Entscheidungsstichwort (Thema)
Übergangsvorschrift. Herstellungsanspruch. Zugunstenbescheid. neues Recht
Leitsatz (amtlich)
- Gemäß § 300 Abs 1 und 3 SGB VI ist auf die nach der RVO berechneten Altrenten neues Recht anzuwenden, wenn der Versicherte nach dem 31.3.1992 einen Antrag auf Zugunstenentscheidung stellt und sich in dem Verfahren ergibt, daß die bisherigen Werteinheiten nicht mehr zugrunde gelegt werden können.
- Zu Umfang und Grenzen des Herstellungsanspruchs.
Normenkette
SGB VI § 300 Abs. 1-3; SGB X § 44; GG Art. 3, 14
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 14. Dezember 1994 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Der Kläger betreibt eine Neufeststellung seines Altersruhegeldes nach § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch – Verwaltungsverfahren – (SGB X). Umstritten ist dabei, ob für die Neuberechnung wegen des erst im Oktober 1992 gestellten Überprüfungsantrages das Sechste Buch des Sozialgesetzesbuchs – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) anzuwenden ist oder noch die Reichsversicherungsordnung (RVO), nach der die Rente bis dahin berechnet worden war.
Der im Mai 1928 geborene Kläger hat sein Arbeitsleben in der UdSSR verbracht. Seit dem 3. April 1987 hat er seinen ständigen Aufenthalt im Bundesgebiet. Er ist Inhaber des Vertriebenenausweises A.…
Nachdem der Kläger seit seiner Übersiedlung arbeitslos gewesen war, bewilligte ihm die Beklagte auf seinen Antrag vom 7. Juli 1988 Altersruhegeld ab 1. Mai 1988 (Bescheid vom 15. August 1988). Der Rentenberechnung lagen das Fremdrentengesetz (FRG) und die RVO in damals geltender Fassung zugrunde. Mit Neufeststellungbescheiden vom 22. Dezember 1988, 16. Oktober 1989 und 9. Juli 1990 wurde die Rente teils unter Berücksichtigung weiterer Zeiten, teils wegen Einordnung der nach dem FRG zu berücksichtigenden Zeiten in höhere Leistungsgruppen neu berechnet.
Mit Schreiben vom 28. Oktober 1992 (eingegangen am 29. Oktober 1992) machte der Kläger erneut eine andere Leistungsgruppenzuordnung geltend. Dazu wurde ein Gutachten des Instituts für Ostrecht M.… eV vorgelegt.
Nachdem die Beklagte auf mehrfache Fristsetzungen seitens des Klägers hin erklärt hatte, daß der Neuberechnung nach dem SGB VI noch programmtechnische Schwierigkeiten entgegenständen, erhob der Kläger am 1. April 1993 Untätigkeitsklage.
Die Beklagte erkannte daraufhin an, daß die Rente unter Berücksichtigung höherer Leistungsgruppen gemäß den Anlagen zu § 22 FRG für verschiedene Zeiträume zwischen 1955 und 1987 nach dem SGB VI neu zu berechnen sei.
Dieses Anerkenntnis hat der Kläger nicht angenommen; er wandte sich gegen die Berechnung nach dem SGB VI (Schriftsatz vom 27. Juni 1993). Mit Schreiben vom 5. Juli 1993 bezeichnete er den vorgenannten Schriftsatz als Widerspruch. Daraufhin erließ die Beklagte unter dem 8. September 1993 einen Widerspruchsbescheid, mit dem sie ihr Anerkenntnis wiederholte und an der Berechnung nach dem SGB VI festhielt.
Die hiergegen gerichtete Klage (S 9 J 2151/93) wurde mit der Untätigkeitsklage (S 9 J 780/93) verbunden, letztere aber im Laufe des Verfahrens für erledigt erklärt. Zuletzt wurde nur noch Berechnung der Rente unter Berücksichtigung des im Juli 1990 geltenden Rechts beantragt. Das Sozialgericht Karlsruhe (SG) hat diese Klage abgewiesen (Urteil vom 20. Juli 1994). Die Berufung des Klägers blieb erfolglos (Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg ≪LSG≫ vom 14. Dezember 1994).
Das LSG hat die Auffassung vertreten, die Neuberechnung der Rente des Klägers nach dem SGB VI rechtfertige sich aufgrund von § 300 Abs 3 SGB VI. Daraus ergebe sich, daß bei Neufeststellung einer Rente dann, wenn persönliche Entgeltpunkte neu zu ermitteln seien, stets das neue Recht angewendet werden müsse. Ein solcher Fall liege hier vor, denn durch die Höherbewertung der Leistungsgruppen sei eine Ermittlung von Entgeltpunkten notwendig geworden. Eine Ausnahme für Zugunstenbescheide nach § 44 SGB X komme nicht in Betracht, weil dann die Bestimmung des § 300 Abs 3 SGB VI ihren Sinn verliere.
Der Kläger könne sein Klageziel auch nicht über einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch erreichen. Dieser diene nur dazu, Aufklärungs-, Beratungs- und Auskunftspflichtverletzungen auszugleichen. Derartiges liege hier jedoch nicht vor.
In seiner Revisionsbegründung stützt sich der Kläger vornehmlich auf einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch. Er macht geltend, die Beklagte habe ihre Ermittlungspflichten verletzt und dadurch bewirkt, daß spätere Korrekturen notwendig geworden seien, die zu der für den Kläger nachteiligen Berücksichtigung neuen Rechts geführt hätten. Dieser Nachteil sei durch einen Herstellungsanspruch auszugleichen.
Der Kläger beantragt dem Sinne nach,
die Urteile des LSG und des SG sowie die Bescheide der Beklagten vom 18. August 1988, 22. Dezember 1988, 16. Oktober 1989 und 9. Oktober 1990, den in dem Anerkenntnis vom 4. Juni 1993 liegenden Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. September 1993 abzuändern sowie im übrigen die bisher gezahlten Renten in Ausführung des Anerkenntnisses vom 4. Juni 1993 nach den bis zum 31. Dezember 1991 geltenden Rechtsvorschriften der RVO neu zu berechnen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie bezieht sich im wesentlichen auf das angefochtene Urteil.
Beide Beteiligte haben sich mit Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Das LSG hat zu Recht entschieden, daß aufgrund der Übergangsbestimmungen des § 300 Abs 1 und 3 SGB VI die Rente des Klägers nach den Vorschriften des SGB VI zu berechnen und der sich daraus für den Kläger ergebende Nachteil auch nicht über den Weg eines Herstellungsanspruchs auszugleichen war.
Der Grund der hier streitigen Neufeststellung liegt darin, daß die Beklagte zugunsten des Klägers für verschiedene Zeiträume, die nach dem FRG als Beschäftigungszeiten anerkannt waren, die Zuordnung der zugrundeliegenden Tätigkeit des Klägers in günstigere Leistungsgruppen (Anlage zu § 22 FRG) vorgenommen hat. Dies führte zu einer Neubewertung dieser Zeiten.
Für die entscheidungserhebliche Frage, ob die somit neu zu berechnende Rente nach den Vorschriften der RVO oder nach den Vorschriften des SGB VI festzustellen war, findet sich eine ausdrückliche Regelung in § 300 SGB VI. In Abs 1 dieser Vorschrift ist bestimmt, daß grundsätzlich ab Inkrafttreten des SGB VI (1. Januar 1992) neues Recht anzuwenden ist, auch wenn es sich auf einen Sachverhalt oder einen Anspruch bezieht, der bereits vor diesem Zeitpunkt bestanden hat. Dies bedeutet ua, daß grundsätzlich bei jeder Entscheidung, die nach dem 31. Dezember 1991 ergeht, neues Recht anzuwenden ist, selbst wenn sich diese Entscheidung (auch) auf Zeiträume erstreckt, die vor dem 1. Januar 1992 liegen (vgl Verbandskommentar § 300 SGB VI Anm 10 S 10; Zweng/Scherer/Buschmann/Dörr, Handbuch der Rentenversicherung – SGB VI – § 300 Rz 29 Stand 3/91).
Ausnahmen sind in Abs 2 für Renten vorgesehen, die bis zum Ablauf von drei Kalendermonaten nach der Aufhebung der RVO (31. Dezember 1991), also bis 31. März 1992 beantragt waren, wenn sich der Anspruch auch auf einen Zeitraum vor dem 1. Januar 1992 erstreckte. Bereits bewilligte Renten werden nicht allein wegen des Inkrafttretens des SGB VI neu berechnet (§ 306 Abs 1 SGB VI).
§ 300 Abs 3 SGB VI zeigt jedoch auf, daß auch diese Renten nicht vollständig von der Anwendung des SGB VI ausgenommen sind. Es heißt dort, daß die Abs 1 und 2 des § 300 SGB VI auch gelten, wenn nach dem maßgebenden Zeitpunkt (31. Dezember 1991) eine bereits vorher geleistete Rente neu festzustellen ist und dabei persönliche Entgeltpunkte neu zu ermitteln sind. Sofern Entgeltpunkte neu zu ermitteln sind, ist also gemäß § 300 Abs 2 SGB VI (in entsprechender Anwendung) altes Recht nur dann weiter anzuwenden, wenn der Anspruch auf Neubewertung bis 31. März 1992 geltend gemacht worden ist. Das ist aber hier nicht der Fall.
Die Voraussetzung, daß Entgeltpunkte neu zu ermitteln sind, lag hier vor. Die Vorschrift ist so zu lesen, daß sie nur Fälle erfaßt, in denen bei – zunächst unterstellter – Anwendung neuen Rechts Entgeltpunkte neu zu ermitteln wären. Nach dem Recht der RVO waren nicht Entgeltpunkte, sondern Werteinheiten zu ermitteln (Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr aaO Rz 24). Wollte man den Gesetzestext wörtlich nehmen, so wären bei den nach RVO und FRG berechneten Renten nie Entgeltpunkte zu ermitteln. Die Vorschrift ist aber gerade dazu vorgesehen, auch bei Altrenten die Anwendung neuen Rechts sicherzustellen, soweit zB weitere versicherungsrechtliche Zeiten zu berücksichtigen sind (s dazu BT-Drucks 11/4124 S 206 zu § 291 Abs 3 des Entwurfs). Eine solche Ermittlung von Entgeltpunkten kommt aber nicht nur dann in Betracht, wenn weitere Zeiten anzurechnen sind, sondern auch bei sonstigen Änderungen, die zu einer Neuberechnung führen, wie die Zuordnung neuer Beitragsklassen oder Entgelte für anerkannte Zeiten (vgl Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr aaO Rz 22; Lueg in Gemeinschaftskomm zum SGB VI – GK-SGB VI – § 300 Rz 18ff).
Es muß also hier bei der allgemeinen Regel verbleiben, daß neues Recht anzuwenden ist und deshalb auch Entgeltpunkte (neu) zu ermitteln sind.
Zu Recht hat das LSG entschieden, daß es keinen Unterschied macht, ob die Neufeststellung aufgrund einer Veränderung erfolgt oder rückwirkend nach § 44 SGB X; denn Neufeststellungen nach § 44 SGB X, bei denen Entgeltpunkte neu zu ermitteln sind, stellen das Schwergewicht der in Betracht kommenden Fälle dar. Auf diese zielt die Bestimmung des § 300 Abs 3 SGB VI vornehmlich ab (vgl BT-Drucks 11/4124 S 206 zu § 291 Abs 3).
Der Kläger kann aber auch insoweit mit seinem Antrag nicht durchdringen, als er sich auf einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch beruft. Der Herstellungsanspruch ist in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) bisher nur dort anerkannt worden, wo der Versicherte durch ein Verhalten der Verwaltung entweder von einer rechtzeitigen Wahrnehmung ihm zustehender Rechte abgehalten oder veranlaßt wurde, eine für ihn ungünstige Erklärung abzugeben. Allerdings ist der Herstellungsanspruch nicht – wie das LSG meint – beschränkt auf eine Verletzung der Aufklärungs-, Beratungs- oder Auskunftspflicht der §§ 13 bis 15 SGB I. Das BSG hat ihn auch zugebilligt bei andersartiger Fehlinformation des Bürgers, zB durch eine rechtswidrige Satzung (zB SozR 2200 § 313 Nrn 6 und 7) oder durch einen Bescheid in einer anderen Sache (zB SozR 5850 § 26 Nr 2) und auch bei Verzögerungen (zB SozR 2200 § 1241a Nr 9). In jedem Fall handelt es sich aber um Sachverhalte, bei denen durch ein objektives Fehlverhalten der Verwaltung die Entscheidung des Versicherten über die Wahrnehmung von Rechten zu seinen Ungunsten fehlgeleitet wurde. Ein Herstellungsanspruch bedarf deshalb besonderer Begründung durch ein Verwaltungshandeln (oder -unterlassen), das zu der für den Versicherten ungünstigen Rechtsposition beigetragen hat (s dazu auch die allgemeinen Rechtsgedanken in §§ 162, 242 BGB).
Ein Herstellungsanspruch kommt indes nicht in Betracht, wo lediglich ein Fehler der Sachbearbeitung in der Sache selbst vorliegt, der nicht zu einem für ihn ungünstigen Verhalten des Versicherten geführt hat, oder wo die dem Versicherten günstigen Voraussetzungen erst später bekannt wurden (oder nachgewiesen werden konnten). Für diese Fälle sieht das Gesetz ausdrückliche Regelungen vor. Es räumt dem Versicherten die Möglichkeit ein, ein Widerspruchsverfahren einzuleiten (§§ 84 ff SGG). Sofern die hierfür eröffneten Fristen (§§ 84, 66, 67 SGG) verstrichen sind, besteht die Möglichkeit eines Zugunstenverfahrens nach § 44 SGB X. Damit ist für den Regelfall die Korrektur von Entscheidungen, welche die Rechte des Klägers nicht vollständig wahren, abschließend geregelt. Welche Folgerungen daraus im Übergangsrecht des SGB VI zu ziehen sind, ergibt sich – wie dargelegt – aus § 300 Abs 3 SGB VI.
Aus den Feststellungen des LSG ergibt sich nicht, daß der Kläger durch Handlungen oder Unterlassungen der Beklagten fehlgeleitet, insbesondere bestimmt worden wäre, seinen Überprüfungsantrag erst im Oktober 1992 statt bis 31. März 1992 zu stellen. Die Beklagte hatte bis dahin lediglich zu niedrige Leistungen festgestellt. Diese Verwaltungsentscheidung konnte jederzeit mit dem Antrag nach § 44 SGB X angegriffen werden. Den Feststellungen des LSG ist nichts dafür zu entnehmen, daß die Beklagte zu der Verzögerung der Antragstellung bis nach dem 31. März 1992 beigetragen hat.
Selbst wenn der Beklagten vorzuwerfen wäre, daß sie es unterlassen hätte, rechtzeitig erforderliche und auch mögliche Ermittlungen anzustellen, liegt darin keine Fehlleitung des Klägers; im übrigen ergibt sich – wie dargelegt – aus § 300 Abs 3 SGB VI, daß jedenfalls solche Fälle von dieser Vorschrift erfaßt werden.
Zu Recht hat das LSG in der Neuberechnung der Rente des Klägers unter Anwendung des SGB VI keinen Verfassungsverstoß gesehen. Zweifel an der Vereinbarkeit der einschlägigen Regelungen des SGB VI mit dem GG sind nicht ersichtlich. Sie werden weder von den Beteiligten noch im Schrifttum erhoben. Es erübrigt sich deshalb, hierauf im einzelnen einzugehen. Streitpunkt ist lediglich die Frage, ob die Anwendung dieses neuen Konzepts auf Altfälle, also die Übergangsregelung in § 300 Abs 3 SGB VI, mit der Verfassung vereinbar ist. Das ist aber ebenfalls zu bejahen.
Die Regelung des § 300 Abs 3 SGB VI verstößt (in Verbindung mit den neuen Rentenberechnungsvorschriften) nicht gegen den Eigentumsschutz nach Art 14 GG.
Allerdings führt die Neuberechnung der Rente des Klägers bei Zugrundelegung des SGB VI rechnerisch zu einem niedrigeren Endbetrag als die Berechnung nach der RVO. Dies wirkt sich jedoch jedenfalls insoweit nicht aus, als der bisherige Rentenzahlbetrag durch § 300 Abs 3 Satz 2 SGB VI besitzgeschützt ist und in dieser Höhe auch dynamisiert wird (Verweisung auf § 88 SGB VI). Die Rente wird demnach mindestens in Höhe des bisherigen Zahlbetrages weitergezahlt.
Als Nachteil für den Kläger verbliebe lediglich, daß die Rente durch die von der Beklagten anerkannte höhere Bewertung der Leistungsgruppen nicht oder nicht in dem Maße wie nach altem Recht erhöht wird. Der Erfolg, den er im Zugunstenverfahren nach § 44 SGB X bei Anwendung des alten Rechts erzielt hätte, wird durch die Neuberechnung nach dem SGB VI ganz oder teilweise aufgesogen. Korrekturen nach § 44 SGB X wirken sich nur mit dem Betrag aus, mit dem die Berechnung nach dem SGB VI den bisherigen Zahlbetrag der nach der RVO berechneten Rente übersteigt.
Hierdurch wird aber das Eigentum des Klägers an seinem Rentenanspruch nicht in verfassungswidriger Weise verletzt. Allerdings bezieht sich der Eigentumsschutz nicht nur auf den Zahlbetrag, sondern den Anspruch in seiner dem objektiven Recht entsprechenden Gestalt (s dazu BVerfGE 53, 257, 293 f; Gagel, Kommentar zum AFG vor § 100 E Rz 21ff). Insoweit wird das Eigentum beeinträchtigt in den Fällen, in denen eine Neuberechnung vorzunehmen ist, die zu ungünstigeren Ergebnissen führt als denjenigen, die im bisher geltenden Recht angelegt waren.
Dieser Eingriff ist aber verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) ist eine Regelung, die eigentumsgeschützte Positionen für die Zukunft beeinträchtigt, zulässig, wenn sie durch Gründe des öffentlichen Wohls unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt ist. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist gewahrt, wenn der Eingriff geeignet und erforderlich ist und keine übermäßige Belastung des Betroffenen bewirkt (Zumutbarkeit bzw Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne; vgl BVerfGE 76, 220, 339ff; 42, 9, 23).
Es unterliegt keinem Zweifel, daß der hier zu beurteilende Eingriff aus Gründen des öffentlichen Wohls erfolgt ist; er dient der Verwaltungsvereinfachung in der Massenverwaltung und der Überschaubarkeit des Rechts.
Geeignet ist ein solcher Eingriff, wenn er im Zeitpunkt des Inkrafttretens erwarten läßt, daß das Gesetz die angestrebte Wirkung erzielt; es handelt sich um eine Prognose, bei der dem Gesetzgeber ein weiter Entscheidungsspielraum zur Verfügung steht (BVerfGE 50, 290, 332f). Auch insoweit sind keine Zweifel ersichtlich.
Erforderlich ist der Eingriff, wenn weniger belastende Möglichkeiten nicht zur Verfügung stehen. Auch dies ist eine Prognose, die nach dem Erkenntnisstand des Gesetzgebers bei Erlaß des Gesetzes zu beurteilen ist (BVerfGE 34, 87, 101). Die Regelung ist nur dann nicht erforderlich, wenn evident das angestrebte Ziel im wesentlichen mit einem weniger belastenden Eingriff erreicht werden könnte (BVerfGE 75, 78, 100f). Es ist aber nicht erkennbar, daß es andere weniger belastende Alternativen gibt, die auch nur annähernd den gleichen Effekt erzielen wurden.
Hätte der Gesetzgeber eine Entscheidung dahin getroffen, daß für diejenigen, die bereits Rente nach altem Recht beziehen (oder für die nach der Regelung des § 300 Abs 2 SGB VI altes Recht anzuwenden war), auch bei nachträglichen Korrekturen weiterhin altes Recht anzuwenden ist, würde dies dazu führen, daß die Rentenversicherungsträger auf viele Jahrzehnte weiterhin altes und neues Recht nebeneinander anzuwenden hätten. Sie wären gezwungen, in einer Vielzahl von Fällen Entgeltpunkte nach Rechtsgrundlagen zu ermitteln, die schon lange außer Kraft getreten sind.
Eine weitere denkbare Alternative wäre es, die Rente im Falle einer Neufeststellung für Zeiträume bis zu einem Stichtag nach altem Recht zu berechnen und ab beispielsweise dem 1. April 1992 nach neuem Recht. Auch dies hätte aber den oben beschriebenen Nachteil, daß das alte Recht noch über Jahrzehnte angewendet werden müßte und es ergäbe sich zudem der Nachteil, daß bei der Neuberechnung der Rente jeweils zwei Rechnungen vorgenommen werden müßten.
Schließlich könnte man auch daran denken, eine Differenzierung danach vorzunehmen, ob ein vermeidbarer Verwaltungsfehler vorlag oder es sich um rechtliche oder tatsächliche Veränderungen sowie neu aufgetauchte Beweismittel handelt. Auch diese Lösung macht es aber notwendig, in vielen Fällen jahrelang das alte Recht anzuwenden; sie führt außerdem zu erheblichen Abgrenzungsproblemen.
Den Interessen der Versicherten ist zunächst einmal dort angemessen Rechnung getragen, wo sie die Möglichkeit hatten, die Neuberechnung schon vor dem 31. März 1992 geltend zu machen. Es war den Versicherten durchaus zuzumuten, ihre Rente – wenn sie denn Zweifel an ihrer Richtigkeit hatten – im Hinblick auf die Gesetzesänderung rechtzeitig zu überprüfen. Im übrigen ist zu berücksichtigen, daß es nicht um eine schrankenlose Anwendung des neuen Rechts geht, sondern, daß dynamisierter Besitzschutz garantiert ist (vgl die Verweisung auf § 88 SGB VI in § 300 Abs 3 Satz 2 SGB VI).
Es fragt sich dann nur noch, ob die Abwägung für solche Versicherte anders ausfallen müßte, die vor dem 31. März 1992 aus tatsächlichen Gründen keine Möglichkeit hatten, die Änderung geltend zu machen. Eine solche Regelung würde aber zu erheblichen Abgrenzungsproblemen führen, wie gerade der vorliegende Fall zeigt. Es dürfte durchaus zweifelhaft sein, ob die Ergebnisse des Gutachtens des Instituts für Ostrecht, das erst bei der Neufestsetzung eine Rolle gespielt hat, schon vorher zugänglich waren oder ob es sich um neue Tatsachen handelt.
Für die letzte Frage, ob eine übermäßige Belastung vorliegt, ist die Auswirkung auf die Lebenssituation des Betroffenen zu ergründen. Diese ist mit dem öffentlichen Interesse abzuwägen. Hierbei ist im Rahmen sozialer Sicherung besonders das Sozialstaatsprinzip zu beachten (BVerfGE 36, 73, 84). Für diese Abwägung finden sich in der Rechtsprechung des BVerfG zahlreiche Kriterien; ua vorangegangene, insbesondere langfristige Dispositionen; Erforderlichkeit für die Existenzsicherung, gemessen an einem Mindeststandard einerseits und dem bisherigen Lebenszuschnitt andererseits; Möglichkeiten und Zumutbarkeit alternativer Sicherung. Im vorliegenden Fall sind weder diese noch ähnliche den Kläger besonders beeinträchtigende Gesichtspunkte erkennbar, da ihm der dynamisierte Besitzschutz verbleibt und die für ihn auf dem Spiel stehende Verbesserung, gemessen an der Gesamtrente, vergleichsweise geringfügig ist.
Schließlich ist § 300 Abs 3 SGB VI mit Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG) vereinbar ist. Auch an diese Verfassungsnorm ist der Gesetzgeber bei der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums gebunden (vgl BVerfGE 74, 203, 214 = SozR 4100 § 120 Nr 2). Nach Art 3 Abs 1 GG sind alle Menschen vor dem Gesetz gleich. Damit ist dem Gesetzgeber jedoch nicht jede Differenzierung verwahrt. Der verfassungsrechtliche Gleichheitssatz will vielmehr nur ausschließen, daß eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie eine ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl BVerfGE 55, 72, 78). Ebenso verstieße auch eine für alle Betroffenen gleiche Regelung gegen Art 3 Abs 1 GG, wenn sie für eine Personengruppe Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht zur Folge hätte, daß ihr gegenüber die gleichartige Behandlung nicht mehr zu rechtfertigen wäre (vgl BVerfGE 72, 141, 150). Die Anwendung dieser Verfassungsnorm verlangt den Vergleich von Lebenssachverhalten, die nicht in allen, sondern stets nur in einzelnen Elementen gleich sein können. Grundsätzlich ist es Sache des Gesetzgebers zu entscheiden, welche von diesen Elementen er als maßgebend für eine Gleich- oder Ungleichbehandlung ansieht. Bei der Überprüfung eines Gesetzes auf seine Vereinbarkeit mit dem Gleichheitssatz hat das zuständige Gericht daher nicht zu untersuchen, ob der Gesetzgeber die zweckmäßigste oder gerechteste Lösung gefunden, sondern nur, ob er die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit eingehalten hat (vgl zB BVerfGE 83, 395, 401). Er endet folglich erst dort, wo eine ungleiche (oder gleiche) Behandlung geregelter Sachverhalte unter Berücksichtigung aller Umstände nicht mehr mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise zu vereinbaren ist (vgl BVerfGE 53, 164, 178 f).
Gemessen an diesen Kriterien ist der Personenkreis, dem der Kläger angehört, im Vergleich zu anderen Personenkreisen nicht sachwidrig behandelt worden.
Soweit hier entscheidungserheblich, wird durch § 300 Abs 3 SGB VI eine Stichtagsregelung getroffen. Diejenigen, die eine Korrektur ihrer Rentenberechnung (welche die Ermittlung von Entgeltpunkten erfordert) bis zum 31. März 1992 geltend gemacht haben, wurden noch nach altem Recht behandelt. Diejenigen, die erst nach diesem Zeitpunkt einen Antrag stellen, unterliegen dem neuen Recht.
Stichtagsregelungen sind grundsätzlich verfassungsrechtlich zulässig, denn jede gesetzliche Regelung, die sich auf Sachverhalte von einiger Dauer bezieht, muß neben dem Datum des Inkrafttretens zusätzlich bestimmen, welche Tatbestandsmerkmale für die Anwendung des alten oder des neuen Rechts maßgeblich sein sollen. Dabei muß hingenommen werden, daß jeder Stichtag unvermeidlich gewisse Härten mit sich bringt (vgl BVerfGE 59, 275 unter Hinweis auf BVerfGE 3, 148; 46, 307; 49, 275; vgl ferner BVerfGE 79, 219; 80, 311).
Unter diesen Gesichtspunkten erscheint die Unterscheidung zwischen Versicherten, die bis zum 31. März 1992 einen Antrag gestellt haben und den übrigen vor der Verfassung gerechtfertigt, zumal die Betroffenen durch dynamisierten Besitzschutz gesichert sind. Andere, die Gleichbehandlung besser sichernde Lösungen sind zwar denkbar (s oben), würden aber zu zusätzlichen Schwierigkeiten führen, so daß der Gesetzgeber von Verfassungs wegen im Rahmen seines weiten Gestaltungsspielraums nicht gehindert war, die Regelung in § 300 SGB VI zu treffen. Dieses Ergebnis entspricht auch der zu vergleichbaren Normen ergangenen Rechtsprechung des BSG (vgl ausführlich BSG SozR 3-5750 Art 2 § 12b Nr 2 mwN).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen