, gilt dieser Anwartschaftsverlust nach Satz 2 dieser Vorschrift als nicht eingetreten. Geht man von dem Wortlaut der Vorschrift aus, erfüllt der Kläger beide Tatbestände nicht.
Der Kläger war nicht Inhaber einer bei Inkrafttreten des AAÜG am 1. August 1991 bestehenden Versorgungsanwartschaft. Eine Einzelfallentscheidung, durch die ihm eine Versorgungsanwartschaft zuerkannt worden war, liegt nicht vor, weder hatte er eine positive Statusentscheidung der Beklagten erlangt noch hatte er nach den für den Senat bindenden Feststellungen des SG eine frühere Versorgungszusage in Form eines nach Art 19 Satz 1 Einigungsvertrag (EV) bindend gebliebenen Verwaltungsakts. Der Kläger war auch nicht auf Grund eines Einzelvertrags oder einer späteren Rehabilitationsentscheidung in das Versorgungssystem der AVItech einbezogen worden.
Für den Kläger gilt auch nicht § 1 Abs 1 Satz 2 AAÜG, denn er hatte nach den bindenden Feststellungen des SG vor dem 30. Juni 1990 keine Rechtsposition inne, die er hätte verlieren können. Nur in diesen Fällen wird kraft Gesetzes eine Anwartschaft nach § 1 Abs 1 Satz 2 AAÜG fingiert (vgl ua Urteile des Senats vom 9. April 2002 – B 4 RA 31/01 R, SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 15 und vom 10. April 2002 – B 4 RA 34/01 R, SozR 3-8570 § 1 Nr 3 S 20 f).
2. Bei Personen, die am 30. Juni 1990 nicht einbezogen waren und auch nicht nachfolgend auf Grund originären Bundesrechts (Art 17 EV) einbezogen wurden, ist allerdings auf Grund einer vom Senat vorgenommenen erweiternden verfassungskonformen Auslegung des § 1 Abs 1 AAÜG zu prüfen, ob die Nichteinbezogenen aus der Sicht des am 1. August 1991 gültigen Bundesrechts nach der am 30. Juni 1990 gegebenen Sachlage einen Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage gehabt hätten (vgl Urteile des Senats vom 9. April 2002 – B 4 RA 31/01 R, SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 12 f; vom 10. April 2002 – B 4 RA 34/01 R, SozR 3-8570 § 1 Nr 3 S 20; vom 10. April 2002 – B 4 RA 56/01 R, SozR 3-8570 § 1 Nr 4 S 26 f; vom 10. April 2002 – B 4 RA 10/02 R, SozR 3-8570 § 1 Nr 5 S 32; vom 9. April 2002 – B 4 RA 41/01 R, SozR 3-8570 § 1 Nr 6 S 39, vom 9. April 2002 – B 4 RA 3/02 R, SozR 3-8570 § 1 Nr 7 S 59 f; vom 10. April 2002 – B 4 RA 18/01 R, SozR 3-8570 § 1 Nr 8 S 73). Dieser fiktive bundesrechtliche Anspruch auf Erteilung einer Zusage im Bereich der AVItech hängt gemäß § 1 der VO-AVItech vom 17. August 1950 (GBl S 844) und § 1 Abs 1 Satz 1 und Abs 2 der Zweiten Durchführungsbestimmung (2. DB) zur VO-AVItech vom 24. Mai 1951 (GBl S 487) von drei Voraussetzungen ab (vgl dazu Urteile des Senats vom 9. und 10. April 2002, SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 14; Nr 5 S 33; Nr 6 S 40; Nr 7 S 60; Nr 8 S 74). Generell war dieses System eingerichtet für:
- Personen, die berechtigt waren, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung) und
- die entsprechende Tätigkeit tatsächlich ausgeübt haben (sachliche Voraussetzung) und zwar
- in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens (§ 1 Abs 1 Satz 1 der 2. DB) oder in einem durch § 1 Abs 2 der 2. DB gleichgestellten Betrieb (betriebliche Voraussetzung).
Dabei kommt es für die Anwendbarkeit des AAÜG (§ 1 Abs 1 AAÜG) nach der ständigen Rechtsprechung des Senats auf die am 30. Juni 1990 gegebene Sachlage mit Blick auf die am 1. August 1991 gegebene bundesrechtliche Rechtslage an. Der vorliegende Fall bietet keinen Anlass, diese Rechtsprechung zu modifizieren. Der Kläger erfüllte nach den für den Senat bindenden Feststellungen des SG zwar die vorstehend genannte erste Voraussetzung, nicht jedoch die weiteren beiden Voraussetzungen; denn er war mit Ablauf des 29. Januar 1990 (ohne Versorgungszusage) aus dem VEB Metallleichtbaukombinat, Werk Industriemontagen L.…, ausgeschieden und anschließend – also noch am 30. Juni 1990 – arbeitslos, dh ohne Beschäftigung (vgl dazu: Verordnung des Ministerrats der DDR über die Gewährung staatlicher Unterstützung und betrieblicher Ausgleichszahlung an Bürger während der Zeit der Arbeitsvermittlung vom 8. Februar 1990, GBl I S 41). Er hätte demnach nach der zu diesem Zeitpunkt gegebenen Sachlage mangels Beschäftigung in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens keinen (fiktiven) Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage gehabt. Er war nämlich nach den Regelungen der VO-AVItech und der 2. DB zur VO-AVItech am 30. Juni 1990 nicht Angehöriger der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben gewesen.
3. Die vom Senat vorgenommene erweiternde Auslegung des § 1 Abs 1 AAÜG sowie die Begrenzung auf den Personenkreis, der nach der am 30. Juni 1990 gegebenen Sachlage die drei Voraussetzungen der AVItech erfüllte, stehen im Einklang mit Art 3 Abs 1 und Abs 3 GG. Personen – wie der Kläger –, die diese Voraussetzungen nicht erfüllten, werden zwar sowohl gegenüber dem vorgenannten Personenkreis als auch gegenüber der Personengruppe, die eine formale Rechtsposition (Versorgungsanwartschaft) iS des § 1 Abs 1 Satz 2 AAÜG verloren haben, verschieden behandelt. Diese Verschiedenbehandlung ist jedoch verfassungsgemäß, denn es liegen dafür Gründe von solcher Art und solchem Gewicht vor, dass sie die ungleichen Rechtsfolgen rechtfertigen (vgl BVerfGE 87, 234, 255; 88, 87, 97; 91, 389, 401; 95, 267, 317).
a) Der Einigungsvertrag hat nur die Übernahme vor dem 1. Juli 1990 bestehender Versorgungsansprüche und Versorgungsanwartschaften in das Bundesrecht versprochen und Neueinbeziehungen ab 1. Juli 1990 ausdrücklich verboten (Art 9 Abs 2 iVm Anlage II Kap VIII Sachgebiet H Abschnitt III Nr 9 Buchst a EV; Anlage II Kap VIII Sachgebiet F Abschnitt III Nr 8 EV iVm § 22 RAnglG-DDR). Der Bundesgesetzgeber hat in § 1 Abs 1 Satz 1 AAÜG das grundsätzliche Verbot der Neueinbeziehung nicht aufgehoben, aber modifiziert. Darüber hinaus wurden durch die Regelung des § 1 Abs 1 Satz 2 AAÜG auch Personen erfasst, die am maßgeblichen Tag vor Schließung der Versorgungssysteme zum 30. Juni 1990 in der DDR nicht einbezogen waren. Abweichend von dem Grundsatz der Einbeziehung fingiert diese Vorschrift das Fortbestehen einer Versorgungsanwartschaft, “soweit die Regelungen der Versorgungssysteme einen Verlust der Anwartschaften bei einem Ausscheiden aus dem Versorgungssystem vor dem Leistungsfall vorsahen”. Wegen dieser bundesrechtlichen Erweiterung des persönlichen Geltungsbereiches des AAÜG über EV Nr 9 hinaus, drohte ein Wertungswiderspruch zwischen § 1 Abs 1 AAÜG und den zu sekundärem Bundesrecht gewordenen Regelungen der Versorgungssysteme, die auch noch am 31. Juli 1991 galten. Der Widerspruch hätte in einer nach den bundesrechtlichen Kriterien des Art 3 Abs 1 GG sachlich nicht zu rechtfertigenden, weil DDR-Willkür in den der bundesrechtlichen Maßstabsnormen fortführenden Unterscheidung innerhalb der Vergleichsgruppe der am 30. Juni 1990 Nichteinbezogenen bestanden. Nichteinbezogene, die früher einmal einbezogen waren, aber nach den Regeln der Versorgungssysteme ausgeschieden waren, wurden anders behandelt als am 30. Juni 1990 Nichteinbezogene, welche nach den Regelungen der Versorgungssysteme zwar alle Voraussetzungen für die Einbeziehung an diesem Stichtag erfüllt hatten, aber im Regelfall aus Gründen, die bundesrechtlich nicht anerkannt werden dürfen (Art 3 Abs 3 GG), nicht einbezogen waren. Der erkennende Senat hat deshalb durch eine ausdehnende verfassungskonforme Auslegung diese Fälle den Fällen des § 1 Abs 1 Satz 2 AAÜG und den Versorgungsanwartschaften aus Systemen ohne konkreten Einbeziehungsakt (wie allein auf Grund des EV) gleichgestellt. Eine (fiktive) Versorgungsanwartschaft bei am 30. Juni 1990 Nichteinbezogenen besteht danach auch dann, wenn jemand auf Grund der am 30. Juni 1990 gegebenen Sachlage nach der am 31. Juli 1991 gegebenen bundesrechtlichen Rechtslage einen “Anspruch auf Versorgungszusage” nach den bundesrechtlichen leistungsrechtlichen Regelungen der Versorgungssysteme gehabt hätte, wenn dieser also am 30. Juni 1990 kraft Gesetzes Leistungen aus dem Versorgungssystem hätte beanspruchen können, dh obligatorisch iS einer “gebundenen Verwaltung” und ohne Entscheidung des Versorgungsträgers in den Kreis der Versorgungsberechtigten hätte einbezogen werden müssen (vgl stellvertretend: Urteile des Senats vom 9. April 2002 – B 4 RA 31/01 R, SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 12 f sowie Urteil vom 10. April 2002 – B 4 RA 34/01 R, SozR 3-8570 § 1 Nr 3 S 20).
b) Eine Gleichstellung weiterer Personengruppen, die – etwa wie der Kläger – am 30. Juni 1990 arbeitslos und damit vor diesem Zeitpunkt aus einem von einem Versorgungssystem erfassten Beschäftigungsverhältnis bereits ausgeschieden waren und deshalb nach den zu sekundärem Bundesrecht gewordenen Regelungen der Zusatzversorgungssysteme (hier: AVItech) die Voraussetzungen für eine (fiktive) Versorgungsanwartschaft Nichteinbezogener nicht erfüllten, ist von Verfassungs wegen nicht geboten. Der Bundesgesetzgeber durfte an die im Zeitpunkt der Wiedervereinigung vorgefundene Ausgestaltung der Versorgungssysteme in der DDR ohne Willkürverstoß anknüpfen und damit zu Grunde legen, dass nur derjenige in das Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz (AVItech) einbezogen werden konnte, der am 30. Juni 1990 in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens oder in einem gleichgestellten Betrieb beschäftigt war. Art 3 Abs 1 und Abs 3 GG gebietet nicht, von jenen zu sekundärem Bundesrecht gewordenen Regelungen der Versorgungssysteme sowie den historischen Fakten, aus denen sich etwa die hier vorliegenden Ungleichheiten ergeben, abzusehen und sie “rückwirkend” zu Lasten der heutigen Beitrags- und Steuerzahler auszugleichen (vgl bereits Urteile des Senats vom 9. und 10. April 2002, SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 16, Nr 7 S 68, Nr 8 S 79, vom 18. Juni 2003 – B 4 RA 1/03 R, SGb 2003, 518 und vom 18. Dezember 2003 – B 4 RA 18/03 R, zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen).
4. Da somit das AAÜG auf den Kläger schon nicht anwendbar ist, ist die angefochtene ablehnende Entscheidung der Beklagten rechtmäßig. Das SG hat deshalb die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die Revision gegen das Urteil des SG ist mithin zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
Fundstellen