Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensanrechnung. aktuelles Einkommen. historisches. Einkommen. Vorbehalt. Rückforderungsvorbehalt. Günstigkeitsprinzip. Bindung an Antrag
Leitsatz (amtlich)
Der Antrag; Erziehungsgeld nach Maßgabe des Einkommens im aktuellen Jahr zu gewähren, läßt einen Anspruch auf Erziehungsgeld nach dem Einkommen im vorletzten Jahr vor der Geburt des Kindes nicht erlöschen.
Normenkette
BErzGG § 6 Abs. 1, 4, § 5 Abs. 2; SGB X § 32
Verfahrensgang
LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 11.01.1991; Aktenzeichen L 6 Eg 5/90) |
SG Speyer (Urteil vom 24.04.1990; Aktenzeichen S 8 Eg 18/89) |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 11. Januar 1991 aufgehoben. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 24. April 1990 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten über die Höhe einer Einkommensanrechnung beim Erziehungsgeld (Erzg) und eine sich hieraus ergebende Rückforderung von Erzg.
Die als Beamtin tätige Klägerin reduzierte nach der Geburt ihres Sohnes Andreas am 20. Mai 1988 im Anschluß an die Mutterschutzfrist ihre wöchentliche Arbeitszeit auf 20 Stunden. Beim Beklagten stellte sie den Antrag, der Berechnung des Erzg in der einkommensabhängigen Phase das aktuelle Einkommen (des Jahres 1988) zugrunde zu legen. Da der Arbeitgeber des Ehemannes der Klägerin eine Bescheinigung über das voraussichtliche Einkommen im Jahre 1988 nicht ausstellte, erklärte sich die Klägerin damit einverstanden, daß das Erzg zunächst nach dem Einkommen des Jahres 1986 berechnet werden sollte. Danach wurde das Erzg für die Zeit ab dem Beginn des 7. Lebensmonats des Kindes auf monatlich 314,– DM festgesetzt (Bescheid vom 29. Juli 1988). Der Bescheid enthielt einen Vorbehalt der Rückforderung für den Fall, daß das tatsächlich erzielte Einkommen im Jahre 1988 höher sei als das der Berechnung zugrunde gelegte Einkommen des Jahres 1986. Aus dem später vorgelegten Einkommenssteuerbescheid des Jahres 1988 ergab sich wegen einer Steuerbegünstigung für eine eigengenutzte Wohnung entgegen der ursprünglichen Erwartung der Klägerin ein höheres Nettoeinkommen als im Jahre 1986. Der Beklagte hob daraufhin seinen Bewilligungsbescheid teilweise auf und forderte zu viel gezahltes Erzg in Höhe von 1.210,98 DM von der Klägerin zurück. Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein und stellte den Antrag, der endgültigen Berechnung des Erzg ab dem 7. Lebensmonat ihres Kindes das Einkommen des Jahres 1986 zugrunde zu legen. Dies lehnt der Beklagte ab (Widerspruchsbescheid vom 5. Oktober 1989).
Das Sozialgericht (SG) hat der Klage stattgegeben (Urteil vom 24. April 1990). Nach Auffassung des SG hat der Beklagte den ursprünglichen Bewilligungsbescheid zu Unrecht mit einem Rückforderungsvorbehalt versehen. Nach § 6 Abs. 4 Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) sei ein entsprechender Vorbehalt nur dann zulässig, wenn die Berechnung des einkommensabhängigen Erzg nach dem aktuellen, noch nicht feststehenden Einkommen erfolge und dieses niedriger sei als das historische Einkommen nach § 6 Abs. 1 Satz 1 BErzGG. Da der Beklagte das historische Einkommen berücksichtigt habe, habe die Klägerin Erzg nur in der Höhe erhalten, wie es ihr auch ohne Antrag nach § 6 Abs. 4 Satz 1 BErzGG zugestanden hätte. Im übrigen stelle die Wahlmöglichkeit eine den Berechtigten nur begünstigende Regelung dar. Das auf der Grundlage von § 6 Abs. 1 Satz 1 BErzGG berechnete Erzg stehe dem Berechtigten in jedem Fall zu. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 11. Januar 1991). Es vertritt die Auffassung, der von der Klägerin gestellte Antrag auf Berücksichtigung des aktuellen Einkommens sei für die Bewilligungsbehörde auch dann bindend, wenn sich die Berechnung im nachhinein als ungünstig erweise.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin vor allem eine Verletzung von § 6 BErzGG. Das LSG habe verkannt, daß der Gesetzgeber als obere Einkommensgrenze die Summe der im vorletzten Kalenderjahr vor der Geburt erzielten Einkünfte habe zugrunde legen wollen.
Sie beantragt,
das Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 11. Januar 1991 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG Speyer vom 24. April 1990 zurückzuweisen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Klägerin ist begründet. Das der Klage stattgebende Urteil des SG ist wiederherzustellen. Der angefochtene Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid ist rechtswidrig. Dem Beklagten steht ein Anspruch auf Rückzahlung überzahlten Erzg gegen die Klägerin nicht zu.
Der Beklagte kann einen Rückzahlungsanspruch nicht aus dem im Bewilligungsbescheid ausgesprochenen „Vorbehalt der Rückforderung” herleiten. Dieser Vorbehalt ist eine Nebenbestimmung zum Bewilligungsbescheid (§ 32 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch ≪SGB X≫), die in § 6 Abs. 4 Satz 2 BErzGG ausdrücklich vorgesehen ist.
Die Zulässigkeit des Vorbehalts, insbesondere sein Umfang und Gegenstand, bestimmen sich nach § 6 Abs. 4 BErzGG. Dieser ist hier idF des Gesetzes vom 6. Dezember 1985 (BGBl I S 2154) anzuwenden. Die späteren Änderungen erfassen nach ihrem zeitlichen Geltungsbereich nicht den hier streitigen Zeitraum von November 1988 bis Mai 1989. Die Einfügung von § 6 Abs. 4 Satz 2 durch Art. 1 Nr. 6 Buchst c des Gesetzes zur Änderung des BErzGG und anderer Vorschriften (BErzGGÄndG) vom 30. Juni 1989 (BGBl I S 1297) ist nach dessen Art. 8 Abs. 1 erst zum 1. Juli 1989 in Kraft getreten. Daran hat auch § 39 Abs. 2 BErzGG idF des Gesetzes über Maßnahmen zur Bewältigung der finanziellen Erblasten im Zusammenhang mit der Herstellung der Einheit Deutschlands, zur langfristigen Sicherung des Aufbaus in den neuen Ländern, zur Neuordnung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs und zur Entlastung der öffentlichen Haushalte, Gesetz zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms (FKPG) vom 23. Juni 1993 (BGBl I S 944) nichts geändert (s. hierzu im einzelnen Urteil vom 10. August 1993, 14b/4 REg 9/91).
Die Aufnahme eines Rückforderungsvorbehalts nach § 6 Abs. 4 Satz 2 (ab 1. Juli 1989 Satz 3) BErzGG in den Erzg gewährenden Bescheid setzt nach § 6 Abs. 4 Satz 1 BErzGG voraus, daß die Erzg-Behörde bei der Gewährung von Erzg während der einkommensabhängigen Phase anstelle des nach § 6 Abs. 1. BErzGG grundsätzlich zu berücksichtigenden historischen Einkommens (Einkommen im vorletzten Kalenderjahr vor der Geburt) das aktuelle Einkommen (Einkommen des Kalenderjahres, in dem der 7. bzw der 19. Lebensmonat des Kindes beginnt) des Berechtigten und seines Ehegatten heranziehen darf. Nach § 6 Abs. 4 Satz 1 BErzGG setzt dies einen entsprechenden Antrag des Berechtigten voraus, der gestellt werden kann, wenn das aktuelle Einkommen voraussichtlich geringer ist als das historische.
Hierbei muß die Erwartung des Berechtigten durch konkrete Anhaltspunkte (etwa die Herabsetzung der Zahl der Arbeitsstunden nach der Geburt des Kindes) belegt werden. Das Gesetz läßt die Wahl des aktuellen Einkommens schon dann zu, wenn der Berechtigte eine Einkommensminderung gegenüber dem vorletzten Jahr vor der Geburt des Kindes lediglich erwartet, seine Einkommensprognose für das laufende Jahr aber noch nicht konkretisieren kann und die Höhe des voraussichtlichen Einkommens schätzen muß. Liegen für eine verläßliche Schätzung keine ausreichenden Anhaltspunkte vor, so kann die Erzg-Behörde der Einkommensberechnung auch – wie geschehen – vorläufig das historische Einkommen zugrunde legen, obgleich das Gesetz diese Möglichkeit nicht erwähnt. § 6 Abs. 4 Satz 2 BErzGG enthält nach seinem Wortlaut allein den Vorbehalt der Rückforderung, nicht aber den der Nachzahlung. Dies könnte zu der Annahme führen, daß der Gesetzgeber bei der Zugrundelegung des aktuellen Einkommens nur den Fall der Überzahlung im Auge hatte, der nur eintreten kann, wenn sich bei der endgültigen Einkommensfeststellung herausstellt, daß ein zu niedriger Betrag als voraussichtliches Einkommen zugrunde gelegt worden ist. Eine derartige Einschränkung der Vorbehaltsklausel war jedoch, wie sich aus den Gesetzesmaterialien ergibt, von vornherein nicht beabsichtigt. Zur Vorbehaltsklausel in § 6 Abs. 4 enthält der Gesetzentwurf der Bundesregierung (BT-Drucks 10/3792, S 17) folgende Begründung: „Sobald sich das erzielte Einkommen für das Jahr, in dem der siebte Lebensmonat des Kindes beginnt, endgültig feststellen läßt, wird abschließend entschieden. Ergibt sich dabei, daß der Berechtigte zu wenig Erzg erhalten hat, wird der Unterschiedsbetrag nachgezahlt. Ergibt sich, daß der Berechtigte zu viel Erzg erhalten hat, hat er den überzahlten Betrag zurückzuzahlen.” Dieser Auffassung ist im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens und bei den nachfolgenden Novellierungen des Gesetzes nicht widersprochen worden. Sie findet im Schrifttum einhellige Zustimmung (Wiegand, BErzGG, § 6 RdNr. 33; Grüner-Dalichau, BErzGG, § 6 Anm. I; Zmarzlik/Zipperer/Viethen, Mutterschutzgesetz, 5. Aufl, § 6 BErzGG, RdNr. 21) und entspricht auch der Verwaltungspraxis (Bundesminister für Familie und Senioren, Richtlinien zur Durchführung des BErzGG ≪RL-BErzGG≫, nicht veröffentlicht, Anm. 3.4, 2, Abs. zu § 6). § 6 Abs. 4 Satz 2 BErzGG ist von daher im Sinne einer allgemeinen Vorbehaltsklausel für den Fall der endgültigen Einkommensfeststellung zu verstehen.
Legt die Erzg-Behörde keinen geschätzten, die Höhe des historischen Einkommens unterschreitenden Betrag zugrunde, sondern das historische Einkommen unter dem Vorbehalt der endgültigen Festsetzung beim Nachweis des aktuellen Einkommens, so kann die Vorbehaltsklausel im Bewilligungsbescheid keine Rückforderung begründen. Wenn sich bei der endgültigen Einkommensfeststellung herausstellt, daß entsprechend den Erwartungen des Antragstellers das aktuelle Einkommen niedriger ausgefallen ist als das historische, hat der Erzg-Berechtigte einen Anspruch auf Zahlung der Differenzsumme (so auch: RL-BErzGG, § 6 Anm. 3.4). Ist das tatsächliche Einkommen entgegen der Erwartung höher als das historische, so läßt der Wortlaut von § 6 Abs. 4 Satz 3 BErzGG zwar bei isolierter Betrachtung die Geltendmachung des Rückforderungsvorbehalts durch die Erzg-Behörde zu. Er ist in diesem Sinne aber nicht eindeutig.
Der Gesetzeswortlaut – auf Antrag ist das Einkommen im aktuellen Jahr zugrunde zu legen, „wenn es voraussichtlich geringer ist als im” historischen Jahr – kann auch iS von „soweit” zu verstehen sein. Die Rechtsprechung hat die Wortwahl („wenn” statt „soweit”) bisher nicht als allein entscheidend angesehen, sondern jeweils auf Sinn und Zweck der Regelung abgehoben. Sie hat etwa in Fällen, in denen das Ruhen eines Anspruchs wegen Zusammentreffens mit einem anderen gleichartigen Anspruch angeordnet wird, aus dem Normzweck, Leistungskumulierungen zu verhindern, geschlossen, daß der erste Anspruch nur bis zur Höhe des hinzutretenden Anspruchs ruht, auch wenn der Gesetzeswortlaut keine entsprechende Einschränkung (zB „insoweit”) enthält, sondern nur das Zusammentreffen als Voraussetzung des Ruhens (zB „wenn”) nennt (BSGE 62, 77, 81 == SozR 2200 § 1284 Nr. 2; BSGE 44, 226, 229 – SozR 2200 § 1241 Nr. 5; vgt auch BVerfGE 79, 87 = SozR 2200 § 183 Nr. 54), wenn eine entgegenstehende Absicht des Gesetzgebers nicht erkennbar war (vgl. hierzu BSGE 60, 189 = SozR 2200 § 183 Nr 60).
§ 6 BErzGG läßt Sinn und Zweck der in seinem Abs. 4 getroffenen Regelung nur undeutlich hervortreten, weil die Ausgestaltung des materiellen Anspruchs mit der Regelung der verwaltungsverfahrensmäßigen Abwicklung ineinanderfließt; jeweils nur unvollständig erfolgt und so dazu zwingt, aus der Regelung des Verwaltungsverfahrens Rückschlüsse auf die Vorstellung des Gesetzgebers über die materielle Rechtslage zu ziehen.
Hierbei ergibt das Schwergewicht der Gründe, daß der Gesetzgeber mit der in § 6 Abs. 4 Satz 1 BErzGG vorgesehenen besonderen Antragstellung nicht zwei Ansprüche auf Erzg zur Wahl des Berechtigten stellen wollte (Wahlschuld) mit der Folge, daß der nicht gewählte Anspruch erlischt. Es handelt sich vielmehr um nur einen Anspruch mit unterschiedlichen Berechnungsmodalitäten, wobei die Berechnungsweise nach Abs. 4 nur auf Antrag erfolgt und nur insoweit, als das nach Abs. 4 berechnete Erzg das nach Abs. 1 berechnete Erzg übersteigt (Günstigkeitsprinzip).
Dies folgt auch aus der in § 6 BErzGG zum Ausdruck kommenden Systematik der Einkommensanrechnung im Erzg-Recht. Gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 BErzGG wird Erzg vom Beginn des 7. Lebensmonats an einkommensabhängig gewährt. Als Einkommen ist im Regelfall die Summe der im vorletzten Kalenderjahr vor der Geburt des Kindes erzielten Einkünfte des Berechtigten und seines Ehegatten heranzuziehen (§ 6 Abs. 1 BErzGG). Der Rückgriff auf das Einkommen des vorletzten Jahres dient nicht nur der Verwaltungspraktikabilität, weil die Höhe des maßgebenden Einkommens so grundsätzlich durch Steuerbescheide nachgewiesen werden kann und deshalb verläßlich zu überprüfen ist (BT-Drucks 10/3792, S 17). Das historische Einkommen führt im Regelfall auch zu einer erheblichen Vergünstigung gegenüber dem aktuellen Einkommen, denn es läßt die gerade in jungerem Lobensalter häufig auftretenden überproportionalen Einkommenssteigerungen unberücksichtigt, die sich bei einer Heranziehung des aktuellen Einkommens sofort auf die Höhe des Erzg auswirkten.
Der Gesetzgeber hat somit für den Regelfall eine Berechnungsgrundlage gewählt, die sich für die Betroffenen günstig auswirkt. Von diesem Regelfall hat er zwei Ausnahmen gemacht. Zum einen wird das historische Erwerbseinkommen des Berechtigten gar nicht angerechnet, wenn er in der Zeit, in der das Erzg einkommensabhängig gewährt wird, selbst nicht erwerbstätig ist (§ 6 Abs. 3 BErzGG); zum anderen wird auf Antrag das aktuelle Einkommen zugrunde gelegt, wenn es voraussichtlich geringer ist als das historische Einkommen (§ 6 Abs. 4 Satz 1 BErzGG). Sinn und Zweck sowie der Aufbau des Gesetzes sprechen dafür, daß die beiden zuletzt genannten Regelungen zusätzliche über den Rahmen des § 6 Abs. 1 BErzGG hinausgehende Vergünstigungen sein sollen, die dann eingreifen, wenn die Grundregel des Abs. 1 sich im Einzelfall für den Betroffenen ungünstig auswirkt. Verbesserungen der Einkommenslage sollten mit den genannten Ausnahmeregelungen dagegen nicht erfaßt und zum Nachteil des Berechtigten angerechnet werden. Die Vergünstigung der Anrechnung des historischen Einkommens, die auch nach dem Aufbau der Regelungen in § 6 BErzGG vorrangig ist, sollte dem Erzg-Berechtigten in jedem Fall zustehen. Es ist auch kein Grund ersichtlich, warum der Erzg-Berechtigte bei der Wahl des aktuellen Einkommens mit dem Risiko belastet werden sollte, bei einer nachträglich eintretenden Einkommensverbesserung schlechter dazustehen als bei einem Verzicht auf die Ausübung des Wahlrechts.
Dem Beklagten war die Geltendmachung des Rückforderungsvorbehalts auch deshalb verwehrt, weil der Berechtigte seinen Antrag auf Berücksichtigung des aktuellen Einkommens wirksam widerrufen hat. Da hierdurch ein Antrag nach § 6 Abs. 4 BErzGG entfallen war, mußte der Beklagte bei der Einkommensanrechnung gemäß § 6 Abs. 1 BErzGG vom historischen Einkommen ausgehen. Der Berechtigte ist an einen Antrag nach Abs. 4 solange nicht gebunden, wie der Bescheid über die Gewährung von Erzg wegen des mit ihm nach Abs. 4 Satz 3 verbundenen Vorbehalts nicht in Bestandskraft erwächst. Erkennt der Berechtigte aufgrund der Berechnung nach dem nachträglich festgestellten aktuellen Einkommen daß seine anfängliche Prognose über die voraussichtliche Höhe des aktuellen Einkommens unzutreffend war, so kann er den – ihm zusätzlich zur Grundregel des Abs. 1 zur Verfügung stehenden – Antrag auf Heranziehung des aktuellen Einkommens widerrufen. Er kommt dann in den Genuß der „Regelanrechnung” nach § 6 Abs. 1 BErzGG, die nach der Konzeption des Gesetzes nicht unterschritten werden soll. Das BErzGG sieht – anders als bei der Bestimmung der erziehungsgeldberechtigten Person (§ 3 Abs. 2 BErzGG) – eine Bindung an den einmal gestellten Antrag auf Berücksichtigung des aktuellen Einkommens bis zu diesem Zeitpunkt nicht vor. Auch aus allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts läßt sich eine Bindung des Antragstellers vor dem Eintritt der Bestandskraft des Bescheides hier nicht ableiten (vgl. BSGE 60, 74, 82 ff = SozR 4100 § 100 Nr. 11; BSGE 50, 16, 19 == SozR 5750 Art. 2 § 51 a Nr. 36).
Da sich die Klägerin für die Berücksichtigung des historischen Einkommens entschieden hat, konnte der auf dieser Basis ergangene Bewilligungsbescheid auch aus diesem Grund nicht zu ihren Lasten geändert werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Fundstellen