Entscheidungsstichwort (Thema)
Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein. Vergütungsanspruch des privaten Arbeitsvermittlers. Entscheidung über die Auszahlung der Vermittlungsvergütung. Verwaltungsakt. Geltendmachung -Nichtanwendbarkeit der Ausschlussfrist des § 326 Abs 1 SGB 3 für Maßnahmeträger. erfolgsbezogene Vergütung
Leitsatz (amtlich)
1. Die für Träger von Maßnahmen der Arbeitsförderung geltende Ausschlussfrist von sechs Monaten zur Vorlage entscheidungserheblicher Unterlagen ist auf erfolgsbezogen zu vergütende Maßnahmen wie die private Arbeitsvermittlung nicht anwendbar.
2. Die Entscheidung über die Zahlung einer Vergütung an einen privaten Arbeitsvermittler, der einen Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein vorlegt, ist als Verwaltungsakt zu qualifizieren.
Normenkette
SGB 3 § 21; SGB 3 § 45 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, Abs. 4 S. 3 Nr. 2, Abs. 6 Sätze 1, 3; SGB 3 § 326 Abs. 1; SGB 10 § 31 S. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 10. März 2016 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.
Der Streitwert wird auf 1000 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Zahlung der ersten Rate in Höhe von 1000 Euro als Vergütung aus einem Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein, der dem Beigeladenen von der Beklagten erteilt wurde.
Die Klägerin betreibt eine private Arbeitsvermittlung, die sie bereits im Jahr 2008 als Gegenstand ihres Gewerbes angezeigt hatte. Am 3.9.2012 ist sie zudem von der Zertifizierungsstelle der Beklagten als Träger nach dem Recht der Arbeitsförderung für den Fachbereich Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung zugelassen worden.
Am 13.4.2012 erteilte die Beklagte dem Beigeladenen einen Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein über 2000 Euro für die Arbeitsvermittlung in eine versicherungspflichtige Beschäftigung im Bundesgebiet mit Gültigkeit vom 13.4.2012 bis 12.7.2012.
Der Gutschein enthielt unter anderem einen mit "Nebenbestimmungen - Ausschlussfrist" überschriebenen Hinweis darauf, dass die Zahlung der Vermittlungsvergütung (Einlösung des Aktivierungs- und Vermittlungsgutscheins) durch den Träger (private Arbeitsvermittlung) nach erstmaligem Vorliegen der Zahlungsvoraussetzungen zu beantragen sei; innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten (§ 326 SGB III) seien die Unterlagen, die für die abschließende Entscheidung über den Umfang der zu erbringenden Leistung notwendig seien, einzureichen, die Frist beginne jeweils mit Ablauf des Kalendermonats, in dem die für die Zahlung geforderte Beschäftigungsdauer erfüllt sei.
Am 16.4.2012 schloss der zu dieser Zeit arbeitslose Beigeladene mit der Klägerin einen Vermittlungsvertrag. Ein Arbeitgeber bestätigte unter dem 5.6.2012, dass er auf Vermittlung der Klägerin mit dem Beigeladenen am 24.4.2012 einen Arbeitsvertrag für die Zeit vom 24.4.2012 bis 24.7.2012 geschlossen hat.
Den Antrag der Klägerin vom 30.5.2013, für die Vermittlung des Beigeladenen eine Vergütung in Höhe von zunächst 1000 Euro zu zahlen, lehnte die Beklagte unter Hinweis auf § 326 SGB III als verspätet ab (Schreiben vom 17.6.2013) und verwarf den Widerspruch gegen diese Ablehnung als unzulässig (Widerspruchsbescheid vom 14.8.2013). Die Entscheidung über die Zahlung bzw Nichtzahlung der in Rechnung gestellten Vermittlungsvergütung stelle keinen Verwaltungsakt gegenüber dem Träger der privaten Arbeitsvermittlung dar. Die Unterstützung einer beruflichen Eingliederung durch die Vermittlung in eine versicherungspflichtige Beschäftigung sei eine Förderleistung an Arbeitnehmer. Die Förderzusicherung bestehe nur gegenüber dem Arbeitnehmer. Die Bundesagentur stehe in keiner Beziehung zum Träger der privaten Arbeitsvermittlung.
Das SG hat die dagegen erhobene Klage mit elf weiteren Klageverfahren, in denen die Klägerin Ansprüche auf Zahlung einer Vergütung geltend gemacht hat, zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. In sieben dieser Fälle hat es die Beklagte unter Aufhebung der Ablehnungsbescheide verurteilt, der Klägerin jeweils die erste Rate aus den Vermittlungsgutscheinen in Höhe von insgesamt 7000 Euro zu zahlen und die weiteren Klagen abgewiesen (Urteil vom 27.3.2014).
Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG die sieben Verfahren, in denen das SG die Beklagte verurteilt hatte, wieder getrennt und im vorliegenden Verfahren - wie auch in den sechs weiteren Parallelverfahren - die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 10.3.2016). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten sei der Widerspruch der Klägerin gegen die Ablehnung ihres Vergütungsantrages zulässig gewesen, weil es sich bei dessen Ablehnung unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG zu § 421g SGB III aF um einen Verwaltungsakt iS von § 31 Satz 1 SGB X handele. Die Klägerin habe gem § 45 SGB III auch einen Anspruch auf Auszahlung eines Teilbetrages in Höhe von 1000 Euro aus dem Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein, der dem Beigeladenen erteilt wurde. Der private Arbeitsvermittler könne seinen Vergütungsanspruch weiterhin selbst gegenüber der Arbeitsagentur geltend machen, da die Vergütungsregelungen aus § 421g SGB III aF in § 45 Abs 6 SGB III übernommen worden seien. § 326 SGB III stehe dem Anspruch nicht entgegen. Diese Vorschrift sei auf den Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein nicht anzuwenden, weil die Klägerin schon kein Maßnahmeträger im Sinne dieser Vorschrift sei. Außerdem enthalte § 45 Abs 4 Satz 5 SGB III eine speziellere Regelung der Vorlage- und Abrechnungsverpflichtung. Die Anwendbarkeit des § 326 SGB III ergebe sich auch nicht aus den mit "Nebenbestimmung" überschriebenen Hinweisen im Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein, da diese in Bezug auf die Klägerin keine Wirkung entfalten würden.
Mit ihrer vom LSG zugelassenen Revision macht die Beklagte eine Verletzung von § 45 SGB III und § 31 SGB X geltend. Die Entscheidung über die Gewährung oder Versagung der Vermittlungsvergütung sei jedenfalls im Verhältnis zum privaten Arbeitsvermittler kein anfechtbarer Verwaltungsakt. Entgegen der Auffassung des LSG sei die Ausschlussfrist des § 326 Abs 1 SGB III auf den Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein anwendbar, weil die Klägerin Träger im Sinne dieser Vorschrift sei. Diese Frist werde nicht durch § 45 Abs 4 Satz 5, Abs 6 Satz 5 SGB III verdrängt, weil es sich hierbei nur um eine rechtsbegründende und nicht - wie bei § 326 Abs 1 SGB III - um eine rechtsvernichtende Frist handele.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 10. März 2016 aufzuheben, das Urteil des Sozialgerichts Leipzig teilweise aufzuheben, soweit damit der Bescheid der Beklagten vom 17. Juni 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. August 2013 aufgehoben und die Beklagte zur Zahlung der Vermittlungsvergütung an die Klägerin (auch) für die Vermittlung des Beigeladenen verurteilt wurde, und die Klage insgesamt abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.
Der Beigeladene hat sich im Revisionsverfahren nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Das LSG hat zu Recht die Berufung der Beklagten gegen ihre Verurteilung durch das SG zur Zahlung von 1000 Euro zurückgewiesen.
Richtige Klageart ist, wie von SG und LSG zu Recht angenommen, die Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1, 4 SGG). Die Ablehnung der Zahlung von 1000 Euro als Vergütung aus dem gegenüber dem Beigeladenen erstellten Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein (Schreiben der Beklagten vom 17.6.2013) ist als Verwaltungsakt zu qualifizieren.
Ein Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist (§ 31 Satz 1 SGB X). Alle diese Merkmale erfüllt das Schreiben vom 17.6.2013. Als Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmende Behörde iS von § 1 Abs 2 SGB X ist die Agentur für Arbeit L. unter Anwendung des dem öffentlichen Recht zuzuordnenden SGB III im Einzelfall der Klägerin und mit Rechtswirkung für die Klägerin - und damit "nach außen" - hoheitlich tätig geworden.
Die Ablehnung des von der Klägerin geltend gemachten Zahlungsanspruchs stellt auch eine Regelung dar. Anders, als es die Beklagte andeutet, ist das Schreiben nicht als sogenanntes "schlicht hoheitliches Verhalten" zu qualifizieren, worin kein Verwaltungsakt zu sehen wäre. Solche auch als "Realakte" bezeichneten Verwaltungsmaßnahmen zeichnen sich dadurch aus, dass ihnen eine Regelung fehlt, weil sie nicht darauf abzielen, Rechtswirkungen zu schaffen (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, Anhang § 54 RdNr 7; Engelmann in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 31 RdNr 23 ff, 60). Demgegenüber hat die Beklagte mit dem Schreiben vom 17.6.2013 auf einen Antrag der Klägerin geprüft, ob die im Einzelnen in § 45 Abs 6 Satz 3 ff SGB III genannten gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen für die Auszahlung der beantragten Leistung vorliegen, und ob dieser Auszahlung verfahrensrechtliche Hindernisse entgegenstehen, die die Beklagte letztlich in § 326 SGB III gesehen hatte. Mit der Mitteilung des Ergebnisses dieser komplexen Prüfung hat die Beklagte ersichtlich auch eine Rechtsfolge (ausführlich dazu Engelmann in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 31 RdNr 23 mwN) setzen wollen, nämlich festzulegen, dass der Klägerin dieser Rechtsanspruch verbindlich nicht zusteht. Dies erfüllt alle Merkmale eines Verwaltungsakts (so im Ergebnis - allerdings ohne näherer Begründung - bereits BSG vom 6.4.2006 - B 7a AL 56/05 R - BSGE 96, 190 = SozR 4-4300 § 421g Nr 1, RdNr 10; zuletzt BSG vom 11.12.2014 - B 11 AL 1/14 R; in diesem Sinne auch Kador in Mutschler/Schmidt-De Caluwe/Coseriu, SGB III, 6. Aufl 2017, § 45 RdNr 125; Rademacker in Hauck/Noftz, SGB III, K § 45 RdNr 137, 183, Stand Mai 2012).
Zu diesem (hoheitlichen) Handeln durch Verwaltungsakt war die Beklagte befugt. Ein Handeln der Verwaltung durch Verwaltungsakt ist nur zulässig, wenn diese Handlungsform durch Gesetz gestattet ist (vgl BSG vom 27.5.2008 - B 2 U 11/07 R - BSGE 100, 243 = SozR 4-2700 § 150 Nr 3, RdNr 12, mwN). Soweit die Verwaltung - wie hier - nicht ausdrücklich zur Regelung durch Verwaltungsakt ermächtigt ist, muss jedenfalls aus der Systematik des Gesetzes und der Eigenart des zwischen den Beteiligten bestehenden Rechtsverhältnisses zu ersehen sein, dass sie berechtigt sein soll, in dieser Form tätig zu werden (vgl BSG vom 27.5.2008 - B 2 U 11/07 R - BSGE 100, 243 = SozR 4-2700 § 150 Nr 3, RdNr 12). Insbesondere wenn zwischen Verwaltung und Adressat ein Subordinationsverhältnis besteht, also ein Verhältnis der Über- und Unterordnung, ist von der Befugnis durch Verwaltungsakt zu entscheiden, auszugehen (so BSG vom 8.9.2015 - B 1 KR 36/14 R - SozR 4-2500 § 140 Nr 1 RdNr 9; BSG vom 31.5.2016 - B 1 KR 38/15 R, BSGE ≪vorgesehen≫ = SozR 4-7912 § 96 Nr 1, RdNr 11).
Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Rechtsgrundlage des geltend gemachten Anspruchs sind die Regelungen des § 45 Abs 6 Satz 3 ff SGB III, die im Einzelnen die Voraussetzungen eines Zahlungsanspruches des privaten Arbeitsvermittlers auf die Vermittlungsvergütung gegenüber der Bundesagentur regeln. Dabei handelt es sich um einen öffentlich-rechtlichen Anspruch (Rademacker in Hauck/Noftz, SGB III, K § 45 RdNr 136, 183, Stand Mai 2012), der abschließend und besonderen Vereinbarungen oder Gestaltungen nicht zugänglich ist. Soweit angenommen wird, dass das Rechtsverhältnis zwischen Bundesagentur und Maßnahmeträger über Eingliederungsleistungen nach § 45 SGB III im Grundsatz privatrechtlicher Natur ist (so etwa Bieback in Gagel, SGB II/SGB III, § 45 SGB III RdNr 351 ff, Stand März 2013), gilt dies jedenfalls nicht für den Anspruch des privaten Arbeitsvermittlers auf Vermittlungsvergütung gegenüber der Bundesagentur. Insoweit ist wegen § 45 Abs 6 Satz 3 ff, SGB III von einem Subordinationsverhältnis auszugehen, wodurch die Befugnis, durch Verwaltungsakt handeln zu dürfen, impliziert wird.
Insofern ist das Verhältnis Maßnahmeträger zur Bundesagentur nicht anders zu beurteilen als das Verhältnis Maßnahmeteilnehmer zur Bundesagentur. Hierzu hat der Senat bereits entschieden, dass die Ausstellung eines Vermittlungsgutscheins einen Verwaltungsakt darstellt (vgl BSG vom 11.3.2014 - B 11 AL 19/12 R - BSGE 115, 185 = SozR 4-4300 § 421g Nr 5, RdNr 17 f). An dieser noch zu § 421g SGB III ergangenen Rechtsprechung ist auch nach der Einbeziehung des Förderungsinstrumentes Vermittlungsgutschein in die Konzeption der Aktivierungs- und Eingliederungsmaßnahmen nach § 45 SGB III festzuhalten. Denn der Gesetzgeber ist bei der Nachfolgeregelung ausdrücklich von einer verbindlichen Förderzusage durch den Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein - und damit von einem Verwaltungsakt - ausgegangen (vgl BT-Drucks 17/6277 S 93; auch dazu bereits Senatsurteil vom 11.3.2014 - B 11 AL 19/12 R - BSGE 115, 185 = SozR 4-4300 § 421g Nr 5, RdNr 19).
Gründe, die einer Entscheidung in der Sache entgegenstehen könnten, sind nicht ersichtlich. Insbesondere ist das nach § 78 SGG erforderliche Widerspruchsverfahren durchgeführt worden, wobei ohne Bedeutung ist, dass die Beklagte den Widerspruch als unzulässig verworfen hat, denn § 78 SGG verlangt nicht einen Widerspruchsbescheid, der frei von Rechtsfehlern ist (vgl Sächsisches LSG vom 3.11.2016 - L 3 AL 111/14 - RdNr 26; BSG vom 24.11.2011 - B 14 AS 151/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 54 RdNr 9).
Streitgegenstand ist (nur) der Anspruch der Klägerin auf Auszahlung eines Teilbetrages in Höhe von 1000 Euro als erste Rate. Denn nur hierüber hat die Beklagte durch den angefochtenen Bescheid entschieden und nur diese Leistung macht die Klägerin geltend. Der 7a. Senat des BSG hat zwar auch die zweite Rate in Höhe weiterer 1000 Euro als vom Streitgegenstand mitumfasst angesehen, allerdings in einem Fall, in dem eine (generelle) Ablehnung erfolgte, die mit der Unwirksamkeit des Vermittlungsvertrags begründet wurde (vgl BSG vom 6.4.2006 - B 7a AL 56/05 R = BSGE 96, 190 = SozR 4-4300 § 421g Nr 1, RdNr 10). Doch ist dies nicht anzunehmen, wenn - wie hier - allein die nicht rechtzeitige Geltendmachung des Anspruchs im Streit steht. Die Rechtslage kann sich in diesem Fall wegen der unterschiedlichen Fälligkeitszeitpunkte für die erste und zweite Rate jeweils anders darstellen, was auch die Möglichkeit bedingt, nur eine der Raten geltend zu machen.
In der Sache hat die Klägerin einen Anspruch auf Auszahlung des ersten Teilbetrages in Höhe von 1000 Euro aus dem Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein vom 13.4.2012, der dem Beigeladenen erteilt wurde. Der Ablehnungsbescheid ist daher rechtswidrig und das SG hat die Beklagte zu Recht unter Aufhebung dieses Bescheids zur Zahlung von 1000 Euro verurteilt.
Anspruchsgrundlage ist § 45 SGB III in der ab 1.4.2012 geltenden Fassung des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20.12.2011 (BGBl I 2854). Nach § 45 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB III können Arbeitslose bei Teilnahme an Maßnahmen gefördert werden, die ihre berufliche Eingliederung durch Vermittlung in eine versicherungspflichtige Beschäftigung unterstützen (Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung). Die Förderung umfasst nach § 45 Abs 1 Satz 4 SGB III die Übernahme der angemessenen Kosten für die Teilnahme, soweit dies für die berufliche Eingliederung notwendig ist. Die Agentur für Arbeit kann nach § 45 Abs 4 Satz 1 SGB III dem Berechtigten das Vorliegen der Voraussetzung für eine Förderung nach Abs 1 bescheinigen und Maßnahmeziel und -inhalt durch einen Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein festlegen. Ein Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein kann - wie es hier der Fall ist - nach § 45 Abs 4 Satz 3 Nr 2 SGB III zur Auswahl eines Trägers berechtigen, der eine ausschließlich erfolgsbezogen vergütete Arbeitsvermittlung in versicherungspflichtige Beschäftigung anbietet. Bei einer erfolgreichen Arbeitsvermittlung in eine versicherungspflichtige Beschäftigung durch einen vom Berechtigten ausgewählten Träger iS von § 45 Abs 4 Satz 3 Nr 2 SGB III beträgt die Vergütung 2000 Euro (§ 45 Abs 6 Satz 3 SGB III). Diese Vergütung wird gemäß § 45 Abs 6 Satz 5 SGB III in Höhe von 1000 Euro nach einer sechswöchigen und der Restbetrag nach einer sechsmonatigen Dauer des Beschäftigungsverhältnisses gezahlt. Der ausgewählte Träger hat gemäß § 45 Abs 4 Satz 5 SGB III der Agentur für Arbeit den Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein nach erstmaligem Vorliegen der Auszahlungsvoraussetzungen vorzulegen.
Der Zahlungsanspruch des privaten Arbeitsvermittlers gegen die Beklagte hat also auch nach § 45 SGB III - entsprechend der Vorgängerregelung in § 421g SGB III - zusammenfassend folgende Voraussetzungen: Erstens die Ausstellung eines Aktivierungs- und Vermittlungsgutscheins; zweitens ein wirksamer, vor Beginn der Vermittlungstätigkeit abgeschlossener schriftlicher Vermittlungsvertrag mit daraus resultierendem Zahlungsanspruch des Vermittlers gegen den Arbeitnehmer; drittens innerhalb der Geltungsdauer des Aktivierungs- und Vermittlungsgutscheins die erfolgreiche Vermittlung in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung mit mindestens 15 Wochenstunden; viertens für die Auszahlung der ersten Rate eine sechswöchige Dauer des Beschäftigungsverhältnisses (BSG vom 11.3.2014 - B 11 AL 19/12 R - BSGE 115, 185 = SozR 4-4300 § 421g Nr 5, RdNr 14 mwN). Für bis einschließlich 31.12.2012 erfolgte Vermittlungen erfordert gem der Übergangsregelung in § 443 Abs 3 Satz 4 SGB III ein Anspruch auf Vergütung zudem, dass der Träger zum Zeitpunkt der Vermittlung die Arbeitsvermittlung als Gegenstand seines Gewerbes angezeigt hat (vgl dazu Urmersbach in Eicher/Schlegel, SGB III nF, § 45 RdNr 193, Stand September 2015), aber noch keine Zulassung durch eine Zertifizierungsstelle nach dem ab 1.4.2012 geltenden § 176 Abs 1 SGB III.
Diese Anspruchsvoraussetzungen liegen hier nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG vor, sodass dem Grunde nach ein Anspruch auf Zahlung der ersten Rate von 1000 Euro besteht. Dem Beigeladenen ist am 13.4.2012 ein Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein ausgestellt worden mit einer Gültigkeitsdauer bis zum 12.7.2012. Am 16.4.2012 schlossen die Klägerin, die die Arbeitsvermittlung als Gegenstand ihres Gewerbes bereits im Jahr 2008 angezeigt hatte, und der Beigeladene einen wirksamen Vermittlungsvertrag, aufgrund dessen die Klägerin den Beigeladenen in eine am 24.4.2012 beginnende sozialversicherungspflichtige Beschäftigung vermittelte (Arbeitsvertrag für die Zeit vom 24.4.2012 - 24.7.2012). Nach den Feststellungen des LSG, bestätigt durch Klägerin und Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung, ist weiter davon auszugehen, dass der Beigeladene mindestens sechs Wochen tatsächlich beschäftigt war. Ausschlussgründe nach § 45 Abs 6 Satz 6 SGB III sind nicht ersichtlich.
Entgegen der Auffassung der Beklagten steht dem Anspruch nicht entgegen, dass der Antrag auf diese Vergütung erst am 30.5.2013 gestellt wurde. In § 45 SGB III findet sich keine (Ausschluss-) Frist zur Geltendmachung der Vermittlungsvergütung. Die in § 326 SGB III unter der Überschrift "Ausschlussfrist für Gesamtabrechnung" geregelte Frist ist entgegen der Auffassung der Beklagten auf Leistungen für eine erfolgsbezogen zu vergütende Maßnahme wie die Arbeitsvermittlung nicht anwendbar.
§ 326 Abs 1 Satz 1 SGB III bestimmt, dass für Leistungen an einen Maßnahmeträger dieser der Agentur für Arbeit innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten die Unterlagen vorzulegen hat, die für eine abschließende Entscheidung über den Umfang der zu erbringenden Leistungen erforderlich sind (Gesamtabrechnung). Die Frist beginnt mit Ablauf des Kalendermonats, in dem die Maßnahme beendet worden ist (§ 326 Abs 1 Satz 2 SGB III). Erfolgt die Gesamtabrechnung nicht rechtzeitig, sind nach § 326 Abs 2 SGB III die erbrachten Leistungen vom Träger in dem Umfang zu erstatten, in dem die Voraussetzungen für die Leistungen nicht nachgewiesen worden sind.
Schon nach dem Wortlaut ist die Anwendung dieser Regelung auf die Vermittlungsvergütung eines privaten Arbeitsvermittlers zweifelhaft. Zwar ist dieser als Maßnahmeträger im Sinne der Vorschrift anzusehen, was sich aus § 21 SGB III iVm § 45 SGB III ergibt, denn auch die in § 45 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB III genannte Vermittlung in eine versicherungspflichtige Beschäftigung ist als Maßnahme der Arbeitsförderung iS von § 21 SGB III anzusehen und zudem wird der private Arbeitsvermittler ausdrücklich als Träger bezeichnet (vgl nur Urmersbach in Eicher/Schlegel, SGB III nF, § 45 RdNr 190 ff, Stand September 2015; Rademacker in Hauck/Noftz, SGB III, K § 45 RdNr 119, Stand Mai 2012). Doch erfordert die Vergütung eines Arbeitsvermittlers keine Gesamtabrechnung, sondern steht in ihrer Höhe von vornherein fest, weil sie nicht aufwands- sondern erfolgsbezogen gewährt wird. Eine vorläufige Entscheidung, die von der in § 326 Abs 1 Satz 1 SGB III ausdrücklich genannten abschließenden Entscheidung abweichen könnte, ist deshalb ebenfalls nicht denkbar. Unklar bleibt zudem, wann bei einer die Vergütungspflicht auslösenden erfolgreichen Arbeitsvermittlung von der Beendigung der Maßnahme als Anknüpfungspunkt des Fristbeginns auszugehen sein soll. Der sicheren Bestimmung von Beginn und Ende einer Frist kommt gerade im Rahmen von Fristenreglungen besondere Bedeutung zu. Eine bestimmte Dauer der Beschäftigung kann allerdings - entgegen der Auffassung der Beklagten - kaum als das für den Fristbeginn maßgebliche Ende der Maßnahme iS von § 326 Abs 1 Satz 2 SGB III angesehen werden. Denn die Tätigkeit des Vermittlers als Träger dürfte bereits mit dem Abschluss des auf seine Vermittlung zustande gekommenen Arbeitsvertrags, spätestens aber mit Aufnahme der Beschäftigung durch den Berechtigten, beendet sein. Auf die Dauer der Beschäftigung, von der entscheidend abhängt, ob der Vergütungsanspruch überhaupt entsteht, erstreckt sich die Tätigkeit des Vermittlers bereits nicht mehr.
Aus Entstehungsgeschichte und Gesetzesentwicklung ergeben sich keine Hinweise auf eine Anwendung von § 326 SGB III im Regelungszusammenhang der privaten Arbeitsvermittlung. Während § 326 SGB III bereits zum 1.1.1998 mit der Eingliederung des Arbeitsförderungsrechts in das SGB in Kraft getreten und seitdem inhaltlich nicht mehr verändert wurde, erfolgte die Eingliederung der Förderung auch der privaten Arbeitsvermittlung in § 45 SGB III erst zum 1.4.2012 und geht zurück auf die zeitlich befristete Sonderregelung zum Vermittlungsgutschein in § 421g SGB III. Hiermit war ein neues Instrument geschaffen worden, mit dem zunächst Erfahrungen gesammelt werden sollten (vgl zur Rechtsentwicklung nur Urmersbach in Eicher/Schlegel, SGB III nF, § 45 RdNr 24, Stand Juli 2013; Rademacker in Hauck/Noftz, SGB III, K § 45 RdNr 5, 21, Stand Mai 2012). Diese und auch weitere zum Teil grundlegende Neu- und Umgestaltungen der Arbeitsmarktinstrumente hat der Gesetzgeber in den verfahrensrechtlichen Regelungen des Neunten Kapitels des SGB III - auch was die Trägerleistungen angeht - allerdings nicht nachvollzogen. Dies gilt insbesondere für die in § 45 SGB III enthaltenen "Gutscheinlösungen" (vgl dazu Kallert in Gagel, SGB II/SGB III, § 326 RdNr 5, Stand September 2013). Hinweise auf eine beabsichtigte uneingeschränkte Anwendung der für die überkommenen Förderungsinstrumente konzipierten Verfahrensregelungen auf die neuen Förderinstrumente fehlen.
Gegen die Anwendung von § 326 SGB III auf Ansprüche auf Vergütung aus einem Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein wegen einer Arbeitsvermittlung sprechen schließlich entscheidend Systematik sowie Sinn und Zweck der Regelung. Als Ziel von § 326 SGB III ist in der Gesetzesbegründung ausdrücklich beschrieben dazu beizutragen, dass Träger von geförderten Maßnahmen daran mitwirken, erforderliche Entscheidungen insbesondere hinsichtlich der Leistungshöhe zeitnah treffen zu können (BT-Drucks 13/4941 S 212; dazu Leitherer in Eicher/ Schlegel, SGB III nF, § 326 RdNr 1, 22 ff, Stand Juni 2014). Die Vorschrift geht nach ihrer Ratio also von einem aufwandsbezogenen Anspruch aus, dessen Höhe von verschiedenen Faktoren abhängen kann. Diese sind im Einzelnen zu ermitteln, wofür es der Mitwirkung des Trägers bedarf, dem es obliegt, seinen Aufwand anzugeben und nachzuweisen (vgl Leitherer in Eicher/Schlegel, SGB III nF, § 326 RdNr 1, 23, Stand Juni 2014; Kallert in Gagel, SGB II/SGB III, § 326 RdNr 7 ff, Stand September 2013). Bei aufwandsbezogen zu vergütenden Aktivierungsmaßnahmen ist hierfür ein entsprechender Anwendungsbereich eröffnet. Denn insoweit haben sich die Träger bereits zu Beginn der Maßnahme nach § 45 Abs 4 Satz 4 SGB III unter Vorlage des Aktivierungs- und Vermittlungsgutscheins an die Bundesagentur zu wenden und erhalten ggf Vergütungen vorab.
Demgegenüber kann sich der Arbeitsvermittler gemäß § 45 Abs 4 Satz 5 SGB III erst an die Bundesagentur wenden, wenn alle Voraussetzungen für den Vergütungsanspruch vollständig vorliegen. Die Leistungshöhe folgt unmittelbar aus dem Gesetz. Besondere Mitwirkungspflichten oder Obliegenheiten des Arbeitsvermittlers, die sich auf die Ermittlung seines Aufwands beziehen und die durch eine Ausschlussfrist sanktioniert werden könnten, bestehen demnach nicht. Die Anwendung der auf die Durchsetzung solcher Pflichten gerichteten Vorschrift des § 326 SGB III ist damit nach deren Konzeption nicht gerechtfertigt. Ihr käme die Wirkung einer anlasslosen isolierten Ausschlussfrist für die Geltendmachung des Anspruchs dem Grunde nach zu. Eine solche erfordert eine eindeutige gesetzliche Regelung, an der es fehlt.
Kein anderes Ergebnis folgt schließlich aus den als "Nebenbestimmung" bezeichneten Ausführungen zu § 326 SGB III in dem Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein, der dem Beigeladenen erteilt wurde. Denn diese stellen, wie vom LSG zutreffend erkannt, lediglich einen Hinweis auf die aus Sicht der Beklagten bestehenden Rechtslage dar, dem nicht der Charakter einer Auflage iS des § 32 Nr 4 SGB X mit einem selbstständigen, vom Ausgangsverwaltungsakt unabhängigen Regelungsgehalt (vgl Engelmann in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 32 RdNr 23 ff) zukommt. Es kann daher offen bleiben, ob im Falle der Wirksamkeit einer solchen Nebenbestimmung dieser für den Vergütungsanspruch des Vermittlers überhaupt eine Bedeutung zukommt, was fraglich erscheint, weil der Vermittler - worauf das LSG ebenfalls zu Recht hingewiesen hat - nicht Adressat des Aktivierungs- und Vermittlungsgutscheins ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG iVm § 154 Abs 2, § 162 Abs 3 VwGO. Der private Vermittler ist kein Leistungsempfänger iS des § 183 SGG. Bei der Vergütung aus dem Vermittlungsgutschein handelt es sich um eine Vergütung aus wirtschaftlicher Betätigung (BSG vom 6.4.2006 - B 7a AL 56/05 R - BSGE 96, 190 = SozR 4-4300 § 421g Nr 1, RdNr 21; BSG vom 16.2.2012 - B 4 AS 77/11 R - SozR 4-4200 § 16 Nr 10 RdNr 30). Eines besonderen sozialen Schutzes im Rahmen des sozialgerichtlichen Kostenrechts, auf den die Kostenprivilegierung des § 183 SGG abzielt, bedarf es deshalb bezogen auf den privaten Arbeitsvermittler nicht.
Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 197a SGG iVm § 52 Abs 3, § 47 Abs 1 GKG.
Fundstellen
Haufe-Index 11022599 |
BSGE 2018, 216 |