Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 6. Januar 1993 aufgehoben und das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 22. November 1991 abgeändert.
Die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 14. Dezember 1989 wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Der Kläger begehrt von der Beklagten Rente wegen Berufsunfähigkeit (BU).
Der 1932 geborene Kläger erlernte den Beruf des Malers und übte ihn nach Abschluß der Lehre auch aus. Seit 1965 war er bei der Deutschen Bundesbahn zunächst als Gepäckarbeiter und seit 1968 als Maler beschäftigt. Am 1. März 1976 kam er als „qualifizierter Facharbeiter” in die Lohngruppe B III 2.1 des Lohntarifvertrages für Arbeiter der Deutschen Bundesbahn (LTV). Seit November 1988 ist er arbeitsunfähig. Im Mai 1989 beantragte der Kläger Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU) oder wegen BU. Die Beklagte lehnte den Antrag ab (Bescheid vom 14. Dezember 1989).
Auf die erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) die Beklagte verurteilt, dem Kläger Rente wegen BU ab 1. Juni 1989 zu gewähren (Urteil vom 22. November 1991). Der Kläger hat seine hiergegen eingelegte Berufung zurückgenommen. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 6. Januar 1993). Es hat im wesentlichen ausgeführt: Der Kläger könne noch leichte Arbeiten im Stehen, Gehen und Sitzen in geschlossenen Räumen, kurzzeitig auch im Freien ohne vermehrte Hebe- und Bückarbeit, schweres Tragen sowie ohne Überkopfarbeit vollschichtig verrichten. Schwere und mittelschwere körperliche Arbeiten könne er nicht mehr ausüben. Der Kläger sei als gelernter Maler Facharbeiter gewesen. Seinen bisherigen Beruf sowie den des Schriften- und Plakatmalers könne er aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben. Die Tätigkeiten des Schalttafelapparatewärters, des Amtsboten, Druckereiarbeiters, Bedieners von Vervielfältigungsautomaten, Wächters, für die jeweils ein an sich ausreichendes Restleistungsvermögen bestehe, seien ihm als ungelernte Arbeiten nicht zumutbar. Das gelte auch, soweit diese Tätigkeit tarifvertraglich den angelernten Arbeiten gleichgestellt sei. Es vermöge der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), daß den Facharbeitern oder den angelernten Arbeitern solche Arbeiter gleichgestellt seien, die tarifvertraglich gleich bewertet würden, für den Tarifbereich der Deutschen Bundesbahn nicht uneingeschränkt zu folgen, weil in diesem Bereich auch ungelernte Arbeiter wie angelernte entlohnt würden.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte die Verletzung des § 1246 Reichsversicherungsordnung (RVO) durch das LSG.
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil sowie das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 22. November 1991 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II
Die durch Zulassung statthafte Revision ist begründet.
Auf den vorliegenden Rechtsstreit sind noch die Vorschriften der RVO anzuwenden, weil der Kläger seinen Rentenanspruch noch vor der – mit Wirkung vom 1. Januar 1992 erfolgten – Aufhebung dieses Gesetzes geltend gemacht hat (vgl § 300 Abs 2 Sozialgesetzbuch – Sechstes Buch – ≪SGB VI≫).
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rente wegen BU, weil für ihn noch zumutbare Verweisungstätigkeiten iS des § 1246 Abs 2 Satz 2 RVO vorhanden sind. Die gegenteilige Entscheidung des LSG steht nicht im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats, an der festgehalten wird. Danach ist die tarifliche Einstufung einer Tätigkeit nicht nur für den Wert des bisherigen Berufs maßgebend, sondern in gleicher Weise für den Wert der in Betracht kommenden Verweisungstätigkeiten (vgl hierzu eingehend Urteil des erkennenden Senats vom 12. September 1991 in SozR 3-2200 § 1246 Nr 17 mwN). Der Kläger ist demzufolge auch als Facharbeiter auf die vom LSG genannten ungelernten Tätigkeiten im Bereich der Deutschen Bundesbahn, die tariflich jeweils angelernten Tätigkeiten gleichgestellt sind, zumutbar zu verweisen. Er kann diese Tätigkeiten nach der von ihm nicht mit Gegenrügen angefochtenen und somit für das Revisionsgericht gemäß § 163 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bindenden Tatsachenfeststellung des LSG nach seinem gesundheitlichen Leistungsvermögen noch ausüben.
Diese Verweisungstätigkeiten sind nach den weiteren Feststellungen des LSG zwar nur bei der Deutschen Bundesbahn vorhanden. Gleichwohl besteht insoweit jedenfalls für den Kläger ein offener Arbeitsmarkt, weil er zuletzt bei der Deutschen Bundesbahn beschäftigt war (vgl hierzu die Urteile des erkennenden Senats vom 8. September 1982 und 30. Oktober 1983 in SozR 2200 § 1246 Nrn 101, 110 jeweils mwN).
Da nach alledem die Voraussetzungen für einen Rentenanspruch gemäß § 1246 Abs 2 RVO nicht gegeben sind, war der Revision der Beklagten stattzugeben (§ 170 Abs 2 Satz 1 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen