Entscheidungsstichwort (Thema)
Schadensersatzanspruch gegen Vertragszahnarzt wegen Pflichtverletzung
Leitsatz (amtlich)
Die Kassenzahnärztliche Vereinigung ist zuständig für die Feststellung von Schadensersatzansprüchen einer Vertragskasse gegen den Vertragszahnarzt wegen Verletzung von Pflichten aus dem Zahnarzt-/Ersatzkassenvertrag.
Orientierungssatz
1. Der ZÄErskVtr bewirkt wie ein Vertrag mit Schutzwirkungen für Dritte unmittelbar Ansprüche der Vertragskassen, wenn der Vertragszahnarzt vertragliche Pflichten schuldhaft verletzt und ihnen dadurch einen Schaden zufügt (vgl BSG vom 7.12.1988 6 RKa 35/87 = SozR 5550 § 18 EKV-Ärzte Nr 1).
2. Für Schadensersatzansprüche im vertragszahnärztlichen Bereich ist weder § 45 SGB 10 noch § 111 SGB 10 anwendbar.
3. Ein auf zahnprothetische Behandlung gerichteter Vertrag ist ein Dienstvertrag. Das Gewährleistungsrecht des Werkvertrages gilt nur, soweit es sich lediglich um die technische Anfertigung der Prothese handelt und keine spezifische zahnärztliche Heilbehandlung vorliegt; außer der technischen Anfertigung der Prothese gehören alle übrigen mit der zahnprothetischen Versorgung zusammenhängenden Verrichtungen (zB Erhaltung gefährdeter Zähne, Eingliederung einer Prothese) zur Heilbehandlung als Dienstleistungen höherer Art (vgl BGH vom 9.12.1974 VII ZR 182/73 = NJW 1975, 305).
Normenkette
EKV-Z § 12 Abs 6, § 19 Abs 1 S 2; SGB 10 § 45 Fassung: 1988-07-20, § 111 Fassung: 1982-11-04; BGB §§ 611, 631, 328 Abs 1
Verfahrensgang
LSG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 12.10.1988; Aktenzeichen L 1 Ka 147/87) |
SG Reutlingen (Entscheidung vom 05.11.1986; Aktenzeichen S 1 Ka 2043/85) |
Tatbestand
Der klagende Zahnarzt wendet sich gegen die Festsetzung eines Schadensersatzanspruches wegen Verletzung vertragszahnärztlicher Pflichten.
Der Kläger behandelte vom 21. März 1983 an die bei der beigeladenen Ersatzkasse versicherte F. Am 1. Juni 1983 gliederte er neben einer Oberkieferprothese auch eine kombinierte festsitzende/abnehmbare Unterkiefermodellgußprothese ein. Den Heil- und Kostenplan für die Prothetik hatte die beigeladene Ersatzkasse genehmigt. Im August 1983 trat die Patientin F. in die Behandlung des Fachzahnarztes für Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten Dr. Dr. B. ein. Dr. Dr. B. teilte der beigeladenen Ersatzkasse mit, der vom Kläger gefertigte Zahnersatz im Unterkiefer sei nicht funktionstüchtig und nicht eingliederungsfähig. Zunächst seien konservierende chirurgische Behandlungsmaßnahmen notwendig und danach eine neue festsitzende Frontzahnkonstruktion mit entsprechender Modellgußprothese. Die beigeladene Ersatzkasse genehmigte den Heil- und Kostenplan des Dr. Dr. B., der Zahnersatz wurde von diesem eingegliedert. In einem Gutachten für die Ersatzkasse kam der Zahnarzt O. zu dem Ergebnis, der Kläger habe sich nicht vertragsgerecht verhalten, als er ohne vorherige konservierende oder chirurgische Maßnahmen die prothetische Versorgung des Unterkiefers vorgenommen habe. Die beigeladene Ersatzkasse machte daraufhin gegenüber der Beklagten die durch die erneute prothetische Versorgung des Unterkiefers entstandenen Kosten in Höhe von 4.387,86 DM und Kosten des Gutachtens des Zahnarztes O. in Höhe von 103,24 DM geltend. Entsprechend einer Stellungnahme ihres Prothetikreferenten, Zahnarzt M., belastete die Beklagte den Kläger antragsgemäß mit 4.491,10 DM.
Das Sozialgericht (SG) hat der Klage stattgegeben mit der Begründung, die für die Berichtigung von Fehlern bei der Anwendung des Gebührentarifs C geltende Ausschlußfrist von drei Monaten nach Abrechnung sei längst vor Stellung des Antrags durch die beigeladene Ersatzkasse abgelaufen gewesen. Auf die Berufungen der Beigeladenen hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Das LSG hat ausgeführt, der Vertrag zwischen der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) und dem Verband der Angestellten-Krankenkassen eV (VdAK) sowie dem Verband der Arbeiter-Ersatzkassen eV (AEV) vom 29. November 1963 (Zahnarzt/Ersatzkassenvertrag -ZEKV-) gehe vom Bestehen von Schadensersatzansprüchen gegen den Vertragszahnarzt aus. Zuständig für die Festsetzung sei die Beklagte. Die Erhebung des Schadensersatzanspruchs sei nicht durch vertragliche Ausschlußfristen beschränkt. Der Festsetzung des Schadensersatzanspruchs stehe nicht entgegen, daß das von der beigeladenen Ersatzkasse eingeleitete Gutachterverfahren nach § 20 ZEKV nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden sei, denn durch die Ergebnisse dieses Verfahrens werde die Kassenzahnärztliche Vereinigung (KZÄV) nicht gebunden. Die Beklagte habe sich nicht auf das Ergebnis des Gutachtens des Zahnarztes O. gestützt. Der Kläger habe bei der prothetischen Unterkieferversorgung der Patientin F. mehrfach gegen die Richtlinien des Bundesausschusses der Zahnärzte und Krankenkassen für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche kassenärztliche Versorgung mit Zahnersatz und mit Zahnkronen vom 25. November 1977 - Zahnersatzrichtlinien - (BAnZ Nr 32 vom 9. Dezember 1977) verstoßen. Er habe der Patientin einen kombiniert festsitzenden/abnehmbaren Zahnersatz im Unterkiefer eingesetzt und dabei Zähne überkront, obwohl diese Zähne krank und unbehandelt waren. Auch treffe nicht zu, daß die prothetische Unterkieferversorgung der Patientin F. nach einer späteren Durchführung der erforderlichen konservierend-chirurgischen Behandlungsmaßnahmen ohne größere Änderungen der Prothese der neuen Gebißsituation hätte angepaßt werden können. Insoweit stütze sich der Senat auf die gutachtliche Stellungnahme des Zahnarztes Dr. M. und die Fachkunde seiner beiden zahnärztlichen ehrenamtlichen Richter. Die Patientin F. habe zur Erlangung eines funktionsfähigen Gebisses einer neuen Unterkieferprothese bedurft. Auch sei das Verhalten des Klägers schuldhaft gewesen. Die Auferlegung der Kosten des Gutachtens O. gründe sich auf § 20 Abs 2 Satz 2 ZEKV.
Mit der Revision macht der Kläger geltend, für die Festsetzung eines Schadensersatzanspruchs seien nach dem ZEKV ausschließlich die Disziplinarinstanzen zuständig und nicht der Vorstand der KZÄV, der im vorliegenden Fall tätig geworden sei. Das LSG habe ferner nicht geprüft, ob sich nicht aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen ergebe, daß Schadensersatzansprüche wegen der Vertragsverletzung innerhalb einer Frist von sechs Monaten geltend zu machen seien. Dem Patienten gegenüber sei der an der kassenzahnärztlichen Versorgung teilnehmende Zahnarzt zur Sorgfalt nach den Vorschriften des bürgerlichen Vertragsrechts verpflichtet. Dieser Maßstab müsse auch gegenüber der Krankenkasse gelten. Dementsprechend richte sich auch die Gewährleistungspflicht des Zahnarztes nach Werkvertragsrecht, das die Gewährleistung auf die Dauer von sechs Monaten befriste. Im vorliegenden Fall sei bis zur Einleitung des Gutachterverfahrens mehr als ein Jahr verstrichen. Durch die rechtswidrige Durchführung des Gutachterverfahrens sei er in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 12. Oktober 1988 - L 1 Ka 147/87 - aufzuheben und die Berufungen gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 5. November 1986 zurückzuweisen.
Die Beklagte und die Beigeladenen beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Gegenstand der Klage ist, wie das LSG zutreffend entschieden hat, ein Schadensersatzanspruch. Im angefochtenen Widerspruchsbescheid hat die Beklagte den Kläger für einen Schaden in Anspruch genommen, nämlich für die Kosten der erneuten prothetischen Versorgung der Patientin F. einschließlich der Begutachtung, weil der Kläger diese Kosten durch vertragswidriges Verhalten verursacht habe. Der Anspruch der Beklagten richtet sich nicht etwa auf Erstattung des Honorars, das der Kläger für die Behandlung der Patientin F. erhalten hatte. Nach dem Widerspruchsbescheid wird der Vergütungsanspruch des Klägers für die von ihm erbrachten Leistungen nicht bestritten.
Für die Feststellung des Schadensersatzanspruchs und die darauf gestützte Belastung des Honorarkontos des Klägers war die Beklagte zuständig. Die Beklagte konnte insoweit das Rechtsverhältnis zum Kläger durch Verwaltungsakt regeln.
Insbesondere ist die Forderung, über die die Beklagte im angefochtenen Bescheid entschieden hat, öffentlich-rechtlicher Natur. Die Forderung leitet sich her aus dem ZEKV, denn die Beklagte verlangt Ersatz des Schadens, der durch die Verletzung dieses Vertrages entstanden ist. Nach § 4 Ziff 1 des Vertrages ist der Vertragszahnarzt verpflichtet, die Versorgung der Anspruchsberechtigten nach den Bestimmungen dieses Vertrages durchzuführen. Gegenstand des Vertrages sind auch die Folgen von Pflichtverletzungen, so die Berechtigung von Abrechnungen bei Unwirtschaftlichkeit einer Leistung (§ 14 ZEKV). Von einem Schadensersatzanspruch wegen Verletzung des Vertrages gehen die Vorschriften der §§ 15 Ziff 3, 19 Ziff 1 Satz 2 ZEKV aus.
Die Zuständigkeit der Beklagten folgt ebenfalls aus dem ZEKV, und zwar aus § 12 Ziff 6 des Vertrages. Danach setzt die KZÄV durch Vertragsinstanzen anerkannte Forderungen einer Vertragskasse gegen einen Vertragszahnarzt aus dem ZEKV bei der nächsten Abrechnung ab. Anerkannt werden Forderungen der Vertragskassen gegen einen Vertragszahnarzt nicht nur in den ausdrücklich genannten Fällen der §§ 15 Ziff 3 und 19 Ziff 1 Satz 2 ZEKV. Vielmehr erfaßt § 12 Abs 6 ZEKV alle Forderungen von Vertragskassen gegen Vertragszahnärzte, die aus dem ZEKV hergeleitet werden und über die Vertragsinstanzen zu entscheiden haben. Die KZÄV, die die vertragsgemäße Versorgung der Versicherten sicherzustellen hat, ist allgemeine "Vertragsinstanz". Sie hat über Schadensersatzansprüche der Vertragskassen gegen Vertragszahnärzte zu entscheiden, soweit nicht andere Vertragsinstanzen zuständig sind. Im ZEKV wird nämlich ein umfassendes Rechtsverhältnis zwischen KZÄV und Vertragszahnarzt geregelt. Die Pflicht zur Durchführung der Versorgung nach den Bestimmungen des Vertrages hat der Vertragszahnarzt gegenüber der KZÄV, der die Sicherstellung der Versorgung obliegt (§ 1 ZEKV). Ihr obliegt die Beteiligung der Ärzte an der vertragszahnärztlichen Versorgung (§ 2 ZEKV), wenn auch nach den Richtlinien der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung über die Beteiligung an der Vertragstätigkeit vom 1. Februar 1969 (Anlage 5 zum ZEKV) über den Antrag und die Entziehung ein Beteiligungsausschuß entscheidet (ohne Vertreter der Ersatzkassen). Einen Vergütungsanspruch hat der Vertragszahnarzt grundsätzlich nur gegen die KZÄV (§ 10 Ziff 2 ZEKV). Die KZÄV ist Partnerin des Rechtsverhältnisses zum Zahnarzt, der ihr Mitglied ist. Aufgrund dieser Rechtsbeziehungen ist die KZÄV auch berufen, die Rechte aus dem Vertrag gegenüber dem Vertragszahnarzt geltend zu machen, soweit nicht besondere Vertragsinstanzen zuständig sind. Dadurch wird nicht ausgeschlossen, daß sich aus dem ZEKV auch einzelne Forderungen der Vertragskassen gegen Vertragszahnärzte ergeben, die von der KZÄV lediglich geltend gemacht werden.
Die Zuständigkeit der KZÄV für die Regelung von Schadensersatzansprüchen wegen Verletzung von Pflichten nach dem ZEKV ist nicht durch Kompetenzzuweisungen an andere Vertragsinstanzen ausgeschlossen. Dem LSG ist darin zu folgen, daß den Disziplinarinstanzen für die Verpflichtung zum Schadensersatz bei Vertragsverletzungen keine ausschließliche Zuständigkeit eingeräumt ist. Schon der Wortlaut des § 19 Ziff 1 Satz 2 ZEKV spricht gegen die Ausschließlichkeit. Die Verpflichtung des Vertragszahnarztes zum Schadensersatz bei einer Vertragsverletzung ist danach den Disziplinarinstanzen nicht durch eine Mußvorschrift aufgegeben, sie sind dazu lediglich berechtigt. Dem Wortlaut kommt insoweit auch besonderes Gewicht zu. Die Regelung des Schadensersatzanspruchs wegen vertragswidriger Verordnungsweise ist den Prüfungsinstanzen nach dem eindeutigen Wortlaut des § 15 ZEKV nicht freigestellt. Auf Antrag einer Vertragskasse stellen sie fest, ob und in welcher Höhe der Vertragszahnarzt der Vertragskasse den entstandenen Schaden zu ersetzen hat. Die Vertragskassen haben ein erhebliches Interesse daran, daß ihnen gegenüber bestehende Schadensersatzpflichten festgestellt werden. Ob sie ihren Schaden gegenüber dem Vertragszahnarzt auf anderem Wege überhaupt durchsetzen könnten, ist zumindest unsicher. Wenn die Disziplinarinstanzen zum Ausspruch der Schadensersatzverpflichtung nur berechtigt sind, dann sind die Vertragspartner des ZEKV davon ausgegangen, daß die Rechte der Vertragskassen auf andere Weise sichergestellt sind. § 19 Ziff 1 Satz 2 ZEKV begründet lediglich aus Gründen der Verfahrensökonomie eine zusätzliche Zuständigkeit der Disziplinarinstanzen, die sich mit dem Gegenstand der Vertragsverletzung ohnehin befaßt haben und deshalb nach ihrem pflichtgemäßen Ermessen berechtigt sein sollen, über daraus folgende Schadensersatzansprüche zu entscheiden.
Die Prüfungseinrichtungen sind nicht zuständig, insbesondere verbietet sich eine analoge Anwendung des § 15 Ziff 3 ZEKV. Wenn die Prüfungseinrichtungen danach den Ersatz des entstandenen Schadens regeln, so geht es nach dem Zusammenhang nur um den Schaden aus einer vertragswidrigen Verordnungsweise. Daraus folgt keine Rechtfertigung für die Anwendung der Vorschrift auch bei anderen Vertragsverletzungen. Es ist nicht zu erkennen, daß der ZEKV insoweit eine Lücke offen läßt, die durch Analogie geschlossen werden müßte. Vielmehr entspricht dem ZEKV die umfassende und Auffangzuständigkeit der KZÄV. Von der internen satzungsmäßigen Zuständigkeit des Vorstandes der beklagten KZÄV geht das LSG aus.
Der beigeladenen Ersatzkasse steht ein Schadensersatzanspruch gegen den Kläger zu.
Der ZEKV begründet zwar Schadensersatzansprüche der Ersatzkasse gegen Vertragszahnärzte nicht ausdrücklich. Vom Bestehen solcher Ansprüche gehen aber die Bestimmungen der §§ 15 Ziff 3 und 19 Ziff 1 Satz 2 ZEKV aus. Es könnte fraglich sein, ob dem Zahnarzt die Pflichten aus dem ZEKV, um deren Verletzung es im vorliegenden Fall geht, nur gegenüber der KZÄV oder auch gegenüber der Vertragskasse obliegen. Jedenfalls bewirkt der ZEKV wie ein Vertrag mit Schutzwirkungen für Dritte unmittelbar Ansprüche der Vertragskassen, wenn der Vertragszahnarzt vertragliche Pflichten schuldhaft verletzt und ihnen dadurch einen Schaden zufügt. Im Urteil vom 7. Dezember 1988 - 6 RKa 35/87 - (SozR 5550 § 18 EKV-Ärzte Nr 1) hat der Senat bereits einen Schadensersatzanspruch der Vertragskasse gegen einen Vertragsarzt wegen Pflichtverletzungen bei Verordnungen aus den Bestimmungen des Arzt/Ersatzkassenvertrages (EKV-Ärzte) hergeleitet und sich dabei auf den dem Rechtsinstitut des Vertrags mit Schutzwirkungen zugunsten Dritter zugrundeliegenden Rechtsgedanken gestützt. Dies ist auch im vorliegenden Fall gerechtfertigt.
Als Voraussetzungen für einen Vertrag mit Schutzwirkungen für Dritte wird verlangt, daß der Dritte sich in Leistungsnähe befindet und daß er dem Gläubiger nahesteht (vgl v. Einem ZfS 1985, 289, 294). Der Gläubiger hat zwar grundsätzlich nur Anspruch auf Ersatz des Schadens, der ihm selbst entsteht. Dem Sinn und Zweck eines Schadensersatzes wegen Vertragsverletzungen entspricht es aber, dem Gläubiger den Anspruch auch dann zuzugestehen, wenn bestimmungsgemäß ein Dritter mit der Leistung in Berührung kommt und den Gefahren von Leistungsstörungen ebenso ausgesetzt ist wie der Gläubiger selbst. Darüber hinaus ist der Schadensersatzanspruch dann gerechtfertigt, wenn der Gläubiger ein besonderes Interesse am Schutz des Dritten hat, so daß dessen Interessen in den Vertrag einzubeziehen sind (BGHZ 49, 350, 354; v. Einem, aaO). Wenn - wie es hier die Beklagte geltend macht - ein Vertragszahnarzt einen Versicherten mangelhaft mit Zahnersatz versorgt und dadurch die Anfertigung eines neuen Zahnersatzes notwendig wird, trifft der Schaden bestimmungsgemäß die Ersatzkasse. Die KZÄV setzt zwar anerkannte Forderungen der Vertragskasse gegen den Vertragszahnarzt bei der nächsten Abrechnung mit diesem ab, ist aber von der Vertragskasse schadlos zu halten, wenn sie die Forderungen nicht durchsetzen kann (§ 12 Ziff 6 ZEKV). Daraus ergibt sich hier auch die besondere rechtliche Interessenverknüpfung zwischen Ersatzkasse und der KZÄV, die dem System der vertragszahnärztlichen Versorgung entspricht. Die Annahme eines Schadensersatzanspruchs der beigeladenen Ersatzkasse in Anlehnung an das Rechtsinstitut eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter würde der Rechtslage auch dann gerecht, wenn der Kläger als zugelassener Kassenzahnarzt Mitglied der Beklagten wäre. Das Mitgliedsverhältnis kann - zumindest im Sinn des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter - als Schuldverhältnis qualifiziert werden (v. Einem, aaO, S 295 f).
Der Kläger hat bei der Versorgung der Patientin F. Pflichten aus dem ZEKV verletzt. Die Leistung war nicht nach den Regeln der ärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig (vgl § 14 ZEKV). Nach den Feststellungen des LSG, die nicht mit Revisionsgründen angegriffen sind, hat der Kläger mehrfach gegen die Richtlinien des Bundesausschusses der Zahnärzte und Krankenkassen für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche kassenzahnärztliche Versorgung mit Zahnersatz und Zahnkronen vom 25. November 1977 - Zahnersatzrichtlinien - (BAnZ Nr 32 vom 9. Dezember 1977) verstoßen, die gemäß § 525c Abs 3 Satz 2 Reichsversicherungsordnung (RVO) auch im vertragszahnärztlichen Bereich gelten. Der Kläger hat der Patientin F. einen kombinierten festsitzenden/abnehmbaren Zahnersatz im Unterkiefer eingesetzt und dabei mehrere Zähne überkront, obwohl sie im Zeitpunkt der prothetischen Versorgung erkrankt und unbehandelt waren. Damit hat er jedenfalls gegen die Bestimmung des Abschnitts I Ziff 9 Buchst c der Richtlinien verstoßen, wonach vor der Versorgung mit Zahnersatz bei Zähnen mit krankhaften Prozessen Maßnahmen zur Ausheilung eingeleitet sein müssen. Diese Richtlinie ist zumindest im Regelfall zu beachten. Nach den Feststellungen des LSG sind Umstände, die im vorliegenden Fall ein anderes Vorgehen rechtfertigen könnten, nicht ersichtlich. Die vom Kläger eingefügte Prothese hätte auch nicht nach späterer Durchführung der erforderlichen konservierend-chirurgischen Behandlungsmaßnahme ohne größere Änderung der neuen Gebißsituation angepaßt werden können.
Das Verhalten des Klägers war schuldhaft. Es hat eine neue prothetische Versorgung der Patientin F. notwendig gemacht. Damit liegen die Voraussetzungen für die Entstehung des Schadensersatzanspruchs der beigeladenen Ersatzkasse vor.
Die Geltendmachung des Anspruchs ist nicht durch den Ablauf einer Frist ausgeschlossen. Mit zutreffender Begründung hat das LSG dargelegt, daß weder § 45 des Sozialgesetzbuches - Verwaltungsverfahren - (SGB X) anwendbar ist noch im vertragszahnärztlichen Bereich eine Ausschlußfrist für Schadensersatzansprüche gilt. Es gibt auch keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz dahin, daß Schadensersatzansprüche wegen der Vertragsverletzung innerhalb einer auf sechs Monate zu bemessenden Frist geltend zu machen sind. Entgegen der Meinung des Klägers war der Schadensersatzanspruch schließlich nicht innerhalb einer sechsmonatigen Gewährleistungspflicht nach Werkvertragsrecht geltend zu machen. Der auf zahnprothetische Behandlung gerichtete Vertrag ist nämlich ein Dienstvertrag. Das Gewährleistungsrecht des Werkvertrages gilt nur, soweit es sich lediglich um die technische Anfertigung der Prothese handelt und keine spezifische zahnärztliche Heilbehandlung vorliegt; außer der technischen Anfertigung der Prothese gehören alle übrigen mit der zahnprothetischen Versorgung zusammenhängenden Verrichtungen zur Heilbehandlung als Dienstleistungen höherer Art. Nach Dienstvertragsrecht richten sich sowohl die Bemühungen um die Erhaltung gefährdeter Zähne wie die Eingliederung der Prothese (BGH NJW 1975, 305, 306).
Der Schadensersatzanspruch ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil das von der beigeladenen Ersatzkasse eingeleitete Gutachterverfahren nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden ist. Nach den Vorschriften des ZEKV war ein solches Verfahren für die Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs nicht notwendig. Zutreffend hat das LSG ferner entschieden, daß die Ergebnisse von Gutachten, die gemäß § 20 ZEKV auf Verlangen der Vertragskasse erstellt werden, nicht verbindlich sind. Gründe für die Anfechtung von Feststellungen des LSG ergeben sich aus den Verfahrensverstößen bei Erstellung des Gutachtens ebenfalls nicht, denn das LSG hat sich nicht auf das Ergebnis des Gutachtens gestützt.
Der Schadensersatzanspruch ist aus allen diesen Gründen gegeben. Zutreffend hat das LSG ihn auch der Höhe nach als gerechtfertigt angesehen. Insbesondere haben sich gegen die Auferlegung der Kosten des Gutachtens gemäß § 20 Abs 2 Satz 2 ZEKV aF keine Beanstandungen ergeben.
Die Kostentscheidung wird auf § 193 SGG gestützt.
Fundstellen
Haufe-Index 1664701 |
NJW 1991, 2988 |