Beteiligte
6. Verband der Angestellten-Krankenkassen e.V. |
1. Kassenärztliche Vereinigung Rheinhessen |
2. AOK – Die Gesundheitskasse in Rheinland-Pfalz |
3. BKK-Landesverband Rheinland-Pfalz und Saarland |
4. Innungskrankenkasse Rheinland-Pfalz |
5. Landwirtschaftliche Krankenkasse Rheinland-Pfalz |
Beschwerdeausschuß bei der Kassenärztlichen Vereinigung Rheinhessen |
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 5. Februar 1997 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht zurückverwiesen.
Gründe
I
Der seit dem 1. Juli 1993 als praktischer Arzt zugelassene Kläger wendet sich gegen die Kürzung seines Honorars für Sonderleistungen (Quartale 4/94 bis 2/95) sowie eingehende Untersuchungen (Quartale 4/94 und 1/95). In den drei streitbefangenen Quartalen behandelte er 305, 361 bzw 377 Patienten gegenüber 969, 1032 und 990 im Durchschnitt der aus den Ärzten für Allgemeinmedizin und den praktischen Ärzten im Bereich Mainz/Bingen bestehenden Vergleichsgruppe. Der Rentneranteil in der Praxis des Klägers belief sich auf 12 %, 12 % und 15 % gegenüber 28 %, 26 % und 27 % im Durchschnitt der Vergleichsgruppe. Beim Gesamtfallwert überschritt seine Honorarforderung den Vergleichsgruppendurchschnitt um 39 %, 20 % und 28 %. Bei den eingehenden Untersuchungen betrugen die Überschreitungen 112 %, 70 % und 72 % und bei den Sonderleistungen 141 %, 108 % sowie 100 %.
Der Prüfungsausschuß erteilte dem Kläger für die Quartale 4/94 und 1/95 lediglich eine „Beratung” in den Leistungssparten eingehende Untersuchung und Sonderleistung. Auf den Widerspruch der beigeladenen Krankenkassenverbände sowie der beigeladenen Kassenärztlichen Vereinigung kürzte der beklagte Beschwerdeausschuß die Honorarforderung des Klägers im Quartal 4/94 für eingehende Untersuchungen um 29,16 % und für Sonderleistungen um 18,52 % sowie im Quartal 1/95 für eingehende Untersuchungen um 11,9 % und für Sonderleistungen um 14,8 % und führte damit die Überschreitungen bei eingehenden Untersuchungen jeweils auf 50 % und bei den Sonderleistungen auf 100 % gegenüber dem Vergleichsgruppendurchschnitt zurück (Bescheid vom 21. November 1995).
Im Quartal 2/95 hob der Beklagte auf den Widerspruch des Klägers gegen einen Kürzungsbescheid des Prüfungsausschusses die Honorarkürzung bei den eingehenden Untersuchungen auf und reduzierte sie bei den Sonderleistungen auf 20,05 %, womit dem Kläger in dieser Leistungssparte eine Überschreitung des Vergleichsgruppendurchschnitts um 60 % belassen wurde. Der Beklagte stellte fest, die Überschreitungen seien im wesentlichen auf überdurchschnittlich hohe Ansätze der Nrn 61 BMÄ/E-GO (vollständige Untersuchungen mindestens eines Organsystems), 380 BMÄ/E-GO (Oberbauchsonographie) sowie 381 BMÄ/E-GO (Zuschlag für die Sonographie des Pankreas) zurückzuführen. Der vermehrte Ansatz dieser Leistungsziffern in der normal strukturierten allgemeinärztlichen Praxis des Klägers sei nicht zu rechtfertigen. Die Fallzahlen seien ausreichend hoch, um bei Anwendung der Methode der statistischen Vergleichsprüfung zu aussagekräftigen Ergebnissen hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise gelangen zu können (Bescheid vom 30. April 1996).
Das Sozialgericht (SG) hat die Bescheide des Beklagten aufgehoben; denn dieser habe die Feststellung einer unwirtschaftlichen Behandlungsweise des Klägers in ermessensfehlerhafter Weise getroffen. Die vom Kläger abgerechneten Fallzahlen ließen die Anwendung der statistischen Vergleichsprüfung zur Ermittlung von Unwirtschaftlichkeiten nicht zu. Soweit das Bundessozialgericht (BSG) die Wirtschaftlichkeitsprüfung nach der Methode des statistischen Vergleichs auch bei sehr niedrigen Fallzahlen und ohne Rücksicht darauf zugelassen habe, wie sich die Fallzahlen des von der Prüfung betroffenen Arztes zur Durchschnittsfallzahl seiner Vergleichsgruppe verhielten, könne dem nicht gefolgt werden (Urteil vom 5. Februar 1997).
Mit seiner vom SG zugelassenen Sprungrevision rügt der Beklagte eine fehlerhafte Anwendung der zur vertragsärztlichen Wirtschaftlichkeitsprüfung entwickelten Rechtsgrundsätze. Das BSG habe mehrfach entschieden, daß eine besonders niedrige Fallzahl des zu prüfenden Arztes allenfalls insofern Bedeutung haben könne, daß möglicherweise Zahlenbereiche unterschritten würden, unterhalb derer ein statistischer Vergleich nicht mehr aussagekräftig sei. Diese Grenze habe das BSG bei Fallzahlen von 144 bzw 195 im Quartal und sogar bei lediglich 44 Behandlungsfällen nicht für unterschritten gehalten, wobei im letzteren Fall auf eine mehrere Quartale umfassende Prüfung abgehoben worden sei. Unter Zugrundelegung dieser zutreffenden Rechtsprechung bestünden bei Fallzahlen von 305, 361 und 377 pro Quartal keine Bedenken gegen die Durchführung einer statistischen Vergleichsprüfung. Bei einer derartigen Praxisgröße sei eine Einzelfallprüfung praktisch nicht durchführbar und für die Prüfgremien unzumutbar. Da sich die Honorarforderung des Klägers in den streitbefangenen Quartalen in den Leistungssparten der eingehenden Untersuchungen und der Sonderleistungen erkennbar im Bereich des offensichtlichen Mißverhältnisses bewegt und die Prüfung ergeben habe, daß es sich um eine normal strukturierte Allgemeinpraxis ohne Häufung von schweren und schwersten Behandlungsfällen handele, seien die von ihm festgesetzten Honorarkürzungen nicht zu beanstanden.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 5. Februar 1997 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält die Kritik des SG an der Rechtsprechung des BSG zur Durchführbarkeit der statistischen Vergleichsprüfung auch bei sehr niedrigen Fallzahlen für gerechtfertigt. Es entspreche allgemeiner Erfahrung, daß mit steigender Fallzahl in einer Arztpraxis der Fallwert sinke und daß der unterbeschäftigte Arzt seinen Patienten die notwendige Zuwendung umfassend zukommen lassen könne. Der enge Zusammenhang zwischen Patientenzahl und Fallwert lasse die Forderung des SG berechtigt erscheinen, eine eigene Vergleichsgruppe aus Ärzten zu bilden, die weniger als die Hälfte der durchschnittlichen Fallzahl aufzuweisen hätten.
Die Beigeladenen zu 1) bis 6) schließen sich dem Vorbringen des Beklagten an.
Alle Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) einverstanden erklärt.
II
Die Revision des beklagten Beschwerdeausschusses hat im Sinne der Zurückverweisung Erfolg (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG).
Das SG hat die Aufhebung der angefochtenen Bescheide allein darauf gestützt, daß der Beklagte die Behandlungsweise des Klägers bei den eingehenden Untersuchungen und den Sonderleistungen in den streitbefangenen Quartalen auf der Grundlage eines statistischen Vergleichs zwischen den Abrechnungswerten des Klägers und derjenigen der Vergleichsgruppe als unwirtschaftlich beurteilt habe, obwohl diese Prüfmethode im Hinblick auf die Fallzahlen des Klägers in Relation zu denjenigen seiner Vergleichsgruppe nicht angewandt werden dürfe. Diese Rechtsauffassung steht im Widerspruch zu § 106 Abs 2 Satz 1 Nr 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) und den zur vertragsärztlichen Wirtschaftlichkeitsprüfung entwickelten Grundsätzen der Rechtsprechung des BSG.
Nach § 106 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB V wird die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung ua durch die arztbezogene Prüfung ärztlicher Leistungen nach Durchschnittswerten geprüft. Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber des Gesundheits-Reformgesetzes (GRG) die in der Praxis der Prüfgremien entwickelte und durch die Rechtsprechung bestätigte Methode des statistischen Kostenvergleichs als Anknüpfungspunkt für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit der ärztlichen Tätigkeit anerkannt und als Regelprüfmethode übernommen (vgl BSGE 76, 53, 54 = SozR 3-2500 § 106 Nr 26 S 145). Mit der Entscheidung für die arztbezogene Prüfung ärztlicher Leistungen nach Durchschnittswerten als Regelprüfmethode haben die von der Rechtsprechung des BSG zum früheren Rechtszustand formulierten Grundsätze der statistischen Vergleichsprüfung eine nachhaltige Bestätigung erfahren, wie sich insbesondere aus der Bezugnahme darauf in der Begründung zum Entwurf des GRG (BT-Drucks 11/2237, S 196 zu § 114) ergibt (BSGE 77, 53, 57 = SozR 3-2500 § 106 Nr 33 S 188). Im Hinblick auf die den anderen Methoden der vertragsärztlichen Wirtschaftlichkeitsprüfung, insbesondere der strengen Einzelfallprüfung sowie der eingeschränkten bzw repräsentativen Einzelfallprüfung (dazu BSGE 77, 54 = SozR 3-2500 § 106 Nr 33 S 186), innewohnenden Nachteile sowie im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung bedarf es im Einzelfall zwingender Gründe, wenn die Prüfgremien berechtigt oder sogar verpflichtet sein sollen, von einer Vergleichsprüfung nach Durchschnittswerten Abstand zu nehmen. Als ein solcher Grund ist in der Rechtsprechung des Senats seit langem anerkannt, daß die Fallzahl des zu prüfenden Arztes so gering ist, als sie (Fall-)Zahlenbereiche unterschreitet, unterhalb derer ein statistischer Vergleich nicht mehr aussagekräftig ist (vgl BSG SozR 2200 § 368n Nr 50 S 171; BSG SozR 2200 § 368n Nr 44 S 149 unter Hinweis auf BSGE 46, 145, 151 = SozR 5550 § 14 Nr 2 sowie die Analyse bei Raddatz, Die Wirtschaftlichkeit der Kassenärztlichen und Kassenzahnärztlichen Versorgung in der Rechtsprechung – WKR –, 1995, Abschn 6.1).
Die Prüfung nach Durchschnittswerten geht von der Grundannahme aus, daß es die Ärzte der Vergleichsgruppe unter Einbeziehung des geprüften Arztes im Durchschnitt mit dem gleichen Krankengut zu tun haben und deshalb im Durchschnitt aller Fälle in etwa die gleichen Behandlungskosten benötigen. Diese Annahme ist aber nur gerechtfertigt, wenn für den Vergleich einerseits eine hinreichend große Anzahl vergleichbarer Ärzte und andererseits bei dem zu prüfenden Arzt eine hinreichende Zahl von Behandlungsfällen zur Verfügung stehen (vgl Senatsurteil vom 15. März 1995 - 6 RKa 8/94 - MedR 1996, S 134 f). Zwar ist es statistisch genauso wahrscheinlich wie unwahrscheinlich, daß der zu prüfende Arzt mit geringer Fallzahl dieselbe Patientenstruktur aufweist wie die Ärzte seiner Vergleichsgruppe, so daß die Relation von behandlungsintensiven und weniger aufwendigen Behandlungsfällen in kleinen Praxen nicht notwendig anders sein muß als bei großen (vgl Spellbrink, Wirtschaftlichkeitsprüfung im Kassenarztrecht, 1994, RdNr 661). Eine in Relation zur Vergleichsgruppe besonders niedrige Fallzahl des zu prüfenden Arztes kann aber zur Folge haben, daß einzelne schwere, besonders aufwendige Behandlungsfälle den Fallwert des betroffenen Arztes überproportional in die Höhe treiben (vgl BSG SozR 2200 § 368n Nr 44 S 150; Spellbrink aaO RdNr 659; Hesral, in: Ehlers ≪Hrsg≫, Praxis der Wirtschaftlichkeitsprüfung, 1996, Kap 2 RdNr 68). Der Senat hat deshalb im Zusammenhang mit der Beschränkung der Prüfung der Behandlungs- und Verordnungsweise eines Arztes auf die Behandlung von Versicherten einer einzelnen Krankenkasse verlangt, daß der mit einer sehr geringen Fallzahl einhergehenden Vergröberung des Aussagewerts der statistischen Vergleichsprüfung durch die Einführung einer Mindestquote der in die Prüfung einzubeziehenden Fälle zu begegnen ist. Dabei ist an ein objektives Kriterium, nämlich die durchschnittliche Fallzahl der Vergleichsgruppe anzuknüpfen. Die Beschränkung der Wirtschaftlichkeitsprüfung auf die Behandlungsfälle einer einzelnen Krankenkasse ist daher vom Senat nur mit der Einschränkung zugelassen worden, daß diese mindestens 20 vH der Durchschnittsfallzahl der Fachgruppe ausmachen (Urteil vom 15. März 1995, aaO, MedR 1996, 136). Diese Mindestfallquote im Rahmen der Prüfung nach Durchschnittswerten bei Versicherten nur einer einzelnen Kasse ist von der ebenfalls 20 % betragenden Quote zu unterscheiden, die im Rahmen der Prüfmethode der „repräsentativen Einzelfallprüfung mit anschließender Hochrechnung” einzuhalten ist (vgl BSGE 70, 246, 255 = SozR 3-2500 § 106 Nr 10 S 53). Die letztgenannte Quote bezieht sich auf die der Prüfung zu unterwerfenden Behandlungsfälle des Arztes in Relation zu der Gesamtzahl der von ihm behandelten Patienten und nicht auf die Relation zum Durchschnitt der Vergleichsgruppe.
Die Mindestquote von 20 % der Durchschnittsfallzahl der Vergleichsgruppe ist nicht nur bei der auf die Behandlungsfälle einer einzelnen Kasse beschränkten Prüfung zu beachten, sondern muß auch dann erreicht sein, wenn die Zahl der insgesamt vom zu prüfenden Arzt behandelten Patienten besonders niedrig ist. Es wäre widersprüchlich, eine auf eine bestimmte Krankenkasse beschränkte Vergleichsprüfung nur zuzulassen, wenn die Versicherten dieser Kasse zahlenmäßig einen Anteil von 20 % der durchschnittlichen Gesamtfallzahl der Vergleichsgruppe – nicht der Gesamtfallzahl des betroffenen Arztes – ausmachen, diese Anforderung aber nicht zu stellen, wenn die Gesamtfallzahl des Arztes unabhängig von der Kassenzugehörigkeit seiner Patienten diesen Grenzwert nicht erreicht. Anknüpfungspunkt der Prüfung der vertragsärztlichen Leistungen nach Durchschnittswerten iS des § 106 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB V ist stets das Behandlungs- und Verordnungsverhalten des Arztes in Relation zu der für ihn maßgeblichen Vergleichsgruppe. Unterschiede hinsichtlich der Behandlungskosten bei den Versicherten einer bestimmten Kassenart haben demgegenüber Bedeutung nur in dem Sinne, daß so Hinweise darauf gewonnen werden können, bei welcher Patientengruppe der Arzt möglicherweise besonders unwirtschaftlich behandelt bzw verordnet hat (vgl auch dazu Senatsurteil vom 15. März 1995, aaO, MedR 1996, 136).
Mit der Forderung, daß die Zahl der in die Prüfung nach Durchschnittswerten einzubeziehenden Behandlungsfälle mindestens 20 % der durchschnittlichen Fallzahl der Vergleichsgruppe umfassen muß und die statistische Vergleichsprüfung deshalb nicht zur Anwendung kommen kann, wenn die Gesamtfallzahl des zu prüfenden Arztes diese Grenze unterschreitet, weicht der Senat im Ergebnis nicht von seinem vom SG herangezogenen Urteil vom 11. Juni 1986 (SozR 2200 § 368n Nr 44) ab. Nach den dieser Entscheidung zugrunde liegenden Feststellungen beliefen sich die Fallzahlen des klagenden Gynäkologen in den streitbefangenen Quartalen auf 144 bzw 195 gegenüber jeweils 466 im Fachgruppendurchschnitt, stets nur bezogen auf den Ersatzkassenbereich (insoweit in SozR 2200 § 368n Nr 44 nicht abgedruckt). Die Fallzahlen bewegten sich in Relation zur Vergleichsgruppe demnach um 30 % bzw 40 %. Soweit der Senat dagegen im Urteil vom 19. November 1985 - 6 RKa 13/84 - (USK 85215 S 1147) die Prüfgremien im Rahmen des ihnen zustehenden Beurteilungsspielraums zumindest dann für berechtigt gehalten hat, die Behandlungsweise eines Kinderarztes mit 44 Behandlungsfällen anhand des statistischen Vergleichs zu prüfen, wenn im näheren zeitlichen Zusammenhang mit dem streitbefangenen Quartal noch in fünf weiteren Quartalen erhebliche Überschreitungen festzustellen sind (aaO S 1149), hält er daran nicht uneingeschränkt fest. Eine Prüfung nach Durchschnittswerten wäre nach dem oben Ausgeführten von vornherein nur zulässig gewesen, wenn – was im Rechtsstreit 6 RKa 13/84 nicht festgestellt worden ist, aber wenig naheliegend erscheint – die Fallzahl des damaligen Klägers die Grenze von 20 % der Durchschnittsfallzahlen der Vergleichsgruppe der Kinderärzte im Ersatzkassenbereich erreicht hätte. Ob eine Fallzahl von 44 für sich genommen, also ohne Rücksicht auf die Durchschnittsfallzahl der Vergleichsgruppe, bereits eine Prüfung nach Durchschnittswerten ausschließt, bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung. Jedenfalls darf nicht unberücksichtigt bleiben, daß die in der früheren Rechtsprechung des Senats im Zusammenhang mit der Prüfung der Wirtschaftlichkeit kleiner Arztpraxen diskutierten Fallzahlen jeweils allein den Ersatzkassenbereich (BSG SozR 2200 § 368n Nr 44 sowie BSG USK 8215) oder nur den Primärkassenbereich (BSG SozR 2200 § 368n Nr 50 S 169) betrafen. Im letztgenannten Fall hat bei einer Fallzahlrelation von 325 bzw 448 des geprüften Arztes gegenüber 415 bzw 504 im Durchschnitt der Vergleichsgruppe ohnehin kein Anlaß zur Problematisierung einer (möglichen) Grenze für die Anwendbarkeit der statistischen Vergleichsprüfung bestanden (aaO S 171).
Spätestens seit dem 1. Januar 1995 wird jedoch die Wirtschaftlichkeit der (nunmehr einheitlichen) vertragsärztlichen Versorgung für den (früheren) RVO-Kassen- und den Ersatzkassenbereich einheitlich geprüft (§ 106 Abs 3 Satz 1 SGB V iVm Abs 2 Satz 3 sowie Art 27 GSG; vgl Senatsurteil vom 18. Juni 1997 - 6 RKa 42/96 - SozR 3-2500 § 106 Nr 40). Das hat zur Folge, daß die in die Wirtschaftlichkeitsprüfung einzubeziehenden Behandlungsfälle nunmehr das gesamte Spektrum der vertragsärztlichen Tätigkeit des zu prüfenden Arztes abdecken und nicht mehr – wie zuvor – jeweils nur einen Teilbereich. Dies spricht dafür, die absoluten Fallzahlenuntergrenzen bei einer die gesamte vertragsärztliche Tätigkeit erfassenden Prüfung höher anzusetzen, als das bisher in besonderen Konstellationen für den einen oder anderen Kassenbereich für zulässig gehalten worden ist. Gegen eine starre Grenzziehung etwa bei 100 Fällen, wie sie nach der Entscheidung des Senats zur eingeschränkten Einzelfallprüfung (BSGE 70, 246, 255 = SozR 3-2500 § 106 Nr 10 S 53) naheliegt (so tendenziell Hesral, aaO, RdNr 68; Raddatz, aaO, WKR 6.1 S 6 sieht die Zweifelszone bei 40 bis 50 Fällen), spricht, daß dann die Wirtschaftlichkeitsprüfung bei kleineren Arztpraxen aus solchen Arztgruppen, deren Durchschnittsfallzahlen unter 500 liegt, häufig nicht als statische Vergleichsprüfung durchgeführt werden könnte. Angesichts der ständig verbesserten statistischen Auswertung der Abrechnungen (z.B. Gewichtung des Rentneranteils, Beschränkung des Vergleichs auf Ärzte, die die fraglichen Leistungen abrechnen) ist es nicht gerechtfertigt, generell Ärzte mit Fallzahlen oberhalb der Grenze von 20 % des Durchschnitts von der Prüfung nach Durchschnittswerten auszunehmen, wenn ihre Fallzahl die absolute Grenze von 100 nicht erreicht. Die Prüfgremien werden in solchen Konstellationen jedoch sorgfältig zu prüfen haben, ob insoweit insbesondere die Homogenität des Patientengutes des zu prüfenden Arztes in Relation zu seiner Vergleichsgruppe noch gegeben ist (vgl bereits BSG SozR 2200 § 368n Nr 44 S 150).
Nach den dargelegten Grundsätzen hat es das SG zu Unrecht beanstandet, daß der Beklagte die Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise des Klägers nach Durchschnittswerten geprüft hat. Weder die Relation der Fallzahlen des Klägers gegenüber der Vergleichsgruppe (zwischen 30 % und 40 %) noch die absoluten Fallzahlen (305, 361, 377) stellen die Anwendbarkeit dieser vom Gesetz als Regelprüfmethode vorgesehenen Prüfungsart in Frage. Da sich das SG – von seinem Rechtsstandpunkt aus konsequent – mit den Einwänden des Klägers gegen die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide im einzelnen nicht auseinandergesetzt hat, ist sein Urteil aufzuheben. Das SG wird bei seiner neuen Entscheidung auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.
Fundstellen
Haufe-Index 542969 |
NJW 2000, 900 |
NZS 1999, 310 |
Breith. 1999, 664 |
SozSi 1999, 227 |