Entscheidungsstichwort (Thema)
Gleichstellung von Beschäftigungszeiten gemäß § 107 S. 1 Nr. 4 AFG
Leitsatz (amtlich)
Die Gleichstellung mit einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gemäß § 107 S 1 Nr 4 AFG entfällt nicht in der Zeit, in der ein Vertriebener von seinem ausländischen Betrieb zu einer beitragsfreien Beschäftigung in das Bundesgebiet entsandt wurde.
Normenkette
AFG § 107 S 1 Nr 4, § 107 Abs 1 S 1 Nr 4, § 173a; SGB 4 § 4; SGB 4 § 5; SGB 4 § 9 Abs 6; BVFG § 10 Abs 2 Nr 2
Verfahrensgang
Hessisches LSG (Entscheidung vom 31.03.1989; Aktenzeichen L 10 Ar 1239/85) |
SG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 23.08.1985; Aktenzeichen S 14 Ar 631/83) |
Tatbestand
Streitig ist die Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld (Alg). Die Klägerin war vom 1. Februar 1974 bis August 1979 bei einem Stadtgebietsgericht in Prag als Gerichtssekretärin beschäftigt. Ihr Ehemann wurde von der tschechoslowakischen Exportfirma S. im September 1979 als Repräsentant in die Bundesrepublik Deutschland nach I. entsandt. Die Klägerin begleitete ihren Ehemann und war in dieser Zeit ebenfalls in der Bundesrepublik für die Firma S. tätig. Sie führte ihrem Ehemann die Bücher. Ihr Gehalt und ihre Sozialabgaben wurden weiterhin von dem Stadtgebietsgericht gezahlt.
Im September 1981 entschlossen sich die Klägerin und ihr Ehemann, für immer in der Bundesrepublik zu bleiben. Sie verließen ihre bisherige Arbeitsstätte. Am 13. Oktober 1981 meldete sich die Klägerin, die inzwischen einen Vertriebenenausweis A erhalten hatte, arbeitslos und beantragte Alg. Mit Bescheid vom 16. Dezember 1982 bewilligte ihr die Beklagte daraufhin Alg für die Dauer von 120 Werktagen.
Mit ihrem Widerspruch begehrte die Klägerin ua Alg für die Dauer von 312 Werktagen. Mit Widerspruchsbescheid vom 19. Juni 1983 wurde der Widerspruch zurückgewiesen, weil die Klägerin in der Rahmenfrist vom 13. Oktober 1978 bis 12. Oktober 1981 nur eine Beschäftigungszeit von 292 Kalendertagen zurückgelegt habe. Die Zeit, in der sie in der Bundesrepublik beschäftigt gewesen sei, habe nicht berücksichtigt werden können.
Das Sozialgericht (SG) hat mit Urteil vom 23. August 1985 den Bescheid vom 16. Dezember 1982 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Juli 1983 und zwei Änderungsbescheide vom 30. Mai 1984 dahin geändert, daß Alg für die gesetzliche Höchstdauer zu gewähren sei. Mit dem einen Bescheid vom 30. Mai hatte die Beklagte das bisher gewährte Alg und mit dem anderen Bescheid die der Klägerin gewährte Arbeitslosenhilfe erhöht. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Sein Urteil vom 31. März 1989 hat es im wesentlichen wie folgt begründet: Nach § 106 Abs 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) in der bis zum 31. Dezember 1982 geltenden Fassung vom 23. Juli 1979 (BGBl I 1189) richte sich die Dauer des Anspruchs auf Alg nach der Dauer der die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung innerhalb der Rahmenfrist. So begründeten Beschäftigungszeiten von 270 Kalendertagen eine Anspruchsdauer von 120 Tagen und Beschäftigungszeiten von wenigstens 720 Kalendertagen eine solche von 312 Tagen. Die Rahmenfrist umfasse den Zeitraum vom 13. Oktober 1978 bis 12. Oktober 1981. In dieser Zeit habe die Klägerin bis einschließlich August 1981 Zeiten zurückgelegt, die gem § 107 Satz 1 Nr 4 AFG den Zeiten einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gleichstünden. Die Klägerin sei als Vertriebene gem § 1 Abs 3 Bundesvertriebenengesetz (BVFG) anerkannt und zur Inanspruchnahme von Rechten und Vergünstigungen gem § 10 Abs 2 Nr 2 BVFG berechtigt. Sie habe auf jeden Fall, als sie unmittelbar beim Stadtgebietsgericht beschäftigt war, bis zum August 1979 eine Beschäftigung außerhalb des Gebiets des Deutschen Reiches nach dem Stande vom 31. Dezember 1937 ausgeübt. Nichts anderes gelte auch für die Zeit, in der sie für ihren Ehemann bei der Firma S. in der Bundesrepublik gearbeitet habe. Bei der wörtlichen Auslegung des § 107 Satz 1 Nr 4 AFG sei dies allerdings nicht der Fall. Diese Auslegung würde jedoch dem Sinn und Zweck der Vorschrift nicht gerecht. Mit der Regelung solle erreicht werden, daß Vertriebene hinsichtlich der in ihrem bisherigen Heimatstaat zurückgelegten Beschäftigungszeiten genauso gestellt würden, wie wenn sie diese Zeiten in der Bundesrepublik zurückgelegt hätten. Für die unmittelbare Beschäftigung bei dem Stadtgebietsgericht werde demzufolge auch von einer Gleichstellung mit Beschäftigungszeiten in der Bundesrepublik ausgegangen. Gleiches würde gelten, wenn die Klägerin als Beschäftigte einer tschechoslowakischen Firma für diese zB in der Schweiz eine bestimmte Zeit gearbeitet hätte. Die Beschäftigung in der Schweiz würde nämlich nach § 4 Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften - (SGB IV) als Ausstrahlung der Beschäftigung der tschechoslowakischen Firma angesehen und der bisherige Beschäftigungsort in der Tschechoslowakei würde gem § 9 Abs 6 SGB IV als fortbestehend angesehen. Die grundsätzliche Anwendung der §§ 4 und 9 SGB IV auch auf Fälle der vorliegenden Art ergebe sich aus der gewollten Gleichstellung der Vertriebenen durch § 107 AFG mit beitragspflichtigen Beschäftigten in der Bundesrepublik, sowie aus § 173a AFG, der die §§ 4 und 9 SGB IV für die Beitragspflicht für entsprechend anwendbar erkläre. Das müsse auch gelten, wenn die offizielle Beschäftigungsstelle - hier das Stadtgebietsgericht - und die eigentliche Arbeitgeberin (hier die Exportfirma) auseinanderfielen. Auch aus der weiteren Besonderheit, daß die Entsendung in die Bundesrepublik erfolgt sei, ergebe sich nichts anderes. Das wäre mit dem Sinn und Zweck des § 107 Satz 1 Nr 4 AFG nicht vereinbar. Im übrigen würden solche Vertriebenen zufällig und damit willkürlich benachteiligt, die von ihrem Heimatstaat aus nicht in irgendeinen Staat, sondern in die Bundesrepublik Deutschland entsandt worden seien.
Die Frage, wie die Beschäftigungszeit der Klägerin in der Bundesrepublik von dieser aus zu würdigen sei, könne, nachdem die Klägerin mittlerweile als Vertriebene hiergeblieben sei, nicht anders beantwortet werden als vorher. Es handele sich um einen Fall der Einstrahlung gem § 5 SGB IV iVm § 173a AFG. Daß die Klägerin nicht gem § 168 AFG beitragspflichtig gewesen sei, sei für die Regelung des § 107 Satz 1 Nr 4 AFG ohne Bedeutung. Es handele sich hier um zwei unterschiedliche Regelungsbereiche.
Daß die Klägerin von September 1979 bis August 1981 für die Firma S. in der Bundesrepublik als Buchhalterin ihres Ehemannes gearbeitet habe und dafür ihr Beschäftigungsverhältnis mit dem Stadtgebietsgericht Prag 9 unter Fortzahlung der Bezüge und der Sozialversicherungsbeiträge fortbestanden habe, stehe zur Überzeugung des Senats aufgrund der im Verwaltungsverfahren vorgelegten eidesstattlichen Erklärung sowie der Darlegungen der Klägerin und ihres Ehemannes fest.
Mit der Revision rügt die Beklagte eine Verletzung der §§ 106 Abs 1, 107 Satz 1 Nr 4 AFG, §§ 4 Abs 1, 9 Abs 6 SGB IV iVm § 173a AFG. Sie trägt vor, zu Unrecht habe das LSG für die fragliche Zeit eine Beschäftigungszeit der Klägerin gem § 107 Satz 1 Nr 4 AFG bejaht. Eine Beschäftigung außerhalb des ehemaligen Reichsgebiets habe die Klägerin in dieser Zeit nämlich gerade nicht ausgeübt. Die vom Berufungsgericht vorgenommene Gleichstellung übersteige die mögliche Grenze des Wortsinns der genannten Bestimmung. Sie unterlege dem Tatbestandsmerkmal "außerhalb" den gegensätzlichen Bedeutungsgehalt "innerhalb". Ein solches Subsumtionsergebnis lasse sich auch durch extensive Auslegung der Vorschrift nicht herbeiführen. Es stehe im Gegensatz zum Gesetz. Auch eine analoge Anwendung der Bestimmung komme nicht in Betracht. Denn die Beschränkung auf Beschäftigungen außerhalb des Gebietes des Deutschen Reiches nach dem Stande vom 31. Dezember 1937 führe zwingend zu dem Umkehrschluß, daß Beschäftigungen innerhalb dieses Gebietes vom Anwendungsbereich der Norm auszunehmen seien. Analogie und Umkehrschluß könnten aus Gründen der Logik und der Rechtssicherheit nicht nebeneinander Geltung beanspruchen. Bereits aus diesem Grunde könne eine Lücke im Gesetz, auf die sich eine die angefochtene Entscheidung rechtfertigende Analogie zu § 107 Satz 1 Nr 4 AFG stützen ließe, nicht festgestellt werden.
Eine solche Lücke liege auch nach dem Gesetzeszweck nicht vor. Die Unterscheidung zwischen Beschäftigungen in und außerhalb der Bundesrepublik Deutschland finde ihre Rechtfertigung in erster Linie darin, daß ein Arbeitnehmer in der Bundesrepublik nach deutschem Recht sozialversicherungspflichtig arbeiten und Anwartschaften in der Arbeitslosenversicherung erwerben könne. Damit entfalle der sachliche Grund, der den Gesetzgeber zur Gleichstellung der Beschäftigungszeiten gem § 107 Satz 1 Nr 4 AFG bewogen habe. Diese Auffassung werde auch durch die Entstehungsgeschichte und die systematische Stellung der Vorschrift gestützt. Vor Inkrafttreten des AFG seien Vertriebene in der Sozialversicherung und Arbeitslosenversicherung den Berechtigten nach § 90 BVFG gleichgestellt worden. Bei den Vertriebenen nach § 1 Abs 1 BVFG habe es sich nach dem zweiten Weltkrieg um deutsche Staatsangehörige oder deutsche Volkszugehörige gehandelt, deren Vertreibung im Zusammenhang mit dem Krieg erfolgt sei. Die bereits im ersten Weltkrieg Vertriebenen würden in § 2 BVFG nach Herkunftsländern aufgezählt. Da nicht alle Vertriebenen aus den Herkunftsländern die Bundesrepublik erreichen konnten, habe der Gesetzgeber zunächst die Regelung getroffen, daß diese Gruppen fiktiv den Vertriebenen nach Abs 1 gleichgestellt werden sollten. Diese Fiktion könne nur für Gebiete gelten, in denen Deutsche ohne Rücksicht auf ihre Gegnerschaft zum nationalsozialistischen System vertrieben worden seien. Dies seien nur die Ausweisungsgebiete des Potsdamer Abkommens gewesen. Da die übrigen Vertriebenen das westliche Deutschland hätten erreichen können, sei in den sechziger Jahren die einzige verbliebene Gruppe die der in den Staaten des Warschauer Paktes, Albanien und China lebenden Deutschen gewesen. Die Fiktion der Vertreibungseigenschaft habe daher aufgegeben werden können. Da die Vertreibungsmaßnahmen abgeschlossen seien, hätten weitere Vertriebene nur noch aus den in § 1 Abs 2 Nr 3 BVFG genannten Gebieten kommen können. Für die damalige Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung habe nur noch die Notwendigkeit bestanden, Beschäftigungszeiten dieses Personenkreises anzuerkennen. Mit Einführung des AFG habe § 107 Satz 1 Nr 4 AFG diese Verwaltungspraxis bestätigen sollen. Das werde auch dadurch unterstrichen, daß die gleiche Begrenzung auf Beschäftigungen in diesen Vertreibungsgebieten sich auch in anderen Gesetzen finde. Das gelte im besonderen im Gesetz zur Anpassung von Eingliederungsleistungen für Aussiedler und Übersiedler (Eingliederungsanpassungsgesetz), das zum 1. Januar 1990 in Kraft treten solle. Nach dem künftigen § 62a AFG könne nur ein Vertriebener, der nach dem BVFG Rechte und Vergünstigungen in Anspruch nehmen könne und aus den in § 1 Abs 2 Nr 3 des BVFG genannten, außerhalb des Gebietes des Deutschen Reiches nach dem Stande von 31. Dezember 1937 gelegenen Gebieten seinen Aufenthalt in dem Geltungsbereich dieses Gesetzes nehme, Anspruch auf Eingliederungsgeld haben. Alle Neuregelungen gingen vom gleichen Vertreibungsgebiet aus. Es sei deshalb nicht ersichtlich, weshalb der Gesetzgeber demgegenüber bei Verabschiedung des AFG im Jahre 1969 gerade in § 107 Satz 1 Nr 4 AFG Gleichstellungen über dieses Gebiet hinaus beabsichtigt haben sollte. Ihnen liege vielmehr der Gedanke zugrunde, daß denjenigen Personen deutscher Staats-und Volkszugehörigkeit, die aus politischen Gründen darin gehindert gewesen seien, in die Bundesrepublik auszureisen und dort ein beitragspflichtiges Beschäftigungsverhältnis aufzunehmen, Leistungen nach Maßgabe der bisherigen Beschäftigung gewährt werden sollten. Die Klägerin sei aber in der fraglichen Zeit gerade nicht darin gehindert gewesen, aus der Tschechoslowakei in die Bundesrepublik überzusiedeln und sich hier um eine beitragspflichtige Beschäftigung zu bemühen. Für die Annahme, das mit dem tschechoslowakischen Arbeitgeber geschlossene Arbeitsverhältnis strahle auch auf die Tätigkeit der Klägerin im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland aus, fehle es daher an einer tragfähigen Grundlage.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Hessischen LSG vom 31. März 1989 und das Urteil des SG Frankfurt vom 23. August 1985 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin ist in der Revisionsinstanz nicht vertreten.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist iS der Zurückverweisung begründet.
Gegenstand des Verfahrens sind der Bescheid vom 16. Dezember 1982 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Juli 1983, soweit mit ihnen die Gewährung von Alg für eine längere Anspruchsdauer als 120 Tage abgelehnt worden ist. Die Bescheide vom 30. Mai 1984 teilen das Schicksal der vorstehenden Bescheide, soweit das SG sie dahin geändert hat, daß Alg für die gesetzliche Höchstdauer zu gewähren ist.
In der Sache vermag der Senat nicht abschließend zu entscheiden. Die bisher getroffenen Feststellungen reichen für die Beurteilung nicht aus, ob die Klägerin Anspruch auf Alg für die gesetzliche Höchstdauer oder auf jeden Fall noch für mehr als die Dauer von 120 Tagen hat. Wenn, wie hier, eine Leistung von längerer Dauer begehrt wird, als sie bewilligt worden ist, genügt es nicht, nur diejenigen Faktoren für die Beurteilung des Klageanspruchs zu untersuchen, deren Berechtigung oder Bewertung mit der Klage beanstandet werden. Streitgegenstand ist die längere Dauer des Leistungsanspruchs. Dessen Begründetheit ist unter allen rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkten zu prüfen. Deshalb hat das Gericht alle für den von Rechts wegen bestehenden Anspruch maßgeblichen Tatsachen zu ermitteln. Nur auf dieser Grundlage läßt sich beurteilen, ob und ggf in welchem Umfang die Klage begründet ist. Hieran fehlt es. Bei einem sich auf eine bestimmte Zeit erstreckenden Anspruch bedarf es auch der Feststellung, ob Änderungen eingetreten sind, die auf den Klageanspruch Einfluß haben. Das gilt im besonderen Maße dann, wenn, wie hier, seit der Entscheidung der Verwaltungsbehörde ein längerer Zeitraum verstrichen ist. Deshalb kann entgegen der Auffassung des LSG den bisherigen Verwaltungsakten nicht entnommen werden, wie der Geschehensablauf nach ihrem Erlaß war. Daher bedarf es der Prüfung, ob und in welchem Umfang die Voraussetzungen für die Gewährung von Alg in dem hier von der Klägerin geltend gemachten Zeitraum vorgelegen haben. Liegen diese Voraussetzungen vor, dann hat die Klägerin allerdings entgegen der Auffassung der Beklagten für die von ihr geltend gemachte Dauer einen Anspruch auf Alg, es sei denn, der Anspruch ist erloschen oder kann nicht mehr geltend gemacht werden (§ 125 AFG).
Nach § 106 AFG in der hier maßgeblichen Fassung vom 23. Juli 1979 (BGBl I 1189) richtet sich die Dauer des Anspruchs auf Alg nach der Dauer der die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung innerhalb der Rahmenfrist; § 104 Abs 1 Satz 2 und 3 AFG gilt entsprechend. Hiernach begründen ua Beschäftigungszeiten von insgesamt mindestens 270 Kalendertagen eine Anspruchsdauer von 120 Tagen, eine solche von mindestens 356 Kalendertagen eine Anspruchsdauer von 156 Tagen, eine solche von mindestens 540 Kalendertagen eine Anspruchsdauer von 234 Tagen und eine solche von 720 Kalendertagen eine Anspruchsdauer von 312 Tagen.
Die Rahmenfrist umfaßt den Zeitraum vom 13. Oktober 1978 bis 12. Oktober 1981 (§ 104 Abs 2 und 3 AFG). Innerhalb der Rahmenfrist hat die Klägerin nicht gem § 168 AFG in einer die Beitragspflicht zur Bundesanstalt begründenden Beschäftigung gestanden. Das ist indes unschädlich. Nach § 107 Satz 1 Nr 4 AFG stehen den Zeiten einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung Zeiten einer Beschäftigung gleich, die ein Vertriebener, der nach den §§ 9 bis 12 des BVFG Rechte und Vergünstigungen in Anspruch nehmen kann, außerhalb des Gebietes des Deutschen Reiches nach dem Stande vom 31. Dezember 1937 ausgeübt hat. Das gilt allerdings nur dann, wenn die Beschäftigung bei einer Ausübung im Geltungsbereich dieses Gesetzes die Beitragspflicht des Arbeitnehmers begründet oder nach Satz 1 Nr 2 einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gleichgestanden hätte. Das war hier entgegen der Auffassung der Beklagten der Fall.
Der Senat teilt die Auffassung der Vorinstanzen, daß die Klägerin auch für die Zeit von September 1979 bis August 1981, als sie auf dem Gebiet der Bundesrepublik für die Exportfirma arbeitete, in der auch ihr Ehemann tätig war, die Voraussetzungen des § 107 Satz 1 Nr 4 AFG erfüllte. Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG war die Klägerin gem § 1 Abs 3 BVFG als Vertriebene anerkannt und zur Inanspruchnahme von Rechten und Vergünstigungen gem § 10 Abs 2 Nr 2 BVFG berechtigt. Daß die Klägerin mit ihrer Beschäftigung bei der Exportfirma als Buchhalterin eine Tätigkeit als Arbeitnehmerin ausgeübt hat und daß diese, wenn sie im Geltungsbereich des AFG ausgeübt worden wäre, beitragspflichtig gewesen wäre, ist nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG, die die Beklagte nicht angegriffen hat, nicht zweifelhaft (§ 163 SGG). Obwohl die Klägerin in der oa Zeit tatsächlich innerhalb des Bundesgebietes gearbeitet hat, hat sie ihre Beschäftigung iS von § 107 Satz 1 Nr 4 AFG rechtlich außerhalb des Gebietes des Deutschen Reiches nach dem Stande vom 31. Dezember 1937 ausgeübt. Ihr Beschäftigungsort im Rechtssinne ist nämlich Prag als der Sitz ihres Beschäftigungsbetriebes geblieben. Dies folgt aus den Vorschriften des SGB IV; denn die Frage, wo die Klägerin beschäftigt war, ist - wie das SG zutreffend ausgeführt hat - gemäß § 107 AFG nach deutschem Recht zu beurteilen.
Nach den Feststellungen des LSG war die Klägerin in der Zeit von September 1979 bis August 1981 von ihrem früheren Arbeitgeber, dem Stadtgebietsgericht Prag, an die Exportfirma S. und von dieser zeitweise zu einer Tätigkeit in I. entsandt worden. Hinsichtlich der Beitragspflicht zur Bundesanstalt (BA) gelten die in § 173a AFG aufgeführten Vorschriften des SGB IV. Es bestand keine Beitragspflicht während der Beschäftigung in I. ; denn es lag eine sogenannte Einstrahlung iS von § 5 SGB IV vor. Hiernach gelten die Vorschriften über die Versicherungspflicht und die Versicherungsberechtigung, soweit sie eine Beschäftigung voraussetzen, nicht für Personen, die im Rahmen eines außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzbuches bestehenden Beschäftigungsverhältnisses in diesen Geltungsbereich entsandt werden, wenn die Entsendung infolge der Eigenart der Beschäftigung oder vertraglich im voraus zeitlich begrenzt ist. § 5 SGB IV schränkt als Gegenstück zu § 4 SGB IV (Ausstrahlung) den Territorialitätsgrundsatz des § 3 SGB IV ein, wonach für im Geltungsbereich des Gesetzes beschäftigte Personen grundsätzlich die deutschen Vorschriften über Versicherungspflicht und -berechtigung gelten. § 5 SGB IV geht nämlich davon aus, daß für Personen, die außerhalb des Geltungsbereichs des SGB IV beschäftigt sind und (nur) vorübergehend in dessen Geltungsbereich entsandt werden, das bisherige (ausländische) System der Sozialen Sicherheit weiterhin verantwortlich bleibt (BT-Drucks 7/4122, Begründung zu § 5). Für die Lokalisierung der Beschäftigungsverhältnisse iS von § 5 SGB IV stehen mithin nicht die tatsächlichen Verhältnisse des Ortes der Ausübung der Beschäftigung im Vordergrund, sondern die für das Beschäftigungsverhältnis maßgeblichen rechtlichen Verhältnisse (vgl Hauck/Haines, SGB IV K § 5 Rz 4). Folgerichtig enthält § 5 SGB IV keine weitergehende konkrete Aussage über den Beschäftigungsort in Fällen der Einstrahlung, wie es sonst in § 9 SGB IV der Fall ist und dort insbesondere für den Fall der Ausstrahlung. Nach § 9 Abs 1 SGB IV ist Beschäftigungsort grundsätzlich der Ort, an dem die Beschäftigung tatsächlich ausgeübt wird. Als Ausnahme hiervon bestimmt jedoch § 9 Abs 6 SGB IV, daß in den Fällen der Ausstrahlung der bisherige (inländische) Beschäftigungsort als fortbestehend gilt. Nach § 4 SGB IV liegt eine Ausstrahlung vor, wenn Personen, die im Rahmen eines im Geltungsbereich dieses Gesetzbuchs bestehenden Beschäftigungsverhältnisses in ein Gebiet außerhalb dieses Geltungsbereichs entsandt werden, wenn die Entsendung infolge der Eigenart der Beschäftigung oder vertraglich im voraus zeitlich begrenzt ist. Für diesen Personenkreis bleibt es bei der Beitragspflicht ihres inländischen Beschäftigungsverhältnisses zur BA auch in der Zeit der Entsendung ins Ausland.
Im Fall der Klägerin liegt allerdings keine Ausstrahlung iS des § 4 SGB IV vor, da sie nicht vom Inland ins Ausland, sondern vom Ausland ins Inland entsandt worden ist, wobei die äußeren Merkmale der Entsendung entsprechend der Feststellungen des LSG dem Tatbestand des § 4 SGB IV im übrigen entsprechen. Eine unmittelbare Anwendung des § 9 Abs 6 SGB IV für die Frage des Beschäftigungsorts in den Fällen der Einstrahlung scheidet folglich aus. Sein Regelungsgehalt über den Beschäftigungsort ist hier jedoch sinngemäß anzuwenden. Dies folgt zum einen daraus, daß die an den Beschäftigungsort iS des § 9 Abs 1 SGB IV anknüpfenden versicherungsrechtlichen Folgen für Fälle der Einstrahlung nach § 5 SGB IV gerade nicht gelten, wie schon ausgeführt wurde. Zum anderen geht es in den Fällen des § 107 Satz 1 Nr 4 AFG jedoch darum, ob sich Ansprüche auf Alg oder Alhi aus einer Beschäftigung herleiten lassen, die nicht der Beitragspflicht zur BA unterlegen hat, wofür aber regelmäßig der Beschäftigungsort maßgeblich ist. Kann somit für die Frage, wo eine Beschäftigung iS von § 107 Satz 1 Nr 4 AFG ausgeübt worden ist, in Fällen der Einstrahlung nach § 5 SGB IV nicht auf dem Beschäftigungsort nach § 9 Abs 1 SGB IV abgestellt werden, bleibt lediglich der Rückgriff auf die Regelungen des § 9 Abs 6 SGB IV. Dabei ist es ohne Bedeutung, ob § 9 Abs 6 SGB IV schon für den hier rechtlich vorliegenden Fall der Entsendung nach § 5 SGB IV entsprechend heranzuziehen ist, oder ob man unter Berücksichtigung des dem § 107 Satz 1 Nr 4 AFG zugrundeliegenden Gleichstellungsgedankens die Entsendung der Klägerin - gleichsam spiegelbildlich - als Ausstrahlung iS des § 4 SGB IV behandelt. Das Ergebnis ist in beiden Fällen dasselbe und verwirklicht allein den Zweck des § 107 Satz 1 Nr 4 AFG, Vertriebene so zu stellen, wie sie stünden, wenn sie ihre allein dem Ausland zurechenbare Beschäftigung unmittelbar nach deutschem Recht ausgeübt hätten.
Das hat zur Folge, daß entsprechend dem Regelungsgehalt des § 9 Abs 6 SGB IV für die Zeit der Entsendung der Klägerin nach I. ihr bisheriger Beschäftigungsort Prag als fortbestehend gilt. Die Klägerin hat somit ihre Beschäftigung in der Zeit von September 1979 bis September 1981 rechtlich außerhalb des Gebietes des Deutschen Reiches nach dem Stande vom 31. Dezember 1937 ausgeübt.
Die von der Beklagten hiergegen erhobenen Einwendungen greifen nicht durch. Die Vergünstigung des § 107 Nr 4 AFG soll die Beschäftigung Vertriebener außerhalb des alten Reichsgebietes einer Beschäftigung im Gebiet der Bundesrepublik gleichstellen. Dies geht auf § 90 BVFG zurück, wie der Senat schon entschieden hat (BSGE 4, 102). Danach wurden Vertriebene und Sowjetzonenflüchtlinge ua in der Arbeitslosenversicherung den Inländern gleichgestellt. Dem lag die Erwägung zugrunde, Einbußen auszugleichen, die dieser Personenkreis durch die historische Trennung der Gebiete in der Sozialversicherung erlitten hat. Mit diesem Gesetzeszweck stünde das Ergebnis der von der Beklagten vertretenen Rechtsauffassung nicht im Einklang. Durch sie würde die Klägerin im Vergleich zu einem inländischen Versicherten ungerechtfertigt benachteiligt. Unerheblich ist, daß sich die Klägerin erst, nachdem sie längere Zeit in I. tätig war, von ihrem Herkunftsstaat gelöst hat. Es kommt allein darauf an, daß der betreffende Arbeitnehmer Vertriebener gemäß § 107 Satz 1 Nr 4 AFG ist. Dies ist hier der Fall.
Steht hiernach auch die Zeit der Beschäftigung in I. der Zeit einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung iS von § 107 Satz 1 Nr 4 AFG gleich, ist nach den bisherigen tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht auszuschließen, daß die Klägerin für einen längeren Zeitraum, als er ihr von der Beklagten zugesprochen worden ist, Alg beanspruchen kann. Ob hierfür alle Anspruchsvoraussetzungen vorliegen, hat das LSG nicht festgestellt. Es wird dies aus den oa Gründen nachzuholen und bei seiner Entscheidung auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.
Fundstellen