Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungsträger. Aufwandsentschädigung für Organmitglieder. Prüfung der Aufsichtsbehörde auf Rechtmäßigkeit und Angemessenheit. Konkretisierung des Begriffs der Angemessenheit
Leitsatz (amtlich)
1. Die von den Sozialversicherungsträgern beschlossenen Aufwandsentschädigungen für Organmitglieder sind im aufsichtsbehördlichen Genehmigungsverfahren nicht nur auf ihre Rechtmäßigkeit, sondern auch auf ihre Angemessenheit zu überprüfen.
2. Die Aufsichtsbehörde darf im Interesse einer Vereinheitlichung der Entschädigungspraxis den unbestimmten Rechtsbegriff der Angemessenheit in der Weise konkretisieren, daß sie nach der Größe des Versicherungsträgers abgestufte Entschädigungsobergrenzen festlegt.
Stand: 24. Oktober 2002
Normenkette
SGB IV § 41 Abs. 3 S. 1; SGB V § 194 Abs. 1 Nr. 8, § 195 Abs. 1; SGB IV § 41 Abs. 4 S. 3, § 29 Abs. 1, § 40 Abs. 1 S. 1, § 87 Abs. 1; RVO § 21 Abs. 3; SVwG § 3 Abs. 3-5
Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 25.08.1994; Aktenzeichen L 16 Kr 202/91) |
SG Dortmund (Entscheidung vom 11.10.1991; Aktenzeichen S 12 (8) Kr 141/89) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 25. August 1994 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten über die aufsichtsbehördliche Genehmigung einer von der (früheren) Vertreterversammlung der Klägerin beschlossenen Anhebung der Aufwandsentschädigung für ehrenamtlich tätige Organmitglieder.
Die Klägerin ist eine bundesweit tätige Betriebskrankenkasse mit knapp 6.000 Versicherten. Bis 1987 gewährte sie den Mitgliedern ihrer Selbstverwaltungsorgane für den mit der Vorbereitung von Sitzungen verbundenen Zeitaufwand eine Entschädigung von 50,00 DM je Sitzungstag. Sie orientierte sich dabei an einer von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, dem Deutschen Gewerkschaftsbund und der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft im Juni 1978 geschlossenen Empfehlungsvereinbarung, derzufolge der in § 41 Abs 3 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) für diesen Zweck vorgesehene Pauschbetrag mindestens 30,00 DM und höchstens 60,00 DM betragen sollte. Nachdem die Sozialpartner im Hinblick auf den Anstieg der Lebenshaltungskosten in einer neuen Vereinbarung vom Juni 1987 eine Anhebung der Grenzbeträge auf 37,50 DM bzw 75,00 DM empfohlen hatten, beschloß die Vertreterversammlung der Klägerin am 10. Juni 1988, den für ihre Organmitglieder geltenden Pauschbetrag rückwirkend ab 1. Januar 1988 auf 75,00 DM zu erhöhen.
Mit Bescheid vom 10. April 1989 genehmigte die Beklagte die Anhebung der Pauschale bis auf einen Betrag von 64,00 DM. Im übrigen versagte sie die Genehmigung mit der Begründung, eine weitergehende Erhöhung widerspreche den Geboten der Angemessenheit der Entschädigung und der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der Mittelverwendung. Insoweit müsse sich die Genehmigungspraxis an einem einheitlichen Maßstab für alle bundesunmittelbaren Sozialversicherungsträger ausrichten, wie er in der Empfehlungsvereinbarung der Sozialpartner entwickelt worden sei. Der dort für die Entschädigung vorgegebene Rahmen erfordere eine Abstufung nach der Größe des Versicherungsträgers. Anhand der für die Sozialversicherungswahlen festgelegten Abstufungen der Betriebskrankenkassengrößen errechne sich für die Klägerin der genannte Betrag von 64,00 DM. Besonderheiten, die im konkreten Fall eine höhere Pauschale rechtfertigen könnten, seien weder geltend gemacht noch ersichtlich.
Das von der Klägerin angerufene Sozialgericht (SG) hat die Beklagte verurteilt, die Anhebung des Pauschbetrags auf 75,00 DM zu genehmigen. Dagegen hat das Landessozialgericht (LSG) die Klage abgewiesen. Es hat offengelassen, ob die Aufsichtsbehörde bei der Genehmigungsentscheidung nach § 41 Abs 4 Satz 3 (früher Satz 2) SGB IV eigene Zweckmäßigkeitserwägungen anstellen darf oder auf eine bloße Rechtskontrolle beschränkt ist. Auch wenn dem Sozialversicherungsträger hinsichtlich der Angemessenheit seiner Entschädigungsregelung ein Beurteilungsspielraum zugebilligt werde, sei die Aufsichtsbehörde jedenfalls zu einer Schlüssigkeitsprüfung befugt und die Selbstverwaltung zur Darlegung der dazu erforderlichen Tatsachen verpflichtet. Gründe für die volle Ausschöpfung des durch die Empfehlungsvereinbarung eröffneten Entschädigungsrahmens habe die Klägerin nicht genannt.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung der §§ 29 Abs 1 und 41 Abs 3 SGB IV sowie des § 195 Abs 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Die Aufsichtsbehörde sei, was die Bemessung der Entschädigungen für Organmitglieder der Krankenkassen angehe, auf eine Rechtsprüfung beschränkt. Da die Entschädigungsregelung gemäß § 194 Abs 1 Nr 8 SGB V Bestandteil der Satzung sei, unterliege sie ebensowenig wie diese einer Zweckmäßigkeitskontrolle. Die Grenzen ihres Beurteilungsspielraums habe sie – die Klägerin – nicht überschritten, zumal die Empfehlungsvereinbarung für die Zeitaufwandspauschale keine proportionalen Vorgaben mache. Keinesfalls habe die Beklagte ihre Wertung an die Stelle der Wertung der Vertreterversammlung setzen dürfen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 25. August 1994 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 11. Oktober 1991 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil im Ergebnis für zutreffend, bekräftigt aber ihren Standpunkt, daß die aufsichtsbehördliche Prüfung von Entschädigungsregelungen eine Zweckmäßigkeitskontrolle einschließe.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Klägerin ist nicht begründet.
Das Berufungsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Mit ihrer Entscheidung, die Anhebung der für Mitglieder der Selbstverwaltungsorgane der Klägerin vorgesehenen Zeitaufwandspauschale nur bis zu einem Betrag von 64,00 DM zu genehmigen, hat die Beklagte ihr Aufsichtsrecht nicht überschritten. Dabei kann offenbleiben, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen eine Teilgenehmigung autonomen Rechts zulässig ist (zum Problem: Brackmann, BKK 1982, 353 ff); denn die Klägerin greift, wie sich aus dem Gesamtzusammenhang ihrer Ausführungen ergibt, den Bescheid vom 10. April 1989 nur insoweit an, als ihr die Genehmigung eines über 64,00 DM hinausgehenden Pauschbetrages versagt worden ist.
Die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides beurteilt sich nach § 41 Abs 3 und 4 SGB IV. Danach können die Sozialversicherungsträger den Mitgliedern ihrer Selbstverwaltungsorgane für jeden Kalendertag einer Sitzung einen Pauschbetrag für Zeitaufwand leisten, dessen Höhe unter Beachtung der ehrenamtlichen Tätigkeit (§ 40 Abs 1 Satz 1 SGB IV) in einem angemessenen Verhältnis zu dem regelmäßig außerhalb der Arbeitszeit erforderlichen Zeitaufwand, insbesondere für die Vorbereitung der Sitzungen, stehen soll. Der von der Vertreterversammlung beschlossene Pauschbetrag bedarf gemäß § 41 Abs 4 Satz 3 (früher Satz 2) SGB IV der Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde. Diese hat die Beklagte hinsichtlich des 64,00 DM übersteigenden Betrages zu Recht versagt.
Über die Rechtsnatur der aufsichtsbehördlichen Genehmigung in der Sozialversicherung bestehen unterschiedliche Auffassungen. Teilweise wird darin lediglich eine auf § 87 Abs 1 SGB IV beruhende besondere Maßnahme der allgemeinen Rechtsaufsicht gesehen, mit der durch eine vorverlagerte Kontrolle rechtswidrige Akte eines Versicherungsträgers verhindert werden sollen. Nach dieser Auffassung folgt aus der Selbstverwaltungsgarantie des § 29 Abs 1 SGB IV, daß Mitwirkungshandlungen der Staatsaufsicht an Maßnahmen oder Entscheidungen eines Sozialversicherungsträgers allein aus Rechtsgründen verweigert werden dürfen, es sei denn, das Gesetz selbst sieht ausnahmsweise etwas anderes vor (so Hendler in: von Maydell/Ruland, Sozialrechtshandbuch, 2. Aufl 1995, § 218 RdNr 38; ähnlich, wenngleich differenzierend: Hauck/ Haines, SGB IV, 18. Lfg 1995, K § 34 RdNr 9; Rüfner, Einführung in das Sozialrecht, 2. Aufl 1991, S 149). Demgegenüber hat das Bundessozialgericht (BSG) den Genehmigungsvorbehalt seit jeher als ein weitergehendes Mitwirkungsrecht des Staates an der autonomen Rechtsetzung des Sozialversicherungsträgers verstanden, welches nur dort auf eine reine Rechtskontrolle beschränkt ist, wo das Gesetz dies ausdrücklich bestimmt. Es hat darauf verwiesen, daß der Gesetzgeber der Aufsichtsbehörde ausweislich der Entstehungsgeschichte der einschlägigen Vorschriften bewußt besondere, über eine bloße Rechtmäßigkeitsprüfung hinausgehende Einwirkungsmöglichkeiten eröffnen wollte, um ihr die Sicherstellung einer die Belange der Versichertengemeinschaft und der staatlichen Sozialversicherung als Ganzes berücksichtigenden sach- und funktionsgerechten Aufgabenerfüllung durch den Sozialversicherungsträger zu ermöglichen (so im Ansatz bereits BSGE 1, 17, 22; 3, 180, 190; vgl insbesondere: BSGE 23, 206, 209 = SozR Nr 2 zu § 355 RVO Bl Aa 2; BSGE 37, 272, 276 = SozR 2200 § 690 Nr 1; BSG SozR 2200 § 690 Nr 3; BSGE 43, 1, 7 = SozR 2200 § 690 Nr 4 S 18; zustimmend: Stößner, Die Staatsaufsicht in der Sozialversicherung, 2. Aufl 1978, S 118; Schirmer/Kater/Schneider, Aufsichtsrecht in der Sozialversicherung, 12. Lfg 1996, Kennz 510; Becher, Selbstverwaltungsrecht der Sozialversicherung, 13. Lfg 1994, Abschn E § 34 Nr 1.2; Funk, VSSR, 1990, 261, 264; Reiter, DRV 1993, 657, 666).
An dieser rechtlichen Bewertung hält der Senat fest. Die angeführten Entscheidungen sind zwar zum früheren Recht ergangen, das eine ausdrückliche Gewährleistung des Selbstverwaltungsprinzips und eine Definition der Selbstverwaltungsrechte in der Art der jetzigen §§ 29 und 30 SGB IV nicht kannte. Der Sache nach hat sich durch die zusammenfassende Kodifikation des Selbstverwaltungs- und Aufsichtsrechts im SGB IV jedoch gegenüber dem zuvor bestehenden Rechtszustand nichts Grundlegendes geändert. Wie die Begründung zum Regierungsentwurf des SGB IV (BT-Drucks 7/4122 S 36) ausweist, sollten im Zuge der Zusammenfassung und Harmonisierung der gemeinsamen Vorschriften für die Sozialversicherung die Regelungen des bis dahin maßgebenden Selbstverwaltungsgesetzes auf der Grundlage des geltenden Rechts unter rechtssystematischer Überarbeitung in das Sozialgesetzbuch eingeordnet werden, ohne damit Überlegungen zu Reformen auf dem Gebiet der Selbstverwaltung zu präjudizieren. Gleichzeitig sollte die allgemeine Rechtsaufsicht über die Sozialversicherungsträger unter Betonung der Gleichberechtigung und Gleichgewichtigkeit der beiderseitigen Aufgabenerfüllung neu geordnet werden (Becher, aaO, Abschn F 12 Nr 1). Daraus ergibt sich kein Anhalt, daß die dem Staat vom Gesetz eingeräumten Genehmigungsvorbehalte durch das SGB IV eine vom bisherigen Recht abweichende Bewertung erfahren hätten.
Die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze gelten auch für die aufsichtsbehördliche Genehmigung der von den Sozialversicherungsträgern beschlossenen Aufwandsentschädigungen für Organmitglieder. Derartige Entschädigungsregelungen hat der Gesetzgeber seit jeher einer Genehmigungspflicht unterworfen. Schon nach § 21 Abs 3 der Reichsversicherungsordnung (RVO) vom 19. Juli 1911 bedurfte die Festsetzung der den Mitgliedern der Selbstverwaltungsorgane zu gewährenden Pauschbeträge für Zeitverlust „der Zustimmung der Behörde, welche die Satzung genehmigt”. In den Materialien zum Gesetzentwurf von 1910 (Reichstagsdrucksache 1909/1911 Nr 340 Anl S 40) wurde das Zustimmungserfordernis mit der Notwendigkeit einer über die bloße Rechtsaufsicht hinausgehenden staatlichen Kontrolle der Vergütungspraxis der Sozialversicherungsträger begründet. Es müsse sichergestellt werden, daß die Vergütungen nicht das Maß überschritten, das mit dem Begriff einer ehrenamtlichen Verwaltung vereinbar sei (zu dem beklagten Mißstand zu hoher Vergütungen für Zeitverlust durch die Berufsgenossenschaften und dem deshalb angestrebten bestimmenden Einfluß des Reichsversicherungsamts vgl auch den Kommissionsbericht, Reichstagsdrucksache 1909/1911, 2. Session, Band 13, Nr 946 1. Teil, S 18). Dies zu gewährleisten reiche der allgemeine Genehmigungsvorbehalt für Satzungsbestimmungen nicht aus, zumal er nicht in allen Versicherungszweigen so ausgestaltet sei, daß er auch eine Zweckmäßigkeitskontrolle ermögliche. Durch die Regelung des § 21 Abs 3 RVO werde deshalb klargestellt, daß die Behörde, die über die Genehmigung der Satzung zu entscheiden habe, bei allen Versicherungsträgern die Angemessenheit der getroffenen Vergütungsregelungen nachprüfe. Diese Ausführungen lassen keinen Zweifel daran, daß der Gesetzgeber der RVO hinsichtlich der in Rede stehenden Aufwandsentschädigungen eine besondere, Zweckmäßigkeitserwägungen einschließende aufsichtsrechtliche Kontrolle vorsehen wollte. An dieser Zielsetzung hat sich durch die seitherige Rechtsentwicklung nichts geändert. Die Vorschriften der RVO über die Entschädigung der ehrenamtlich tätigen Mitglieder der Selbstverwaltungsorgane der Sozialversicherungsträger sind inhaltlich unverändert in das Selbstverwaltungsgesetz (SVwG) übernommen worden (vgl § 3 Abs 3 bis 5 SVwG idF des Gesetzes vom 3. August 1967 – BGBl I 845). Spätere Änderungen, darunter die ausdrückliche Aufnahme des Angemessenheitsgebots in den Gesetzestext durch das 8. SVwG-ÄndG vom 7. August 1973 (BGBl I 957) sowie die Neufassung des Genehmigungsvorbehalts (Ersetzung der Worte „Zustimmung der Behörde, welche die Satzung genehmigt” durch die Worte „Genehmigung der Aufsichtsbehörde”) im Zuge der Eingliederung des Selbstverwaltungsrechts in das SGB IV, haben Inhalt und Umfang der aufsichtsbehördlichen Prüfungsbefugnisse unberührt gelassen.
Etwas anderes ergibt sich entgegen dem Revisionsvorbringen nicht aus den Vorschriften des SGB V über das Satzungsrecht der Krankenkassen. Die Klägerin beruft sich darauf, daß die Bemessung der Entschädigungen für Mitglieder der Selbstverwaltungsorgane bei den Krankenkassen gemäß § 194 Abs 1 Nr 8 SGB V zum notwendigen Inhalt der Satzung gehört, deren nach § 195 Abs 1 SGB V erforderliche Genehmigung von der Aufsichtsbehörde nur aus Rechtsgründen verweigert werden dürfe (dazu BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 8). Ihre Schlußfolgerung, damit sei die staatliche Aufsicht bei den Entschädigungsregelungen der Krankenversicherungsträger auf eine Rechtskontrolle beschränkt, ist indessen nicht haltbar. Die Beklagte weist zutreffend darauf hin, daß § 41 Abs 4 Satz 3 SGB IV trotz seines systematischen Standorts innerhalb der allgemeinen und gemeinsamen Vorschriften für die Sozialversicherung für den von ihm erfaßten Sachbereich eine Sonderregelung trifft, die den Vorschriften über die Genehmigung von Satzungsbestimmungen vorgeht. Das zeigt insbesondere die bereits angesprochene Entstehungsgeschichte. Im Unterschied zu den Satzungen anderer Sozialversicherungsträger durften die Satzungen der Krankenkassen schon nach früherem Recht nur bei Gesetzesverstößen aufsichtsbehördlich beanstandet werden (vgl § 324 Abs 2 RVO). Zwar mußte die Höhe der Aufwandsentschädigungen für Organmitglieder abweichend vom geltenden Recht nicht notwendig in der Satzung geregelt werden; dies war andererseits aber auch nicht ausgeschlossen. Gerade die Befürchtung, angesichts der besonderen rechtlichen Situation bei den Krankenkassen könnte durch die Aufnahme der Entschädigungsregelung in die Satzung eine Prüfung der Angemessenheit der festgesetzten Pauschbeträge verhindert werden, hatte den Gesetzgeber zu der Schaffung eines einheitlich für alle Versicherungszweige geltenden speziellen Genehmigungsvorbehalts bewogen. An den Gründen, die für die gesetzgeberische Entscheidung bestimmend waren, hat sich somit durch die obligatorische Eingliederung der Entschädigungsregelungen in die Satzungen der Krankenkassen nichts geändert. Vor diesem Hintergrund kann ohne eine entsprechende Klarstellung im Gesetz allein aus der Neuordnung der Vorschriften über den Inhalt der Kassensatzungen durch das Gesundheits-Reformgesetz vom 20. Dezember 1988 (BGBl I 2477) nicht auf eine Einschränkung der aufsichtsbehördlichen Kontrollbefugnisse zugunsten der Krankenkassen geschlossen werden.
Die Befugnis der Aufsichtsbehörde, im Rahmen ihrer Mitwirkung auch die Angemessenheit der vom Versicherungsträger beschlossenen Entschädigungsregelungen zu überprüfen, ist freilich nicht mit einer Fachaufsicht im Sinne eines umfassenden Prüfungs- und Weisungsrechts gleichzusetzen. Insofern ist die im Zusammenhang mit Genehmigungserfordernissen gelegentlich anzutreffende Formulierung, die staatliche Kontrolle erstrecke sich auf die Zweckmäßigkeit der in Rede stehenden Maßnahme, mißverständlich. Das BSG hat stets betont, daß dem Versicherungsträger im Hinblick auf die mit dem Selbstverwaltungsrecht verbundene Personal- und Finanzhoheit auch da, wo das Gesetz eine aufsichtsbehördliche Genehmigung vorschreibt, ein Spielraum für die Gestaltung der eigenen personellen und organisatorischen Belange verbleiben muß (BSGE 31, 247, 257 = SozR Nr 1 zu § 690 RVO Bl Aa 6; BSGE 37, 272, 276, 278 = SozR 2200 § 690 Nr 1 S 4, 6). Namentlich in den Bereichen, in denen das Verwaltungshandeln durch unbestimmte Rechtsbegriffe wie „Wirtschaftlichkeit”, „Sparsamkeit”, „Zweckmäßigkeit” oder „Angemessenheit” bestimmt wird, ergeben sich Freiräume, die es den Selbstverwaltungsorganen erlauben, innerhalb der vom Gesetz gezogenen Grenzen die ihnen sinnvoll und zweckmäßig erscheinenden Regelungen zu treffen. Die Aufsichtsbehörde darf deren Genehmigung nicht versagen, weil nach ihrer Meinung im konkreten Einzelfall eine andere Entscheidung den gesetzlichen Vorgaben besser gerecht würde. Andererseits gebietet es der Zweck der Mitwirkung, daß die Aufsichtsbehörde, soweit es ihre Aufgabe erfordert, allgemeine Bewertungsmaßstäbe entwickelt, mit denen sie die genannten Rechtsbegriffe in einer bestimmten, für alle Anwendungsfälle maßgeblichen Weise konkretisiert und so die Grundlage für eine einheitliche Genehmigungspraxis schafft. Dabei hat sie ihrerseits einen Beurteilungsspielraum; die gerichtliche Kontrolle beschränkt sich darauf, ob die gewählten Maßstäbe vom Zweck des jeweiligen Genehmigungsvorbehalts gedeckt sowie zur Erreichung des angestrebten Ziels geeignet sind und ob sie im konkreten Fall zutreffend angewandt wurden.
Die angegriffene Entscheidung überschreitet den der Aufsichtsbehörde zustehenden Beurteilungsspielraum nicht; infolgedessen ist auch das Selbstverwaltungsrecht der Klägerin nicht verletzt. Welche diesem Recht übergeordneten Gesichtspunkte und Interessen die Aufsichtsbehörde bei der Genehmigung der Pauschbeträge für Zeitaufwand nach § 41 Abs 3 SGB IV zur Geltung bringen darf und wie weit ihr Einwirkungs- und Kontrollrecht reicht, ist vom BSG bisher nicht entschieden worden. Unmittelbar aus dem Gesetz ergibt sich lediglich, daß bei der Bemessung des Pauschbetrages der ehrenamtliche Charakter der Tätigkeit der Organmitglieder zu beachten ist und die Entschädigung mithin keine Größenordnung erreichen darf, die einem Entgelt nahekommt. Die Beklagte geht jedoch mit Recht davon aus, daß bei der Beurteilung der Angemessenheit der Zeitaufwandspauschalen nicht isoliert auf die Verhältnisse der einzelnen Krankenkasse abzustellen, sondern auch die Entschädigungspraxis der übrigen Sozialversicherungsträger einzubeziehen ist. Das Bestreben, ein gewisses Maß an Einheitlichkeit und Vergleichbarkeit der den Mitgliedern der Selbstverwaltungsorgane in der Sozialversicherung gezahlten Aufwandsentschädigungen zu garantieren, war bereits bei der Verabschiedung der RVO als einer der Gründe für die Einführung des Genehmigungsvorbehalts zugunsten der Aufsichtsbehörde angesehen worden (vgl nochmals RT-Drucks 1909/1911 Nr 340 Anl S 40). Durch die Mitwirkung der Aufsichtsbehörde sollte und soll also nicht nur die Einhaltung einer maßvollen Obergrenze bei der Festsetzung der Pauschbeträge für Zeitaufwand gewährleistet, sondern zugleich dem Entstehen erheblich voneinander abweichender Entschädigungsregelungen bei den verschiedenen Sozialversicherungsträgern entgegengewirkt werden. Allgemein besteht in der Sicherung annähernd gleicher Wettbewerbs- und Arbeitsbedingungen innerhalb der Sozialversicherung eine wesentliche Funktion der staatlichen Mitwirkung an organisatorischen und finanziellen Entscheidungen der Selbstverwaltung. Denn es liegt im öffentlichen Interesse zu verhindern, daß durch das Entstehen allzu großer Ungleichgewichte die Funktionsfähigkeit einzelner Versicherungsträger oder ganzer Versicherungszweige beeinträchtigt wird (dazu näher: BSGE 55, 277, 280 ff = SozR 2100 § 69 Nr 3 S 5 f; BSGE 56, 197, 199 f = SozR 2200 § 69 Nr 4 S 11 f). Dementsprechend hat die Rechtsprechung etwa im Zusammenhang mit der aufsichtsbehördlichen Genehmigung von Stellen- und Besoldungsplänen den Gesichtspunkt der Stabilität und Homogenität der Rechts- und Besoldungsverhältnisse im öffentlichen Dienst als ein wesentliches Beurteilungskriterium hervorgehoben und der Genehmigungsbehörde gestattet, den Spielraum der Selbstverwaltung bei Eingruppierungs- und Besoldungsentscheidungen unter Hinweis auf das Gebot der Rücksichtnahme auf die Verhältnisse im übrigen öffentlichen Dienst einzuengen (BSGE 23, 206, 209 = SozR Nr 2 zu § 355 RVO Bl Aa 2; BSGE 37, 272, 277 = SozR 2200 § 690 Nr 1 S 5; BSG SozR 2200 § 690 Nr 3 S 10; BSGE 43, 1, 7 = SozR 2200 § 690 Nr 4 S 18). Der Aufsichtsbehörde obliegt es, durch ihre Genehmigungsentscheidungen dafür zu sorgen, daß sich die einzelnen Versicherungsträger nicht zu weit von den bei Versicherungsträgern dieser Art und Größe üblichen Organisationsgrundsätzen und dienstrechtlichen Standards entfernen (Bogs, Die Sozialversicherung im Staat der Gegenwart, Berlin 1973, S 212).
Ausgehend von diesen Grundsätzen war die Beklagte berechtigt, das Angemessenheitsgebot des § 41 Abs 3 Satz 1 SGB IV im Interesse einer Vereinheitlichung der Entschädigungspraxis der ihrer Aufsicht unterstehenden Sozialversicherungsträger zu konkretisieren und dazu auf die von den Sozialpartnern abgeschlossene Empfehlungsvereinbarung zur Höhe der Pauschbeträge für Zeitaufwand zurückzugreifen. Die genannte Vereinbarung, die seit 1973 existiert und seither mehrfach den veränderten Verhältnissen angepaßt wurde, ist von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, dem Deutschen Gewerkschaftsbund und der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft in Zusammenarbeit mit den Aufsichtsbehörden mit dem Ziel erarbeitet worden, eine Annäherung der bestehenden Entschädigungsregelungen zu erreichen und zu große Unterschiede der von den einzelnen Versicherungsträgern gewährten Entschädigungspauschalen zu vermeiden (Schirmer/Kater/ Schneider, aaO, Kennz 270 S 5). Als Wertung der unmittelbar Betroffenen, also derer, die es angeht, begründet sie eine Vermutung der Richtigkeit, die ihre Heranziehung als Grundlage der Angemessenheitsprüfung hinreichend legitimiert. Der Empfehlungsvereinbarung selber kommt allerdings keinerlei rechtliche Verbindlichkeit zu. Sie darf deshalb, wie das BSG in anderem Zusammenhang bereits entschieden hat, von der Aufsichtsbehörde und den Gerichten nicht etwa so gehandhabt werden, als wenn sie normatives Recht wäre. Unbeschadet der angesprochenen Richtigkeitsvermutung muß stets geprüft werden, ob die im konkreten Fall zur Anwendung kommenden Empfehlungen sachlich berechtigt sind. Auch kann allein die Abweichung von der Vereinbarung die Versagung der Genehmigung der von der Vertreterversammlung beschlossenen Pauschbeträge nicht rechtfertigen. Vielmehr bedarf es einer umfassenden Prüfung und Würdigung, ob für die Abweichung im konkreten Einzelfall ein wichtiger Grund vorliegt (BSGE 23, 206, 209 f = SozR Nr 2 zu § 355 RVO Bl Aa 2).
Die von der Beklagten unter Bezugnahme auf die Empfehlungsvereinbarung vom Juni 1987 (abgedruckt bei Becher, aaO, 7. Lfg 1987, Abschn N 10) getroffene Entscheidung hält einer solchen Überprüfung stand. Die genannte Vereinbarung beschränkt sich allerdings, was die Pauschbeträge für Zeitaufwand im Zusammenhang mit Sitzungen angeht, in Abschn B I auf die Festlegung eines Rahmens, innerhalb dessen die Sozialversicherungsträger die Pauschbeträge grundsätzlich variabel gestalten können. Dabei wird jedoch, wie sich sowohl aus der in Abschn B II für die Vorsitzenden der Organe getroffenen Regelung als auch aus der Bezugnahme auf die früheren Empfehlungsvereinbarungen vom Juli 1973 (BArbBl 1974, 598) und vom Juni 1978 (BArbBl 1978, 89) und die dort im Vorspann mitgeteilten Grundsätze ergibt, von einer Staffelung der Beträge nach der Größe des Versicherungsträgers ausgegangen. Die Anknüpfung an die Versichertenzahl bzw bei den Verbänden der Sozialversicherungsträger an den Umfang und die Bedeutung der Aufgaben ist entgegen der Ansicht der Klägerin auch sachgerecht. Die Beklagte weist zutreffend darauf hin, daß Umfang und Komplexität der Aufgaben der Vertreterversammlung bzw des Verwaltungsrats, etwa bei der Feststellung des Haushaltsplans, der Entlastung des Vorstandes und des Geschäftsführers wegen der Jahresrechnung oder beim Erwerb, der Veräußerung oder der Belastung von Grundstücken und der Errichtung von Gebäuden, mit der Größe des Versicherungsträgers zunehmen. Bei generalisierender Betrachtungsweise kann deshalb unterstellt werden, daß die Vorbereitung der Sitzungen bei größeren Versicherungsträgern einen höheren Zeitaufwand verursacht als bei kleineren. Daß die Beklagte den in der Empfehlungsvereinbarung vorgesehenen Rahmen durch eine Abstufung nach den ursprünglich für die Sozialversicherungswahlen festgelegten Betriebskrankenkassengrößen (vgl die Übersicht bei Becher, aaO, 13. Lfg 1994, Abschn E § 43 Nr 1.1) ausgefüllt hat, begegnet danach keinen Bedenken. Besonderheiten, die im Fall der Klägerin eine Überschreitung der so ermittelten Höchstbeträge geboten hätten, sind nicht ersichtlich und werden auch von der Revision nicht vorgetragen.
Der Senat verkennt nicht, daß die Befugnis der Aufsichtsbehörde, das Angemessenheitsgebot des § 41 Abs 3 Satz 1 SGB IV durch die Festlegung abgestufter Entschädigungsobergrenzen auf der Grundlage der Empfehlungsvereinbarung der Sozialpartner zu konkretisieren, den eigenen Entscheidungsspielraum der Selbstverwaltungsträger bei der Festsetzung der Aufwandsentschädigungen stark einengt. Dies ist jedoch im Interesse einer gleichmäßigen Entschädigungspraxis und zur Vermeidung übermäßiger Begünstigungen der in eigener Sache entscheidenden Organmitglieder hinzunehmen. Im übrigen bringt es die Kontrolle von Entschädigungs- oder Vergütungsregelungen zwangsläufig mit sich, daß berechtigte Beanstandungen als einseitige aufsichtsbehördliche Festlegungen erscheinen. Der Spielraum der Selbstverwaltung wird in diesen Fällen dadurch gewahrt, daß die Entscheidung des Sozialversicherungsträgers bis zur Grenze des rechtlich Zulässigen toleriert wird.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
SozR 3-2400 § 41, Nr.1 |
SozSi 1998, 430 |