Verfahrensgang
LSG Niedersachsen-Bremen (Urteil vom 26.03.2003) |
SG Stade (Urteil vom 17.11.2000) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 26. März 2003 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Streitig ist die Anerkennung und Entschädigung des Unfalls der Klägerin am 23. Februar 1996 als Arbeitsunfall (Wegeunfall).
Die Klägerin war als Altenpflegehelferin in H… beschäftigt und wohnte im südwestlich von H… gelegenen S…. Die Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte beträgt ca 40 km. Am 23. Februar 1996 verließ die Klägerin gegen 14.00 Uhr ihre Arbeitsstätte und fuhr ins nordöstlich gelegene H…. Sie wollte dort einen Bekannten besuchen, bei dem sie seit Jahren alle 14 Tage ihr freies Wochenende verbrachte. Die Entfernung von der Arbeitsstätte dorthin beträgt ca 44 km. Kurz vor Erreichen ihres Ziels befuhr die Klägerin in H… den in nordöstliche Richtung nach P… führenden W… Weg. Dort wollte sie einen Zwischenhalt einlegen, um in einem Fischgeschäft einzukaufen. Das Geschäft befand sich auf der in Fahrtrichtung linken Straßenseite. Die Klägerin fuhr an der gegenüber dem Fischgeschäft liegenden Straßeneinmündung vorbei und parkte an der rechten Straßenseite in einer Parkbucht. Das Fischgeschäft lag etwa 97 m rückwärts hiervon in südwestlicher Richtung. Bei dem Versuch, den W… Weg in Richtung des Fischgeschäfts zu überqueren, wurde die Klägerin – ca 30 m vom Parkplatz ihres PKW entfernt – von einem anderen PKW erfasst und schwer verletzt.
Mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 29. November 1996 lehnte die beklagte Unfallkasse die Gewährung von Leistungen ab, weil es sich nicht um einen Arbeitsunfall gehandelt habe. Einen weiteren, im Januar 1999 gestellten Entschädigungsantrag beschied sie mit dem angefochtenen Bescheid vom 27. April 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. April 2000 wiederum negativ. Die Klägerin habe den versicherten Weg für eine private Verrichtung unterbrochen. Die Unterbrechung sei nicht nur geringfügig gewesen, so dass der innere Zusammenhang mit dem versicherten Weg aufgehoben und durch eine andere Handlungstendenz – Einkäufe für private Zwecke – ersetzt worden sei.
Klage und Berufung sind ohne Erfolg geblieben (Urteil des Sozialgerichts – SG – Stade vom 17. November 2000; Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen – LSG – vom 26. März 2003). Zur Begründung hat das LSG im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe sich am Unfalltag zwar zunächst auf einem in innerem Zusammenhang mit ihrer versicherten Tätigkeit stehenden Weg zum sog dritten Ort befunden. Im Zeitpunkt des Unfalls sei der Zusammenhang zur versicherten Tätigkeit jedoch unterbrochen gewesen, weil die Zurücklegung des Weges nunmehr durch die Verfolgung eigenwirtschaftlicher Interessen, in einem Fischladen einzukaufen, geprägt gewesen sei. Das Einkaufen von Nahrungsmitteln oder Getränken in einem Geschäft am Straßenrand sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nicht mehr als lediglich geringfügige Unterbrechung anzusehen. Die Unterbrechung beginne allerdings in der Regel erst dann, wenn der Versicherte den öffentlichen Verkehrsraum verlassen habe. Indes sei der Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit im vorliegenden Fall ausnahmsweise schon im öffentlichen Verkehrsraum unterbrochen gewesen, weil die Klägerin im Unfallzeitpunkt eine andere als die zum dritten Ort führende Richtung eingeschlagen und in dieser Richtung einen nicht mehr geringfügigen Weg habe zurücklegen wollen.
Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Es sei zu klären, ob auch dann noch von einer nur geringfügigen, dh rechtlich unerheblichen Unterbrechung einer versicherten Wegstrecke auszugehen sei, wenn der Versicherte angesichts fehlender Parkmöglichkeiten in unmittelbarer Nähe des anvisierten Haltepunktes einen 97 m entfernten Parkplatz benutze und – ohne den öffentlichen Verkehrsraum zu verlassen – auf dem in entgegengesetzter Richtung eingeschlagenen Weg einen Unfall erleide. Der insoweit dargestellten Auffassung des LSG, dass nur die Zurücklegung einer ganz kurzen Strecke in entgegengesetzter Richtung nicht zu einer Unterbrechung des Versicherungsschutzes führe und die konkrete Verkehrslage in diesem Zusammenhang nur dann zu berücksichtigen sei, wenn sie zu geringfügigen Zusatzwegen führe, könne nicht gefolgt werden. Vielmehr sei entscheidend zu berücksichtigen, dass auch fehlende Parkmöglichkeiten – insbesondere in Großstädten – ein Verkehrshindernis darstellten, so dass der Unfallschutz nicht deshalb entfallen dürfe, weil der Versicherte gezwungen sei, einen weiter entfernten Parkplatz zu nutzen. Insoweit habe das BSG in seiner Entscheidung vom 2. Juli 1996 – 2 RU 16/95 – betont, dass der Versicherungsschutz nicht entfalle, wenn bei natürlicher Betrachtungsweise, besonders unter Berücksichtigung der heutigen Straßenverhältnisse, der Versicherte nach dem Überqueren der Straße eine gewisse Strecke (dort konkret 7 bis 8 m) zu dem anvisierten Geschäft zurückgehen müsse, soweit er infolge anderer geparkter Fahrzeuge seinen PKW nicht unmittelbar gegenüber dem Geschäft habe abstellen können. Eine vergleichbare Situation sei auch im vorliegenden Falle gegeben mit dem alleinigen Unterschied, dass sich der nächste freie Parkplatz nicht sieben oder acht Meter, sondern erst 97 Meter von dem betreffenden Geschäft entfernt befunden habe.
Die Klägerin betragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 26. März 2003 und das Urteil des Sozialgerichts Stade vom 17. November 2000 sowie den Bescheid der Beklagten vom 27. April 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. April 2000 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr – der Klägerin – unter Rücknahme des Bescheides vom 29. November 1996 wegen des Arbeitsunfalles vom 23. Februar 1996 Entschädigung aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Zutreffend haben die Vorinstanzen entschieden, dass die Beklagte durch die Ablehnung der Gewährung von Leistungen im angefochtenen Bescheid vom 27. April 1999 die Rücknahme des Ablehnungsbescheides vom 29. November 1996 (§ 44 Abs 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch) und die Gewährung von Leistungen aus Anlass des Unfalls vom 23. Februar 1996 zu Recht abgelehnt hat, denn dieser Unfall ist kein Arbeitsunfall.
Der Anspruch der Klägerin richtet sich noch nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO), weil der umstrittene Unfall vor dem In-Kraft-Treten des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) am 1. Januar 1997 eingetreten ist (Art 36 des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes, § 212 SGB VII).
Arbeitsunfall ist nach § 548 Abs 1 Satz 1 RVO ein Unfall, den ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet. Nach § 550 Abs 1 RVO gilt als Arbeitsunfall auch ein Unfall auf einem mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit. Allerdings steht nicht schlechthin jeder Weg unter Versicherungsschutz, der zur Arbeitsstätte hinführt oder von ihr aus begonnen wird. Vielmehr ist nach § 550 Abs 2 iVm Abs 1 RVO darüber hinaus erforderlich, dass es sich um den unmittelbaren Weg handelt, was besagt, dass ein innerer Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der Zurücklegung des Weges bestehen muss. Dieser innere Zusammenhang setzt voraus, dass die Zurücklegung des Weges wesentlich dazu zu dienen bestimmt ist, den Ort der Tätigkeit oder nach Beendigung der Tätigkeit die eigene Wohnung oder einen andern Endpunkt des Weges von dem Ort der Tätigkeit zu erreichen. Anderer Grenzpunkt als der Ort der Tätigkeit kann auch ein sog dritter Ort sein, wenn die Länge des Weges in einem angemessenen Verhältnis zu dem üblicherweise zu oder von dem Ort der Tätigkeit zurückgelegten Weg steht (stRspr, zuletzt BSG SozR 3-2700 § 8 Nr 6, 13 und 14). Maßgebend ist dabei die Handlungstendenz des Versicherten, so wie sie insbesondere durch die objektiven Umstände des Einzelfalls bestätigt wird (BSG SozR 3-2200 § 550 Nr 4 und 16, jeweils mwN). Fehlt es an einem solchen inneren Zusammenhang, scheidet ein Versicherungsschutz selbst dann aus, wenn sich der Unfall auf derselben Strecke ereignet, die der Versicherte auf dem Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit gewöhnlich benutzt (BSG SozR 3-2200 § 550 RVO Nr 21 mwN; BSG SozR 3-2700 § 8 Nr 10 mwN; zuletzt BSG Urteil vom 24. Juni 2003 – B 2 U 40/02 R –).
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts befand sich die Klägerin am Unfalltag auf dem unmittelbaren Weg von ihrer Arbeitsstätte zur Wohnung ihres Bekannten als drittem Ort und stand damit gemäß § 550 Abs 1 RVO unter Versicherungsschutz. Im Unfallzeitpunkt selbst hatte sie jedoch ihre Fahrt vorübergehend unterbrochen und mit dem Aufsuchen des Fischgeschäfts eine andere, nicht der Zurücklegung des Weges dienende Verrichtung eingeschoben. Während einer solchen Unterbrechung besteht der Versicherungsschutz grundsätzlich nur dann weiter, wenn die eingeschobene Verrichtung ihrerseits im inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit steht (vgl etwa BSG SozR Nr 45 und Nr 63 zu § 543 RVO aF; BSG SozR 3-2200 § 550 Nr 16; Urteil des BSG vom 26. Mai 1977 – 2 RU 97/75 – USK 77139). Das war hier nicht der Fall, denn der Einkauf von Lebensmitteln auf dem Heimweg von der Arbeit rechnet zum unversicherten persönlichen Lebensbereich.
Ganz kurze und geringfügige Unterbrechungen beseitigen den Zusammenhang des Weges mit der Betriebstätigkeit allerdings selbst dann nicht, wenn sie eigenwirtschaftlicher Natur sind. Um solche rechtlich nicht ins Gewicht fallenden Ereignisse handelt es sich, wenn der in Rede stehende Vorgang bei natürlicher Betrachtungsweise zeitlich und räumlich noch als Teil des Weges nach oder von dem Ort der Tätigkeit in seiner Gesamtheit anzusehen ist oder, anders gewendet, wenn die Besorgung hinsichtlich ihrer zeitlichen Dauer und der Art ihrer Erledigung keine erhebliche Zäsur in der Fortbewegung in Richtung auf die Arbeitsstätte darstellt, wobei als Beurteilungsmaßstab die allgemeine Verkehrsauffassung zugrunde zu legen ist (BSG SozR Nr 5 und Nr 28 zu § 543 RVO aF; BSG Urteil vom 31. Juli 1985 – 2 RU 63/84 – USK 85252). Geringfügig ist eine Unterbrechung nach diesen Kriterien, wenn die private Besorgung unmittelbar im Bereich der Straße und ohne nennenswerte zeitliche Verzögerung, also gleichsam “im Vorbeigehen”, erledigt werden kann (vgl etwa BSG SozR Nr 28 zu § 543 RVO: Besorgen von Zigaretten aus einem Automaten am Straßenrand; BSG SozR 2200 § 539 Nr 21: Hilfeleistung beim Öffnen einer Straßenbahntür; Urteil des BSG vom 31. Januar 1974 – 2 RU 165/72 – USK 7405 = Die Leistungen 1975, 123: Hilfe beim Hineinheben eines Kinderwagens in den Autobus). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt, wie das LSG zutreffend dargelegt hat.
Wird der Weg zu oder von der Arbeitsstätte durch eine private Besorgung mehr als nur geringfügig unterbrochen, besteht während der Unterbrechung kein Versicherungsschutz; dieser setzt erst wieder ein, wenn die eigenwirtschaftliche Tätigkeit beendet ist und der ursprüngliche Weg wieder aufgenommen wird (Nachweise bei Brackmann/Krasney, Handbuch der Sozialversicherung, SGB VII, 12 Aufl 2001, § 8 RdNr 235). Diesen Grundsatz hat das BSG freilich bisher mit der Einschränkung versehen, dass der Versicherungsschutz trotz der vorübergehenden Lösung vom betrieblichen Zweck des Weges solange erhalten bleibt, wie sich der Versicherte noch innerhalb des öffentlichen Verkehrsraums der für den Weg zu oder von der Arbeitsstätte benutzten Straße aufhält. Die nicht mehr versicherte Unterbrechung des Weges beginnt danach erst, wenn der öffentliche Verkehrsraum, beispielsweise durch Betreten eines Geschäftes oder durch Einbiegen in eine Seitenstraße, verlassen wird, und endet, sobald der Versicherte nach Erledigung der eigenwirtschaftlichen Verrichtung zur Fortsetzung des Weges in den Bereich der Straße zurückkehrt (siehe zuletzt BSG SozR 3-2200 § 550 Nr 14 mwN). An dieser einschränkenden Rechtsprechung, die in der Vergangenheit aus Gründen der Rechtsklarheit und Verwaltungspraktikabilität die Einbeziehung bestimmter im privaten Bereich wurzelnder Unfallrisiken in den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung in Kauf genommen hat, hält der Senat nach erneuter Prüfung nicht mehr fest.
Die Erstreckung des Wegeunfallschutzes auf den gesamten Bereich des öffentlichen Verkehrsraums hatte ihren Ursprung bereits in der Judikatur des Reichsversicherungsamtes (EuM 30, 321, 322). Daran anknüpfend hat das BSG seit jeher die für den Weg zu oder von der Arbeitsstätte benutzte Straße in ihrer gesamten Breite als versicherungsrechtlich geschützten Weg angesehen, so dass, wenn sich der Unfall innerhalb des Verkehrsraums ereignet hatte, nicht geprüft wurde, aus welchen Gründen sich der Versicherte zum Unfallzeitpunkt gerade an dieser Stelle befunden hatte (BSGE 20, 219, 221 = SozR Nr 49 zu § 543 RVO aF; BSGE 22, 7, 9 = SozR Nr 53 zu § 543 RVO aF; BSGE 49, 16, 18 = SozR 2200 § 550 Nr 41 S 101; BSG SozR 2200 § 550 Nr 69 S 177; BSG SozR 3-2200 § 550 Nr 14 S 50 f; ausführliche Nachweise bei Brackmann/Krasney, aaO, § 8 RdNr 237, 238). Begründet wurde dies damit, dass dem Versicherten nicht vorgeschrieben werden könne, welche Straßenseite er für den Arbeitsweg benutze, es ihm vielmehr überlassen bleiben müsse, in welchem Bereich des öffentlichen Verkehrsraums er sich bewege. Auch werde eine durch die Straßenanlage vorgegebene örtliche Begrenzung des Weges von und nach dem Ort der Tätigkeit am ehesten den unterschiedlichen Fallgestaltungen der Praxis gerecht. Sie ermögliche eine klare Entscheidung über das Bestehen von Versicherungsschutz, ohne dass jeweils geprüft zu werden brauche, welche Motive dem Betreten oder Befahren des Unfallortes im Unfallzeitpunkt zugrunde gelegen hätten. Das gelte insbesondere in Fällen, in denen eine Aufklärung der subjektiven Umstände wegen der Art der Verletzungen oder wegen des Todes des Versicherten erschwert oder unmöglich sei. Die Notwendigkeit, das Vorhandensein von Unfallversicherungsschutz so weit wie möglich anhand objektiver Maßstäbe festzustellen, rechtfertige die schematische Grenzziehung (vgl zusammenfassend BSG SozR 2200 § 550 Nr 69 S 177 mwN).
Die Möglichkeit, ohne Verlust des Versicherungsschutzes den gesamten öffentlichen Verkehrsraum zu nutzen, wurde allerdings nicht mehr anerkannt, wenn der Versicherte unterwegs aus privaten Gründen umgekehrt und in Richtung auf den Ausgangspunkt seines Weges zurückgegangen oder -gefahren war. In solchen Fällen wurde unmittelbar mit der Richtungsänderung eine Unterbrechung angenommen, auch wenn der Betreffende im Straßenraum verblieben und dort verunglückt war (BSG SozR 3-2200 § 548 Nr 8: Überqueren der Straße in entgegengesetzter Richtung, um mit einer Bekannten zu sprechen; BSG SozR 3-2200 § 550 Nr 1: Wenden und Zurückfahren, um Schadenersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall zu verfolgen; BSG SozR 2200 § 550 Nr 24: Umkehr zur Wohnung, um die vergessene Geldbörse zu holen; Urteil des BSG vom 29. Juni 1971 – 2 RU 117/69 – BG 1972, 355 = USK 71139: Rückfahrt in entgegengesetzter Richtung, um Lebensmittel einzukaufen; Urteil des BSG vom 31. Juli 1985 – 2 RU 63/84 – USK 85252: Zurücksetzen, um einen am Straßenrand liegenden Gegenstand zu untersuchen; Urteil des BSG vom 28. Juni 1991 – 2 RU 70/90 – USK 91165 = HV-Info 1991, 1844: Rückkehr zum Betriebsgelände nach Arbeitsschluss).
Von dieser Regel wurden wiederum Ausnahmen für den Fall zugelassen, dass das Zurückgehen oder -fahren durch die Verkehrsverhältnisse oder den Straßenzustand veranlasst war. So wurde es als unschädlich angesehen, dass der Versicherte sich wegen der Situation im Einmündungsbereich einer Straßenkreuzung für eine kurze Zeit in die entgegengesetzte Richtung begeben und die Straße diagonal überquert hatte (Urteil des BSG vom 25. Juni 1992 – 2 RU 31/91 – NJW 1993, 87 = USK 92197; weitere Beispiele – Benutzen eines durch Ampeln gesicherten Übergangs; Umgehen eines verschmutzten Straßenabschnitts – bei Brackmann/Krasney, aaO, RdNr 239). In dem schon zitierten Urteil vom 2. Juli 1996 – 2 RU 16/95 – (SozR 3-2200 § 550 Nr 14 = NJW 1997, 2260) wurde der innere Zusammenhang mit der Zurücklegung des Weges zur Arbeit bejaht, obwohl der Versicherte, bedingt durch die Verkehrssituation, nach Erledigung eines privaten Einkaufs die Straße ca 14 bis 18 Meter hinter seinem PKW überquert hatte und dabei verunglückt war. Speziell auf die zuletzt genannte Entscheidung beruft sich die Klägerin, indem sie argumentiert, angesichts der beschränkten Parkmöglichkeiten in Großstädten liege auch ein erzwungener Fußweg von ca 100 Metern noch im Rahmen des Üblichen, so dass zwischen beiden Fällen kein rechtlich bedeutsamer Unterschied gemacht werden könne.
Die Rechtsprechung zum Versicherungsschutz innerhalb des öffentlichen Verkehrsraumes hat ihren Ausgang in Fällen, in denen der Versicherte den Weg zu oder von der Arbeitsstätte zu Fuß zurücklegte. Zunächst ging es allein darum, geringfügige private Verrichtungen im Straßenraum selbst, wie den Zigarettenerwerb am Automaten, oder das Einwerfen eines Briefes in den Briefkasten mit in den Versicherungsschutz einzubeziehen. Daran anknüpfend hat das BSG die Fälle entschieden, in denen der Versicherte eine private Besorgung auf dem unmittelbaren Weg machen wollte und dafür den Verkehrsraum der Straße verlassen musste. Auch diese Fallgruppe betraf ursprünglich Fälle, in denen der Versicherte den geschützten Weg zu Fuß zurücklegte (SozR 2200 § 550 Nr 20). Später kam es zu Entscheidungen, in denen der Versicherte seinen PKW parkte bzw als Mitfahrer den geparkten PKW verließ, um ein Geschäft zu Fuß aufzusuchen. In diesen Fällen hat das BSG die Rechtsprechung übernommen, dass der Versicherte in der Regel im gesamten Bereich des öffentlichen Verkehrsraumes geschützt sei (Urteil des BSG vom 25. Juni 1992 – 2 RU 31/91 – NJW 1993, 97 = USK 92197; BSG SozR 3-2200 § 550 Nr 14 mwN). Versicherten, die den Weg zur Arbeit zu Fuß zurücklegten, sollte nicht vorgeschrieben werden, wo sie sich innerhalb des Straßenraums zu bewegen hatten. Auch ließen sich die Beweggründe für die Bevorzugung einer bestimmten Straßenseite oder für einen Wechsel der Straßenseite im Nachhinein oft nur schwer oder gar nicht klären. Durch die Erstreckung des Versicherungsschutzes auf den gesamten Bereich der öffentlichen Straße sollten diese Schwierigkeiten vermieden und den Versicherungsträgern klare und nachprüfbare Beurteilungskriterien zur Verfügung gestellt werden (vgl BSG SozR 2200 § 550 Nr 69 mwN). Diesem Anliegen kommt, wenn für den Weg zur Arbeitsstätte ein Kraftfahrzeug benutzt wird, nicht dieselbe Bedeutung zu, weil sich der Zeitpunkt einer Fahrtunterbrechung wegen der Notwendigkeit, das Fahrzeug abzustellen und zu verlassen, leicht feststellen lässt. Die Übertragung der für Fußgänger entwickelten Kriterien auf andere Verkehrsteilnehmer wurde deshalb von der Rechtsprechung auch ausdrücklich nicht mit Erwägungen zur Risikoabgrenzung, sondern damit begründet, dass es nicht angehe, Kraftfahrer und Fußgänger hinsichtlich des Umfangs des Versicherungsschutzes unterschiedlich zu behandeln (BSG SozR 2200 § 550 Nr 69 S 178; Urteil des BSG vom 25. Juni 1992 – 2 RU 31/91 – NJW 1993, 97 = USK 92197; Urteil des BSG vom 30. Juni 1999 – B 2 U 31/98 R – USK 99132).
Die genannte jahrzehntelange Rechtsprechung hatte vielschichtige Abgrenzungsprobleme zu bewältigen. Je nach der Zielrichtung des eingeschobenen Weges oder der Art der angestrebten privaten Verrichtung wurde eine Unterbrechung des Versicherungsschutzes einmal bereits im öffentlichen Verkehrsraum selbst und ein anderes Mal erst mit dessen Verlassen angenommen. Die im vorliegenden Revisionsverfahren streitige Frage, ob ein Versicherter, der sich auf einem geschützten Weg befindet, zwischendurch eine eigenwirtschaftliche Verrichtung (Einkaufen) außerhalb des öffentlichen Verkehrsraums anstrebt und aus verkehrstechnischen Gründen gezwungen ist, seinen PKW knapp 100 Meter von dem Geschäft entfernt abzustellen, auf dem Fußweg zu diesem Geschäft im öffentlichen Verkehrsraum noch unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung steht, hat das LSG im Hinblick auf die Richtung der Fortbewegung im Unfallzeitpunkt entgegen der ursprünglichen Richtung und weil es sich um einen erheblichen Fußweg handelte, negativ beantwortet. Das Abstellen auf die Richtungsänderung lässt vermuten, dass es anders entschieden hätte, wenn die Klägerin ihren PKW vorsorglich in einiger Entfernung vor dem Geschäft geparkt hätte und dann auf dem Fußweg dorthin verunglückt wäre. Auch in dieser Konstellation könnte mit Blick auf die bestehende Parkplatznot geltend gemacht werden, dass der relativ lange Fußweg durch die Verkehrsverhältnisse erzwungen war. Da eine unterschiedliche Behandlung der beiden Sachverhalte aber schwerlich sachlich zu rechtfertigen wäre, könnte die notwendige Begrenzung des Versicherungsschutzes nur über eine Begrenzung der Wegstrecke zum und vom Ort der privaten Besorgung erreicht werden. Wann der innerhalb des öffentlichen Verkehrsraums zurückzulegende Fußweg unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse noch als geringfügig anzusehen ist und wann nicht mehr, lässt sich indessen kaum anhand generell-abstrakter Kriterien festlegen und bliebe deshalb letztlich der persönlichen Beurteilung des Rechtsanwenders im Einzelfall überlassen.
Neben Abgrenzungsschwierigkeiten ergeben sich aus der Einbeziehung der im Straßenbereich zu Einkaufszwecken zurückgelegten privaten Wege in den Versicherungsschutz Wertungswidersprüche. Dass jemand, der auf dem Weg zu oder von der Arbeit einen privaten Einkauf erledigen will, auf einem längeren und sogar rückwärts gewandten Fußweg innerhalb des öffentlichen Verkehrsraums einschließlich des Überquerens der Straße versichert bleibt, während ein anderer, der ohne nennenswerte Erhöhung des Unfallrisikos auf Höhe seines geparkten PKW den Straßenbereich um wenige Meter verlässt (so zB in der Entscheidung des Senats vom 30. Juni 1999 – B 2 U 31/98 R – USK 99132 = HVBG-Info 1999, 2624), den Versicherungsschutz verliert, leuchtet nicht ein und ist insbesondere den Betroffenen nur schwer zu vermitteln. Es führte auch nicht zu widerspruchsfreien Ergebnissen, wenn nicht auf die Richtung der Fortbewegung und/oder die Länge des notwendigen Fußweges, sondern auf die Art der angestrebten Verrichtung abgestellt und etwa danach differenziert würde, ob der Versicherte im Zeitpunkt der Unterbrechung einer “wertneutralen” privaten Besorgung oder irgendwelchen Vergnügungen nachgehen wollte (vgl dazu BSG SozR 3-2200 § 548 Nr 8). Die von der Rechtsprechung entwickelten Abgrenzungsmerkmale sind deshalb stets umstritten gewesen und mussten vom BSG immer wieder gegen Angriffe verteidigt werden, weil sich Wertungswidersprüche im Vergleich mit früheren Entscheidungen nicht vermeiden ließen (vgl exemplarisch: Urteil vom 25. Juni 1992 – 2 RU 31/91 – NJW 1993, 87 = USK 92197; Urteil vom 2. Juli 1996 – 2 RU 16/95 – SozR 3-2200 § 550 Nr 14; Urteil vom 30. Juni 1999 – B 2 U 31/98 R – USK 99132 = HVBG-Info 1999, 2624).
Die aufgezeigten Probleme werden durch die Bedingungen des modernen Straßenverkehrs mit einem hohen Grad der Motorisierung und entsprechend beschränkten Parkmöglichkeiten verschärft. Während durch die Erstreckung des Versicherungsschutzes auf den gesamten Straßenraum ursprünglich allenfalls kurze private Wege mit erfasst wurden, mussten später auch längere oder entgegengesetzt zur ursprünglichen Zielrichtung führende Wege akzeptiert werden, wenn die Verkehrslage sie erzwang. Durch diese Entwicklung, deren Ende nicht absehbar ist, werden zunehmend nicht im inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehende Risiken in den Wegeunfallschutz einbezogen. Da im vorliegenden Fall nach den Feststellungen des LSG eine näher zu dem Fischgeschäft liegende Parkmöglichkeit nicht bestand, ist der Einwand der Revision nicht von der Hand zu weisen, dass gemessen an den Abgrenzungskriterien der Rechtsprechung trotz der längeren Wegstrecke von fast 100 Metern wertungsmäßig kein entscheidender Unterschied zu dem der Senatsentscheidung vom 2. Juli 1996 (SozR 3-2200 § 550 Nr 14) zugrunde liegenden Sachverhalt mit einem rückwärts führenden Fußweg von ca 15 Metern besteht. Andererseits ist eine weitere Ausdehnung des Versicherungsschutzes auf privat veranlasste Verrichtungen im öffentlichen Verkehrsraum mit dem Zweck der gesetzlichen Unfallversicherung nicht zu vereinbaren.
Die Unfallversicherung schützt Pflichtversicherte und freiwillig Versicherte vor den Risiken des Arbeitsunfalls und der Berufskrankheit, die ihnen “bei” (vgl § 548 Abs 1 Satz 1 und § 551 Abs 1 Satz 2 RVO) der gesetzlich definierten versicherten Tätigkeit begegnen. Daher ist Versicherungsschutz außerhalb der See- und Binnenschifffahrt (vgl §§ 838 und 552 RVO) nur dann anzunehmen, wenn die Tätigkeit im Unfallzeitpunkt in innerem Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit – hier als abhängig beschäftigte Altenpflegehelferin – steht, gleichgültig ob es sich um eine Tätigkeit am Arbeitsplatz, auf dem Betriebsgelände, auf einem sog Betriebsweg oder auf dem Weg von oder zum Ort der Tätigkeit handelt. Es ist in der Regel erforderlich, dass der Versicherte im Unfallzeitpunkt einer versicherten Tätigkeit nachgeht, indem er betriebsdienliche Zwecke verfolgt oder zumindest eine Tätigkeit ausübt, die den Zwecken des Unternehmens zu dienen bestimmt ist (siehe zuletzt SozR 3-2200 § 548 Nr 38; Urteil des BSG vom 20. Februar 2001 – B 2 U 6/00 R – EzS 40/627 = SGb 2001, 309). Weil § 550 Abs 2 iVm Abs 1 RVO nicht den kürzesten sondern den “unmittelbaren” Weg zum oder vom Ort der Tätigkeit unter Unfallversicherungsschutz stellt, ist davon auszugehen, dass der Versicherte ein gewisses Maß an Bewegungsfreiheit besitzt, wenn er sie nutzt, um den Weg – aus seiner Sicht – möglichst schnell oder sicher oder kostengünstig zurückzulegen. Dem entspricht die ständige Rechtsprechung, die den Begriff des “unmittelbaren” Weges entsprechend definiert und nicht nur die kürzeste Wegstrecke, sondern bei Bestehen bestimmter allein durch die Verkehrsverhältnisse geprägter Umstände (Stau oder schlechte Wegstrecke auf dem kürzeren Weg etc) auch die längere Wegstrecke dem Versicherungsschutz unterstellt (vgl BSGE 4, 219, 222; BSG SozR Nr 21 zu § 543 RVO aF; BSG SozR 2200 § 550 Nr 10; BSG SozR 3-2200 § 550 Nr 7; zuletzt BSG SozR 3-2700 § 8 Nr 9 mwN). Zu unterscheiden davon sind grundsätzlich die Fälle, in denen die Art und Weise der (Fort-)Bewegung oder das sonstige Verhalten des Versicherten durch Umstände geprägt wird, die dem eigenwirtschaftlichen Bereich des Versicherten zuzuordnen sind.
Werden diese Maßstäbe beachtet, so lässt sich angesichts der Veränderung der Verkehrsverhältnisse und der damit verbundenen Erweiterung der Gefahrenpotentiale eine Einbeziehung der innerhalb des Straßenraums zurückgelegten privaten Wege in den Unfallversicherungsschutz heute mit Gründen der Praktikabilität und Rechtsklarheit nicht mehr rechtfertigen. Die Rechtsprechung zur Unterbrechung des Versicherungsschutzes bei privaten Besorgungen auf dem Weg zu und von dem Ort der Tätigkeit bedarf deshalb einer Neuorientierung, die einerseits die geschilderten Zuordnungs- und Abgrenzungsschwierigkeiten so weit wie möglich vermeidet und andererseits den Schutz der Unfallversicherung auf Tätigkeiten begrenzt, die wesentlich der Zurücklegung des versicherten Weges oder sonst einem betrieblichen Zweck dienen. Der Senat geht dabei von folgenden Grundsätzen aus:
Es steht dem Versicherten frei, sich im öffentlichen Verkehrsraum beliebig zu bewegen, wenn die Fortbewegung nach seiner Handlungstendenz der Zurücklegung des Weges von oder zum Ort der Tätigkeit zu dienen bestimmt ist. Insofern mag der Autofahrer bei einer doppelspurigen Straße entscheiden, ob er die rechte oder die linke Fahrspur befährt. Sobald indes der Versicherte allein eigenwirtschaftliche Zwecke verfolgt, die mit der versicherten Fortbewegung nicht übereinstimmen, wird der Versicherungsschutz unterbrochen und zwar so lange, bis er die Fortbewegung auf sein ursprüngliches Ziel hin wieder aufnimmt. Bei Benutzung eines Fahrzeugs (PKW, Motorrad, Fahrrad) wird die eigenwirtschaftliche Handlungstendenz nicht erst mit dem Verlassen des öffentlichen Verkehrsraumes zu Fuß ersichtlich. Sie prägt das Verhalten des Versicherten, sobald er zB mit dem Ziel des Besuchs eines Geschäftes sein Fahrzeug verlässt, also dokumentiert, dass er sich vorläufig auf dem versicherten Weg nicht weiter fortbewegen will. Dabei spielt es keine Rolle, ob er das Fahrzeug in unmittelbarer Nähe des Geschäfts abstellt oder es in relativ größerer Entfernung – vor oder hinter dem Geschäft – parken kann. Denn das Risiko – zum Einkaufen – einen freien Parkplatz zu finden, ist nicht mehr der durch die versicherte Tätigkeit veranlassten Fortbewegung zuzurechnen, sondern allein dem eigenwirtschaftlich geprägten Wunsch, einen Einkauf durchzuführen. Erst dieser Wunsch führt überhaupt dazu, dass sich der Versicherte einen Park- bzw Abstellplatz suchen muss. Auch das Zurücklegen des Fußweges zwischen dem Fahrzeug und dem Geschäft ist allein der eigenwirtschaftlichen Verrichtung des Einkaufens und nicht mehr dem Zurücklegen des versicherten Weges zu dienen bestimmt. Es kann auch nicht als gemischte Tätigkeit (vgl dazu BSG SozR 3-2700 § 8 Nr 1) angesehen werden, weil sich die Wege vom Fahrzeug zum Geschäft und von dort wieder zurück zum Fahrzeug eindeutig von dem Weg zum oder vom Ort der Tätigkeit abgrenzen lassen. Ebenso wenig ist es rechtlich bedeutsam, ob die eigenwirtschaftliche Verrichtung im Straßenraum selbst oder außerhalb desselben erledigt werden soll und in welche Richtung sich der Fahrzeugnutzer bewegen muss.
Nach den dargestellten Grundsätzen stand die Klägerin im Unfallzeitpunkt nicht mehr unter Versicherungsschutz. Zwar befand sie sich, wie die Vorinstanzen zutreffend angenommen haben, auf einem in innerem Zusammenhang mit ihrer versicherten Tätigkeit stehenden Weg zum sog dritten Ort, weil die Länge des Weges zu der Wohnung des Bekannten in einem angemessenen Verhältnis zur Länge des Weges zur Wohnung der Klägerin selbst stand. Indes war der Versicherungsschutz im Unfallzeitpunkt unterbrochen, weil die Klägerin ihren PKW geparkt und sich auf den Fußweg zu dem Fischgeschäft begeben hatte.
Ihre Revision war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen